Atlas (Gebirge)
Der Atlas ist ein Gebirge in Nordwest-Afrika, das sich 2400 km über Marokko, Algerien und Tunesien erstreckt und auch Gibraltar mit einschließt. Der höchste Gipfel ist der Toubkal, der 4165 m erreicht,
er befindet sich in Südwestmarokko. Der Atlas trennt die Küste des Mittelmeeres und des Atlantiks von der Sahara.
Atlas, das Gebirgssystem des nordwestlichen Afrika, bildete die schon von Homer und Herodot erwähnte westlichste Grenze der den Alten bekannten Erde. Bei der mächtigen, schroffen Erhebung seiner schneebedeckten Gipfel über verhältnismäßig schmaler Basis erschien der Atlas den Schiffern des westlichen Ozeans als massige, hohe Säule, welche die Feste des Himmels trug. Die Sagen von Perseus und Herakles knüpfen schon an ihn an, aber auch bis in die Römerzeit reichen die Erzählungen, die Fabelhaftes mit Wahrem vermischen.
Den arabischen Geographen schien der gebirgige Nordwestvorsprung Afrikas als eine von den Fluten des Mittelländischen Meers und des Atlantischen Ozeans im Norden, von den Ebenen der Wüste im Süden umschlossene und von der übrigen Welt abgeschiedene Insel, die sich dem andalusischen Gebirgsland Al Garb gegenüber erhebt, als der äußerste Westen (Magreb el Aksa). Anderseits aber haben die arabischen Geographen den Begriff des Atlasgebirges unnatürlich nach Osten hinaus erweitert. Nach heutigem Begriff reicht das Atlassystem vom Kap Nun in Marokko bis zum Kap Bon in Tunis. Die durch das ganze Atlassystem auf eine Länge von fast 2200 km herrschende Richtung ist die aus Südwest nach Nordost, welche im weitern Verlauf in die aus Westsüdwest nach Ostnordost übergeht.
Was die geologische Beschaffenheit angeht, so tritt das kristallinische Gebirge nur am Nord- und Südrand und vereinzelt inselförmig im Innern auf. Die wesentlichsten Bildungsglieder des Atlas sind die silurische und devonische Formation, Jura, Kreide, Nummulitengebirge und die jüngere Tertiärformation. Der Atlas ist reich an Mineralprodukten, die indessen noch wenig ausgebeutet werden. Man gewinnt Eisen, Blei, Kupfer, Steinsalz und Marmor.
Die höchsten Gipfel des Atlas, namentlich in Marokko, sind im Winter mit Schnee bedeckt, doch reicht keiner bis an die Grenze des ewigen Schnees heran. Eigentliche Gletscherbildung fehlt, Hooker hat aber 1871 alte Moränen und Zeichen der Eiszeit im marokkanischen Atlas nachgewiesen. Die Bezeichnung "hoher, großer, kleiner Atlas" ist eine von den Franzosen in Umlauf gebrachte, der keinerlei tatsächliche Verhältnisse entsprechen. Die Bewohner des Atlas nennen das Gebirge Idrarn-Deren. Die Hauptkette des Atlas hebt in Marokko an und bildet einen über 50 km langen, ununterbrochenen Rücken von 3650 m Höhe, aus dem 4-5 isolierte Piks noch 150-240 m über das Kammniveau emporragen, so dass man den Kulminationspunkt des Atlas auf höchstens 3900 m veranschlagen kann.
Das Gebirge erhebt sich rasch über die reichbewässerten und angebauten Vorstufen von Fes, Mekines und Marokko, so dass man nirgends mehr als drei Tagereisen braucht, um vom nördlichen Gebirgsfuß durch felsige Schluchtentäler zu den Pässen hinauf und über steile Meeresklippen jenseits hinab zu den Steppen der Sahara zu gelangen. Ja, von Marokko nach Tarudant im Süden beträgt die ganze Breite des Gebirges nur 30 km, und man braucht bloß 3 1/4 Stunden zum Ersteigen des Passes von etwa 1100-1500 m Höhe über dem Gebirgsfuß. Der bedeutendste Gebirgsstock des Atlas ist der Dschevel Aischin, der die dreifache Wasserscheide zwischen Mittelmeer, Atlantischem Ozean und Saharagebiet bildet. Östlich davongeht der Atlas in ein bis 170 km breites Hochplateau über, dessen Nordgrenze nicht scharf markiert ist, dessen Südgrenze aber der Dschebel Amur und Dschebel Aures bezeichnen. Alle Pässe (als solche sind besonders zu nennen: der Paß Bidauan, Tisint el Rint) sollen den Charakter von leicht zu verteidigenden Steilklüften tragen, doch sind sie zum Teil länger, da gegen Nordosten das Gebirge durch Auftreten paralleler Ketten und Plateaubildungen breiter wird. Diese Plateaubildungen gehen allmählich in eine vollständige Hochebene über, deren Ränder fast ununterbrochen mit Randgebirgen oder einzelnen Bergen besetzt sind, während das Innere sich kesselförmig senkt und die Bildung beträchtlicher Hochlandseen, wie der Sebcha Tigri und des Schott el Gharbi, befördert.
Hier schließt sich nun nach Osten der algerische Atlas an, der weit besser als der marokkanische bekannt ist. In Algerien steigt das Gebirge hinter Blida steil in die Höhe, einen pittoresken Anblick gewährend. Seiner Form nach an den Harz erinnernd, unterscheidet es sich von diesem durch einen fortlaufenden Rücken, auf welchem sich keine kegelförmigen Gipfel erheben. Die mittlere Kammhöhe des Atlas beträgt 1200-1500 m. Die Hauptkette wird im Süden von einer ca. 2000 m hohen Nebenkette, dem Antiatlas, begleitet. Die meisten der oft sehr romantischen Täler sind wohlangebaut. Die höhern Bergstufen tragen Gehölze von immergrünen Eichen, weiter unten wächst der wilde Ölbaum in Menge. Charakteristisch für die Vegetation sind aber besonders die Kakteen. Der Vegetationsreichtum und die Schneebedeckung im Winter geben vielen Quellen und Bächen ihren Ursprung. Wenn auch nicht wenige zur trocknen Zeit versiegen, so besitzt das Atlasland doch zahlreiche ausdauernde Flußlaufe, welche Fruchtbarkeit über das Gebirge und die Niederungen verbreiten. Das so bewässerte fruchtbare Land heißt Tell. Eine besondere Eigentümlichkeit des östlichen (algerischen und tunesischen) Atlas sind muldenförmige Einsenkungen, die so genannten Schotts, welche zur Regenzeit Salzseen gleichen, im Sommer aber bis auf kleine Wasserlachen austrocknen und infolge der zurückbleibenden Salzkruste Schneeflächen ähnlich sehen. Die Region der Schotts zieht sich bis in die Nähe des Golfs von Gabes.
Siehe auch: Atlas (Mythologie)
Dieser Artikel basiert hauptsächlich auf dem Artikel aus Meyers Konversationslexikon von 1888.