Zum Inhalt springen

Differentialform

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Mai 2007 um 19:48 Uhr durch 84.158.252.165 (Diskussion) (Äußere Ableitung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Begriff Differentialform präzisiert und verallgemeinert das aus der Analysis bekannte Leibnizsche Differential und den aus der Vektoranalysis bekannten Gradienten. Differentialformen sind ein grundlegendes Konzept der Differentialgeometrie.

Kontext

Es sei

  • eine offene Teilmenge des
  • oder allgemeiner ein offener Teil einer differenzierbaren Untermannigfaltigkeit des
  • oder allgemein ein offener Teil einer (abstrakten) differenzierbaren Mannigfaltigkeit.

In jedem dieser Fälle gibt es

  • den Begriff der differenzierbaren Funktion auf ; der Raum der differenzierbaren Funktionen auf werde mit bezeichnet;
  • den Begriff des Tangentialraums an in einem Punkt ;
  • den Begriff der Richtungsableitung für einen Tangentialvektor und eine differenzierbare Funktion ;
  • den Begriff des differenzierbaren Vektorfeldes auf ; der Raum der Vektorfelder auf sei mit bezeichnet.

Der Dualraum des Tangentialraums wird als Kotangentialraum bezeichnet.

Definition

Eine k-Form oder Differentialform vom Grad k ist eine alternierende -multilineare Abbildung .

Das bedeutet: ordnet Vektorfeldern eine Funktion zu, so dass

  • für

und

  • ,

d.h. vertauscht man zwei der Argumente von , so erhält man das Negative des ursprünglichen Wertes.

Alternativ dazu ordnet jedem Punkt eine alternierende -multilineare Abbildung

zu, so dass für Vektorfelder die Funktion

differenzierbar ist.

0-Formen sind differenzierbare Funktionen, und 1-Formen sind pfaffsche Formen.

Die Menge der -Formen auf wird mit bezeichnet. Ist , so ist .

Man kann als Element der äußeren Potenz auffassen; infolgedessen definiert das äußere Produkt (d.h. das Produkt in der äußeren Algebra) Abbildungen

wobei punktweise definiert ist:

Dieses Produkt ist graduiert-kommutativ, d.h.

dabei bezeichnet den Grad von , d.h. ist eine -Form, so ist .

Äußere Ableitung

Die äußere Ableitung oder Cartan-Ableitung einer -Form wird induktiv mithilfe der Lie-Ableitung und der Cartan-Formel

definiert; dabei ist ein Vektorfeld, die Lie-Ableitung und die Einsetzung von .

Ist beispielsweise eine 1-Form, so ist

und

also

für Vektorfelder ; dabei bezeichnet die Lie-Klammer.

Die allgemeine Formel lautet

dabei bedeutet , dass das entsprechende Argument wegzulassen ist.

Die äußere Ableitung hat folgende Eigenschaften:

  • ist -linear.
  • dabei bezeichnet den Grad von , d.h. ist eine -Form, so ist .
  • Für eine Funktion , aufgefasst als 0-Form, stimmt die äußere Ableitung mit dem totalen Differential überein.

Koordinatendarstellung

Ist ein Koordinatensystem auf , so folgt aus den Eigenschaften der äußeren Algebra, dass eine lokale Basis der -Formen durch

gegeben ist, d.h. jede -Form hat eine eindeutige Darstellung der Form

mit geeigneten differenzierbaren Funktionen . An dieser Darstellung ist auch abzulesen, dass für die Nullform die einzige -Form ist.

Die äußere Ableitung ist in dieser Darstellung durch die Formel

gegeben.

Um die dabei entstehenden Ausdrücke wieder durch die Standardbasis auszudrücken, sind die Relationen

und

wichtig; beispielsweise ist für

Für n=3 bilden die Koeffizienten der Differentialform bei analogem Vorgehen der rot (Rotations-) Vektor der Vektoranalysis.

Exakte und geschlossene Formen; de-Rham-Kohomologie

Eine -Form heißt geschlossen, wenn gilt; sie heißt exakt, wenn es eine -Form gibt, so dass gilt. Aufgrund der Formel ist jede exakte Form geschlossen. Man beachte, dass Geschlossenheit im Gegensatz zu Exaktheit eine lokale Eigenschaft ist: Ist eine offene Überdeckung von , so ist eine -Form genau dann geschlossen, wenn die Einschränkung von auf für jedes geschlossen ist.

Der Faktorraum

{geschlossene -Formen auf }/{exakte -Formen auf }

heißt -te de-Rham-Kohomologiegruppe (nach Georges de Rham). Sie enthält Informationen über die globale topologische Struktur von .

Das Poincaré-Lemma (nach Henri Poincaré) besagt, dass

für

gilt, oder allgemeiner für zusammenziehbare offene Teilmengen des . (Man beachte, dass aus den lokal konstanten Funktionen besteht, da es per definitionem keine exakten 0-Formen gibt. Es ist also für jedes .)

Ist geschlossen und exakt, so folgt

entsprechend falls exakt und geschlossen ist. Damit gibt es induzierte Abbildungen

Siehe auch de-Rham-Kohomologie, Kokettenkomplex

Orientierung

Ist , so heißt eine -Form auf , die in keinem Punkt verschwindet, eine Orientierung auf . zusammen mit einer derartigen Form heißt orientiert. Eine Orientierung definiert Orientierungen der Tangential- und Kotangentialräume: eine Basis des Kotangentialraums in einem Punkt sei positiv orientiert, wenn

mit einer positiven Zahl gilt; eine Basis des Tangentialraums in einem Punkt sei positiv orientiert, wenn

gilt.

