Staatswissenschaften
Staatswissenschaften ist die traditionelle Bezeichnung für ein interdisziplinäres Konzept derjenigen Wissenschaftsdisziplinen, die auf das Verstehen und das Management des Staates bezogen sind.
Aus heutiger Sicht sind dies:
- die Verwaltungswissenschaften,
- die Rechtswissenschaften
- die Wirtschaftswissenschaft, vor allem die Volkswirtschaftslehre
- die Politikwissenschaft
- und die Soziologie
Moderne Konzeptionen der Staatswissenschaften umfassen dabei weite Teile der oben genannten Disziplinen um komplexen Fragestellungen im Spannungsfeld von Wirtschaft, Recht und Gesellschaft begegnen zu können. Daher werden auch für die Privatwirtschaft und den Non-Profit-Sektor relevante Teile der Disziplinen (z.B. ausgewählte Teile des Privatrechts und der Betriebswirtschaftslehre) in diese Konzeptionen integriert.
Historische Entwicklung
Nach der Differenzierung und Professionalisierung der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre um 1850 entwickelte sich der Ausdruck Staatswissenschaft zum Überbegriff für die Nationalökonomie. Vor den Universitätsreformen der 1960er und 1970er Jahre waren Rechts- und Wirtschaftswissenschaften daher häufig in einer "Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät" zusammengefasst. Vom Selbstverständnis vieler Wirtschaftswissenschaftler her ist der Ausdruck Staatswissenschaft zumeist eine rein historische Reminiszenz.
Aktuelle Situation
Mit der zunehmenden Komplexität verschiedener Fragestellungen begann man sich auf die Vorteile interdisziplnärer Ansätze zurück zu besinnen. Gerade in einer komplexer werdenden Wissensgesellschaft wird der Schnittstellenkompetenz in den Bereichen Wirtschaft, Recht und Gesellschaft wieder mehr Bedeutung beigemessen. So können seit einigen Jahren Staatswissenschaften wieder an verschiedenen Universitäten im deutschsprachigen Raum studiert werden. Die Universität Erfurt hat als erste Universität wieder eine Staatswissenschaftliche Fakultät gegründet, in welcher Soziologen, Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaftler interdisziplinär Forschen und Lehren.
Staatswissenschaften als universitäres Studienfach
Studienmöglichkeiten
Die Universität der Bundeswehr München bietet seit 1988 einen Diplomstudiengang an. Bachelorstudiengänge der Staatswissenschaften werden an den Universitäten in Erfurt und Passau angeboten. Masterstudiengänge im Bereich Staatswissenschaften werden u.a. an der Universität Erfurt und der Universität Potsdam angeboten. Wobei sich all diese Anhgebote in ihrem inhaltlichen Zuschnitt etwas unterscheiden.
In der Schweiz gibt es entsprechende Lehrgänge an der Universität Genf und der Universität St. Gallen.
Karrierechancen von Absolventen staatswissenschaftlicher Studiengänge
Absolventen staatswissenschaftlicher Studiengänge arbeiten in einer Vielzahl von Berufsfeldern in Fach- und Führungspositionen. Obwohl der Name eine Tätigkeit im staatlichen oder zumindest staatsnahen Arbeitsmarkt nahelegt, ist ein beträchtlicher Anteil der Absolventen auch in der Privatwirtschaft und im Non-Profit-Sektor tätig. Da Staatswissenschaftler über eine multidisziplinäre und eher generalistisch orientierte Ausbildung verfügen, steht ihnen ein breites Feld möglicher beruflicher Perspektiven offen. Staatswissenschaftler zeichnet neben den umfassenden eigentlichen Fachkenntnisse vor allem das hohe Maß an Methoden- und Problemlösungskompetenz aus, welches ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung ist.
Häufig vertretene Arbeitsfelder sind vor allem:
- Unternehmen
Vor allem international operierende Banken, Versicherungen und andere international operierende Unternehmen fragen Absolventen der Staatswissenschaften nach, da es hier gilt, höchst komplexe Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Mit ihrer interdisziplinären Ausbildung, ihren Schnittstellen- und Methodenkompetenzen sind Staatswissenschaftler hier besonders attraktiv. Daher arbeitet ungefähr die Hälfte der Absolventen in diesem Bereich.
- Öffentliche Verwaltung, Diplomatie und internationale Organisationen
Aufgrund ihres umfassenden Fachwissens, ihrer eher generalistischen Ausbildung und ihres besonderen Verständnisses von Fragestellungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich, sind Staatswissenschaftler für dieses Arbeitsfeld geradezu prädestiniert.
- Beratungsunternehmenn, Non-Profit-Sektor und Wissenschaft
Auch die Unternehmens-, der Verwaltungs- und der Politikberatung sind wichtige Arbeitgeber für Staatswissenschaftler. Ein besonderes Arbeitsfeld ist dabei der Bereich "Governmental Relations", in dem es um die Beziehung und wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Organisationen zum Staat geht. Weitere häufig vertretene Arbeitsfelder sind der Non-Profit-Sektor sowie die Arbeit in Denkfabriken und der wissenschaftlichen Forschung.
Eine Modifikation des Konzepts der Staatswissenschaften, wenn auch nicht des Ausdrucks, liegt in den Begriffen der Governance und der Public Policy.
Literatur
- Wolfgang Drechsler (2001), "On the Viability of the Concept of Staatswissenschaften", European Journal of Law and Economics, vol. 12, pp. 105-111.
- Klaus König (1970), Erkenntnisinteressen der Verwaltungswissenschaft, Berlin: Duncker & Humblot.
- Gunnar Folke Schuppert (2003), Staatswissenschaft, Baden-Baden: Nomos.
Weblinks
- staatswissenschaften.de - Fachschaft Staatswissenschaften Universität Erfurt
- Staatswissenschaftliche Fakultät Bachelor- und Masterstudiengänge im Bereich Staatswissenschaften an der Universität Erfurt
- "Governance and Public Policy - Staatswissenschaften" Bachelorstudiengang in Passau
- Staats- und Sozialwissenschaften (SWI) Diplomstudiengang an der Universität der Bundeswehr München