Gottlob Berger
Gottlob Berger (* 16. Juli 1896 in Gerstetten, Oberamt Heidenheim/Württemberg; † 25. Januar 1975 in Stuttgart), eigentlich Volksschullehrer, stieg im Dritten Reich bis zum Chef des SS-Hauptamtes im Rang eines SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS auf, als deren organisatorischer Schöpfer er auch gilt.
Leben
Berger verbrachte die Jahre 1910 bis 1914 im Lehrerseminar in Nürtingen. Er meldete sich freiwillig bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges. In Flandern 1914/15 wurde er dreimal, zuletzt schwer, verwundet. Seitdem war er in verschiedenen Stäben an der Westfront eingesetzt. Er erhielt 1915 das EK II und 1918 das EK I. Anfang 1919 wurde er demobilisiert, im Rang eines Leutnant. Bergers höchster militärischer Dienstgrad war nach Aktenlage Hauptmann (1936).
Nach dem Ersten Weltkrieg war er Lehrer in Lichtenstern bei Heilbronn, Gerstetten und Wankheim bei Tübingen. Er kehrte eigentlich nie mehr so recht ins zivile Leben zurück; er verstand sich innerlich immer als Soldat und setzte sich demgemäß nach Kräften für die "Wehrhaftmachung und Wiedererstarkung Deutschlands" ein. 1919-21 engagierte er sich in der Einwohnerwehr und danach in verschiedenen Wehrverbänden. 1923 trat er der NSDAP bei, bei der ihn, entsprechend seinem eigenen Charakter, am meisten der militaristische und kraftmeierische Gestus angesprochen haben dürfte. Nach dem Hitlerputsch wurde ihm für sechs Jahre jede politische Betätigung verboten.
Bergers Karriere ist mit der Machtergreifung des Nationalsozialismus untrennbar verbunden. Ende 1930 in die SA und Anfang 1931 wieder in die NSDAP eingetreten, führte er in Tübingen bald einen SA-Sturm und schaffte es in kurzer Zeit (Herbst 1932) bis zum "Oberführer der SA-Untergruppe Württemberg". Im Oktober 1933 forderte er von Reichsstatthalter Murr, mit dem ihn im Folgenden eine innige Feindschaft verbinden sollte, die Früchte seines Engagements ein: eine Rektoratsstelle in Eßlingen (und bekam sie auch).
Die SA erwies sich jedoch als Sackgasse. Berger konnte es offenbar nicht verwinden, dass ihm nach der "Machtergreifung" der neun Jahre jüngere Hanns Ludin als Führer der SA-Gesamtgruppe Südwest (Württemberg-Baden) vorgezogen wurde. Er überwarf sich mit ihm und kam wegen seines gleichermaßen intriganten wie schroffen Verhaltens vor ein SA-Ehrengericht, das seinen Ausschluss aus der SA bewirkte. Noch während er über eine Neuaufnahme verhandelte, wechselte er im September 1934 zum "Chef AW" ("Chef des Ausbildungswesens") als Bereichsführer in Ulm bzw. Stuttgart - eigentlich eine SA-Institution, die nach dem "Röhm-Putsch" allerdings unter den Einfluss der erstarkenden SS geraten war und nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935 auch aufgelöst wurde. Der SS gehörte die Zukunft. Berger trat ihr als "Oberführer" zum 30. Januar 1936 bei, ein "Verrat", den ihm die alten SA-Kameraden nie verziehen.
Wenige Monate zuvor war ein weiterer Wechsel erfolgt: Berger wurde als Referent für Leibeserziehung und Direktor der Landesturnanstalt ins Württembergische Kultministerium übernommen. Von hier aus gelang 1937 der Sprung nach Berlin, zunächst für ein Stabskommando "Leibeserziehung auf dem Lande" im Reichserziehungsministerium, dann (Juli 1938) für die Organisation der Leibeserziehung innerhalb der Allgemeinen SS. Festen Fuß fasste Berger im SS-Hauptamt, als ihn Himmler unmittelbar darauf zum Chef des SS-Ergänzungsamtes machte, das mit der (damals noch sehr restriktiven) Werbung von Nachwuchs für die SS-Verfügungstruppe und die Totenkopfverbände der KZ-Wachen betraut war. Hier gewann Berger sein eigentliches Betätigungsfeld. Seit April 1939 SS-Brigadeführer, verdrängte er aufgrund seiner Erfolge bereits ein Jahr später seinen kraftlosen Chef August Heißmeyer.