Zwei Orientierungen heißen äquivalent, wenn sie sich um einen überall positiven Faktor unterscheiden; diese Bedingung ist äquivalent dazu, dass sie auf jedem Tangential- oder Kotangentialraum dieselbe Orientierung definieren.

Ist zusammenhängend, so gibt es entweder bis auf Äquivalenz genau zwei oder gar keine Orientierungen.

heißt orientierbar, wenn eine Orientierung von existiert.

Siehe auch Orientierung (Mathematik)

Integral von Differentialformen

Es sei wieder , und wir nehmen an, auf sei eine Orientierung gewählt. Dann gibt es ein kanonisches Integral

für -Formen . Ist eine offene Teilmenge, eine positiv orientierte Basis und

so ist

das Integral auf der rechten Seite ist das gewöhnliche Lebesgue-Integral.

Aus dem Transformationssatz folgt, dass diese Definition unabhängig von Koordinatenwechseln ist.

Siehe auch Integral von Differentialformen

Satz von Stokes

Ist eine kompakte orientierte -dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Rand , und versieht man mit der induzierten Orientierung, so gilt für jede -Form

Dieser Satz ist eine weitreichende Verallgemeinerung des Hauptsatzes der Differential- und Integralrechnung.

Ist geschlossen, d.h. hat keinen Rand, so folgt

Fehler beim Parsen (Konvertierungsfehler. Der Server („/media/api/rest_“) hat berichtet: „Cannot get mml. upstream connect error or disconnect/reset before headers. reset reason: connection termination“): {\displaystyle \int _{M}\omega =0}

für jede exakte -Form . Damit definiert das Integral eine Abbildung

Ist zusammenhängend, so ist diese Abbildung ein Isomorphismus.

Siehe auch Satz von Stokes

Zurückziehen ("pull-back") von Differentialformen

Ist eine differenzierbare Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, so ist für die mittels zurückgeholte Form wie folgt definiert:

dabei sei die Ableitung von . Mit den anderen Operationen ist das Zurückziehen verträglich, es gilt

und

für alle .

Insbesondere induziert eine Abbildung

Duale Form und Stern-Operator

Betrachtet werden äußere Formen in einem n-dimensionalen Raum, in dem ein inneres Produkt (Metrik) definiert ist, so dass eine orthonormale Basis des Raumes gebildet werden kann. Die zu einer äußeren Form von Grad k in diesem n-dimensionalen Raum duale Form ist eine (n-k)-Form

Dabei seien beide Seiten in orientierter Form geschrieben. Formal wird die duale Form durch Anwendung des (Hodge) *-Operators bezeichnet. Speziell für Differentialformen im dreidimensionalen euklidischen Raum ergibt sich:

mit den 1-Formen dx, dy dz. Dabei wurde berücksichtigt, dass die orientierte Reihenfolge hier (y,z), (x,y) und (z, x) ist (zyklische Verschiebungen in (x,y,z)).

Das *-Symbol soll die Tatsache unterstreichen, dass damit ein inneres Produkt im Raum der Formen auf einem zugrundeliegenden Raum M gegeben ist, denn lässt sich für zwei k-Formen und als Volumenform schreiben und das Integral

liefert eine reelle Zahl. Der Zusatz dual zeigt an, dass die zweifache Anwendung auf eine k-Form wieder die k-Form ergibt, bis auf das Vorzeichen, das gesondert betrachtet werden muss. Genauer gilt für eine k-Form in einem n-dimensionalen Raum, dessen Metrik die Signatur s hat (s=+ 1 im euklidischen Raum, s= - 1 im Minkowski-Raum):

Oben wurde gezeigt, wie sich im 3-dimensionalen euklidischen Raum bei äußerer Ableitung einer 1-Form die 2-Form ergibt mit den Komponenten des Rotations-Vektors der Vektoranalysis als Koeffizienten. Diesen rot-Vektor kann man mit Hilfe des *-Operators nun auch formal direkt als 1-Form schreiben: . Analog wird der *-Operator zur „Übersetzung“ des oben formulierten Satzes von Stokes in die Vektoranalysis-Form benutzt.

Die relativistischen Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik auf einer vierdimensionalen Raum-Zeit-Mannigfaltigkeit M (mit Metrik und Determinante der Metrik g, wobei hier natürlich die Signatur eines Minkowski-Raumes gilt) lauten beispielsweise unter Verwendung dieser Symbolik:

(die so genannte Bianchi-Identität) und

mit dem elektromagnetischen Feldtensor ausgedrückt als 2-Form

und dem Strom (geschrieben als 3-Form)

Hierbei ist das Antisymmetrisierungs-Symbol (Levi-Civita-Symbol) und das Semikolon steht für die kovariante Ableitung. Wie üblich wird über doppelt vorkommende Indices summiert (Einstein-Summenkonvention) und es werden natürliche Einheiten verwendet (Lichtgeschwindigkeit c=1). Durch Anwendung des *-Operators kann man die zweite Maxwellgleichung auch alternativ mit einer 1-Form für den Strom schreiben. Aus den Maxwellgleichungen sieht man, dass F und *F in der Elektrodynamik unterschiedlichen Gleichungen gehorchen, die Dualität also keine Symmetrie dieser Theorie ist. Das liegt daran, dass die Dualität elektrische und magnetische Felder vertauscht, in der Elektrodynamik aber keine magnetischen Monopole bekannt sind. Die freien Maxwellgleichungen haben duale Symmetrie.

Siehe auch

Literatur

  • Shigeyuki Morita Geometry of differential forms, American Mathematical Society 2001, ISBN 0821810456 (viel Anschauung in diesem Buch)
  • Harley Flanders Differential forms with applications to the physical sciences, Academic Press 1963