Tanztherapie
Tanztherapie ist eine psychotherapeutische Methode, die in den 40er Jahren in den USA entwickelt wurde. Marian Chace, Trudi Schoop, Lilian Espenak und Mary Whitehouse sind die wichtigsten Begründerinnen verschiedener tanztherapeutischer Richtungen. Der Berufsverband der amerikanischen Tanztherapeuten definiert Tanztherapie folgendermaßen: Tanztherapie verwendet Tanz und Bewegung als psychotherapeutisches Medium in dem Prozess, die psychische und physische Integration des Individuums zu fördern.
Körper, Seele und Geist bilden aus Sicht der Tanztherapie eine psychophysische Einheit und stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander. Bewegung und Haltung beeinflussen das Denken und Fühlen. Wesentliches Ziel der Tanztherapie ist es, die Verbindung zwischen Körper, Seele und Geist erfahrbar zu machen.
Die American Dance Therapy Association (ADTA) definiert Tanztherapie als „die psychotherapeutische Verwendung von Bewegung als Prozess, der die emotionale und physische Integration des Individuums zum Ziel hat“.
Tanztherapie steigert nach Angaben der Anbieter Körper- und Selbstwahrnehmung, führt zu einer Erweiterung des Bewegungsrepertoires und fördert den authentischen Ausdruck durch die Integration des Unbewussten. Tanztherapie versteht sich als die psychotherapeutische Verwendung von Tanz und Bewegung zur Integration von körperlichen, emotionalen und kognitiven Prozessen des Menschen. Die Grundannahmen der Tanztherapie berücksichtigen Einflüsse aus der Tiefenpsychologie und der humanistischen Psychologie.
Theorie
Das Konzept der Tanztherapie basiert auf der Annahme, dass Gesten, Bewegungen, Körperhaltung, Atemmuster und andere physische Erscheinungen in einer ständigen Wechselwirkung zu Intellekt, Emotionen und dem Unterbewussten stehen. Diese Wechselwirkung lasse sich vor allem bei Emotionen unmittelbar für jeden erkennen. Vertreter dieser Therapie nehmen an, dass sich der Mensch in seinem körperlichem Verhalten klarer ausdrückt als in Worten.
„Tanztherapeuten verstehen Tanz als therapeutisches Mittel unabhängig von bestimmten Stilrichtungen. Das Verständnis von Tanz in der Tanztherapie geht vielmehr auf die Wurzeln des Tanzes zurück, auf das, was in der amerikanischen Literatur als „Basic Dance“ bezeichnet wird. Basic Dance ist als tänzerischer Ausdruck des Befindens eines Menschen, seiner Emotionen, Zustände und Bedürfnisse zu verstehen. Der Tanz hat sich, wie alle Künste, längst von der alltäglichen Notwendigkeit gelöst. Dabei konnte er sich etwas bewahren, was im Alltag des Lebens und Bewegens nicht mehr vorzufinden ist. Und das ist seine Chance und Bedeutung für die Therapie: Die Möglichkeit der Befreiung aus Zwängen und Zwecken, die Möglichkeit des direkten Selbstausdrucks und Erlebens, der direkte Kontakt zu sich selbst und anderen über Körper und Bewegung und nicht zuletzt das lustvolle Erleben der eigenen Bewegung und Bewegtheit, der Lebendigkeit überhaupt, im Tanzen alleine und mit anderen.“ (Elke Willke: Tanztherapie- zur Verwendung des Mediums Tanz in der Psychotherapie S.4).
Die oben bereits genannte Wechselwirkung von Körper, Geist und Seele erstreckt sich aber auch noch weiter auf bereits gemachte Erfahrungen. Man nimmt an, dass Erfahrungen, ob gute oder schlechte, im Körper gespeichert werden und deswegen in Haltung, Muskelspannung, Atemmuster und Koordination ablesbar sind. Der Körper hat sozusagen sein eigenes Erinnerungsvermögen, das oft über das hinausgeht, woran wir uns bewusst erinnern können. In diesen Fällen ist die Tanztherapie sehr hilfreich. Man könnte sagen, man lässt den Menschen in der Tanztherapie seine Geschichte auf einer nonverbalen Ebene erzählen.
Tanztherapie wurde als eine Zusatz- oder Hilfstherapie entwickelt, die meist unter Leitung eines Arztes oder Psychiaters in einem Team erfolgt.
Die Wirksamkeit der Tanztherapie setzt sich aus mehreren Faktoren Zusammen. Zu ihnen gehören:
- Stimulieren und Freisetzten von Gefühlen durch Körperbewegung und Gesten
- Auslösen von Kommunikation und Kontakt durch nonverbale Aktivität
- Angstreduktion durch den nicht kritisierenden Charakter des therapeutischen Rahmens und durch die im Tanz erfahrene zeitweilige Aufhebung des Selbst.
- Benutzung der Angeborenen menschlichen Reaktion auf Rhythmus, um individuelle Bewegungen sowie gleichzeitige Bewegungen mit anderen zu bewirken.
Das Ziel der Tanztherapie ist es eine positive Entwicklung im Sinne einer Heilung beim Patienten hervorzurufen. Claire Schmais formulierte die Ziele der Tanztherapie wie folgt:
1. Ziele in Bezug auf therapeutische Beziehung
- die eigene Identität etablieren
- Vertrauen entwickeln
- Unabhängigkeit verstärken
- soziales Bewusstsein schaffen
- während der Annahme sozialen Einflusses die eigene Integrität (Vollständigkeit, Unversehrtheit, Redlichkeit) entwickeln, beibehalten und behaupten
2. In Bezug auf das Körperkonzept
- ein realistisches Selbstbild seines Körpers erreichen
- Körperpartien aktivieren und integrieren
- Körperhaltung korrigieren
- seiner inneren Empfindung gewahr werden
- Energie mobilisieren
- Fertigkeit und Kontrolle über seine Körperbewegungen entwickeln
- das eigene Ausdrucksregister erweitern
3. Ziele im Zusammenhang mir rhythmischer Gruppenaktivität
- die eigene Vitalität erspüren
- an Erfahrungen anderer teilnehmen, Energie zu einer Struktur kanalisieren
- aufmerksam und verantwortlich anderen gegenüber sein
- Interaktion fördern
- sich mit Personen, die anders fühlen und leben, einlassen und mit ihnen umgehen können
- sich den Gefühlen und Erfahrungen anderer öffnen
- Offenheit zum Erlernen von Neuem und Akzeptanz seiner selbst entwickeln
Die Geschichte der Tanztherapie
Der Tanz gilt als eine der ersten und ältesten Formen des menschlichen Ausdrucksstrebens überhaupt. Er spielte bei allen Naturvölkern eine wichtige Rolle im sozialen und religiösen Leben. Es gab kein Ereignis bei dem nicht getanzt wurde: Geburt, Tod, Hochzeit, Krieg, Ernte, Jagd, Austreiben böser Geister, Heilung von Kranken, Beschwörungen von Naturgewalten, Bitten um Regen, Sonne oder Fruchtbarkeit. Für die alten Völker gehörte Tanz ebenso zum Leben wie Arbeit, Liebe und Religion. Es gab einen mexikanischen Indianerstamm, der sogar dasselbe Wort für Arbeit wie für Tanz verwendete.
Dieses besondere Empfinden für Tanz und das Vertrauen in seine Wirkung hat der „moderne“ Mensch weitgehend verloren. Eine Theorie wie es zu diesem Verlust gekommen ist, ist folgende: Zivilisation bedeutet für den einzelnen Menschen, dass viele von außen kommende Zwänge auf ihn einwirken, die ihn stark einschränken. Diese Zwänge bringen die Notwendigkeit mit sich, dass der Mensch sein Verhalten in sozialer, zeitlicher und räumlicher Hinsicht nach abstrakten Prinzipien ordnen muss. Dadurch entsteht ein Zwang zur Selbstbeherrschung, Affektdämpfung und Triebregulierung, was bedeutet, dass Affekt- und Triebleben gleichmäßiger und stabiler, aber gleichzeitig auch rationaler werden. „Die verschiedenen Stufen des Zivilisationsprozesses haben die abendländische Rationalität gezüchtet, dabei den Seelenhaushalt gezüchtigt“ (Ritter 1975). Diese Aussage Ritters soll sagen, dass wir durch den sog. Fortschritt die Dinge immer rationaler sehen und dadurch den Bezug zu uns selbst, zu unseren Gefühlen, zu unserem Körper, immer mehr verlieren.
Eine Gegenreaktion setzte zu beginn de 20. Jahrhunderts ein und die deutsche Ausdruckstanzbewegung entwickelte ein Tanzverständnis, das für die Tanztherapie bis heute wichtig ist: Der Tanz soll den menschlichen Körper in den Mittelpunkt stellen und der Körper soll emotionales Erleben und individuelle Erfahrungen ausdrücken. Während Psychoanalytiker versuchten, durch verbale Methoden das Unbeswusste zu entschlüsseln, begannen TänzerInnen Methoden der Beobachtung und Verwendung von Bewegung zu entwickeln, um Zugang zu unbewussten Schichten der Persönlichkeit zu finden. Wissenschaftler befassten sich im selben Zeitraum mit dem Thema des nonverbalen Verhaltens und mit der Beziehung von Köper und Seele, mit dem Körperbild.
Obwohl die Wurzeln der Tanztherapie dem deutschen Ausdruckstanz entstammen, entwickelte sich diese Methode hauptsächlich in den Vereinigten Staaten. Das hängt damit zusammen, dass in der Nationalsozialistischen Zeit einige Gründerinnen des Ausdruckstanzes sowie wichtige Persönlichkeiten, die die Psychotherapie-Entwicklungen entscheidend beeinflussten, aus Deutschland in die USA auswanderten. Dort wurde die Tanztherapie vor allem nach den 2. Weltkrieg gefördert. Erst in den 70er Jahren wurde die Tanztherapie nach Deutschland reimportiert. Der Beginn der Entwicklung der Tanztherapie aus geistigen und künstlerischen Strömungen fand in den 20er Jahren in Deutschland statt. Hierbei ist vor allem Rudolf von Laban (1879-1958) zu nennen, der zu dieser Zeit in England und Deutschland ein System zur Beschreibung der menschlichen Bewegung entwickelte, das noch heute große Auswirkungen auf die Bewegungslehre und Bewegungsdiagnostik hat. Eine Schülerin von Laban war die deutsche Tänzerin Mary Wigman (Karoline Sofie Marie Wiegmann 1886-1973), die in ihrem Buch „Die Sprache des Tanzes“ den Ausdruckstanz und ihr Erleben als Tänzerin beschreibt und somit wichtige Impulse zur Entwicklung der Tanztherapie gibt. Weitere Schülerinnen von Rudolf von Laban (1879-1958) und Mary Wigmann (1886-1973) waren Irmgard Batenieff, Franziska Boas, Liljan Espenak und Mary Whitehouse. Als Emigrantinnen verfolgten sie in den USA die theoretischen und praktischen Gedanken ihrer Lehrer weiter und entwickelten neue. Durch ihre Arbeit mit Behinderten und psychisch kranken Menschen entdeckten sie kontinuierlich neue therapeutische Möglichkeiten des Tanzes. Die Bühnentänzerinnen Trudi Schoop und Marian Chace trugen ebenfalls zur Entwicklung der Tanztherapie bei. Sie erprobten ab etwa 1950 die positive Wirkung von Tanz bei schwer psychotisch gestörten Menschen in der Klinik. Heute werden Franziska Boas, Marina Chace, Liljan Espenak, Mary Whitehouse und Trudi Schoop als „die Mütter der Tanztherapie“ bezeichnet. Sie alle wuchsen in der Zeit des Ausdruckstanzes auf und hatten bereits viele Erfahrungen im Tanz als künstlerisches Ausdrucksmittel gemacht und durch Erlebnisse in ihren Tanzstudios und Kontakten zu tiefenpsychologischen Therapeuten wurde die Tanztherapie von ihnen wieder entdeckt. Zunächst war aber keine von ihnen Klinikerin, Psychologin oder Psychotherapeutin.
Die Pionierinnen der Tanztherapie
Franziska Boas versuchte schon 1941 zusammen mit einer Fachärztin für Kinderpsychiatrie in einer Klinik mit psychisch kranken Kindern im Alter von 12 Jahren tänzerisch zu arbeiten.
