Siim Kallas
Siim Kallas (* 2. Oktober 1948 in Tallinn, Estland) ist designierter Vizepräsident der Europäischen Kommission sowie Kommissar für Verwaltungsangelegenheiten, Rechnungskontrolle und Antikorruption (ab 1. November 2004; nominiert am 12. August 2004).
Kallas, von Haus aus Volkswirtschaftler, graduierte 1967 an der "22. Schule" (Gymnasium) in Tallinn und 1972 an der Universität Tartu im Fach "Finanzwesen und Kredit" (cum laude, d.h. mit der in Estland höchsten Auszeichnung). 1973-1975 war er im gleichen Fach Aspirant und schloss mit der Promotion ab.
Kallas arbeitete im Finanzministerium der Estnischen Sowjetrepublik (1975-1979), als Direktor des Vorstands der Estnischen Sparkassen (1979-1986), als stellvertretender Herausgeber der Parteizeitung Rahva Hääl ("Stimme des Volkes") (1986-1989) und 1989-1991 als Vorsitzender der Zentralunion der Gewerkschaften. Während der estnischen Autonomiebestrebungen wurde Kallas bekannt als Protagonist der Wirtschaftsliberalisierung und besonders der monetären und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Estlands von der Sowjetunion.
Von 1991 bis 1995 war Kallas, als ausgewiesener Wirtschafts- und Finanzfachmann, Präsident der Estnischen Nationalbank, deren Einfluss allerdings wegen der fixen Bindung der Estnischen Krone an die Deutsche Mark (bzw. dann den Euro) sehr begrenzt ist. Nebenher blieb Kallas weiterhin an der Universität Tartu tätig, als Dozent auf einer Viertelstelle bzw. als Gastprofessor.
1995 trat Kallas von seinem Amt bei der Nationalbank zurück und gründete die wirtschaftsliberale Estnische Reformpartei, der sogleich große Erfolge bei den Wahlen beschieden waren. 1995-1996 war er Außenminister und 1999-2002 Finanzminister, bis er 2002 bis 2003 Ministerpräsident von Estland wurde.
Seitdem war Kallas einfacher Abgeordneter im Estnischen Parlament, bis er am 1. Mai 2004 EU-Kommissar ohne Portfolio im Ressort für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten unter Pedro Solbes Mira und später Joaquín Almunia wurde.
Kallas gilt als Wirtschaftsliberaler etwa im Stil des Wall Street Journal und der FAZ. Er ist - im Gegensatz zu seinem Nachfolger als Ministerpräsident Juhan Parts - kein Experte für Rechnungskontrolle; auch Verwaltungs- und Personalangelegenheiten haben bisher nicht zu seinen Spezialgebieten gehört.