Aggression
Als Aggression (lat. aggredi - herangehen, angreifen) wird feindseliges Verhalten bezeichnet, das die eigenen Interessen unter Verletzung der Interessen des Gegenübers durchzusetzen versucht. Aggression als Verhaltensweise ist im Tierreich weit verbreitet. Speziell im Zusammenhang mit menschlichem Verhalten äußert sich Aggression in verbalen oder tätlichen Angriffen gegenüber Personen, Personengruppen und Sachen.
Völkerrechtlich bezeichnet Aggression (im Gegensatz zur Verteidigung, die ebenfalls aggressives Verhalten im obigen Sinne darstellt), den erstmaligen Einsatz von Gewalt in einer Auseinandersetzung von Staaten, Völkern und Volksgruppen.
Psychologie
Unter Aggression versteht man die beabsichtigte physische oder psychische Schädigung eines Lebewesens (Mensch oder Tier) oder die Beschädigung eines Gegenstandes. Oftmals mit dem Zusatz, das geschädigte Lebewesen sei motiviert, die Behandlung zu vermeiden. Die verschiedenen Aggressionstheorien lassen sich unterteilen in Theorien, die aggressives Verhalten auf bestimmte Faktoren zurückführen.
Liegt aggressives Verhalten in unseren Genen, bedeutet das, dass ein Mensch – egal in welcher Umwelt er lebt oder welche Erfahrungen er macht oder gemacht hat – auf jeden Fall früher oder später aggressiv werden wird. Freuds erfand den Todestrieb (Destrudo) als Teilbereich des ES , der nach außen abgeleitet werden muss, damit es nicht zur Selbstzerstörung oder Krankheiten (psychosomatische Erkrankungen) kommt. Lorenz glaubte anhand von Tierbeobachtungen aggressive Instinkte auch beim Menschen annehmen zu können, wobei diesem durch "negative Selektion" allerdings die Tötungshemmung abhanden gekommen sei. Beiden Theorien gemeinsam ist die Vorstellung, dass sich im Menschen aggressive Impulse ansammeln, sodass er zunehmend unter Druck gerät; zuletzt reichen selbst nichtigste Anlässe aus, um die angestauten Energien explosionsartig zu entladen. Um solche unkontrollierten Entladungen zu vermeiden, sollte man diesen Theorien zufolge rechtzeitig seine Aggressionen abbauen, indem man z.B. Sport betreibt, gegen einen Sandsack boxt oder sich in Arbeit stürzt (Sublimierung nach Freud).
Ferner geht z.B. die "Berliner Schule" um den Psychoanalytiker Günter Ammon davon aus das die Aggression eine sog. "Ich-Funktion" oder - ein anderer Terminus - ein "Ich-Potential" ist. Eine mangelhafte Ausbildung der Aggression kann z.B. darin resultieren das man Dinge nicht oder eben nur unzureichend aggressiv angeht.
Im Gegensatz zur ersten Theorie meinen die ‚Umwelttheoretiker’, dass aggressives Verhalten erlernt (lerntheoretische Erklärung: Belschner; Imitationslernen: Bandura) oder erworben wird (Frustrations-Aggressions-Hypothese von Dollard und Miller). Lerntheoretiker wie Belschner gehen davon aus, dass jede Bekräftigung (Verstärker) einer Handlung deren Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht; aggressives Verhalten wird also dadurch erklärt, dass man mit seiner Aggression erfolgreich war (ein Ziel erreicht oder Anerkennung erhalten hat). Erst wenn diese Bekräftigung (dieser Verstärker) ausbleibt oder das unerwünschte Verhalten bestraft wird, kommt es zum Abbau aggressiven Verhaltens. Damit ist grundsätzlich ein aggressionsfreies Verhalten möglich. Bandura erklärt Aggression darüber hinaus durch das Imitationslernen (soziales Lernen): Man sieht, wie ein anderer – z.B. auch der Held im Film – mit aggressivem Verhalten erfolgreich war und ahmt ihn nach, weil man einen ähnlichen Erfolg erwartet. Nach der Frustrations-Aggressions-Hypothese führt jede Versagung (Frustration) zur Aggression. Viele kleinere Frustrationen können sich ansammeln, bis die letzte ‚das Fass zum Überlaufen’ bringt und es zum aggressiven Ausbruch kommt. Eine Verminderung von Frustrationen würde demnach zu weniger Aggressionen führen.