Liljan Espenak (1905-1988)wandte sich nach ihrer Ausbildung bei Mary Wigman der Individualtherapie Alfred Adlers zu und ließ sich im Adler-Institut ausbilden. Sie versuchte für jeden ihrer Patienten und Schüler Bewegungsfreiheit zu erzielen, indem sie durch die bewusste Koordination von Körperteilen und rhythmischen Improvisationen Veränderungen im Lebensstil des Tanzenden anstrebte. Diesen Vorgang vollzog Liljan Espenak mit jedem Patienten einzeln als Vorbereitung für die Gruppentherapie. In der Gruppenarbeit wurden Rollenspiele gemacht, die den Patienten helfen sollten, zu lernen, mit verschiedenen Situationen klarzukommen. Außerdem wurden Dehn- und Kräftigungsübungen durchgeführt um einen größtmöglichen Bewegungsausdruck zu ermöglichen. Liljan Espenak nutzte Musik, um Emotionen zu unterstreichen oder hervorzulocken. Wie Patienten mit Übungen und Musik umgingen zeigte Liljan Espenak deren Selbstverständnis und Lebenserfahrung. Espenaks erste Patientengruppe bestand aus geistig behinderten Kindern. Später arbeitete sie auch mit neurotischen und psychosomatischen Menschen in Einzel- und Gruppentherapie. Sie starb 1988.
Mary Whitehouse (1886-1973) entwickelte ihren Ansatz zur Tanztherapie aus ihrer tänzerischen Erziehung in Europa und Amerika und durch den Kontakt mit der Tiefenpsychologie C.G.Jungs. Sie entwarf die Jungianische Tanztherapie, die heute in den USA weit verbreitet ist.
Trudi Schoop (1903) war eine große Bühnentänzerin und wanderte Anfang des 2. Weltkrieges aus der Schweiz nach Kalifornien aus. Dort begann sie ihre Tanztherapie für chronisch psychotische Menschen zu entwickeln.
Marian Chace (1896-1970) war die bekannteste und bisher einflussreichste Pionierin der Tanztherapie. Sie bezeichnete sich selbst nie als Psychotherapeutin, aber ihre Arbeit mit den Patienten kam der Psychoanalyse doch sehr nahe. Sehr bald entwickelte Marian Chace eine Art, die auffälligen Bewegungsmuster ihrer Patienten zu deuten. Sie verstand es auch mit Hilfe von Musik deren meist verborgene Emotionen hervorzulocken. Sie sah Haltung, Muskelspannung, Atemmuster und Koordinationsschwierigkeiten als äußere Erscheinung innerer Konflikte und arbeitete gern im Kreis um den verstörten Mitgliedern eine Möglichkeit zur Wiederaufnahme menschlicher Beziehungen zu bieten. Marian Chace legte großen Wert darauf, dass ihre Patienten lernten, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, um sie besser zu verarbeiten. Es gelang ihr, deren Bewegungen aufzugreifen und widerzuspiegeln, wodurch sie sich ihren Gefühlen leichter bewusst wurden. Heute ist Bewegungsspiegeln eine der Hauptmethoden der Tanztherapie. Marian Chace war der Meinung, dass Tanztraining in vielen Tanzformen für Tanztherapeuten wichtig sei, aber durch akademisches Wissen abgesichert werden müsse. Sie war die treibende Kraft, die 1965/66 maßgeblich zur Gründung der American Dance Therapy Association beitrug.
Der ersten Generation der „Mütter der Tanztherapie“ folgte die zweite Generation, die „Töchter“. Die „Töchter“ waren Frauen mit Tanzausbildung und z. T. auch mit Bühnenerfahrung, die sich in der theoretischen Begründung der Tanztherapie an psychotherapeutischen Konzepten orientierten. Sie ließen ihren Tanzausbildungen psychotherapeutische Ausbildungen folgen. Repräsentativ für die Arbeit dieser Generation sind die Beiträge von Erma Dosamantes-Alperson, Penny Lewis-Bernstein und Elaine von Siegel.
Der Stand der Tanztherapie heute
Die Ansätze der Pionnierinnen der Tanztherapie wurden meist von deren Schülerinnen aufgenommen und weiterentwickelt. Deswegen gibt es heute viele unterschiedlich konzipierte Formen der Tanztherapien.
Die Anwendungsbereiche der Tanztherapie
Rehabilitation und Erziehung von seelisch Gestörten, körperlich Behinderten, neurologisch Beeinträchtigten, emotional Verarmten und sozial Benachteiligten. Ebenso ist Tanztherapie bei Menschen mit relativ normalem Bewegungsverhalten angebracht, deren Schüchternheit, starke Befangenheit und niedrige Selbstachtung sie aber daran hindern die Ausdruckskraft ihres Körpers zu gebrauchen. Oder auch bei Personen, die sich aus einer Vielzahl von Gründen nicht in Worte fassen können und deswegen an starker Frustration in der Kommunikation und in Beziehungen zu anderen leiden. Menschen mit hochgradigen physischen Behinderungen können nicht effektiv an der Tanztherapie teilnehmen. Sie teilnehmen zu lassen würde das Gegenteil des gewünschten Effekts bewirken, denn es würde zu Enttäuschung und starker Frustration führen. Therapeuten arbeiten mit Personen jedes Alters in Gruppen oder einzeln. In einer Klinik oder einem psychiatrischen Krankenhaus spielt die Tanztherapie ihre Rolle als ein Teilbereich von mehreren innerhalb des Therapiespektrums.
Die Diagnose
Mit der Bewegungsanalyse versucht der Therapeut durch Körperhaltung, Gesten, Mimik, Rhythmus, Tempo, Beziehung zum Raum und Atemmustermehr des Patienten mehr über dessen Probleme zu erfahren. Um mehr über diese einzelnen Themenbereiche zu erfahren arbeitet die Therapeutin vor allem zu Beginn der Therapie mit speziell für den betreffenden Bereich geeigneten Diagnosetests
Diagnosetests
Diese Tests lassen sich in sieben Hauptbereiche einteilen.
- Ausmaß der dynamischen Antriebskraft (Energie)
- Kontrolle der dynamischen Antriebskraft (Rhythmus)
- Koordination (neuromuskuläre Funktionen)
- Ausdauer (Ertragen von Frustrationen)
- Physisches Selbstvertrauen (Mut, Widerstreben, Angst)
- Körperbild (Selbstbild)
- Emotionaler Zustand (ausgedrückt in Improvisationen)
Test 1: Ausmaß der dynamischen Antriebskraft (Energie)
Dieser einfache Test macht Aussagen über Motivation und über die Energie, die bei der Bewältigung einer körperlichen Aufgabe, die einen gewissen Kraftaufwand erfordert, eingesetzt wird. Manche setzen bei dieser Aufgabe ihren ganzen Körper ein, um sicher zu gehen, dass sie Stärke aus dem Boden ziehen; andere benutzen nur ihre Arme und oft nicht sehr effektiv; andere drehen sich um und schieben mit dem Rücken; wieder andere lehnen es ab, sich zu überanstrengen und schauen sich nach jemandem um, der ihnen helfen könnte. Für diese einfache Aufgabe gibt es offenbar ein sehr großes Spektrum an Energieverbrauch, Initiative und Urteilsfähigkeit in Bezug auf die Effizienz, mit der Energie genutzt wird. Wie wird das Individuum mit Hindernissen fertig? Entfernt es ein Hindernis, das dem Tisch oder Stuhl im Wege steht, schiebt es den Gegenstand darum herum oder bleibt es stehen, weil es durch das Hindernis blockiert ist? Gebraucht die jeweilige Person beim Wandtest wirklich ihre Kraft zum Drücken, oder halten sie diese unbeweglichen Elemente, Wand und Boden, von mehr als einer „als-ob-Anstrengung“ ab? Wenn sie ihre Knie beugt und den Boden wegdrückt, wirkt da der Beinmuskel entschlossen, ist das Beugen flexibel? Fällt ihr das Beugen außerordentlich schwer, oder ist es ihr vielleicht unmöglich? Was ist mit dem Sprung - wird er mit gebeugten Knien gemacht? Hat der Patient dafür genügend Antriebskraft, genug bereitwillige Stoßkraft, damit er sich vom Boden löst? Mit Hilfe dieser nonverbalen Vorführungen bildet der Therapeut sich seine Eingangsbewertung der vorhandenen Antriebskraft und zwar sowohl der Energie als auch der Bereitschaft, Energie zur Erfüllung der Anforderungen zu nutzen.
Test 2: Kontrolle der dynamischen Antriebskraft (Rhythmus)
Kontrolle und Zeiteinteilung zeigen sowohl den dem Einzelnen eigenen persönlichen Rhythmus als auch seine Fähigkeit, auf eine gegebene Aufteilung von Bewegungen innerhalb eines Zeitschemas zu reagieren, d.h. seine Fähigkeit, allein oder mit einem Partner, mit einem Rhythmusschema zu „kooperieren“. Wir benutzen für unsere Beobachtungen drei Methoden:
- Kontrolle von Geschwindigkeitsveränderungen
- Organisation von Rhythmusschemata
- Atemrhythmus
Die Kontrolle von Geschwindigkeitsveränderungen messen wir mittels einer einfachen Übung, mit dem Laufen auf einer Stelle. Man beginnt mit dem Stehen, verstärkt die Dynamik zum langsamen Gehen, verstärkt weiter zum Laufen, das schließlich zum schnellen Laufen wird, so schnell wie es dem Einzelnen möglich ist. Sobald der Patient am Höhepunkt des Energieverbrauchs angelangt ist, sollte die Energie oder Geschwindigkeit langsam reduziert werden, bis es am Ende wieder zum völligen Stillstand kommt. Durch Veränderungen im Tempo der Musik bewirken wir Veränderungen der Bewegungsgeschwindigkeit und beobachten so die Fähigkeit, diesen Wechsel mitzumachen. Passt der Patient sich intensiv der veränderten Geschwindigkeit an, oder zögert er, kommt ins Schwimmen? Fühlt er sich bei der Anpassung an die Veränderung unwohl, kann er mit der Musik „kooperieren“ (oder mit dem Partner), oder kommt er entweder zum Stillstand oder fährt unbeirrt in seinem bisherigen Tempo fort, ohne sich um die Veränderung zu kümmern? Hört und reagiert er nur auf seine eigenen inneren Rhythmen oder auch auf die Musik? kann er sich in die äußere Aufteilung einfügen) Während der einzelnen Phasen des Tests ist es eine wichtige Aufgabe der Therapeutin, die Atmung der Patienten zu beobachten. Der Atemrhythmus sagt etwas über das emotionale Gleichgewicht aus, sowie über instinktive Anpassung an die Energieanforderungen. Atemrhythmen zeigen den Grad emotionaler Stabilität an. Die Bedeutung und Ausdruckskraft des Atmen wird bereits klar, wenn man z.B. ein Kind denkt, dass vor Angst den Atem anhält, an das überraschte Einatmen einer erschreckten Person oder an das stoßweise atmen beim Schluchzen. Die Therapeutin versucht die Atemtätigkeit des Patienten nachzuempfinden, ihr Tempo und ihre emotionale Bedeutung zu interpretieren und geeignete Möglichkeiten zur besseren Freisetzung der Gefühle zu suchen. Die Kontrolle dieser Rhythmen ist gleichzeitig eine Technik, mit deren Hilfe man sich Stabilität aneignen kann, sowie ein Bewusstsein für die Beziehung zwischen Atem und dem wechselnden Erleben von Anspannung und Entspannung. Atemtraining ist eine wichtige Funktion der Tanztherapie. Dieser Test zeigt uns also eventuelle Probleme des Patienten auf diesem Gebiet, die in die Planung der Behandlung mit eingehen sollten, ebenso wie Probleme bei der Kontrolle und Einteilung dynamischer Antriebskraft.
Test 3: Koordination (neuromuskuläre Funktionen)
Mit Koordination meinen wir die Gesamtheit der emotionalen, geistigen und physischen Kontrolle, die sich in physischer Bewegung ausdrückt. Die Fähigkeit, eine solche Ganzheit zu entwickeln, variiert jedoch je nach den Entwicklungserfahrungen des Lebens. Durch un günstige emotionale und körperliche Erfahrungen wird die natürliche Integration von Körpersystemen gestört und das Koordinationspotential in unterschiedlichem Ausmaß blockiert. Beim Testen der Koordinationsfähigkeiten beginnen wir mit einer Rückkehr zu den Instinktebenen des frühen Gehens, also mit einer Stellung, auf allen Vieren. Wir fahren dann fort mit dem schrittweisen Gebrauch der Muskeln, die bei aufrechtem Gang in Anspruch genommen werden. Der Test verlangt eine Reihe von Bewegungen:
- Gehen auf allen Vieren
- Gehen auf zwei Beinen
- Zurück zum Gehen auf allen Vieren
- Bewegungen des Kreuzbeins
- Koordinierte Bewegung
- Seitwärtsgehen
- Armschwünge
Übung 4, Abbildung von oben gesehen. Der Körper liegt auf der rechten Seite auf dem Boden. Koordination: Bewegung des Kreuzbeins (Sacrum). Mit der Ruheposition (links) beginnen, das Kreuzbein nach außen drücken, Beine reagieren lassen, so dass es zur Klappmesserposition (Mitte) kommt. Dann Füße und Kopf so weit wie irgend möglich nach außen vom Körper weg drücken, so dass der Rücken sich zum Bogen wölbt (rechts).
