Gerhard Besier
Gerhard Besier (* 30. November 1947 in Wiesbaden) ist ein evangelischer Theologe und Geschichtswissenschaftler mit Schwerpunkten in Kirchengeschichte und Totalitarismusforschung. Vor allem seine drei Bände zu Der SED-Staat und die Kirche (1993-1995) sind Standardwerke zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR. Sein derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der Kirchen im 20. Jahrhundert.
Beruflicher Werdegang
Nach dem Studium der Psychologie (Diplom) und Theologie war Besier zunächst Assistent des Kirchenhistorikers Klaus Scholder an der Universität Tübingen, danach Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Anschließend leitete er das Religionspädagogische Institut Loccum. Besier folgte dann einem Ruf als Professor für Neuere Kirchengeschichte an die Humboldt-Universität Berlin. Von 1992 bis 2003 hatte er den Lehrstuhl für Historische Theologie an der Universität Heidelberg inne. Seit April 2003 ist Besier Professor für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden und Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung.
Kontroversen
Besier ist wegen seines Engagements für Religionsfreiheit umstritten. Diese sollte seiner Meinung nach auch für Gruppen gelten, denen die deutsche Rechtsordnung den Status einer Religionsgemeinschaft nicht zuerkennt. So hat er sich unter anderem für die Church of Scientology eingesetzt, indem er im September 2003 bei der Eröffnung eines Büros dieser Organisation in Brüssel eine Rede hielt, in der er die Ansicht vertrat, diese Kirche stünde „in der ersten Reihe derjenigen, die für die Akzeptanz von religiösem Pluralismus kämpfen“. [1] Einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter Freimut Duve, Daniel Cohn-Bendit und Antonia Grunenberg, forderten daraufhin vom Hannah-Arendt-Institut, dass es sich von seinem Direktor distanzieren solle. [2]
Einige Kollegen Besiers haben dessen geplante Enthebung von seinem Amte kritisiert. Der Historiker Jürgen Kocka sieht den wahren Grund dafür darin, dass Besier, einst Wunschkandidat der CDU, sich konsequent einer „politischen Indienstnahme verweigert“ habe. Der Theologe Klaus Berger meint, dass die Scientology-Affäre nur als Vorwand diene: „Kollege Besier [hat] sich durch drei Dinge Feinde gemacht: Er hat es gewagt, das Verhalten der deutschen Christentümer unter den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu erforschen, und er hat Fragen zum Thema Religionsfreiheit in Deutschland aufgeworfen. [3] Besiers Vertrag mit dem Hannah-Arendt-Institut läuft 2008 aus und wird, wegen seines dezidierten Standpunktes zur Religionsfreiheit in Deutschland, nicht verlängert.[4]
Publikationen (Auswahl)
- Seelsorge und Klinische Psychologie. Defizite in Theorie und Praxis der Pastoralpsychologie, Göttingen 1980, ISBN 3-525-62182-5
- Preußische Kirchenpolitik in der Bismarckära. 1980.
- Protestantische Kirchen Europas im Ersten Weltkrieg. 1984.
- Der SED-Staat und die Kirche. Der Weg in die Anpassung, München 1993, ISBN 3-570-02080-0
- Der SED-Staat und die Kirche 1969 - 1990. Die Vision vom "dritten Weg", Berlin und Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-549-05454-8
- Der SED-Staat und die Kirche 1983 - 1991. Höhenflug und Absturz, Berlin und Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-549-05455-6
- Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 1, Zürich, 1999, ISBN 3720152774
- Die neuen Inquisitoren. Religionsfreiheit und Glaubensneid. Teil 2, Zürich, 1999, ISBN 3720152782
- Die Rufmordkampagne. Kirchen & Co vor Gericht, Bergisch Gladbach, 2002, ISBN 3929351196
- Konzern Kirche. Das Evangelium und die Macht des Geldes, Hänssler Verlag, März 2002, ISBN 3775128581
- Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland: Die Faszination des Totalitären, München, 2004, ISBN 3421058148
- Religionsfreiheit und Konformismus. Über Minderheiten und die Macht der Mehrheit, Lit. Verlag, Münster, 2004, ISBN 3825876543
- Das Europa der Diktaturen. Eine neue Geschichte des 20. Jahrhunderts, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2006, ISBN 3421058776
Quellen
- ↑ Herzinger, Richard: "Farcen gibt es immer wieder", Die Zeit, 24. Juni 2004.
- ↑ Presseerklärung des Hannah Arendt Zentrums Oldenburg.
- ↑ Kocka und Berger in Leserbriefen in der Süddeutschen Zeitung vom 19. April 2007
- ↑ Augstein, Franziska, "Die neueste Entlassung: Das Hannah-Arendt-Institut trennt sich von seinem Direktor", Süddeutsche Zeitung 7. April 2007, S. 13.
Nachwirkungen des Scientology-Eklats?, Der Tagesspiegel, 5. April 2007
Weblinks
- Beruflicher Werdegang Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung eV an der TU Dresden
Personendaten | |
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NAME | Besier, Gerhard |
KURZBESCHREIBUNG | Religionswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 30. November 1927 |
GEBURTSORT | Wiesbaden |