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Haftung (Recht)

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Unter Haftung versteht man im deutschen Recht das Unterworfensein eines Rechtssubjekts unter den Vollstreckungszugriff des Staates (staatliche Gewalt). Aufgrund seines Gewaltmonopols hat ausschließlich der Staat das Recht und die Befugnis, seinen Strafanspruch durchzusetzen oder privatrechtliche Ansprüche Dritter gegenüber einem verpflichteten Rechtssubjekt zu vollstrecken.

Der Begriff leitet sich vom allgemeinsprachlichen Begriff Haften im Sinne von Festhängen, Festkleben ab. Diese Wortverwandtschaft zeigt sich auch in den strafprozessualen Begriffen Verhaftung (Haftbefehl) und Festnahme. Im Strafrecht wird von einer „Haftung“ z.B. wegen Totschlags oder Diebstahls gesprochen, wenn die Voraussetzungen zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs erfüllt sind. In all diesen Fällen geht es um das Unterworfensein unter staatliche Gewalt.

Die privatrechtliche Haftung wird in den Rechtswissenschaften teilweise im Sinne einer verwirklichten Konsequenz einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dieser Schuld abgegrenzt, also gegenüber dem Verpflichtetsein eines Gläubigers (Karl Larenz: „Die Haftung verleiht der Schuld ihre irdische Schwere“). Oftmals wird der Begriff aber auch undogmatisch als Synonym für privatrechtliche Schuld verwendet.

Schuld und Haftung

Abgrenzung

Die zwischen „Schuld“ und „Haftung“ unterscheidende Terminologie wird weder in der juristischen Umgangssprache, noch im Bürgerlichen Gesetzbuch konsequent durchgehalten. Dennoch ist genau zu trennen: ein Schuldverhältnis schafft einen Anspruch, also „das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“. Diese Schuld führt in der Regel, d.h. wenn das in Anspruch genommene Rechtssubjekt geschäftsfähig bzw. deliktsfähig ist, zur Verpflichtung des Schuldners und damit korrespondierend zu einem Anspruch des Gläubigers (Vorlage:Zitat de § Abs. 1 BGB). Die Durchsetzung des Gläubigeranspruchs gelingt allerdings nur, wenn der Schuldner auch für diese Schuld haftet, also der Anspruch notfalls in sein Vermögen vollstreckt und so zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren). Deutlich wird die feine, aber wichtige Unterscheidung am Beispiel des oftmals an abgesperrten (gesicherten) Baustellen zu lesenden Hinweises „Eltern haften für ihre Kinder“. Kinder unter sieben Jahren, die gegen das auch gegen sie gerichtete Verbot, die Baustelle zu betreten, verstoßen, können nicht für ihren Verstoß (ihre Schuld) haftbar gemacht werden. Sollten sie also auf der Baustelle Schaden anrichten, so können (ausschließlich) die verantwortlichen Eltern dieser Kinder für deren aus der Pflichtverletzung („Betreten verboten“) resultierende Schuld belangt werden. Der Schuld der Kinder steht hier also ein Schadensersatzanspruch des Baustellenbetreibers allein gegen deren Eltern gegenüber. Haftung ist also nicht gleich Schuld. Allerdings werden in den Rechtswissenschaften auch Rechtsmeinungen vertreten, wonach die Pflichverletzung von Kindern unter sieben Jahren bei ihnen keine privatrechtliche Schuld bewirken könne, die Schuld allein bei den verantwortlichen Eltern entstehe. Dieser Meinungsstreit kann hier jedoch dahinstehen, da das obige Beispiel lediglich die Unterschiedlichkeit der Begriffe Haftung und Schuld verdeutlichen soll (im Übrigen sind die Eltern im obigen Beispielsfall ohnehin Schuldner, weil sie gegen ihre generelle Aufsichts- bzw. Erziehungspflicht verstoßen haben).

Auseinanderfallen von Schuld und Haftung

Typischerweise folgt die Haftung der Schuld nach: Wer die Zahlung von 50 Euro schuldet, haftet auch für die Erfüllung dieser Schuld in Höhe von 50 Euro. Es gibt aber durchaus Fälle, in denen Schuld und Haftung abweichen.

Pfandrechte beispielsweise begründen nur Haftung, aber keine Schuld (allenfalls kann der Eigentümer des verpfändeten Gegenstands gleichzeitig Schuldner der gesicherten Forderung sein, was möglich, aber nicht erforderlich ist). Vorlage:Zitat de § BGB spricht zwar davon, die Belastung eines Grundstückes mit einer Hypothek habe zur Folge, dass „eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer (...) Forderung aus dem Grundstück zu zahlen ist“, was man zunächst als Begründung einer Schuld verstehen könnte. Dagegen spricht aber, dass Geldsummen in diesem Sinne gar nicht „aus dem Grundstück“ gezahlt werden können (wie soll das gehen?), also etwas anderes gemeint sein muss. Folgerichtig ergänzt Vorlage:Zitat de §: „Die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück (...) erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung“. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks schuldet also aus der Hypothek nichts, sondern haftet lediglich mit dem Grundstück für eine bereits bestehende Schuld (etwa auf Rückzahlung eines Darlehens). Noch deutlicher wird dies am Beispiel der Grundschuld, die überhaupt keine Forderung (und somit auch keine Schuld) voraussetzt.

