Zum Inhalt springen

Winkelfehlsichtigkeit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 7. Mai 2007 um 10:17 Uhr durch Claudioverfuerth (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Als Winkelfehlsichtigkeit wird ein Bildlagefehler bezeichnet, bei dem die Zusammenarbeit beider Augen durch Abweichungen der Sehachsen gestört ist. Verfechter dieser Diagnose vermuten die Ursachen für die Winkelfehlsichtigkeit in Längenunterschieden der Bewegungsmuskeln des rechten und linken Auges und/oder Störungen der Innervation dieser Muskeln.

Diagnostik

Für das Bestimmen der Winkelfehlsichtigkeit existiert ein seit Jahrzehnten erprobtes, jedoch wissenschaftlich bislang nicht validiertes oder anerkanntes Verfahren, die Mess- und Korrektionsmethode nach H.J. Haase (MKH). Um diese Verfahren anzuwenden, benötigt man eine Folge von Testbildern, die verschiedene Messungen erst möglich machen. Hierbei werden dosierte natürlich Fusionsreize angeboten. Insbesondere die Testbilder zur Stereopsis sind zwingend erforderlich. Diese Messbedingungen unterscheiden sich somit klar von den in der DIN definierten Bedingungen zum Messen einer Heterophorie.

Symptome

Den Betroffenen gelingt es in einigen Fällen nur durch ständige energieverbrauchende motorische Kompensation, die Schielstellung des Augenpaares zu verhindern. Diese Kompensation ermöglicht es, die optimal mögliche Sehleistung zu erzielen. Somit sind diese Fälle optisch nicht auffällig. Die motorische Kompensation kann zu Anstrengungsbeschwerden führen (u.a. tränende und gerötete Augen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsschwäsche, bei Kindern angeblich auch Schwierigkeiten beim Lesenlernen und in der Rechtschreibung). In einigen Fällen bleibt außerdem ein kleiner Stellungsfehler bestehen, der sensorisch kompensiert wird. Somit fixiert der Betroffene nicht mit der optimalen Netzhautstelle, was zu einer Minderung der Sehleistung führt. Diese sensorische Anpassung wird als Fixationsdisparation bezeichnet.

Bei der Beurteilung der Symptomatik stützt man sich bei dem hier geschilderten Verfahren ausschließlich auf motorische Komponenten. Die Beurteilung von sensorischen oder neurogenen Ursachen für die beschriebenen Beschwerden (z. B. zentrale Fusionsschwäche, subnormales Binokularsehen, Akkommodationsstörungen, obligate Fixationsdisparität etc.) werden hierbei ausser acht gelassen und bleiben auch beim therapeutischen Ansatz unberücksichtigt.

Therapie

Eine optische Korrektion der Winkelfehlsichtigkeit geschieht mit Prismengläsern. Diese sollen die durch Winkelfehlsichtigkeit verursachten Sehstörungen und asthenopischen Beschwerden mindern oder beseitigen können. Bei einer sehr starken Winkelfehlsichtigkeit, die aus optisch-physikalischen Gründen nicht mehr optimal mit Prismengläsern ausgeglichen werden kann, können Schieloperationen notwendig werden. Dies ist häufig dann der Fall, wenn durch kontinuierliche Erhöhung der Prismenstärke eine komfortable und erfolgreiche Korrektur so nicht mehr möglich ist.

Begriffsdiskussion

Der Begriff der Winkelfehlsichtigkeit ist in der Medizin umstritten, da es kein genormter Begriff ist. Viele Augenärzte beklagen, dass es sich nicht um einen tatsächlichen Sehfehler handele, sondern vielmehr um ein "Kunstprodukt" einiger Augenoptiker. In der Ophthalmologie wird das verdeckte Schielen als Heterophorie bezeichnet. In der DIN 5340-209 ist definiert: Heterophorie = "Abweichung der Vergenzstellung von der Orthostellung bei vorübergehender Aufhebung der Fusion". Diese Messbedingungen liegen jedoch bei der Ermittlung der Winkelfehlsichtigkeit nicht vor, da man ausdrücklich dosierte orthpetale Fusionsreize fordert. Es handelt sich also in beiden Messsituationen um ein verdecktes Schielen, welches aber nicht gleich bezeichnet werden darf. Im englischen Sprachraum existieren schon länger die Bezeichnungen: dissociated phoria = Messung unter Ausschluss von Fusionsreizen und associated phoria = Messung unter dargebotenen Fusionsreizen. Die Wortschöpfung eines Augenoptikers bezeichnet somit nur eine Fehlstellung des Augenpaares, für die es bis dahin in der deutschen Sprache keinen Fachbegriff gab. Zudem wird durch den Begriff ausgedrückt, dass es sich nur um eine Fehlsichtigkeit handelt = Bildlagefehler, der durch ein passendes Brillenglas korrigiert werden kann.

