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Popper (Jugendkultur)

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Popper waren die Mitglieder der ersten originär deutschen Jugendkultur in Westdeutschland und West-Berlin der ersten Hälfte der 80er Jahre.

Die Jugendbewegung breitete sich 1979, von Hamburg ausgehend, während der ersten Hälfte der 1980er Jahre aus. Am 18. März 1980 erschien "Die mit der Tolle", der erste Artikel über die Hamburger Popperszene im Zeit-Magazin. Die meist aus der Mittel- bis Oberschicht stammenden Anhänger (Jahrgänge 1962 bis 1966) gaben sich bewusst konformistisch und unpolitisch. Sie zelebrierten demonstrativ den Konsum, aus Überdruss an und aus Protest zu den vorangegangenen und vorhandenen konsumkritischen Jugendkulturen ("Rebellion gegen die Rebellion"). Ästhetische Fragen traten bei ihnen an die Stelle ethischer und gesellschaftlicher Fragen, die beispielsweise bei der 68er- oder der Alternativbewegung dominierten. Mit ihrem demonstrativen und auch gestalterisch anspruchsvollen Konsumstil versuchten sie sich aber auch abzugrenzen vom traditionellen Konservativismus ("Spießer", "Biedermann"). An die Stelle traditionell konservativer Werte, wie Harmoniestreben, Obrigkeitstreue, Pflichtgefühl und Bescheidenheit traten nun auch zum Teil provozierende Werte wie zelebrierter Hedonismus, unverhohlener Egoismus und materialistisches Imponiergehabe, mit denen sie sowohl das alternative Milieu als auch klassisch konservative Kreise vor den Kopf stießen.

Exklusive und teure Modemarken wie Burberry, Peter Scott, Missoni, Armani, Fiorucci oder Lacoste bestimmten das äußere Erscheinungsbild der Popper. Die typische Frisur war die so genannte "Poppertolle" mit Seitenscheitel; ein Kurzhaarschnitt mit sehr kurzen, ausrasierten Haaren im Nacken, rasierten Koteletten, längerem, stufig geschnittenem Deckhaar und einem großen, asymmetrischen Pony, das so ins Gesicht fiel, dass ein Auge vollständig bedeckt war. Ihr bevorzugtes Transportmittel war die Vespa, ein italienischer Motorroller, der von Nicht-Poppern gerne als "Vehicel Eines Schwulen Popper Arsches" buchstabiert wurde.

Man rauchte "Internationale Zigaretten" der Marken Cartier, Dunhill oder JPS, trug auch als Mann Kajalstift und benutzte die Düfte der Firmen Cartier, Chanel und Lagerfeld. Der Modestil der Popper lehnte sich an Vorbilder wie Felix Krull, Martin Fry, Bryan Ferry, die Modefotografien Helmut Newtons und deren betont elegante und exklusive Moderichtung an. Echte Popper trugen eine eigentümliche Kombination von Tassel-Loafern, damals Slipper oder College-Schuhe genannt, mit "Bömmelchen" und ganz wichtig, weißen Socken, den ersten Karottenhosen der Marke "Closed", Polohemden mit Strick- und Lederkrawatten incl. Krawattennadel sowie Cashmere-Pullovern mit V-Ausschnitt in uni oder mit Rautenmuster. Die Kleidung war bei weiblichen und männlichen Poppern weitestgehend gleich. Sogennante "Möpos" - Möchtegernpopper - kamen zum Teil aus dem "normalen" Umfeld und trugen gerne Cowboystiefel mit abgesägten Absätzen und Marken wie Marco Polo.

Ein eigener Musikstil, wie er für Jugendkulturen charakteristisch ist, fand sich bei Poppern nicht durchgängig. Gehört wurde von Synthesizern und Streicherarrangements dominierte Popmusik der damaligen Zeit. Typische Popper-Bands/Alben sind z. B. "ABC/The Lexicon Of Love", "Haircut 100/Pelican West", Spandau Ballet/Journey To Glory, Heaven 17 und Roxy Music. Unpolitische, romantische Themen wie Liebe und Lebensstil bestimmen die Inhalte der typischen Poppermusik. Beliebte Produzenten waren unter anderen Tony Mansfield und Trevor Horn.

Popper bildeten keine echte Subkultur, sondern formten mehr oder weniger lose Cliquen. In einer politisch bewegten Zeit mit zahlreichen Demonstrationen und Protestbewegungen (Friedensbewegung zur Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, Bau der Startbahn West, Atomkraftgegner gegen die WAA Wackersdorf etc.) bot diese Jugendkultur einen unpolitischen, bewusst angepassten Gegenentwurf zur eher konfrontativ ausgerichtet Alternativszene. Das wiederum führte zu Spannungen mit anderen Jugendkulturen, allen voran den Punks. 1980 kam es in Berlin, und später auch in anderen Städten, zu mehreren Massenschlägereien zwischen beiden Gruppen. Die Medien griffen das Thema dankbar auf und stilisierten lokale Streitereien zu einer Art Klassenkampf unter Jugendlichen hoch.

In anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien und teilweise England gab es ähnliche modische Entwicklungen, die jedoch nicht so betont unpolitisch und namentlich formuliert wie in Deutschland waren.