Natürlich werden bei der Durchführung dieses Tests Probleme des Patienten mit der Koordination deutlich. Er gibt uns gleichzeitig Aufschluss, über die entsprechenden Techniken zur Korrektur, so dass es zu normaler, reibungsloser Fortbewegung kommt. Ein entscheidender Faktor bei normaler Fortbewegung ist die Bewegung des Sacrum (Kreuzbeins), eine kleine radähnliche Bewegung, die die reibungslose und entspannte Verlagerung des Gewichts von einem Fuß auf den anderen ermöglicht (Beachten Sie diese Funktion des Kreuzbeins in Abb. 33.A und B). Der unbewegliche Rumpf, der so charakteristisch für viele Patienten mit ungenügendem Körperbild und zu geringer Selbstachtung ist, führt zu Fortbewegungsstörungen, wie z.B. Ruckartigkeit oder Steifheit. Die Gehbewegungen, die bei diesem Test beobachtet werden, zeigen daher auf natürliche Weise die Probleme bei der Interaktion nicht nur der einzelnen Körperteile und - systeme, sondern auch bei der harmonischen Wechselbeziehung von Körper und Ego.
Test 4: Ausdauer (Ertragen von Frustrationen)
Beim Ausdauertest benutzen wir bestimmte Techniken, um Faktoren wie Aufmerksamkeitsspanne, Fähigkeit, einen Wechsel zu akzeptieren, und Kontinuität in der Anstrengung einzuschätzen. Der Test sieht zwei Beobachtungsphasen vor: 1. Wiederholungen von Bewegungen 2. Verengung und Erweitern des Blickwinkels Das Messen der Leistung der Patienten in der Testsituation erlaubt es uns, ihre Fähigkeiten zu länger andauernder Aktivität einzuschätzen, ihre Entschlossenheit unter Stress, ihre Konzentration auf die Aufgabe und ähnlich wichtige Merkmale der Persönlichkeit und ihrer augenblicklichen Einstellungen, die sich alle im Bereich der Bewegung als Reaktion auf geordnete Stimulationsmuster ausdrücken.
Test 5: Physisches Selbstvertrauen (Mut, Widerstreben, Angst)
Angst ist eines der Hauptelemente, die den freien Ausdruck von Gefühl durch Bewegung hemmen. In den folgenden Tests sind die Bewegungen so aufgebaut, dass die Kontrolle der Patienten über die physische Situation und die jeweilige Ebene der Angst oder Furcht in der Reaktion bestimmt werden kann. Der Patient ist in der Realität die ganze Zeit in vollkommener Sicherheit; wir suchen jedoch nach übertriebenen oder projizierten Ebenen der Angst oder Furcht in neuen physischen Situationen. Die Tests sehen folgende Bewegungen vor:
1. Rückwärtsgehen
- Rückwärts von Wand zu Wand gehen
- Zur Mitte hingelehnt in einer Spirale gehen
2. Rolle auf dem Boden
- Vor- und rückwärtsschaukeln, auf dem Boden sitzend
- nach hinten rollen, die Beine in der Luft
- Zurückrollen und nach vorne kommen, mit gekreuzten Beinen aufstehen
- Nach hinten rollen, die Beine hinter dem Kopf berühren
- Ganze Rolle vorwärts, rückwärts
3. Fallen
Selbstverständlich müssen die Therapeuten für die durch das Verhalten der Patienten deutlich gemachten Grenzen sensibel sein und vorsichtig vorgehen, wenn sich übertriebene Angst zu fallen oder die Angst, die Kopffreiheit einzuschränken, zeigt. Diese Furcht und Ängste sind, wenn nicht den physischen Situationen angemessen, eng mit den Ängsten des Patienten in seinem Alltagsleben verbunden.
Test 6: Körperbild (Selbstbild)
Dieser Test führt eine einfache Muskelleistung ein, die aufgrund der Reaktion des Patienten auf die folgenden Anweisungen Angaben über die Stärke des Egos und über sein Selbstbewusstsein macht:
- Auf die Zehenspitzen erheben
- Auf den Zehenspitzen bleiben
- Arme vorwärts heben
- Arme über den Kopf heben
- Arme öffnen
- Kopf anheben
- Auf Zehenspitzen mit offenen Armen und erhobenem Kopf vorwärts gehen
Hier wird keine besondere Fertigkeit oder Muskelstärke verlangt. Trotzdem stellt es eine Aussage über die Stabilität eines Individuums dar, ob es sich auf die Zehenspitzen erheben, dort bleiben und vorwärts gehen kann, wenn es dadurch auf die geringste Kontaktmöglichkeit mit der Schwerkraft, seine Zehen reduziert ist. Die Arme zu heben ist eine normale, einfache Bewegung und ist dennoch sehr aufschlussreich. Sind die Arme ganz erhoben, so hoch, wie der Einzelne kommt, oder sind sie teilweise erhoben? Sind sie weit offen, teilweise offen oder kaum geöffnet? Richten die Handflächen sich nach oben, nach außen oder nach unten? Sind die Finger der Hand geschlossen und steif, oder öffnet sich die Hand in einer freien natürlichen Geste? Zeugt der Ausdruck der Kopfbewegung von Leichtigkeit und Vertrauen in die nach oben gerichtete Stoßkraft des Körpers, zeigt der Gesichtsausdruck das Hochgefühl, das man normalerweise mit der aufwärts gerichteten Stoßkraft verbindet? Fällt der Patient schwer auf die Füße zurück oder versucht er, die Stellung und Bewegung zu verlängern? Welches Gefühl vermittelt er dem Therapeuten, während er vorwärts läuft, die Arme nach oben geöffnet, den Kopf erhoben, auf den Zehenspitzen?
Test 7: Emotionaler Zustand (ausgedrückt in Improvisationen)
In diesem letzten Test versuchen wir, Einsicht in die emotionale Haltung des Patienten hinsichtlich der vier emotionalen Grundzustände Wut, Freude, Zufriedenheit oder Furcht zu gewinnen. Wir benutzen hier die Technik der Tanzimprovisation, bei der den Patienten verschiedene Arten von Musik oder verbalisierte Bilder vom Therapeuten angeboten werden. Dieser Test verlangt spontanen kreativen Ausdruck durch Bewegung als Reaktion auf spezifische Stimulation; es wird dem Patienten überlassen, wie er seine eigene Reaktion in Bewegung ausdrückt. Der Patient wird durch sein freies Reagieren auf die Musik manchmal mitgerissen und verliert sich in seinen eigenen Improvisationen, oder er zeigt Missgestimmtheit und Ärger in abrupten, abgehackten Bewegungen. Er kann auch völligen Widerstand gegen ein Zurschaustellen von Gefühl oder Phantasie zeigen. Bei jedem Patienten wird eine deutliche, persönliche Wahl von Bewegungsmustern sichtbar, die er wiederholt anwendet. Er benutzt möglicherweise nur die Arme oder Füße. Er beugt den Körper oder hält ihn steif aufrecht. Er hält sich an einer Stelle auf dem Fußboden auf oder bewegt sich frei im Raum. In jedem Fall wird es dem Therapeuten gelingen, dem Patienten einige vorläufige Manifestationen seiner emotionalen Verfassung, bezogen auf die vier erwähnten Grundemotionen, zu entlocken. Wir können uns mit diesem Test auch eine gewisse Vorstellung von räumlichen Beziehungen machen, d. h. wie beispielsweise eine Patientin den Raum nutzt, nur ganz minimal oder großzügig. Wenn sie sich sehr nah zum Boden beugt und bewegt, und sich ihre Bewegungen im Raum nach unten richten, hat sie offensichtlich ganz andere Merkmale, als wenn sie hüpft, springt oder versucht, in den Raum über sich einzudringen. Schwankt sie ständig zwischen verschiedenen Richtungen in den Raum hinein, in stetem Gegensatz von Auf- und Abwärtsbewegungen? Findet Bewegung im Zentrum des Körpers, dem Beckenbereich statt, oder fuchtelt sie wild mit Armen und Beinen im Raum herum, während der Körper unbeweglich bleibt? Die Flexibilität oder Unbeweglichkeit des Rumpfes ist ein wichtiger Beobachtungspunkt. Ein steifer Rumpf deutet auf eine starre Persönlichkeit hin - eine Hemmung oder eine unbewusste Ablehnung, Bewegung im Zentrum des Lebens selbst zu erleben. Diese Anfangsimprovisationen vermitteln dem Therapeuten tatsächlich seinen ersten Eindruck von den Patienten in Bewegung als Reaktion auf Musik. Ihnen sollte deutlich gemacht werden, dass sie nicht die Musik oder das verbalisierte Symbol wörtlich „zu interpretieren“ haben, sondern dass sie versuchen sollten, die - wie auch immer geartete - Energie, die sie einbringen möchten, auszudrücken. Sie sollten die Bewegungen machen, die sie gerne machen möchten, und die Teile des Raumes (oder den gesamten Raum) erforschen, die sie interessieren. Dieser Test ist also eine Einladung zu Beginn, innere Gefühle nach außen zu lassen. Natürlich ist das, was die Patienten in ihrem „Tanz“ nicht tun, genauso wichtig wie das, was sie tun. Vielleicht halten sie inne, zögern, vielleicht gehen sie schüchtern rückwärts, stehen faktisch still. Vielleicht befinden sie sich in einem Zustand extremer Unsicherheit oder erstarren als Folge von Bewegungsangst oder sie bewegen sich im Gegenteil mit übertriebenem Wagemut und Selbstbewusstsein, ja sogar Aggression
Die Körperteile sprechen für sich
Worauf wird bei den Bewegungen des Patienten ansonsten geachtet? Zum Beispiel auf… …mangelnde Integration einzelner Körperaktivitäten • Ein oder mehrere Körperteile verharren, während der restliche Körper in Bewegung ist • Bewegungen der Körperteile mit separaten und nicht zusammenhängenden Rhythmen • Beibehalten von Spannung in speziellen Körperpartien. Auffälligkeiten und Besonderheiten in verschiedenen Körperteilen weißen auf unterschiedliche Ursachen hin. Jedes Körperteil spricht sozusagen für eine andere Bereich aus Intellekt, Gefühlsleben, Erinnerung und Unterbewusstsein. Kopf: Spirituelle, geistige Sphäre (Intellekt, der Wille) Hals: Passage oder Blockade von Energie. Rücken: Hält Menschen aufrecht, im Widerstand gegen Schwerkraft. Spiegelt Ego und Persönlichkeit wider (Stolz und Mut) Schultern: Tragen die (reale und imaginäre) Bürde des Lebens. Brust: Introvertiertheit/Extrovertiertheit. Ellebogen: Widerstand oder Nachgeben gegenüber der Welt. Zwerchfell: Reguliert Atem (Anhalten und Ausstoßen). Reguliert Gefühle (zulassen und unterdrücken). Taille: Passage oder Blockade von Energie. Arme und Hände: Greifen nach der Welt. Halten, umarmen, tragen, lehnen Welt ab. Hüfte: Sexuelles Image. Kreuzbein: Ursprung der Lebenskraft, Aggression. Oberschenkel: Liefern Stärke für die Bewegung. Bestimmen Unabhängigkeit. Knie: Bringen Flexibilität in die Bewegung ein. Geben Gefühlen und Unterdrücken nach. Sind bei Stolz starr und steif. Beine: Mobilisieren – tragen Menschen an Orte, stabilisieren – halten aufrecht und halten Verbindung mit dem Boden. Knöchel: Erheben den Menschen, zeigen Bestrebung. Verbinden mit Füßen um feste Grundlage zu schaffen. Füße: Verbindung zur Erde – Sicherheit, Sprungkraft – geben Bewegungsfreiheit. Ferse: Verbindung zwischen Abheben und Erdverbundenheit. Entschlossenheit – Starrheit. Rücken: Beziehung zum Selbstbild. Glieder und Hüfte: Beziehung der Person zu anderen – der Welt. Kreuzbein: (Wirbelsäulenbasis) Strukturelles Zentrum des Körpers. Zeigt als Zentrum der Schwerpunkachse Lebenskraft und den Ursprung der Energie an. Gesicht: Drückt spirituelle, intellektuelle Reaktionen aus. Seitlich: Linke Seite repräsentiert emotionale Seite/rezeptiv. Rechte Seite trifft auf Probleme der Welt/aggressiv. Bauch/Rücken: Vorderseite: mehr Organe, lebenswichtige Teile. Rezeptiv/sensitiv. Rückseite: mehr Muskeln, beschützend. Aggressiv/stark.