Umgekehrt ist auch nur Schuld denkbar, für deren Erfüllung niemand haftet. Hierunter wurden früher die „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ (Naturalobligationen) eingereiht, also Ansprüche, die zwar bestehen und erfüllbar sind, die aber nicht durchgesetzt werden können. Heute wird überwiegend vertreten, in solchen Fällen liege nicht einmal Schuld vor. Im Falle des Erben, dessen Haftung (!) für Nachlassverbindlichkeiten nach Vorlage:Zitat de § BGB auf den Nachlass beschränkt ist, ergibt sich aber nicht selten die Situation, dass Schuld und Haftung weit auseinanderklaffen: wer etwa 50 Euro Guthaben und 500 Euro Schulden geerbt hat, schuldet zwar 500 Euro, haftet aber für diese Schuld unter bestimmten Voraussetzungen nur mit den 50 Euro.

Haftung im weiteren Sinne

Aus meist sprachlichen Gründen wird der Begriff der Haftung aber noch in weiteren Bedeutungsvarianten verwendet, was die Unterscheidung sehr erschwert: Nicht selten bedeutet Haftung nicht den Gegensatz, sondern ein Synonym für Schuld. So steht es etwa, wenn in Vorlage:Zitat de § BGB angeordnet wird, Mitbürgen „haften (...) als Gesamtschuldner“. Hier soll die sprachlich wenig überzeugende Formulierung „schulden als Gesamtschuldner“ vermieden werden. In diesem Sinne spricht man auch von „Haftung als Bürge“, „Haftung auf Schadensersatz“, Haftungsbeschränkung oder Haftpflicht und meint damit Zurechnung oder Einstehenmüssen.

Missverständlich ist auch der Name der GmbH als „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“: die Gesellschaft haftet für ihre Schulden keineswegs beschränkt, sondern unbeschränkt mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen. Tatsächlich sorgt ihre Existenz aber dafür, dass die Gesellschafter nichts schulden: sie beschränkt also die Schuld (und damit die Haftung) ihrer Gesellschafter.

Umfang der Haftung

Man unterscheidet persönliche und dingliche Haftung. Wer persönlich haftete, hatte ursprünglich tatsächlich mit seiner Person für die Schuld einzustehen (Schuldknechtschaft, Schuldsklaverei, Schuldturm). Heute bedeutet die persönliche Haftung eine Haftung mit dem ganzen Vermögen, wobei aus Gründen des Schuldnerschutzes (und damit nicht die staatlichen Sozialsysteme einspringen müssen) bestimmte Bereiche von der Haftung ausgenommen sind („pfändbares Vermögen“). Die persönliche Haftung ist der gesetzliche Normalfall und als selbstverständlich vorausgesetzt: ohne Haftung wäre die Verpflichtung nichts wert.

Die dingliche Haftung umfasst dagegen nur einen bestimmten Vermögensgegenstand, etwa ein Grundstück, eine Forderung oder eine bewegliche Sache. Sie wird durch ein Pfandrecht begründet. Obwohl der Gegenstand selbst ein Teil des Vermögens ist, ist diese Art der Haftung für den Gläubiger weitaus günstiger als die persönliche: er muss nicht mit anderen Gläubigern konkurrieren, sondern kann sich bevorzugt aus dem Gegenstand befriedigen, der zudem typischerweise (Grundstück) seinen Wert auch langfristig behält.

Die Haftungsbeschränkung hat, entgegen ihrem Namen, mit einer Beschränkung der Haftung im engeren Sinne nichts zu tun. Sie beschränkt nämlich nicht die Haftung für bestehende Schulden, sondern verhindert bereits, dass eine Schuld überhaupt entsteht. Die Haftungsbeschränkung senkt dazu beispielsweise den „Haftungsmaßstab“ (eigentlich: den Verschuldensmaßstab) ab, indem z.B. bei leichter Fahrlässigkeit kein Schadensersatz geschuldet sein soll. Dann entsteht bereits kein Anspruch, die Frage der Haftung stellt sich gar nicht.

Haftungsrisiko

Das Haftungsrisiko trägt, wer von einem oder mehreren Gläubigern grundsätzlich in Haftung genommen werden, also haftbar gemacht werden kann. Haftet eine Person hingegen aus rechtlichen Gründen nicht, ist ihre Haftung beispielsweise per Vertrag oder Gesetz ausgeschlossen, so ist sie frei von jeglichem Haftungsrisiko. Juristisch schwierig sind oft die Fälle, in denen sich die Haftungsrisiken mit der Zeit verlagern, mehrere Personen nach Art oder Höhe unterschiedliche Haftungsrisiken tragen, oder eine zunächst von der Haftung freigestellte Person (etwa im Wege der Durchgriffshaftung) letztlich doch haftet.