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Deutsche Universität Prag

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Das Siegel der Universität; Zankapfel der Prager Universitäten

Mit dem Begriff Karl-Ferdinands-Universität wird gemein hin die Deutsche Universität in Prag gemeint, die als eigenständige Institution von 1882 bis 1945 bestanden hat.

Vorgeschichte

Die Karls-Universität, die älteste deutsche Universität, wurde 1348 von Karl IV. gegründet und war geraume Zeit die einzige Hochschule Deutschlands, die tief im tschechischen Kernland gelegen war. Prag war einer der größte europäische Städte des Mittelalters. Die Universität hatte, anhand erhaltener Hörerlisten, im Anfang des 15. Jahrhunderts bereits über 10,000 eingeschriebene Studenten, wobei 3/4 der Studenten Deutsche und 1/7 Tschechen waren. Infolge der Streitigkeiten mit den Reformator Jan Hus nahm ihr Einfluss aber erheblich ab. Kaiser Ferdinand III. vereinigt sie mit der katholischen Hochschule, die von den Jesuiten gegründet worden war. Ab diesem Zeitpunkt benennt sich die Prager Universität Karl-Ferdinands-Universität bzw. lateinisch Universitas Carolo-Ferdinandea. Ab dem Revolutionsjahr 1848 wird an der Karl-Ferdinands-Universität auch in Tschechisch unterrichtet. Diese Zweisprachigkeit wird bis 1882 durchgehalten.

Die Universitätsspaltung

Promotionsurkunde (70 x 51 cm) für Friedrich Hopfner (13. Januar 1905) von der deutschen Karl-Ferdinands-Universität

Die tschechischen Politiker verstärkten deshalb in den 1860er Jahren den Druck auf die Wiener Regierung mit der Forderung, an der Prager Universität eine konsequente Zweisprachigkeit einzuführen. In ihren Reihen wurde verlangt, die als Reichsanstalt gegründete Karlsuniversität in eine tschechische Landesuniversität umzuwandeln. Dieser Anspruch rührte unter anderem daher, daß in der tschechischen Sprache die Begriffe "böhmisch" als auch "tschechisch" mit dem Wort "cesky" wiedergegeben werden. Es ergibt sich erst aus dem Kontext des Satzes, ob mit "cesky" böhmische, also deutsche und tschechische Belange in Böhmen gemeint sind oder nur tschechische. Ein böhmisches Institut kann, durch das Wort "cesky" wiedergegeben, als ein rein tschechisches verstanden werden. 1864 wurde von deutscher Seite vorgeschlagen, eine eigene tschechische Universität zu gründen, was die tschechischen Professoren jedoch ablehnten, da sie auf die Tradition der Karlsuniversität nicht verzichten wollten. Geleichzeitig waren die Befürchtungen der deutschen Studenten und Lehrer bezüglich einer Tschechisierung der Prager Universität derart gestiegen, dass die österreichische Regierung einer besonderen Lösung zustimmte. So kam man im Wiener Parlament 1881 zu der Übereinkunft, die Universität in eine tschechische und eine deutsche Hochschule aufzuteilen, was 1882 vollzogen wurde. Beiden Universitäten wurden jedoch die alten kaiserlichen Insignien und Archivalien zugesprochen. 1882 wird die Karl-Ferdinands-Universität in eine deutsche Universität (k.k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität) und eine tschechische (k.k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität) geteilt. Nachdem die Gleichstellung des Tschechischen und des Deutschen auf behördlicher Ebene bereits 1880 durch Carl von Stremeyer erfolgte. Bei dieser, wie auch andere Maßnahmen (Punktationen von 1890), ging es um den tschechisch-deutschen Ausgleich in Österreich-Ungarn. Die Größe der beiden Universitäten war 1890:

k.k. deutsche Karl-Ferdinands-Universität besaß 4 Fakultäten mit 146 Lehrer und 1483 Studenten

k.k. böhmische Karl-Ferdinands-Universität besaß 3 Fakultäten mit 112 Lehrer und 2191 Studenten.

Gemeinsam teilten sie sich die klinischen und wissenschaftlichen Institute, wie auch die Bibliothek und den botanischen Garten. Die deutsche Universität in Prag hatte zwar dem Gesetz nach den gleichen Status wie die tschechische Universität, hatte aber in Wirklichkeit vor allem materiell die ungleich besseren Ausgangsbedingungen. Die Institute, Kabinette und Bibliotheken sowie die Kliniken an den medizinischen Fakultäten waren nämlich anhand dessen aufgeteilt worden, für welche Universität sich die einzelnen Professoren entschieden hatten. Aufgrund der ungleichen Entwicklung vor der Teilung waren die Professoren zumeist Deutsche, die selbstverständlich an der deutschen Universität weiter lehren wollten. Was nichts anderes bedeutete, als dass die tschechische Universität in vielerlei Hinsicht von Grund auf neu errichtet werden musste. Ihr Blütezeit erlebte die Karl-Ferdinands-Universität vor dem Ersten Weltkrieg. Weltbekannte Wissenschaftler haben ihre Vorlesungen dort gehalten. Zu ihnen gehörten unter anderen der Physiker und Philosoph Ernst Mach, der in Prag nahezu 30 Jahre lang lebte, der Indologe Moritz Winternitz und insbesondere der Entdecker der Relativitätstheorie Albert Einstein, der hier als Professor für theoretische Physik in drei Semestern von 1911 bis 1912 seine Vorlesungen hielt. Aber auch unter den Studenten finden wir prominente Persönlichkeiten, wie z. B. die späteren Schriftsteller Max Brod und Franz Kafka.