Die Hüften und der Beckengürtel
Hemmungen zeigen sich gewöhnlich recht deutlich in den physischen Auswirkungen auf Stellung und Beweglichkeit des Kreuzbeins (Sacrum) und des Hüftgelenks. Furcht oder Schuldgefühle gegenüber der Sexualität bewirken oft ein nach hinten geschobenes Becken, so dass es zu einer übertrieben starken Lendenkurve und zum Hohlkreuz kommt; das Gesäß kann bei der Anstrengung, alle Körperöffnungen zu schließen, so angespannt sein, dass das Becken nach vorn und nach unten gekrümmt wird. Manche Menschen halten ihren Beckenmuskel ständig angespannt, indem sie ihn zusammenpressen, sich unbewusst immer noch „anständig“ benehmen, wie man es ihnen einst beigebracht hatte. Was für unterschiedliche Gründe die Muskelanspannungen auch immer haben können und was für Veränderungen sie auch immer bewirkt haben - Ziel muss es sein, die volle Beweglichkeit des Beckens wieder herzustellen und es wieder in die Lage zu versetzen, in seinem täglichen Leben die willkürliche Funktion der Koordination von unteren Gliedmaßen mit Rückgrat und Kopf zu erfüllen und in der Sexualität frei und harmonisch zu funktionieren. Bei Fettleibigkeit können nach einem Entspannungsprogramm für Kreuzbein und Oberschenkel, das an Stelle der üblichen gewaltsamen, Energie verbrauchenden Übungen zur Gewichtsreduzierung gesetzt wird, erstaunliche Veränderungen vorkommen. Das Becken muss frei Schwingen dürfen, muss seine kreisende Bewegung bei jedem Schritt machen dürfen, mit Unterstützung der Beine, über denen es schaukeln kann, wie eine Hängematte zwischen zwei Bäumen. Kopf und Schulter Die Kopfhaltung drückt aus, was der Einzelne über seine intellektuelle Position gegenüber der Welt der anderen empfindet und was er über seine Fähigkeit, seine Gefühle zu beherrschen, denkt. Die Art, wie das Kinn gehalten wird, zeigt die interpersonelle Haltung an: aggressive Abwehr, trotziges Misstrauen, Entschlossenheit, Widerspenstigkeit werden durch den Grad der Erhobenheit des Kinns ausgedrückt. Der trotzig zurückgeworfene Kopf ist das häufigste Beispiel für ein ausgestrecktes Kinn. Der Kopf kann sich jedoch auch mit verlängertem Hals nach oben strecken, als Zeichen eines Strebens nach dem Geistigen, oder, in einer etwas merkwürdigen Art, um dem Wunsch Ausdruck zu verleihen, sich vom Körper zu befreien, zu leugnen, dass der Körper existiert. Oft gibt es eine Widersprüchlichkeit zwischen der Ausrichtung des Kopfes und des restlichen Körpers und einer Steifheit der Schultern und des Halses. Dies ist ein Zeichen einer Haltung der Verachtung und des Rückzugs, als sei man, wie Lowen (Betrayal of the Body, 1968) sagt, „über die körperlichen Freuden des Lebens“ erhaben. Wenn der Kopf herrscht und dabei Bestrebungen des Körpers nicht akzeptiert oder leugnet, finden wir „abgetrennte“ vorwärts gerichtete Anspannung mit gleichzeitiger Unbeweglichkeit des Körpers vor. Hält man den Kopf konstant zur Seite geneigt, wird damit die ausweichende Natur der Seitwärtsbewegung deutlich: Zeichen von Unentschlossenheit und Misstrauen. Ein herunterhängender Kopf schließt die Welt aus. Das visuelle und emotionale Zentrum ist das Selbst. Der nach innen gerichtete, nach vorn gebeugte Kopf lehnt jede Möglichkeit neuer Ansichten und Ideen ab. Der Kopf muss sozusagen nach oben kommen, um „Luft zu holen“. Versteifter Kopf und versteifte Schultern, eines der üblichsten Merkmale der schizoiden Persönlichkeit, gibt oft den Armen den Anschein, in ihren Gelenken zu baumeln, mehr wie Anhängsel als integrale Teile des Körpers.
Brustzone
Die beengte, verkrampfte Brust, die so oft bei Stellungen inneren Rückzuges und Depression beobachtet wird, ist von besonderer Wichtigkeit, da sie das Atmen behindert. In der Therapie hat das zur Korrektur bestimmte Erlebnis des „Öffnens“ der Brust durch programmiertes Atmen und Hin- und Herpendeln der Schultern oft den dramatischsten Effekt. Zu Beginn der Übungen kann man die Angst des Patienten beobachten, ebenso dann den darauf folgenden, genauso deutlichen Schock, wenn er gewahr wird, dass eine innere Verengung von ihm weicht und freie Bewegung möglich ist. Bei Fortsetzen der therapeutischen Erfahrung wandelt sich die Brusthaltung zu einer entspannten, freien Stellung, die die Anpassung der Ausrichtung der Wirbelsäule erlaubt und damit das tiefe Atmen, das für den Körper und die psychische Gesundheit so unentbehrlich ist.
Der „geteilte“ Körper
Es gibt eine Reihe anderer Verformungen, die sowohl für neurotische als auch schizoide Persönlichkeiten charakteristisch sind. Die Muskeln der oberen Körperhälfte sind zum Beispiel unterentwickelt, der enge Brustkorb wird in einer etwas zusammengefallenen Stellung gehalten. Diese Stellung bewirkt natürlich eine Beeinträchtigung und Beschränkung der Atmung, oft ist die Taille verengt, was den Eindruck einer „Spaltung“ des Körpers in eine obere und untere Hälfte erweckt. Der Patient identifiziert oft unbewusst die obere Hälfte mit seinem Ego, seiner Selbstbeherrschung, seinem Intellekt. Die untere Hälfte repräsentiert die abgelehnte Sexualität, die „niedrigeren“ Körpermechanismen. Die Beckenstruktur zeigt diesen psychologischen Affekt.
Richtung und Raum der Bewegung
Einer Bewegung, ob mit dem ganzen Körper oder auch nur mit den Gliedmaßen, lässt sich eine Richtung wie oben, unten, vorwärts, rückwärts, rechts und/oder links zuordnen. Jede dieser Richtungen hat jeweils einen eigenen Ausdruck. Sich nach oben zu strecken drückt z.B. ein Gefühl der Sehnsucht aus, eine Bewegung nach untern ist trauriger und nachdenklicher. Die Arme von den Seiten des Körpers nach außen zu bewegen, zeigt an, dass man sich anderer bewusst ist. Eine Armbewegung quer über den Kopf, ist eine Bewegung, die andere ausschließt. Eine Rückwärtsbewegung ist tendenziell schüchtern und zurückweichend, Vorwärtsbewegungen sind nach außen gehend, vorwärts schreitend und selbstbewusst. Die Entladung angenehmer Spannung schafft eine Bewegung nach vorne und nach oben. Furcht, Sorge und Enttäuschung sind in Bewegungen nach untern und hinten sichtbar. Eine seitliche Bewegung kann den Wunsch zu entkommen ausdrücken. Die Nutzung des Raums bei der Bewegung macht ebenfalls Aussagen über psychologische und emotionale Zustände. Wenn ein Mensch keinen stark entwickelten Sinn für Grenzen hat, wird er sehr viel Raum brauchen oder dazu tendieren in den Raum einzudringen, der anderen zusteht. Gefühle wie Unzulänglichkeit und Unwürdigkeit können an der Seitwärtsbewegung erkannt werden oder daran, dass so wenig Raum wie möglich eingenommen wird. Der Therapeut benutzt auch die Raumdimensionen, um die Emotionen der Bewegungen des Patienten zu interpretieren. Zuerst beobachtet er die Bewegungen auf der mittleren Raumebene, also der normalen Ebene alltäglicher Bewegungen, der Realitätsebene, auf der wir normalerweise leben und normalerweise unsere gewöhnlichen Aufgaben erfüllen. Zweitens gibt es die obere Ebene, zu der wir herauslangen, nach der wir die Arme erheben, den Hals lang machen, uns mit dem Kopf oder dem gesamten Körper Strecken oder mit beiden Füßen vom Boden abspringen. Die Bewegung hin zum oberen Teil des Raumes ist Ausdruck für unser Streben und Trachten. Sie bedeutet, dass wir der Schwerkraft trotzen und allem, was uns symbolisch am Boden hält. Die dritte Ebene, die sich im bodennahen Kauern, Beugen, Bewegen ausdrückt, symbolisiert die Sehnsucht nach Sicherheit. Sie drückt auch Traurigkeit, Kummer, Konflikt und Furcht aus. Wir beobachten auch drei Ausrichtungen in den Raum, und zwar die Vorwärts-, Rückwärts- und Seitwärtsbewegung, das heißt, der zuversichtliche Vorstoß nach vorn, der Rückzug nach hinten, das ausweichende, sich abwendende, zur Seite gerichtete Schleichen.
Die Planung der Behandlung
Während der gesamten Testaktivität hat der Therapeut die physiologischen Merkmale und die Persönlichkeitsmerkmale der Patienten beobachtet. Er hat ihre Koordination, ihre Atmung, ihre Körperhaltung, ihre Art zu stehen, ihre Balance, ihre Arm- und Beinbewegungen, ihre Schulter-, Hals- und Rumpfbewegungen beobachtet. Er hat Bereiche ausgemacht, in denen sie zögern, sich versteifen, straucheln, bewegungsunfähig sind. Er hat die Folgerichtigkeit und die Unangemessenheit, mit denen sie die Aufgaben angehen, beobachtet. Kurz, er hat nun eine Vorstellung vom Grad der Einheit des Körpers in Bewegung im Verhältnis zur Körperstruktur des Menschen. Der Therapeut hat etwas über den Elan des Patienten und das Ausmaß seiner Teilnahmebereitschaft oder seines Widerstandes gelernt. Er hat auch eine gewisse Einsicht in seine emotionale Haltung gewonnen. Im technischen Bereich hat er etwas über sein Verhalten im Raum gelernt. Der erste Schritt der Behandlung in Richtung geistig-körperlicher Einheit besteht nun darin, den Patienten dazu zu bringen, seinen eigenen Körper anzunehmen. Dafür werden darauf abgestimmte Übungstechniken angewandt. Diese Übungen dienen nicht nur der Verbesserung von Haltungs- und Bewegungsfähigkeit, sondern auch der Wiederherstellung des Selbstvertrauens.
Die Methoden der Tanztherapie
In der Tanztherapie werden nicht, wie oft missverständlich angenommen, nur bestimmte Tanzstile getanzt. Einfache Bewegungen wie Gesten, kleine Bewegungsspiele und einfache Drehungen gehören ebenso zur Tanztherapie, wie auch die verbale Verarbeitung des Erlebten. Drei methodische Hauptelemente der Tanztherapie sind die Tanztechnik, Improvisation und die Gestaltung. Die drei Bereiche bauen aufeinander auf und ergänzen sich: Durch die Arbeit mit der Tanztechnik wird ein gewisses Repertoire an Bewegung gelernt, das für die Improvisation nötig ist. In der Gestaltung werden Elemente aus den beiden Bereichen miteinander verbunden.
