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Mistelschlepp

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Mit dem Mistelschlepp-Verfahren wurde von der deutschen Luftwaffe im 2. Weltkrieg versucht, ein Schleppflugzeug und einen Lastensegler zu einem Aggregat zu verbinden.

Entwicklung und Einsatz

Unter der Leitung von Fritz Stamer begann am 1. September 1942 eine Arbeitsgruppe der DFS, alle Möglichkeiten zu untersuchen und zu erproben. Ein Lastensegler DFS 230 diente als Erprobungsobjekt. Das erste erprobte Aggregat bestand aus diesem Lastensegler und einer aufgebockten, mit dem Lastensegler starr verbundenen Klemm Kl 35. Da der Motor der Kl 35 nicht ausreichte, um das ganze Aggregat zu starten und in der Luft zu halten, wurde es mit einer Ju 52 auf Höhe geschleppt. Bei den Flugeigenschaften und der Steuerung gab es keine Schwierigkeiten (beide Piloten konnten sich durch Bordfunk verständigen).[1] Das nächste Flugzeug, dass auf die DFS 230 gesetzt wurde, war eine Focke-Wulf Fw 56 "Stößer". Diese konnte das Gespann zwar aufgrund ihres stärkeren Motors auf Höhe halten, ein Eigenstart ohne Schleppmaschine war jedoch imer noch nicht möglich. Am Ende der Versuchsreihe zeigte eine Kombination aus DFS 230 und Me 109, dass das Aggregat ohne Hilfe starten, fliegen und – sowohl als Ganzes als auch getrennt – landen konnte. Im Herbst 1943 wurden die Erprobungen abgeschlossen und der Mistelschlepp als durchaus brauchbar beurteilt. Fritz Stamer hiel es sogar für möglich, eine Kombination aus Me 109 und Ju 52 einzeln zu starten und sich erst in der Luft zusammenzukuppeln.

Mit dem Gedanken, aus dieser Transportkombination eine Einsatzwaffe in Form einer Großbombe zu machen, die insbesondere gegen Schiffsziele zum Einsatz gebracht werden sollte, ging Mitte 1943 die weitere Entwicklungsarbeit von der DFS auf den Junkers-Konzern über. In kurzer Zeit gelang es Junkers, eine trennfähige Verbindung zwischen dem Steuerapparat der Me 109 und der Untermaschine zu entwickeln. Die Hauptaufgabe bestand nun darin, dass der Pilot der aufgebockten Maschine das ganze Aggregat bis ans Ziel bringen, dann im Bahnneigungsflug auf das Ziel stürzen und nach Trennen der Verbindung mit der Obermaschine heimkehren können musste.

Zur Erprobung wurden eine Me 109 G-6 und eine Ju 88 A-4 verwendet. In Merseburg und Nordhausen wurden die ersten Ju 88 A-4 für den Misteleinsatz umgebaut. Nordhausen baute die Kanzel aus und statt dessen eine kugelförmige Hohlladung von 3,8 t mit einem Voreilzünder ein. Die ersten fertigen Geräte wurden an der Invasionsfront gegen Schiffsziele zum Einsatz gebracht. Da sich die Schiffe jedoch einnebelten, waren sie für die angreifenden Misteln nicht mehr hundertprozentig auszumachen. Über Art und Umfang der angerichteten Schäden gab es seitens der Alliierten und der Deutschen unterschiedliche Angaben.

Die zuvor ausschließlich mit Reparaturaufgaben betraute Werft Leipzig-Mockau wurde mit der Durchführung des Mistel-Programms beauftragt. Für das erste Mistel-Programm waren 75 Maschinen des Musters Ju 88 G-1 vorgesehen. Diese waren aus Reparaturmaschinen zu beschaffen. Die Maschinen wurden in Tag- und Nachtschichten repariert und umgebaut und nach Nordhausen zum Einbau der Sprengladungen und des Steuerungsapparates geliefert. Als Leitflugzeuge kamen sowohl Messerschmitt Bf 109 als auch Focke-Wulf Fw 190 zum Einsatz.

Die als Abschlusslieferung geforderten 50 Maschinen wurden termingemäß abgeliefert.

Der 1. Feindeinsatz erfolgte von St. Dizier aus am 14.06.1944 mit einem Angriff von 5 Mistel-Kombinationen des KG 101 auf die Invasionsflotte - 4 Mistel-Flugzeuge kehrten zurück, erstes Opfer dieses Flugzeuges (Bf 109F/MI) wurde Oblt. Albert Rheker, er wurde von der Mannschaft eines Flugzeug der RCAF – Mosquito MK XIII-0 – abgeschossen[2] und schlug um 23.40 Uhr südöstlich von Caen hinter den deutschen Linien auf, weitere Angriffe mit mehr oder weniger Erfolg folgten.

Nennenswerte Erfolge wurden aber nicht mehr erzielt. Die Schwerfälligkeit der Misteln erforderte starken Jagdschutz. Im Herbst 1944 wurden auf den dänischen Flugplätzen Grove, Tilstrup und Aalborg-West 60 Misteln für einen Angriff auf die englische Home Fleet in Scapa Flow zusammengezogen. Jedoch verhinderte immer wieder schlechtes Wetter den langen Flug über See. Nach der Versenkung des Schlachtschiffes Tirpitz am 12.11.1944 verließ die englische Fotte den Stützpunkt und der Mistelangriff musste abgeblasen werden, da das Ziel nicht mehr existierte. Ein weiterer geplanter Fernangriff gegen Industriewerke im sowjetischen Hinterland (Unternehmen Eisenhammer) wurde aufgrund der großen Entfernung zum Einsatzziel nicht mehr ausgeführt. Die Überlastung der Mistelgespanne durch die Mitnahme zusätzlicher Treibstoffbehälter wäre ins Unmögliche gestiegen.

Die letzten Einsätze wurden gegen Oderbrücken geflogen.

Viele Misteln gingen durch Bombardierung ihrer Stellplätze verloren, jedoch erbeuteten Sowjets und Westalliierte auch zahlreiche komplette Misteln und Mistel-Unterteile Ju 88, die wegen Treibstoffmangel oder der rasch näher rückenden Front nicht mehr zum Einsatz kamen.

Insgesamt wurden mehr als 200 Misteln gebaut.

Ähnliche Projekte

Literatur

  • Hans-Peter Dabrowski: Mistel - Die Huckepackflugzeuge der Luftwaffe bis 1945, ISBN 3-7909-0447-3
  • Robert Forsyth: "MISTEL - German Composite Aircraft and Operations 1942-1945", erschienen im Verlag Classic Publications, England 2001 --- ISBN 1-903223-09-1, 288 S., Index

Einzelnachweise

  1. DFS-Bericht Nr. 740 "Schleppverfahren", Ainring, 20.10.1943
  2. Canadas Air Force History (engl.)

Siehe auch