Anlage und Umwelt (Fromm)
Fromm versucht in seiner Charaktertheorie eine Kombination der bisherigen Überlegungen. Als Anlage Faktor geht er von menschlichen Grundbedürfnissen (Sicherheit, Stimulation, Erfolg, Freiheit) aus, die bei der Sozialisation eines Menschen mehr oder minder gut erfüllt werden, wodurch sein individueller Charakter geprägt wird. Dieser individuelle Charakter muss sich mit der ihn umgebenden Gesellschaft (dem sozialen Charakter) auseinandersetzen. Ist der individuelle Charakter genügend stark ausgeprägt, kann er Frustrationen besser verkraften oder in positive Aktionen umsetzen, werden aggressive Vorbilder nicht als solche akzeptiert oder Erfolge anders erreicht.
Ist der individuelle Charakter aber schwach – die Grundbedürfnisse wurden durch Erziehungsfehler nicht oder nur schlecht befriedigt, reagiert der Mensch in einem entsprechend aggressiven Umfeld ebenfalls aggressiv. So hat auch Lewin nachgewiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen autoritärem Führungsstil und gesteigerter Aggression bei Wegfall der Kontrolle gibt und auch das Milgram-Experiment kann dieser Theorie zugeschrieben werden: Der Mensch (mit schwachem individuellem Charakter) orientiert sich an den Anordnungen durch die Autorität. Die vermeintlich verlagerte Verantwortung erlaubt anscheinend sadistische Exzesse.
Biologie
Die Verhaltensbiologie betont besonders den viel-ursächlichen Charakter der Aggression. Als Motive können in Frage kommen: Furcht, Frustration, Gehorsam, kalte Berechnung, soziale Exploration ("Mal sehen, wie weit ich gehen kann!"), Spielverhalten u.a. Je nach vorherrschendem Motiv ist dann der zweckmäßige Umgang mit dem Aggressor ein jeweils anderer.
Viele Tiere zeigen in ihrem Verhalten mitunter aggressives Verhalten gegen Artgenossen z.B. zur Verteidigung ihres Lebensraumes oder zum Schutz der Nachkommen. Dem hierbei im Verlauf unterlegenen Gegner ist oft die Unterwerfung gegenüber dem stärkeren angeboren. Der Überlegene nutzt die Situation jedoch nicht aus; er besitzt vielmehr eine - ebenfalls angeborene - Tötungs-Hemmung, was den Artgenossen vor unnötigem Schaden bewahrt.
Beim Menschen läßt sich vergleichbares beobachten (Stichwort Mitleid). Nach Konrad Lorenz ist daher der Gebrauch von Distanz-Waffen von entscheidender Bedeutung für das menschl. Aggressionsverhalten: Auf Distanz können auslösende Reize für die Tötungshemmung, wie z.B. das Weinen, nicht wahrgenommen werden; die Tötungshemmung als Gegenspieler der Aggression fällt aus.
Rechtswissenschaften
Aggressionen werden strafrechtlich erst relevant, wenn sie selbst ein geschütztes Rechtsgut verletzen. In der Regel ist dies bei Körperverletzungen der Fall. Aggressionen sind straflos, wenn sie durch Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder Notstand o.ä. gerechtfertigt werden. Völkerrechtlich hat der Begriff der Aggression Einzug in die Charta der Vereinten Nationen erhalten. Aggressionen sind Eingriffe in die Souveränität eines Staates, die nicht gerechtfertigt sind. Dies können der Angriffskrieg sein, aber auch Grenzverletzungen und Drohungen mit Gewalt. Wird völkerrechtliches Unrecht begangen, so kann sich das angegriffene Völkerrechtssubjekt dagegen wehren (jedoch sind Präventivkriege nicht zulässig). Maßnahmen sind Retorsionen (völkerrechtlich gestattet) oder Repressalien (völkerrechtswidrig). Beide sind völkerrechtlich bei Aggressionen zulässig.
Literatur
- Psychologie
- A. Bandura: "Lernen am Modell" Stuttgart 1976
- J. Dollard, N. E. Miller: "Personality and psychotherapy" New York 1950
- E. Fromm: "Anatomie der menschlichen Destruktivität" Reinbek 1977
- K. Lorenz: "Das so genannte Böse" München 1974
- S. Milgram: "A behavioral study of obedience" Journal of abnormal and social psychology, 67, S. 371-378
- Völkerrecht
- Martin Hummrich: "Der völkerrechtliche Straftatbestand der Aggression" Baden-Baden 2001
Weblinks
- http://www.gwup.org/skeptiker/archiv/2000/3/agresssion.html
- http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/39369.htm -Kohrs Machttheorie der Aggression
(vgl. auch: Triebverzicht)