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Antipsychiatrie

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Die Antipsychatrie ist eine in den 1950ern u. a. von Ronald Laing begründete Bewegung, die sich insbesondere gegen die Erklärung der Schizophrenie als psychische Erkrankung wendet und die Psychiatrie insgesamt in Frage stellt.

Die Antipsyschatrie wird sowohl von einer Minderheit von Psychologen als auch von Betroffenen vertreten.

Problematik: Krankheitsbegriff

Ein Problem bei psychischen Störungen ist ihre Diagnose und oft auch Definition. Die schwierige Greifbarkeit der "Normalität" menschlichen Verhaltens führt leicht zu Fehldiagnosen; auch ist ein aktiver Missbrauch durch den Diagnostiker hier einfacher, als bei anderen Krankheiten (wird ein fehlendes Bein diagnostiziert, ist aber vorhanden, ist das leichter als Fehldiagnose zu entlarven, als ein "fehlendes" soziales Bewusstsein etc.)

Da psychische Störungen immer als Abweichung von einer Norm definiert werden, stellt sich die Frage: Wer bestimmt, war normal ist? So galt beispielsweise Homosexualität lange Zeit als behandlungsbedürftige psychische Störung.

Untersuchungen in den USA zeigten, dass Schizophrenie häufiger bei Unterschichtsangehörigen, besonders bei Schwarzen, diagnostiziert wurde, als z. B. bei Weißen Mittelschichtsangehörigen.

In der Sowjetunion wurde über viele Jahre bei politisch andersdenkenden Menschen die atypische Schizophrenie diagnostiziert. Diese Menschen wurden in geschlossene psychiatrische Anstalten interniert, obwohl es offiziell zu dieser Zeit keine politischen Gefangenen gab. Auch andere Regime entledigen sich unliebsamer Kritiker in psychiatrischen Anstalten.

Aktuell spielt die Debatte, wer eigentlich krank ist, bei der Definition des Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (AHDS) eine große Rolle.

Aufgrund dieser Fragen und Erfahrungen wird in der Antipsychatrie Wahnsinn oder zumindestens Schizophrenie nicht als Krankheit, sondern als Erfindung der Gesellschaft bzw. herrschender Kreise der Gesellschaft und insbesondere als Erfindung von Psychiatern angesehen, um Herrschaft und Einkommen zu sichern. Die häufige Stigmatisierung psychisch Kranker wird als gewolltes Mittel zur Durchsetzung der herrschenden Interessen gesehen.

Die Ablehnung von sozial abweichenden bzw. gesellschaftlich unangepasstem Verhalten, deren Bezeichnung als Krankheit, die darauf folgende ablehnende und ausstoßende Reaktion der Mitmenschen des sich anders Verhaltenden seien das eigentliche Problem. Die Akzeptanz der Rolle des Kranken (Internalisierung, Krankheitseinsicht) durch den Betroffenen führen dann dazu, dass der Betroffene sich so verhält, wie es einem angeblich psychisch Kranken entspricht.

Es sei deshalb nicht notwendig, die ja gar nicht Erkrankten zu behandeln. Ein extremer Verfechter dieses Ansatzes ist Thomas Szasz.

Für die meisten der Betroffenen - die ja zum grössten Teil selbst unter ihren psychischen Störungen leiden - ist die Frage, ob es sich um eine "echte" Krankheit handelt oder nicht, völlig unerheblich. Jemand, der schwer depressiv ist, der möglicherweise sogar mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen, oder jemand, der wegen seiner Ängste [[Phobie]das Haus nicht mehr verlassen kann, der wird diese Frage als rein akademisch ansehen. Er sollte professionelle Hilfe suchen, und diese kann durch einen Psychotherapeuten (Psychologe oder Arzt) oder Psychiater in den meisten Fällen auch wirksam geleistet werden.

Wirkungen der Antipsychiatrie

Die Kritik der antipsychiatrischen Bewegung weist zumindestens auf die Gefahr des Missbrauchs von psychiatrischer Definitionsmacht hin, die ja wie oben beispielweise gezeigt, nicht nur theoretisch vorhanden ist.

Die Antipsychiatrie wendet sich speziell gegen das Wegsperren von (den aus ihrer Sicht angeblichen) psychisch Erkrankten in Irrenhäuser. Weglaufhäuser sollen in Analogie zu den Frauenhäusern den Betroffenen Obdach und Schutz geben. Teilweise unhaltbare Zustände und Behandlungsmethoden wurden und werden angeprangert. Dies gab unter anderem in Italien Anstöße für ein Psychatriereform, die zu einer teilweisen Auflösung der psychiatrischen Anstalten führte.

Varia

Eine Unterorganisation von Scientology, KVPM (Kommission für Menschenrechte in der Psychiatrie), englisch CCHR, bekämpft die Psychiatrie, die von Scientology als Erzfeind betrachtet wird und dient gleichzeitig als "Angel", mit der neue Mitglieder geworben werden sollen.

Siehe auch