Bronzesoldat von Tallinn
Der Bronze-Soldat (estnisch: Pronkssõdur), ursprünglich Denkmal für die Befreier von Tallinn (estnisch: Tallinna vabastajate monument, russisch: Монумент освободителям Таллина, manchmal auch Tõnismäe-Denkmal) ist eine Statue in Estlands Hauptstadt Tallinn, welche an die Befreiung Estlands 1944 durch die Rote Armee erinnern soll. Diese sowjetische und russische Sichtweise wird von vielen Esten nicht geteilt, für sie ist die Statue ein Symbol für die Besetzung und Unterdrückung ihres Landes durch die Sowjetunion.
Errichtung

Das vom Architekten Arnold Alas[1] projektierte Denkmal mit der vom estnischen Bildhauer Enn Roos entworfenen Bronze-Figur eines Soldaten wurde am 22. September 1947 zum dritten Jahrestag des Einmarsches von Roten Armee in Tallinn auf der Erhebung Tõnismägi enthüllt. Die vor einer frei stehenden Steinmauer platzierte rund zwei Meter hohe Bronzestatue stellt einen Soldaten der sowjetischen Armee dar. Der Soldat gedenkt seiner gefallenen Kameraden mit gesenktem Haupt, abgenommenem Helm und nach unten geschultertem Gewehr.
Unter dem Denkmal wurden im April 1945 nach offiziellen Angaben 13 Angehörige der Roten Armee neu beigesetzt, die zuvor an anderer Stelle begraben waren:
- Oberstleutnant Mikhail Kulikov (Михаил Петрович Куликов), Kommandeur der 657. Regiment (* 1909 in Morschansk, Oblast Tambow, † 22. September 1944)
- Hauptmann Ivan Sysoyev (Иван Михайлович Сысоев), politischer Kommissar im 657. Regiment (* 1909 in Topsa, Oblast Archangelsk, † 22. September 1944)
- Gefreiter Dmitri Belov, 125. Division († 21. September 1944)
- Oberst Konstantin Kolesnikov (Константин Павлович Колесников), stellvertretender Kommandeur der 125. Division (* 1897 im Oblast Wolgograd, † am 21. September 1944)
- Hauptmann Ivan Serkov (Иван Степанович Серков), Chef der Aufklärung in der 79. leichten Artilleriebrigade (* 1922 Oblast Rjasan, † am 21. September 1944)
- Major Wasilij Kuznetsow (Василий Иванович Кузнецов), Kommandeut des 1222. Artillerieregiments (* 1908 im Oblast Iwanowo, † 22. September 1944)
- Leutnant Wasilij Wolkow (Василий Егорович Волков), Kommandeur einer Mörsereinheit in der 125. Division. (* 1923 im Oblast Twer, † am 22. September 1944)
- Hauptmann Alexej Bryantsew (Алексей Матвеевич Брянцев), 125. Division (* 1917 in der Region Altai, † am 22. September 1944)
- Unteroffizier Stepan Hapikalo (Степан Илларионович Хапикало), Kommandeur im 26. Panzerregiment (* 1920 im Oblast Poltawa, † am 28. September 1944)
- Feldwebel Jelena Warschawskaya (Елена Михайловна Варшавская), medizinische Assistentin im 40. Mörserregiment (* 1925 im Oblast Poltawa, † 22. oder 23. September 1944)
- Unteroffizier Alexander Grigorow († 7. März 1945)
- Oberleutnant Kotelnikov (keine Informationen verfügbar)
- Leutnant I. Lukanov (keine Informationen verfügbar)
Im Jahre 1964 wurde dem Denkmal ein Ewiges Licht hinzugefügt.
Auseinandersetzung
Nach der Wiederherstellung der estnischen Unabhängigkeit trafen sich Veteranen des Zweiten Weltkriegs und Vertreter der russischsprechenden Bevölkerung weiterhin regelmäßig am Monument, um des 9. Mai, des Siegestages der Sowjetunion über das faschistische Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg von 1941 bis 1945 und des 22. September, des Tages, an dem die Rote Armee in Tallinn einmarschiert war, zu gedenken. Estnische Nationalisten, aber auch die estnische Regierung und Teile der Bevölkerung, störten sich an der Zurschaustellung sowjetischer Flaggen und anderer Symbole während dieser Veranstaltungen.
Am 9. Mai 2006 kam es zu einer ersten gewaltfreien Konfrontation, als estnische Bürger unter Führung von Jüri Liim auf feiernde russische Veteranen trafen. Als sich die Spannungen im September 2006 verschärften, sperrte die Polizei das Gebiet um das Denkmal ab und bewachte es während mehrerer Monate rund um die Uhr.
Am 10. Januar 2007 verabschiedete das estnische Parlament (Riigikogu) mit 66 gegen 6 Stimmen ein von einigen Parteien initiiertes Gesetz über den Schutz von Kriegsgräbern. Dieses Gesetz schuf die Grundlage, an „unpassenden Orten“ befindliche Grabstätten aufzuheben und die dort beerdigten Gefallenen umzubetten.
Am 15. Februar beschloss das Parlament mit 46 gegen 44 Stimmen das Gesetz gegen verbotene Denkmäler. Dieses verbot die öffentliche Zurschaustellung von Monumenten, die die Sowjetunion oder die sowjetische Herrschaft über Estland verherrlichten. Der Bronze-Soldat wurde dabei ausdrücklich erwähnt und seine Demontage innerhalb von dreißig Tagen nach Unterzeichnung des Gesetzes durch den Präsidenten festgeschrieben. Präsident Toomas Hendrik Ilves machte jedoch von seinem Vetorecht Gebrauch und verweigerte seine Unterschrift unter das Gesetz mit der Begründung, es sei nicht verfassungskonform.
Entfernung des Denkmals
In der Nacht auf den 27. April 2007 ließen estnische Behörden die Statue mit der Begründung entfernen, dass den an dieser Stelle in der Mitte der Stadt neben einer Bushaltestelle bestatteten Kriegsgefallenen keine wirkliche Grabesruhe zuteil würde und eine Verlegung auf einen Friedhof daher sinnvoll sei. Für viele Esten war die Entfernung schon lange überfällig, da für sie dieses Besatzungssymbol der Sowjetunion in der Mitte ihrer Hauptstadt schon seit langem nicht mehr akzeptabel war.
Die russische Regierung (Kreml) protestierte in einer offiziellen Stellungnahme gegen die Entfernung der Statue und beschimpfte Estlands Regierung als „provinzielle Neonazis“.[2] Vor der Entfernung des Bronzenen Soldaten kam es zu den stärksten Unruhen in Tallinn seit dem Zerfall der Sowjetunion bzw. der staatlichen Unabhängigkeit Estlands.
Wiederaufbau an anderer Stelle
Die estnischen Behörden haben das Denkmal inzwischen auf dem Kriegsgefallenenfriedhof Filtri-Straße in Tallinn wieder aufgebaut; die offizielle Eröffnung folgt am 8. Mai 2007.
Quellen
- ↑ Tallinnas Tõnismäel asuv punaarmeelaste ühishaud ja mälestusmärk
- ↑ Toter bei gewalttätigen Protesten in Estland, Handelsblatt, 27.04.2007