Die SS wurde als "Waffen-SS" in dieser Zeit Teil der Kriegsmaschinerie, und Berger hatte mit seinem zweifellos großen Organisationstalent daran keinen geringen Anteil. Mit ungeheurem Ehrgeiz und Erfindungsreichtum erschloss er ihr immer neue Rekrutierungspotentiale, vor allem solche, auf die die Wehrmacht nicht zurückgreifen konnte: Volksdeutsche aus Rumänien, dann "Germanen" aus West- und Nordeuropa, dann "Beutegermanen" aus dem Baltikum und dem an sich verachteten Osten, bis hin schließlich zu bosnischen Moslems. Die Skrupel Himmlers, wie überhaupt dessen germanische Schwärmereien, waren ihm als Praktiker dabei völlig fremd. ("Ich bin ein altes Frontschwein und kein Seiltänzer!")
Mit der militärischen Führung der Waffen-SS hatte Berger nichts zu tun. Sein Hauptamt (SSHA, ohne weiteren Zusatz), seit der Reorganisation im August 1940 nur noch eines unter zwölf, umfasste u. a. das Erfassungs- und Ergänzungsamt, das Fürsorge- und Versorgungsamt, das Amt Weltanschauliche Erziehung (der SS-Truppen) und eben die Germanische Freiwilligen-Leitstelle. Berger schwebte, auch zukunftsweisend für die Nachkriegszeit, eine Art supranationales SS-Heer vor, in dem sich die Idee eines "neuen", im "Abwehrkampf gegen den Bolschewismus" geeinten Europa verkörpern sollte.
Zusätzlich zu diesem Kernbereich von Bergers Arbeit in der SS wurde er von Anfang an immer wieder mit bestimmten Sonderaufgaben betraut: Schon in der Sudetenkrise 1938 war er SS-Verbindungsoffizier zu Konrad Henleins sudetendeutschen Freikorps-Verbänden, die vom Reichsgebiet aus operierten. Nach dem Überfall auf Polen 1939 war er beauftragt, den Volksdeutschen Selbstschutz zu organisieren, der in den besetzten Gebieten als Miliz fungierte und seinen Anteil am Terror-Regiment hatte. 1942 wurde Berger Führer des bewaffneten Postschutzes (immerhin 45 000 Mann, die damit der SS unterstellt wurden) und 1943 Mitglied des Reichstags (der freilich seit 1942 nie mehr einberufen wurde) sowie des Kuratoriums des "Lebensborn" (das ebenfalls nur auf dem Papier bestand). Weit wichtiger war, dass ihn Himmler 1942 zum "Verbindungsführer" der SS zu Alfred Rosenbergs Ministerium für die besetzten Ostgebiete entsendete, um den Einfluss der SS auf die Russlandpolitik abzusichern. Dazu allerdings, dass Berger als Staatssekretär ganz ins Ostministerium wechselte, wie es zeitweise angedacht war, kam es nicht.
1943 wurde Berger zum Obergruppenführer und General der Waffen-SS ernannt - ein Titel, den er im Folgenden im privaten Gespräch gern zu "General" verkürzte, aber an sich ja noch lange kein militärischer Dienstgrad war. Die ersehnte militärische Mission - seine einzige - erfolgte aber dann doch noch: in den ersten beiden Wochen des September 1944, als er von Pressburg/Bratislava aus in der Position des "Deutschen Generals" (wie der "Chef AW" keine Person, sondern eine Dienststelle) die Niederschlagung des slowakischen Militäraufstands organisieren sollte. Der Aufstand war noch in vollem Gange, als Berger für seine nächste Aufgabe zurückbeordert wurde: Himmler, inzwischen Führer des Ersatzheers, ernannte ihn zum Stabsführer des neu aufzubauenden Deutschen Volkssturms und wenig später zudem auch noch zum Chef des Kriegsgefangenenwesens.