Die Tanztechnik
Bei der Arbeit mit der Tanztechnik werden dem Patienten vorstrukturierte Bewegungsformen, Rhythmen und Abläufe angeboten. Diese festgelegten Bewegungsmuster helfen Hemmungen zu überwinden: Die meisten Menschen haben Angst beim Tanzen nicht dem Schönheits- und Bewegungsideal zu entsprechen. In dieser Situation kann die Tanztechnik durch ihre eindeutige Struktur Klarheit und Halt schaffen, was Unsicherheiten vermindert. Das Ziel der Tanztechnik ist es, die Bewegungen mit innerer Beteiligung nachzuvollziehen, die eigenen leiblichen Empfindungen besser wahrzunehmen, das Bewegungsrepertoire zu erweitern und auf die Verbindung von Stimmung und Bewegung aufmerksam zu werden. Das Nachvollziehen tänzerischer Bewegungen eröffnet beim Patienten selbst neue kreative Freiheiten. Der Patient schlüpft beim Tanzen in eine Rolle, er handelt und bewegt sich als ob er der „Wütende“, der „Verführerische“ oder der „Beschwingte“ wäre. Allein diese Möglichkeit zu tun „als ob“ vermittelt ihm ein Stück Freiheit. Konkret ist es schwer, wenn nicht sogar unmöglich einfach fröhlicher oder sicherer zu werden, aber im Tanz kann sich der Patient verhalten also wäre er fröhlicher und sicherer. Auch wenn man das Hervorrufen von Gefühlen und Stimmungen durch Bewegung eher wie ein Spiel betrachtet, kann die Erfahrung, die durch den Bewegungsausdruck gemacht wird, der erste Ansatz sein, seinen tatsächlichen Zustand zu verändern. So kann die Ausführung einer Bewegung der Ansatz eines entsprechenden Erlebens sein. Die Wahl des Tanzstils wird von der Stimmung und Gesamtsituation des Patienten abhängig gemacht, da verschiedene Tanzstile unterschiedliche Stimmungen hervorrufen. Das klassische Ballet hat z.B. eine klare Linienführung, sehr disziplinierte Bewegungsmuster wenig Bodenberührung bei gleichzeitiger Balance. Es erfordert Ganzkörperkontrolle, es strebt nach Leichtigkeit, Anmut und Eleganz und erfordert hohe Konzentration.
„Beispiel: Ein sechsjähriges Mädchen mit kurzen Konzentrationsphasen, hoher Ablenkbarkeit und einer starken motorischen Unruhe wollte von sich aus gerne das Ballett lernen, d.h. eine Tanzrichtung, die genau das von ihr verlangte, was ihr schwer fiel: Kontrolle der Bewegung und Ausdauer. Wir begannen mit kurzen Phasen des Balletts (2 Bahnen im Raum auf und ab), die sie selbst dann mit wilden Bewegungen hüpfender Heuschrecken, brüllender Löwen oder springender Leoparden unterbrach. Über viele Stunden hinweg beschäftigten wir uns immer wieder mit dem Ballett. Dabei war es wichtig, ihre Grenzen an Können und Ausdauer zu respektieren, um Misserfolgserlebnisse zu vermeiden, ihr gleichzeitig aber zu zeigen, wo ihre tatsächlichen Grenzen liegen. Die Phasen wurden allmählich länger, bis sie schließlich lange Zeit am Stück konzentriert bei der Sache bleiben konnte. Zum Abschluss der Stunde wollte sie eine Ballettaufführung machen, bei der sie die Prima Ballerina und ich die Zuschauerin war, die ihr als Tänzerin applaudierte. Über die Beschäftigung mit dieser Tanzrichtung konnte sie mit viel Spaß ihre individuelle Thematik bearbeiten, Vertrauen in ihre motorischen Fähigkeiten entwickeln sowie Ressourcen aufbauen.“ (Birgit Mayer: Integrative Tanztherapie mit blinden Kindern und Jugendlichen S.13)
Ganz anders als das Ballet ist der afrikanische Tanz. Er ist sehr bodenverbunden und die Bewegung fließt mit wenig Spannung durch den Körper. Die Themen die über den afrikanischen Tanz bearbeitet werden können sind daher ganz andere als die im Ballet. Der afrikanische Tanz ist z.B. Ausdruck einer starken Kraft, wie Wut oder Durchsetzung und der intensive Bodenkontakt gibt das Gefühl von Stabilität und Standfestigkeit.
Der rumänische Drehtanz kann beim Tänzer das Erleben des Losgelöst-Seins, der Entrückung, der Unbeschwertheit und Sich-Gehenlassens hervorrufen. „In der Übernahme einer Form liegt auch in der Therapie natürlich die Gefahr, dass Bewegungen bloß äußerlich übernommen und ohne innere Beteiligung nachvollzogen werden. Diese Gefahr ist bei vorab festgelegten Bewegungsabläufen besonders groß. Wird die Technik zum Vordergrund und nur ihr die Aufmerksamkeit geschenkt, verliert der Tanz seinen therapeutischen Wert.“ (Elke Willke: Tanztherapie- zur Verwendung des Mediums Tanz in der Psychotherapie S.7) Dieser Gefahr kann entgegengewirkt werden, indem man dem Patienten durch verbale Anleitung hilft den Ausdruck bestimmter Bewegungen zu erkennen. So kann die Therapeutin z.B. bei der Bewegung des Stampfens die Fragen stellen: Wann stampfen wir Menschen? Wo hast du das schon mal gemacht? Was hast du dabei erlebt? Dadurch vermittelt sie deutlich, dass wir zu allen Bewegungen unsere Gefühle heraufholen können und arbeitet gleichzeitig daran die äußere und innere Bewegungswelt zusammenzuführen.
Für die Tanztherapie ist es sehr wichtig das Repertoire an Bewegungs- und Ausdrucksmöglichkeit verschiedener Tänze und Tanzstile im therapeutischen Prozess einzusetzen. Was am folgenden Beispiel deutlich wird: „Ein Klient versuchte z. B. immer wieder, durch kleine Stampfer seine Wut zu zeigen. Entweder er tat sich weh, oder er war mit dem Ergebnis unzufrieden. Verschiedene Stampftechniken - teilweise aus dem afrikanischen Tanz - konnten ihm helfen, seine Bewegung und seinen Ausdruck zu finden. Eine andere Klientin äußerte den Wunsch, die Beckenbewegungen des Bauchtanzes lernen zu wollen. Sie war sich bewusst, dass sie sich in ihrem Becken steif und gehalten fühlte. Für sie hatten diese Bewegungen mit Weiblichkeit, Sexualität und Verführung zu tun und knüpften direkt an ihr aktuelles Thema an.“ (Elke Willke: Tanztherapie- zur Verwendung des Mediums Tanz in der Psychotherapie S.8)
Die Nachahmung
Imitation der Bewegungsform anderer Menschen führ zur eigenen Bewegungsform und damit zur Persönlichkeitsentwicklung. Der Gedanke, durch das Tanzen von Gefühlen, Zuständen und Rollen eines anderen sich selbst näher zu kommen erscheint zunächst merkwürdig, aber durch die Imitation von anderen und den Vergleich zu anderen oder auch durch die Ablehnung und den Widerstand gegen eine andere Person erhalten wir Information und Rückmeldung über uns selbst. Deswegen kann es oft therapeutisch sinnvoll sein, den Patienten aufzufordern bestimmte Bewegungen nachzuahmen. Auch bei der Nachahmung ist es aber sehr wichtig, dass sich die Bewegung nicht nur auf das physische Konzentriert und die Psyche miteinbezogen wird. In Fällen, in denen die Therapeutin spürt, dass der Patient ein bestimmtes tiefgehendes Gefühl hat es aber nicht ausdrücken kann oder nicht weiß wie er damit umgehen soll, kann die Therapeutin auf die Nachahmung zurückgreifen. Sie kann ihm eine bestimmte, auf seine Gefühle abgestimmte Bewegung zeigen und ihm damit helfen sich auszudrücken. Das folgende Beispiel zeigt, wie die muskulären Spannungen eines Patienten von der Therapeutin aufgegriffen und in einen Tanz übertragen wurden. Ein Patient steht vornüber gebeugt, die Muskulatur seines Unterkörpers ist angespannt, seine gesamte Haltung ist die eines Menschen in panischer Angst. Die Therapeutin versetzt sich in die gleiche Position und spürt die Spannung in ihrem Unterkörper. Sie nimmt dieses Gefühl als Grundlage und entwickelt daraus eine tänzerische Bewegung um die Spannung im Unterkörper zu vermindern. In Reaktion auf seine Therapeutin kann der Patient dann seine eigene Anspannung in eine ähnliche Bewegungssequenz übertragen und sich dadurch aus eigener Kraft aus seinem erstarrten emotionalen und muskulären Panzer lösen. (Marian Chace: Tanz als unterstützende Therapie bei Patienten in stationärer psychiatrischer Behandlung S.133 im Buch: „Tanztherapie- Theorie und Praxis“ Hrsg. Elke Willke )
Die Improvisation
Charakteristisch für die Improvisation ist es, das Unvorhergesehene, Nichtvorgeplante geschehen zu lassen. Sie dient dazu die Bewegung unkontrolliert aus Impulsen heraus entstehen zu lassen, das entstehen zu lassen was entstehen will und sich ganz dem Ausdruck der Bewegung hinzugeben. In der Improvisation existieren formale Bewegungsvorgaben nicht, sie ist eine beliebige Kombination und Anordnung von Körper, Raum, Zeit, Kraft und Rhythmus. In der Improvisation gibt es keine Leistung im Sinne einer Erfüllung bestimmter Standards, der Tänzer kann dadurch seinem Empfinden, Erleben und Begreifen in der Bewegung Ausdruck geben. Leistungsanforderungen sind in der Improvisation nicht vorhanden und damit haben die Suche nach Erfolg und die Angst vor Misserfolg keinen Platz. Das ist sehr wichtig, da es in der Improvisation darauf ankommt, alles bewusst werden zu lassen, was von selbst kommt und nicht durch von außen kommende Anforderungen bestimmt wird. Das Zurücklassen von Anstrengungen bedeutet gleichzeitig auch Spannungen abzubauen und dadurch Entspanntheit im Tun und Bewegen zu erreichen. Je entspannter der Patient bei der Improvisation ist, desto sensibler wird seine Wahrnehmung. In einem vollkommen verspannten Körper sind nur schwer andere Empfindungen wahrzunehmen als die Verspanntheit selbst. Deswegen ist es wichtig, dass der Patient vor der Improvisation entspannt ist und auch während er tanzt keinen Druck entstehen zu lassen, so kann er Zustände, Gefühle, Körper und Empfindungen mit der Zeit immer nuancierter wahrnehmen. Die Entspanntheit ist aber nur eine Voraussetzung für die Improvisation. Ebenso wichtig ist die Konzentration. Konzentration auf sich selbst, was man fühlt und wie sich der Körper bewegt. In der Improvisation bleibt wie auch bei der Tanztechnik das Element des „Spielens“ bestehen, wodurch die Möglichkeit gegeben wird fest gefügte, realisierte Wirklichkeiten aufzulösen und neue, andere Wirklichkeiten zu schaffen.