Der Insignienstreit

Im Herbst 1918 forderten tschechische Politiker von der deutschen Hochschule die Herausgabe der Universitäts-Insignien von 1348 an die tschechische Universität. Mit den Insignien der Prager Universität sind die Gründungsurkunde mit dem Siegel, die Zepter der vier Fakultäten und des Rektors, sowie dessen Amtskette gemeint. Der damalige Rektor der deutschen Universität, Prof. Naegle, widersetzte sich diesen Forderungen jedoch energisch. Gegen die folgende militärische Besetzung der deutschen Universitätsgebäude protestierte Naegle persönlich vor dem tschechischen Ministerpräsidenten Karel Kramář. 1920 wurde das Lex-Mares-Gesetz erlassen, das nach seinem Initiator, dem Professor der Physiologie Frantisek Mares benannt wurde. Darin wurde gefordert, dass die tschechische Universität zum einzigen Nachfolger der Ur-Universität erklärte. Sie durfte ab 1920 den Namen Karls-Universität tragen, während die deutsche Universität diesen Zusatz aus ihrem Namen streichen musste. Begründet wurde der Anspruch der tschechischen Universität damit, dass die Universität 1348 von Karl I. als König von Böhmen und eben nicht von Karl IV. als Kaiser von Deutschland gegründet worden war. Die Tatsache, daß der römisch-deutsche Kaiser die Hochschule als Reichsuniversität gegründet hatte, wurde per Dekret als Fälschung ausgelegt. Die nationalistischen Politiker, wie Staatspräsident Jan Masaryk oder Edward Benes, wußten, daß August Naegle die Insignien der Karlsuniversität auch durch die Entfaltung vielen Schikanen und Benachteiligungen, bis zum äußersten verteidigen würde. Erst nach seinem Tod im Oktober 1932 setzte der Streit um die Insignien der Karlsuniversität wieder ein. Die nationalen Spannungen verschärften sich, obwohl einige Professoren der Karl-Ferdinands-Universität sogar Mitglieder der tschechischen Regierung waren, wie z. B. Franz Spina, oder Robert Mayr-Harting. Der tschechische Rektor Karel Domin, erwirkte beim Unterrichtsministerium einen diesbezüglichen Erlaß. Am 21. November 1934 wurde der deutschen Universität unterbreitet, daß sie die Insignien an die tschechische Hochschule auszuliefern habe. Deren Senat entsandte jedoch eine Abordnung zum Unterrichtsminister, um zu protestieren. Tschechische Studenten beschlossen nun, die Insignien mit Gewalt an sich zu reißen. Am Mittag des 24. November sammelten sich mehrere tausend Tschechen vor dem deutschen Universitätsgebäude. Rektor Karel Domin hielt eine Ansprache, und auf seine Aufforderung hin setzte die Masse zum Sturm an. Unter dem Eindruck dieser gewalttätigen Ausschreitungen, entschloß sich der deutsche Rektor, Professor Grosser, am 25. November, die Insignien zu übergeben, nachdem eine Übereinkunft, wie etwa die gemeinschaftliche Nutzung für beide Universitäten, von der Karls-Universität kategorisch abgeleht wurde. 1934 wurde das Hauptgebäude der Universität, das Carolinum, im Grundbuch als tschechischer Besitz eingetragen. Der Insignienstreit von 1934 belastete das Verhältnis beider Hochschulen aufs Äußerste. Für die deutsche Minderheit in Tschechien war die Karl-Ferdinands-Universität der kulturelle, sprachliche und nationaler Rückhalt, während für die tschechene Mehrheit, diese symbolischen Insignien der Anspruch auf eine homogene nationale Identität darstellte. Nach dem Münchener Abkommen im Herbst 1938 lehnte deutsche Universität ihre Loyalität zum tschechoslowakischen Staat ab und ihre Hochschullehrer wanderten in großer Zahl nach Deutschland oder nach Wien. Nach der Besetzung der Tschechiens durch deutsche Truppen im März 1939 wurden am 30. August 1939 die historischen Insignien der deutschen Hochschule durch einen Vertreter der Reichsprotektors zurückgegeben. Als Reaktion auf eine Demonstration tschechischer Studenten ließ Hitler neun angebliche Rädelsführer erschießen und alle tschechischen Hochschulen am 17. November 1939, für vorerst drei Jahre schließen. Sie wurden jedoch bis zum Kriegsende nicht wieder geöffnet.

Das Ende

Die Universitätsgebäude Karl-Ferdinands-Universität

Mit Beginn des Semesters 1939/40 wurde die Karl-Ferdinands-Universität dem Schulministerium in Berlin unterstellt und zu einer Reichsuniversität erklärt. Bis Kriegsende wurde daher einzig an der deutschen Universität in Prag gelehrt. In dieser Zeit wurde sie ganz offiziell als Deutsche Karls-Universität in Prag geführt. Beim Einmarsch der Roten Armee in Prag fielen der Hatz auf die deutschen Prager allein 30 Professoren der Karl-Ferdinands-Universität und zahlreiche Studenten zum Opfer. Nach dem Krieg ist die Universität de facto von den Tschechen übernommen worden. Mit dem Dekret Nr. 112 des Präsidenten der Tschechischen Republik vom 18. Oktober 1945 wurde die Auflösung der Karl-Ferdinands-Universität verfügt, nachdem die Karls-Universität im Sommer wieder eröffnet worden war. Im Nachhinein wurde zum Datum ihrer Schließung der 17. November 1939 erhoben, also genau jenes Datum, an dem die Nazis die Karls-Universität und andere tschechische Bildungseinrichtungen hatten schließen lassen. Damit endete endgültig das Nebeneinander der beiden Prager Universitäten und das unwiederbringliche Ende der ersten deutschen Universität des Heiligen Römischen Reiches.


Bedeutende Hochschullehrer

Bedeutende Studenten