Die Eingliederung in den SS-Bereich bedeutete für die Kriegsgefangenen wenig, immerhin in dieser chaotischen Spätphase des Krieges auch keine Verschlechterung. Berger setzte die bisherige Politik lediglich fort, als er im Januar 1945 z. B. die Umwandlung der sowjetischen Gefangenen zu zivilen so genannten Ostarbeitern einleitete. Er ließ allerdings auch gehörig Druck ausüben, dass Russen in die kollaborierende Wlassow-Armee eintraten.
Bei Kriegsende wurde Berger von den Amerikanern verhaftet, nachdem er kurz vor Toresschluss über einen Vertreter der amerikanischen Kriegsgefangenen, General Vanaman, auf eigene Faust noch versucht hatte, einen Kontakt zur US-Regierung herzustellen, um einen Sonderfrieden zu erreichen und anschließend gemeinsam gegen die Sowjets vorzugehen - ein ja ziemlich realitätsblindes Unterfangen, das aber sehr gut die maßlose Selbstüberschätzung Bergers unterstreicht, die auch ansonsten immer wieder durchscheint.
Nach 1945
Im 11. Nürnberger Nachfolgeprozess ("Wilhelmstraßen-Prozess") wurde Berger 1949 als Kriegsverbrecher zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Als Verantwortlicher hat Berger nach Auffassung des Gerichts die Ermordung eines kriegsgefangenen französischen Generals im Januar 1945 zu verantworten. Zur Last gelegt wurden ihm ferner eine völkerrechtswidrige Zwangseinziehung von Ausländern zur Waffen-SS, die wissentliche Teilhabe am KZ-Programm, an der Verfolgung und Ermordung insbesondere der ungarischen Juden und die Verschleppung der Zivilbevölkerung aus den besetzten Ostgebieten. Er habe als Vorgesetzter Gräueltaten des Sonderkommandos Dirlewanger zugelassen. Oskar Dirlewanger, Landsmann und alter Kamerad Bergers noch aus dem Ersten Weltkrieg, war schon lange vor Beginn des Zweiten sein Schützling geworden. Seine Einheit, zuletzt in Divisionsstärke, wurde aufgrund ihrer zügellosen Grausamkeit schnell zum Schrecken der Bevölkerung in Polen und Weißrussland. Berger deckte sie gegen alle Angriffe.
Nachdem das Strafmaß Anfang 1951 auf zehn Jahre herabgesetzt worden war, wurde Berger nach insg. 6 1/2 Jahren Haft noch im gleichen Jahr entlassen. Bis zur Pensionierung im Jahre 1964 kam er in einer württembergischen Gardinenfabrik unter.
Berger starb 1975 in Stuttgart. Seine Beerdigung in Gerstetten geriet zu einer Demonstration alter SS-Kameraden.
Ein hervorstechendes Merkmal Bergers war seine Umtriebigkeit und sein Ehrgeiz, "eine Rolle zu spielen". Gleichwohl wurde er trotz seiner großen Machtfülle innerhalb der SS als Schwätzer und Wichtigtuer angesehen. Er konnte aber auch andere für sich einnehmen, wie folgendes Beispiel zeigt: Der amerikanischen Generalmajor Spivey ließ auf Bergers Grabstein eine Bronzeplatte anbringen. Er wollte daran erinnern, dass Berger sich für Kriegsgefangene der US Air Force eingesetzt hatte ("in grateful memory"). Hintergrund dieser Verehrung war ein Ereignis im April 1945. Berger hatte gestattet, dass amerikanische Gefangene durch Verpflegungskonvois des Deutschen Roten Kreuzes versorgt wurden. Spivey empfand dies als Heldentat.
Siehe auch
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.olokaustos.org/bionazi/leaders/berger.htm - Biographie und Bilder von Berger (Italienisch)
- [1] 124 Dokumente von und über Berger aus dem Simon Wiesenthal Center, L.A.
Personendaten | |
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NAME | Berger, Gottlob |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher General. SA- und SS-Mitglied |
GEBURTSDATUM | 16. Juli 1896 |
GEBURTSORT | Gerstetten, Kreis Heidenheim, Baden-Württemberg |
STERBEDATUM | 25. Januar 1975 |
STERBEORT | Stuttgart |