Der Anfang der Improvisation in der Therapie ist für den Klienten meist schwierig und erschreckend. Er fühlt sich durch seine plötzliche Freiheit im Handeln und Bewegen unsicher und weiß nicht, was er tun soll. In Moment der Improvisation sind alle von außen kommenden Zwänge, Schranken und Verhaltensvorgaben aufgehoben und trotzdem fühlt sich der Patient zunächst nicht „frei“. Dieses Erleben bringt oft schon die erste Einsicht mit sich, nämlich die, dass wir uns die Beschränkungen und Grenzen im Alltag häufig selbst setzen. Eine weitere Schwierigkeit der Improvisation ist das Abschalten der Selbstkontrolle, also auch des Intellekts. Nur dadurch kann ein Zugang zum Unterbewussten geschaffen werden und das ist nötig um vergessene, unterdrückte, verdrängte Gefühle, Szenen, Erinnerungen und emotionale Bewegungen wieder an die Oberfläche zu holen um sie zu „verkörpern“. Je länger der Intellekt ausgeschaltet werden kann, um so eher kann Vergessenes und Verborgenes aufsteigen. Manchmal kommt es dann zu Gefühls- und Bewegungsausbrüchen im Sinne einer Katharsis. Für viele Menschen liegt aber genau da das Problem, im Ausschalten des Intellekts. Sie schaffen es einfach nicht, Leistungsbewertungen beiseite zu lassen und setzen sich selbst unter Druck. Sie können ihre Angst vor Misserfolg nicht verhindern und erleben große Spannungen. Manche haben auch schlicht zu wenig Kenntnis davon, wie sich ihr Körper bewegen kann und haben deswegen Hemmungen, sich auf die Improvisation einzulassen. Sie können die Freiheit, die ihnen angeboten wird nicht nutzen. Damit verbunden entsteht die Frage, wie Improvisation angelegt und geleitet werden kann, damit therapeutische Veränderungen möglich werden. Diese Frage lässt sich aber nur schwer beantworten, da das abhängig ist vom Patient, dem Therapeut und der Gesamtsituation. Aber man kann den Patienten z.B. auffordern, erlernte Bewegungen in eigener Weise zu kombinieren, neue Akzente zu setzen und andere Rhythmen zu verwenden. Dieses Setzen von neuen Grenzen, die aber sehr lose sind und jeder Zeit geöffnet werden können, gibt dem Patienten mehr Sicherheit. Für diese Improvisationsform ist es aber hinderlich, wenn gelernte Formen und Bewegungen zu lange und intensiv eingeübt wurden, denn dann ist ein Spielen mit ihnen sehr schwer. Eine andere Hilfestellung kann es für den Patienten sein, wenn man in bittet, seine Gefühle zu einer bestimmten Musik auszudrücken. Hier besteht die Kunst des Therapeuten darin, die Freiheit weit genug einzuschränken, um Schutz zu geben und Angst zu vermindern und dennoch das Maß an Freiheit zu geben, das notwendig ist, um die Improvisation für jeden sinnvoll, erfahrungs- und erlebnisreich werden zu lassen. Erst das Beschränken von Freiheit ermöglicht in diesen Fällen das Erleben von Freiheit in der Bewegung. In der angeleiteten Improvisation, bei der Themen, Situationen oder Bewegungsideen vorgegeben werden, kann mit Verhaltensweisen experimentiert werden, die normalerweise unterdrückt werden, weil sie verboten sind oder im Alltag mit Furcht, Spannungen und Ängsten verbunden sind. Eine weitere Form der Improvisation bezieht sich stärker auf das Unbewusste. Rein äußerlich betrachtet geschieht zunächst nichts. Der Patient konzentriert sich nach innen und lässt Gefühle, Gedanken, Bilder und Geschehnisse auftauchen und fließen ohne sie festzuhalten. Er wartet, bis neue Impulse wie von selbst nach außen drängen, ohne dass ihr Ausdruck bewusst gewollt wird. Der Patient lässt sich bewegen; er wird mehr bewegt, als dass er sich willentlich bewegt. Bewegungsformen, die auf diese Weise zustande kommen, werden als „authentic movement“ bezeichnet. Charakteristisch für das authentische Sich-Bewegen ist die innere Beteiligung. Erma Dosamates-Alperson benutzte auch den Begriff „feltmovement“ um die Verbindung von Gefühl und Bewegung hervorzuheben. Die Arbeit mit dem Unbewussten in der Improvisation ist für Patenten angemessen, die im Alltag zwar gut funktionieren, aber dennoch von Gefühlen der Leere und Sinnlosigkeit beherrscht werden. Mit psychotischen Menschen wird nicht am Unbewussten gearbeitet, sondern sehr bestimmt in der äußeren, realen Welt um eine klare und stabile Ich-Struktur aufzubauen.
Die Gestaltung
Die Gestaltung kann als eine Kombination von Tanztechnik und Improvisation angesehnen werden. In der Tanztechnik wird versucht, über eine bestimmte Bewegung Zugang zum entsprechenden Gefühl zu finden, während man in der Improvisation Gefühle und Stimmung durch unkontrollierte Bewegungen und Impulse zum Ausdruck bringt. Die Gestaltung soll einen Ausgleich zwischen den beiden Extremen schaffen. Die in der Tanztechnik erlernte Kontrolle der eigenen Bewegung und das Ausdrücken der eigenen Gefühle, wie in der Improvisation, werden verbunden. Bei der Gestaltung drückt der Patient Gefühle, Stimmungen und Emotionen durch beherrschte, kontrollierte Bewegungen aus, die er im Rhythmus zu einer passenden Musik durchführt. Er behält dabei die Entscheidungsfreiheit, welches Gefühl er zum Ausdruck bringen will. Er wählt aus, kontrolliert und verändert. Dadurch entsteht die für den Patienten notwendige Distanzierung, er hat nicht das Gefühl, seinem Innenleben hilflos ausgesetzt zu sein und sich darin zu verlieren, wie es bei der Improvisation der Fall ist. Dadurch bekommt er eine Möglichkeit sich jeder Zeit im Tanz auszudrücken.
Übungen
Durch den gesamten Therapieverlauf zieht sich die Anwendung von verschiedenen Übungen, die dazu dienen, bestimmte Bewegungen für den Patienten wieder möglich zu machen oder zu korrigieren. Dabei sind selbst auf einfache Haltungskorrekturen starke Reaktionen zu erwarten. Wenn ein Patient beispielsweise die Schultern bewegen muss, damit sich die steifen Arme auf natürliche Weise in die Schultergelenke einfügen, kann der Wechsel vom geschlossenen, geschützten Brustkorb zum ungeschütztem Brustkorb und offenen Armen einen akuten Ausbruch von Angstgefühlen mit sich bringen. Wird jedoch das ganze fortgeführt und die körperliche Erfahrung zur Gewohnheit, wird sich ein Gefühl von Freiheit entwickeln, das in sich eine Auflösung der ursprünglichen neurotischen Anspannung und die Blockade der unbewussten Ursache bewirkt.
Die psychoanalytische Tanz- und Bewegungstherapie
In den 60er und 70er Jahren integrierten besonders Elaine von Siegel und Zoe Avstreih psychoanalytische Konzepte in ihre Arbeit. Elaine von Siegel hat für ihre Arbeit folgende Leitlinien entwickelt:
- Die Wiederaufnahme einer harmonischen Leib-Seele-Einheit muss durch sorgfältige Bewegungsarbeit erfolgen, die neben den motorischen Fähigkeiten den Aufbau eines adäquaten Körperbilds fördert
- Katharsis* wird als ein Weg zur Rückerinnerung dramatischer Ereignisse erkannt.
- Die durch eigene Tätigkeit und Selbstbeobachtung gewonnene Ansicht muss auch verbal durchgearbeitet werden.
- Von den Patienten bevorzugte Bewegungsmuster werden als Ausgangspunk speziell choreographierter Tänze und Bewegungen benutzt.
- Selbstständigkeit wird durch Improvisation gefördert
- Muskuläre Hemmungen und Verkrampfungen werden als unbewusster Versuch angesehen, Aggressionen auszudrücken und gleichzeitig zu unterdrücken.
Durch die Entwicklung der psychoanalytische Tanzt- und Bewegungstherapie wurden zwei Therapieformen miteinander verbunden, die ihre Grundlagen in gänzlich unterschiedlichen Medien haben: Einmal die Psychoanalyse mit ihrem sprachlichen Ausdruck als Medium und zum anderen die Tanztherapie mit ihrem Ausdruck durch Bewegung. Dabei werden beispielsweise auch verschiedene Entwicklungsmodelle der Ich-Psychologie und der Laban’sche Bewegungskategorie in theoretischen Annahmen der psychoanalytische Tanzt- und Bewegungstherapie mit eingebunden.
Studien zur Tanztherapie
Tanztherapie ist ebenso wie Musik- Kunst- Poesie- und Maltherapie eine künstlerische Therapie. Die Anerkennung von künstlerischen Therapieformen gelingt vor allem durch wissenschaftliche Untersuchungen, an denen allerdings ein Mangel herrscht. Gründ dafür ist der schwer zu erfassende ganzheitliche Ansatz der künstlerischen Therapien, die sich immer auf den ganzen Menschen als Körper- Geist- Seele- Einheit beziehen. Der Wissenschaft ist es nicht möglich Körper, Geist und Seele als eine Einheit zu betrachten und zu untersuchen, deswegen lässt sich die Wirkung künstlerischer Therapien nur bedingt wissenschaftliche erklären. Auch wenn sich der Erfolg der Tanztherapie nicht erklären lässt, so lässt er sich doch anhand von Studien nachweisen.
Tanztherapie bei Essstörungen
Für eine Studie über die Wirksamkeit der Tanztherapie wurden in einer Klinik für Essgestörte in Bad Oeynhausen Patientinnen befragt und ihre Entwicklung verfolgt. In der Klinik werden Anorexie* (Magersucht), Bulimie* (Ess-Brech-Sucht) und Adipositas* (Fettsucht) durch Gesprächs-, Gestaltungs-, Tanzt-, Familien- und Ernährungstherapie behandelt.
Adipositas: Bei stark übergewichtigen Menschen ist die körperliche Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Schon bei geringen Anstrengungen kommt es zu einer Überforderung des Herz-Kreislauf-Systems, die sich in Atemnot (Dyspnoe), beschleunigtem Puls, Schwitzen und leichter Erschöpfbarkeit äußert. In extremen Fällen wird eine völlige Inaktivität oder sogar Bewegungsunfähigkeit (Immobilität) beobachtet. Die unangemessene Nahrungszufuhr stört die Verarbeitung der Nahrungsbestandteile im Körper im Zucker- und Fettstoffwechsel. Dies kann zu den Vorstufen der Zuckerkrankheit, der Insulinunempfindlichkeit (Insulinresistenz) und dem metabolischen Syndrom führen. Das Heißhunger-Essen („Binge-eating“) ist eine Sonderform der psychisch bedingten Essstörungen, die häufig zum Übergewicht führt, Die Betroffenen – meist Frauen – leiden wie Patienten mit Ess-Brecht-Sucht (Bulimie) unter unbeherrschbaren Essattacken, gleichen die Kalorienaufnahme aber nicht wie BulimikerInnen durch Erbrechen, körperliches Training, Fastenkuren, etc. aus
Anorexie, Anorexia nervosa: Buchstäblich zu Tode hungern sich junge Menschen, wenn sie an der Magersucht (Anorexia nervosa) erkrankt sind. Inmitten von Nahrungsbergen verweigern meist junge Mädchen und Frauen das Essen und erreichen ein extremes Untergewicht, in schweren Fällen von weniger als 30 kg. Erstaunlicherweise zeigen die Erkrankten keinerlei Einsicht, dass an diesem Verhalten etwas nicht stimmt oder dass sie ein psychisches Problem haben könnten. Die Erkrankungshäufigkeit nimmt, vermutlich auch verstärkt durch das Schlankheitsideal unserer Tage, in den hoch industrialisierten Ländern der westlichen Welt zu. Meist sind Mädchen und Frauen im Alter zwischen 12 und 30 Jahren betroffen, der Anteil der männlichen Patienten (5 bis 10%) ist aber am Steigen. In Deutschland wird die Zahl der Magersüchtigen auf 60.000 geschätzt. Die Anorexie* ist eine ernste Erkrankung, die in vielen Aspekten einer Sucht und/oder einem zwanghaften Verhalten gleicht. Und sie ist alles andere als harmlos: Jede zehnte Betroffene stirbt.
Bulimie: Die Bulimia nervosa ist eine psychisch begründete Störung des Essverhaltens, die durch wiederholte Episoden von so genannten Fressanfällen gekennzeichnet ist. Bei diesen Attacken haben die Betroffenen keine Kontrolle mehr über ihr Essverhalten und die Nahrungsmenge. Im Anschluss an den Nahrungsexzess, bei dem wahllos schier unglaubliche Mengen an Speisen aufgenommen werden, wird oft ein Erbrechen herbeigeführt, um nicht an Gewicht zuzunehmen. Zusätzlich werden Abführmittel missbraucht, Diäten oder Fastenkuren durchgeführt. Die Attacken lassen sich durch die Willenskraft nicht unterdrücken, hinterher sind die Erkrankten häufig niedergeschlagen bis depressiv und voller Schuldgefühle. Zwischen den Essanfällen schränken die Patientinnen die Nahrungszufuhr zumeist extrem ein. Oft leiden die Betroffenen zugleich unter Depressionen*.
Die Studie
Die 63 Patientinnen, die an der Studie Teilnahmen, erhielten bei einem durchschnittlichen Therapieaufenthalt von 12 Wochen einmal wöchentlich jeweils zwei Stunden am Vor- und Nachmittag Tanztherapie. Die Patientinnen wurden mittels eines Fragebogens gebeten, über ihre Vorerfahrungen mit Bewegung, ihre Erfahrungen mit der Tanztherapie und ihre erlebten Veränderungen durch die Tanztherapie zu berichten. Eine Bewertung der Tanztherapie und Daten zur Krankheitsentwicklung der Patientinnen schlossen die Studie ab.