Kontroverse Diskussion

Die Winkelfehlsichtigkeit, deren Therapie und Messmethode (MKH) werden kontrovers diskutiert, da bisher von Medizinern keine wissenschaftlichen Anforderungen genügende Untersuchungen durchgeführt wurden, andererseits die MKH praktizierende Ärzte und Optiker aber von signifikanten positiven Erfolgen berichten können. Einige Aspekte der hinter der Messung stehenden Theorie werden derzeit infrage gestellt. Es ist wünschenswert, dass geklärt wird, warum das Verfahren vielen Patienten, denen auf andere Art und Weise nicht geholfen werden konnte, Beschwerdefreiheit ermöglicht hat.

Der unsachgemäße Einsatz von Prismenkorrekturen führt nachweislich in vielen Fällen dazu, daß ein bestimmter Schielwinkel, der damit korrigiert werden soll, im Laufe der Zeit zunimmt und demzufolge eine immer höhere Prismenstärke erforderlich wird. Dies macht in vielen Fällen die (ungewollte) Durchführung einer Schieloperation notwendig. Fachleute sprechen hierbei von einem sog. "Prismenaufbau", der als (gewollte) operationsvorbereitende Maßnahme in der Orthoptik bzw. Strabologie unter bestimmten Umständen Anwendung findet. Augenärzte lehnen jedoch nicht zuletzt wegen dieses umstrittenen Eingriffs in ärztliche Behandlungsmaßnahmen die unkontrollierte Verwendung von Prismenkorrekturen strikt ab.

Dies bedeutet jedoch in keiner Weise, daß eine Prismenverordnung in jedem Fall abzulehnen sei. Im Gegenteil ist sie nach ausführlicher Untersuchung und Beurteilung und unter fachkundiger Indikations- und Diagnosestellung durch einen Strabologen nicht selten die Therapie der Wahl bei Asthenopie und dekompensierenden Heterophorien. Dies erklärt auch die zum Teil positiven Ergebnisse, die mit Prismenverordnungen erreicht wurden, auch wenn diese nicht unbedingt durch einen Augenarzt veranlasst worden sind, sondern durch einen Optiker. Patienten und Betroffenen sei hier empfohlen, unter allen Umständen entsprechende Spezialisten aufzusuchen (Strabologen bzw. Orthoptisten). Diese findet man in orthoptischen Fachabteilungen vieler Augenarztpraxen oder in Augenkliniken. Sie werden u. a. auch Sehschulen genannt. Eine entsprechend eingeleitete Therapie erfordert gleichwohl immer eine augenärztliche Begleitung.

Unglücklicherweise gelingt es einigen Vertretern der jeweiligen Professionen immer wieder, diese Kontroverse zu einer berufspolitischen Diskussion und Auseinandersetzung hochzustilisieren. Dies geschieht zuverlässig auf dem Rücken von Patienten und Betroffenen. Nicht zuletzt deshalb werden auch von dem Gros der Augenoptiker solche "Behandlungen" abgelehnt und von Augenärzten entsprechendes Fachpersonal beschäftigt.

Juristische Beurteilung

Die gerichtliche Erlaubnis, nach der Augenoptiker uneingeschränkt prismatische Korrektionen eigenständig anpassen und abgeben dürfen, da es sich hierbei um eine rein physikalisch technische Messung handele, wurde mit einem VGH-Urteil aufgehoben (siehe unten).

Den Augenärzten wurde demgegenüber per Gerichtsurteil gestattet, ihre Patienten vor einer Behandlung einer sog. "Winkelfehlsichtigkeit" bei einem Augenoptiker zu warnen.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.02.2005 in zweiter Instanz folgendes bestätigt - Zitat:

"Ein Augenoptiker darf eine Prismenbrille nur aufgrund ärztlicher Verordnung oder nach einem schriftlichen und mündlichem Hinweis veräußern, dass er keine heilkundliche Behandlung durchführen wolle und könne und deshalb vorsorglich die Zuziehung eines Arztes oder eines Heilpraktikers mit entsprechender Erlaubnis anheim stelle.....Der VGH hat....bestätigt, dass die Abgabe von Prismengläsern ohne den.....geforderten Hinweis eine erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz ist und damit einen Straftatbestand erfüllt."

Eine Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Siehe hierzu auch u. a. Weblink.