Vor der Therapie: 82% der Patientinnen hatten Vorerfahrungen mit Sport, Tanz (71%), Entspannungsverfahren (55%), Massagen oder Körpertherapie. Die Ergebnisse der Studie zeigten jedoch, dass kein Zusammenhang zwischen den Vorerfahrungen der Patientinnen und ihrer Zufriedenheit mit der Tanztherapie bestand. Die Ängste der Patientinnen bestehen vor allem im sozialen Bereich. Sie haben Angst vor Blamage, Ablehnung und Körperkontakt. Die Ablehnung und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist zu Therapiebeginn bei fast allen Patientinnen (95%) sehr stark ausgeprägt. Da die Tanztherapie zu einer Veränderung der Körperwahrnehmung und des Körpergefühls führt, bzw. führen soll, erscheint dies als ein guter Grund, Essgestörte auch mit Tanztherapie zu behandeln. Die Erwartungen der Patientinnen an die Tanztherapie richtete sic meist auf eine Erweiterung der Körpererfahrung, z.B. mit dem eigenen Körper in Kontakt zu kommen (19%), ihn besser akzeptieren können (24%).
Nach der Therapie: 81% der Patientinnen empfanden die Tanztherapie mit all ihren Elementen (Tanz und Bewegung, Gespräch, Entspannung, Musik, Medien, die Gruppe) als wichtig. Diese Aussage verstärkte sich noch, da 90% angaben bei gegebener Möglichkeit wieder an einer Tanztherapie teilzunehmen. Die Gründe, die die Patientinnen dafür angaben waren: positives Erleben der Tanztherapie (39%), anregende Wirkung (25%) und die Möglichkeit einen neuen Zugang zu sich selbst zu finden (18%). Da die Tanztherapie in dieser Klinik in Verbindung mit Gesprächs-, Gestaltungs-, Familien- und Ernährungstherapie angewendet wird, ist es wichtig den allgemeinen Therapieerfolg zu berücksichtigen: 76% der Patientinnen schätzen ihre Therapie in der Klinik als erfolgreich ein. Dieser Erfolg bezieht sich auf mehrere Bereiche: das Essverhalten (99%), die Verbesserung auf emotionaler Ebene (73%) und die Verbesserung auf kognitiver (das Verstehen und Denken betreffend) Ebene (59%).
Ein bemerkenswerter Zusammenhang ließ sich zwischen der Zufriedenheit in der Tanztherapie und dem allgemeinen Therapieerfolg feststellen. 82% der Patientinnen gaben an, ihre Erfahrungen aus der Tanztherapie im Alltag übertragen zu können. Sie wiesen alle einen Anstieg der Akzeptanz ihres Körpers ihres Körpers auf. Die Arbeit mit den eigenen Körpergefühlen erlebten 50% besonders hilfreich im Bezug auf ihre Essstörung. Auch auf emotionaler Ebene entwickelten sich gut zwei drittel der Patientinnen, wobei sich hier natürlich der Erfolg der gesamten Therapie widerspiegelt und nicht nur der der Tanztherapie. Sie gaben an, offener (74%), lebendiger (69%), mutiger (66%), sicherer (68%), optimistischer (65%), kämpferischer (50%) und aggressiver (32%) zu sein. Die Eigenschaften kämpferisch und aggressiv erscheinen vielleicht zunächst nicht als erstrebenswert, werden aber bei Essgestörten, denen ein Verhalten mit starker Anpassungstendenz zugeschrieben wird, als Therapieerfolg angesehen. Alle Patientinnen berichteten von einer gesteigerten Gefühlswahrnehmung und verbesserten Ausdrucksfähigkeit. Aufgrund ihrer Selbsteinschätzung gehen die Veränderungen zu durchschnittlich 38% auf die Tanztherapie zurück. Damit kam man zu dem Schluss, dass die Tanztherapie einen großen Anteil am Therapieerfolg Essgestörter beiträgt.
Die Wirkung von Bewegung auf die Stimmung
Jedem ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass sich Gefühle und Emotionen auf den Körper auswirken. Ist man traurig, weint man. Ist man fröhlich, lacht man. Wenn man unter Stress steht, sind die Muskeln angespannt. Ein grundlegender Gedanke in der mit Bewegung verbundenen Therapie ist, dass dieses Prinzip auch umgekehrt funktioniert. Das heißt, wenn ich lächle, werde ich fröhlich und wenn ich weine traurig. Dadurch lassen sich bestimmte Gefühle und Stimmungen durch gewisse Bewegungen hervorrufen. Wenn man z.B. gestresst und angespannt ist und die Muskeln verkrampft sind, kann man durch bestimmte Übungen die Muskeln wieder entspannen und die Sie körperliche Entspannung überträgt sich dann auf die Gefühle; man kann dann entspannt, ruhig und gelassen werden. Als ich das Buch „Tanz, Ausdruck und Heilung“ von Anna Halprin, indem viele solcher Übungen stehen, laß, fiel mir auf, dass sich meine Stimmung bereits veränderte wenn ich dies langsam und bewusst tat und die Bewegungen in Gedanken ausführte. Eine dieser Übungen sah ungefähr wie folgendermaßen aus: Wie fühlen Sie sich im Moment? Halten Sie einen Augenblick inne und achten Sie darauf. Lesen Sie die folgende Übung langsam, schließen Sie nach jedem Punkt die Augen und führen Sie die angegebene Bewegung in Gedanken oder mit dem Körper aus. Suchen Sie sich dazu einen Ort, an dem Sie ungestört sind.
- Suchen Sie sich im Raum einen Platz zum Stehen. Stellen Sie die Füße parallel und in schulterbreitem Abstand. Schließen Sie die Augen und fühlen Sie.
- Achten Sie auf die Ausrichtung ihres Körpers. Spüren Sie, dass eine gerade Linie vom Zentrum ihres Kopfes durch die Wirbelsäule, den Damm und nach einem Sprung in die Hüftgelenke weiter durch die Oberschenkel, die Knie, die Fußknöchel und das Zentrum ihrer Füße in den Boden verläuft. Richten Sie Kopf, Schulter, Rippen, Hüfte und Beine an dieser zentralen Linie der Schwerkraft aus und spüren Sie ihr Gleichgewicht.
- Stellen Sie sich vor, dass ihr Körper sich auflöst. Lassen Sie zunächst den Kopf langsam nach vorne fallen. Entspannen Sie ihre Wangen, ihre Lippen und ihre Zunge. Der Unterkiefer hängt locker. Stellen Sie sich vor, Sie würden durch den Hinterkopf bis an die Schädelbasis einatmen.
- Fahren Sie fort, sich aufzulösen. Die Schultern kippen nach vorne und geben der Schwerkraft nach, spüren Sie, wie sich ihre Schulterblätter öffnen, während Sie nach vorne fallen. Folgen Sie dem Gewicht der Schultern, der Arme und des Kopfes. Die Arme hängen nun vor Ihnen. Kopf, Arme und Hände werden immer schwerer. Lassen Sie jedes Ausatmen durch die Wirbelsäule abfließen.
- Lassen Sie sich weiter nach vorne und nach unten fallen und bleiben Sie dabei dicht an der zentralen Linie. Halten Sie die Handflächen auf der gleichen Höhe wie die Knie und drücken Sie die unteren Rippen nach hinten. Werden Sie sich beim Ausatmen jeden Wirbels ihrer Wirbelsäule bewusst, gehen Sie dabei von oben nach unten
- Lassen Sie sich weiter fallen und beginnen Sie die Knie zu beugen, bis diese sich auf der gleichen Höhe wie ihre Ellenbogen befinden. Stellen Sie sich vor, dass die Luft, die Sie einatmen, in ihr Becken fließt und beim Ausatmen über die Beine und Füße in der Erde verschwindet. Ihre Hände berühren den Boden. Atmen Sie ein und entspannen Sie sich beim Ausatmen. Werden Sie sich der Empfindung ihres Körpers bewusst.
- Kehren Sie die bisher beschriebenen Bewegungen um und erheben Sie sich wieder. Drücken Sie die Beine und die Füße in die Erde. Atmen Sie tief und richten Sie den Unterrücken ganz allmählich auf. Atmen Sie anschließend in den Mittelrücken, dann in die Schultern und schließlich in den oberen Teil des Kopfes. Spüren Sie wie Sie sich aufrichten und leichter werden.
- Wiederholen Sie die Bewegungsfolge, wobei Sie sich diesmal auf die Empfindungen konzentrieren, die an der Vorderseite ihres Körpers auftauchen, statt auf diejenigen des Rückens.
- Wiederholen Sie die Übung ein drittes Mal und konzentrieren Sie sich auf die seitlichen Körperbereiche.
- Legen Sie sich auf den Rücken, schließen Sie die Augen und spüren Sie wie gribbelnde Energie in jeden Winkel ihres Körpers fließt. Stehen Sie langsam auf und atmen Sie einmal tief ein und aus.
Wie fühlen Sie sich jetzt? Hat die Übung ihre Stimmung verändert? Sind Sie entspannter und ruhiger als zuvor?
Die Wirkung von Musik auf den Menschen
In der Tanztherapie spielt Musik überhaupt und auch die Wahl des Musikstücks eine große Rolle. Je nach Stimmung des Patienten wählt die Therapeutin zwischen Musikstücken mit unterschiedlichen Melodien, verschiedenen Rhythmen und davon abhängig verschiedenen Stimmungen, die ein bestimmtes Stück vermittelt. Aus diesen Gründen möchte ich in diesem Kapitel einen kurzen Einblick in die Wirkung der Musik auf den Menschen geben. Vermutlich kennt es jeder, das Phänomen der Musik. Wir hören ein bestimmtes Lied und plötzlich können wir nicht mehr ruhig sitzen, wollen durch die Gegend hüpfen, fühlen uns glücklich und lassen uns mitreisen. Musik bewirkt Freude und inneren Frieden. Sie kann Spannungen abbauen, verschafft Ausgeglichenheit. Sie kann Stress auslösen oder entspannen, aggressiv machen oder beruhigen. Musik kann Gänsehaut verursachen, zu Tränen rühren, beim Einschlafen helfen, Schmerzen vergessen lassen, oder auch aufputschen. Musik kann Erinnerungen wecken und helfen, Gefühle zu äußern. Von all dem sind wir längst überzeugt, schließlich haben wir es selbst schon oft erlebt. Aber warum ist Musik dazu fähig uns so mitzureißen? Bis heute ist man dieser Frage noch eine Antwort schuldig. Und die Frage hat sich sogar noch erweitert, denn Tests und Studien haben gezeigt, dass Musik noch weit mehr bewirkt als nur das. Musik wird in verschiedenen Bereichen unseres Gehirns verarbeitet und fördert dadurch ganzheitliches Wahrnehmen. Sie löst Veränderungen im Hormonhaushalt aus und dadurch kommt es dann zur Beeinflussung unserer Gefühlswelt, zur Anregung von Fantasien und Tagträumen. Außerdem werden beim Musikhören Reize im Gehirn ausgelöst, die ebenfalls auf die Gefühle wirken. Es ist sogar möglich, dass sich Menschen durch Musik in Ekstase oder Trance versetzen lassen. Tests haben ergeben, dass sogar der Fahrstil einer Person beeinflusst werden kann, wenn sie während des Autofahrens bestimmte Musik hört. Filme werden deswegen mit Musik untermalt, weil sie die Sichtweise und Bewertung von Sinneseindrücken verändern kann. Wir werden aber nicht nur psychisch, sondern auch physikalisch von Musik beeinflusst. Es lässt sich nachweisen, dass Musik Einfluss auf Atmung, Puls, Blutdruck, Verdauungssystem und Hormone hat. Die Wirkung auf den Puls lässt sich sogar ein stückweit erklären: Der Herzschlag der Mutter ist das erste, was das Kind im Mutterleib hört und sein eigenes Herz schlägt natürlich im selben Rhythmus. Man könnte sagen, dass es sich der Puls zur Gewohnheit macht, sich einem äußeren Rhythmus anzupassen und er deswegen auch auf den Rhythmus von Musik reagiert. Man hat festgestellt, dass Musik, deren Grundschlag dem Tempo des Herzschlags entspricht, besonders beruhigend wirkt. Bereits im Mittelalter versuchte man, den Pulsschlag therapeutisch durch Musik zu beeinflussen. Vielleicht wirkt Musik auch einfach nur deswegen so stark auf uns, weil im Menschen Körper und Psyche zusammen wirken und sich nicht voneinander trennen lassen.
Es lässt sich vielleicht nicht erklären, warum Musik auf uns wirkt oder wodurch genau, aber es ist unumstritten, dass sie es tut.
Transkulturelle tänzerische Rituale
In der Geschichte der Menschen hat man schon unglaublich früh den Tanz in Verbindung mit Musik benützt um bestimmte Körperzustände von Trance bis zu wilder Ekstase zu erreichen, um Emotionen durch ein körperliches Empfinden freizusetzen, um durch motorische Erfahrungen Emotionen hervorzurufen oder um Zuschauern Emotionen zu vermitteln. Beispiele hierfür lassen sich in jeder Kultur der alten Naturvölker finden. Erst Zivilisation, Fortschritt und Wissenschaft haben uns den Tanz als therapeutisches Mittel vergessen lassen. C. Sachs schrieb 1952 in „World Hstory of the Dance“ folgendes über die Bedeutung des Tanzes in früheren Kulturen: „Der Tanz ist die Mutter der Künste. Musik und Dichtung existieren in der Zeit; Malerei und Architektur im Raum, aber Tanz lebt gleichzeitig in Raum und Zeit. Der Schöpfer und die Schöpfung, der Künstler und das Werk sind hier immer noch eines. Rhythmische Bewegungsmuster, plastischen Sinn für Raum… dies schafft der Mensch im Tanz in seinem eigenen Körper, bevor er Materie, Stein und Worte benutzt, um seinen innerene Erfahrungen Ausdruck zu verleihen. Der Tanz hebt die Unterscheidung auf zwischen Körper und Geist, selbstvergessenem Ausdruck, Gefühlen und beherrschtem Verhalten, zwischen gesellschaftlichem Leben und dem Ausdruck von Isolation, zwischen Spiel, Religion und Schlacht. In der Ekstase des Tanzes überbrückt der Mensch die Kluft zwischen dieser und der naderen Welt. schafft die Verbindung zum Reich der Dämonen, der Geister und Gottes. Der Tanz ist Opferzeremonie geworden, Zauberformel, Gebet und prophetische Vision. Er ruft die Naturgewalten herbei und kann sie wieder vertreiben, heilt die Kranken, vrbindet die Toten mit der Reihe ihrer Nachkommen. Er sichert uns unsere Nahrung, Glück bei der Jagd, Sieg in der Schlacht, er segnet das Feld und den Stamm.“ Hier einige Beispiele für die Verwendung des Tanzes in verschiedenen Kulturen.
Die Zâr-Zeremonie
Die Zâr-Zeremonie dient seit geraumer Zeit und auch noch heute in Ländern wie Ägypten und dem Sudan dazu Frauen einen Freiraum gegenüber der Unterdrückung individueller Triebäußerung und Entfaltung durch die gesellschaftliche Struktur zu sichern und zu erhalten. Sie verfolgt therapeutische Ziele, die durch Gesänge, rhythmische Musik und ekstatische Tänze umgesetzt werden. Man kann die zahlreichen Belastungen der Frauen in diesen Ländern, wie z.B. die Verteilung von Rechten und Pflichten zugunsten des Mannes, durchaus als Ursache für das häufige Vorkommen psychischer Erkrankungen bei Frauen sehen. Die Zâr-Zeremonie wird von der Sheikha geleitet und abgesehen von einem Helfer der Sheikha darf sie ausschließlich von Frauen besucht werden. Eine Zâr-Zeremonie wird immer dann veranstaltet, wenn eine Frau von einem bösen Geist oder Dämon „besessen“ ist, d.h. wenn sie unter einer psychischen Erkrankung wie z.B. Depression* oder neurotischen* und psychosomatischen* Störungen leidet. An der Zâr-Zeremonie nehmen außer der Sheikha und der Besessenen noch weitere Frauen teil, die ebenfalls alle schon „besessen“ waren. Die Besessene ist während der Zeremonie wie eine Braut gekleidet, dies verhilft ihr zu allgemeiner Aufmerksamkeit und Zuwendung, also zu einem Erlebnis, das Alltag und Ehe ihr kaum bieten. Zur Zâr-Zeremonie gehört die Bestimmung des Dämons der von der Besessenen Besitz ergriffen hat, dazu singt die Sheikha verschiedene Lieder, die sich jeweils an einen anderen Dämon richten und von den anderen Frauen rhythmisch begleitet werden. Einige Frauen beginnen währenddessen zu tanzen. Die Besessene soll durch die Musik zum Tanz bewegt werden. Aus dem Verhalten der Besessenen zu den verschiedenen Musikstücken schließt die Sheikha auf den Dämon, die näheren Umstände und die Schwere der Erkrankung. Die Sheika fragt nach dieser Zeremonie den Dämon der Besessenen womit er zu besänftigen sei, daraufhin nennt die Besessene die Wünsche des Dämons, die unschwer als ihre eigenen zu erkennen sind. Der Ehemann der Patientin hat die Pflicht die Wünsche des Dämons zu erfüllen. Man kann also sagen, dass die Ehefrau lediglich auf sehr umständliche Weiße ihre Wünsche, die sie wegen ihrer untergeordneten Stellung ansonsten nicht erfüllt bekommt, ihrem Ehemann mitteilt, der diese dann erfüllen muss, da der Dämon ansonsten wütend werden würde. Nachdem der Geist also seine Wünsche geäußert hat dient der Rest der Zeremonie dazu den Geist zu besänftigen und die Patientin in einen psychisch stabilen Zustand zu versetzen. Dazu trägt z.B. das stundenlange bis zur physischen Erschöpfung durchgeführte Tanzen wonach die Frauen nicht selten in einen Trance-Zustand fallen. Die Tänze bestehen hauptsächlich aus lustvollen, drehenden Bewegungen und dem schnellen Beugen des Körpers. Der Tanz findet bei dröhnender Trommelmusik in einem Raum, der würzigschwere und berauschende Luft enthält, statt. Während der Zâr-Zeremonie werden Tabak und Alkohol konsumiert was die Missachtung von Tabus und die Übernahme der Verhaltensweisen darstellt, die sonst strikt der Männerwelt zukommen. Zusammenfassend lässt sich also über die Zâr-Zeremonie sagen, dass sie reale Bedürfnisse der Frauen zeigt, die im Alltag nicht befriedigt werden, und versucht diese durch eine Befreiung von zahlreichen Beschränkungen und Zwängen des islamischen Alltags zu befriedigen. Die Entkrampfung, Entspannung und das Ausleben der Gefühle wird durch den Tanz und die Musik gefördert. Die Enthemmung wird den Frauen durch den Ausschluss von Männern und die Bereitstellung eines eigenen Umfelds erleichtert. Auch das, am Ende der Zâr-Zeremonie stattfindende, Einreiben der Besessenen mit dem Blut eines geschlachteten Tieres beinhaltet Elemente der Enthemmung.
Schwangerschaftsritual in Sri Lanka
Die traditionellen Rituale haben auf Sri Lanka trotz gesellschaftlicher Veränderungen und Neuorientierungen ihren Stellenwert beibehalten. Der Tanz spielt in Sri Lanka besonders bei Schutzritualen für Frauen eine bedeutende Rolle, so gibt es Rituale und Zeremonien zum Schutz vor physischen und psychischen Problemen. Eins dieser Rituale ist das Schwangerschaftsritual. Bei den Singhalesen* galt und gilt die Schwangerschaft als eine besonders kritische Situation im Leben der Frau. Das Ritual beginnt damit, dass der Bauch der Schwangeren mit gesegnetem Wasser besprenkelt und mit Ölen eingerieben wird. Dann werden mir verschiedenen kleinen Ritualen die Dämonen beruhigt. Darauf folg der Kolamtanz. Dieser Tanz wird vom Abend bis zum Morgen getanzt und wird mit großen physischen Anstrengungen bis zur Ekstase getanzt. Die Tänzer stellen mit Hilfe von verschiedenen Masken und Kostümen die Ängste vor der Geburt und deren Gefahren dar. Währenddessen tanzt die ganze Zeit eine glückliche Frau mit einem gesunden Kind zwischen den anderen Tänzern. Die Schwangere selbst nimmt nur als Zuschauerin am Tanz teil. Dieser Tanz symbolisiert, dass die Frau trotz aller Gefahren und Dämonen die während einer Geburt auf sie lauern, eine glückliche Frau mit einem gesunden Baby sein wird. Der Tanz symbolisiert eine sanfte, sichere Geburt und gibt der Frau Selbstvertrauen für die bevorstehende Geburt.
Kriegstanz
Die Leopardenmenschen an der Ostküste Afrikas versuchen sich in ihrer tänzerischen Kriegs- und Jagdvorbereitung mit verschiedenen wilden Tieren ihrer Umgebung zu identifizieren. Sie tanzen so lange bis sie sich von den Tieren, die sie darstellen, besessen fühlen. Sie verlieren das Gefühl ein bestimmtes Ego zu haben und damit auch die dazugehörigen Furcht- und Angstgefühle. Dann lösen sie sich, in der Verkleidung der jeweiligen Tiere, für die sie ihre menschliche Persönlichkeit aufgegeben haben, abrupt aus dem Tanz, um dem Feind in der Art des Tieres zu folgen und über ihn herzufallen. Bei den Tänzen werden sich wiederholende Töne und Rhythmen benutzt. Die Bewegungen der Tänzer werden immer schneller, bis ein Überschreiten der Erfahrung des Bewusstseins stattfindet. In den ekstatischen Tänzen wird eine Katharsis* deutlich, man überlässt sich einem Zustand der Lebensbejahung. In diesem rituellen Ausdruck von Stammeserfahrung wird Tanz als eine gemeinschaftliche Form des Ausdrucks benutzt und gleichzeitig identifiziert sich der Einzelne mit dieser von allen geteilten Erfahrung, was zu einer Verstärkung des Zusammengehörigkeitsgefühl und einem Gefühl der Sicherheit führt. Auch bei den meisten anderen Naturvölkern zeigt sich im Kriegstanz die Umwandlung von Furcht und Angst in Mut und Aggression.
Tanzende Derwische
Die Mitglieder des Mevlevi-Derwisch-Ordens, der seinen Ursprung im ungefähr im 13. Jahrhundert in der heutigen Türkei hat, vollziehen bei ihren Tänzen eine kontinuierlich monotones um sich selbst kreisen. Sie drehen ihren Körper ohne Unterlass, bis sie kosmisch oder religiöse Erfahrungen erreichen, die zu einer Erneuerung des Geistes führen. Die Mevlevi tanzen um in das Zentrum ihres wahren Selbst zurückzugelangen und um so ihrem Ziel näher zu kommen – die Einigkeit mit Gott. Die Derwisch-Tänze beginnen mit einem dreimaligen Umschreiten des Raumes. Dann beginnen die Tänzer sich zu drehen, dabei liegen die Hände zunächst kreuzweise auf den Schultern und werden dann langsam seitlich ausgestreckt. Dabei zeigt die rechte Handfläche nach oben, die linke nach unten. Die Drehung läuft völlig ruhig und gleichmäßig ab. Der Derwisch-Tanz repräsentiert die spirituelle Reise des Menschen. Er überschreitet die Grenzen seines Ichs, begegnet der Wahrheit und gelangt zur Vollkommenheit. In der Symbolik des Sema-Rituals stehen die aus Kamelhaar gefertigten Filzhüte des Tanzenden Derwischs für die Grabsteine des Egos. Die weiten weißen Gewänder wiederum stellen die Leichentücher des Egos dar. Indem sich der Tanzende Derwisch seines Umhangs entledigt, wird er spirituell wieder geboren.
Die kreisende Bewegung der Tänzer kann, ist sie einmal in Gang gesetzt, mit minimalen Impulsen erhalten werden. SO entsteht das Gefühl der Schwerkraft zu entrinnen und im Austausch mit einem größeren Universum zu stehen. Die wirbelnde Bewegung führt zu einer inneren Zufriedenheit und für viele Anhänger dieser Tanzform wird der Tanz zum Vermittler tiefer gehender Reisen in das Selbst.
Literatur
- Elaine v. Siegel: Tanztherapie. Klett-Cotta, 1997.
- Karl Hörmann (Hrsg.): Jahrbuch für Transkulturelle Medizin und Psychotherapie. Bd 1996/97. Verlag für Wissenschaft und Bildung (VWB), 2000.
- Anna Halprin: Tanz, Ausdruck und Heilung. Synthesis, 2000.
- Elaine v. Siegel, Sabine Trautmann-Voigt, Bernd Voigt: Psychoanalytische Bewegungs- und Tanztherapie. Ernst Reinhardt, 1999.
- Elke Willke (Hrsg.): Tanztherapie- Theorie und Praxis. Junfermann, 1991.
- Der große Duden. Bd 5. Fremdwörterbuch. (3. Aufl).
- Karl Hörmann (Hrsg.): Kunst und Psychologie. Bd 3. Tanztherapie. Verlag für angewandte Psychologie, 1993.
- Liljan Espenak: Tanztherapie – durch kreativen Selbstausdruck zur Persönlichkeitsentwicklung. Sanduhr, 1985.
- Elke Willke: Tanztherapie (pdf)