Partizip
Ein Partizip (v. lat. particeps „teilhabend“; Pl.: Partizipien) ist eine infinite Verbform. Die Bezeichnung deutet auf die Teilhabe (Partizipation) an den Eigenschaften sowohl von Adjektiven als auch von Verben hin. Ähnliches bringt die aus der Mode gekommene Bezeichnung Mittelwort zum Ausdruck, weil das Partizip quasi in der Mitte zwischen Verb und Adjektiv steht.
Das Partizip kann wie ein Adjektiv dekliniert werden. Es wird aus diesem Grunde auch oft als Verbaladjektiv bezeichnet. Die Partizipattribute, die durch ein Partizip und eventuell eine Erweiterung gebildet werden können, stehen attributiv zu einem Substantiv. Ein Partizipattribut kann immer durch einen Relativsatz aufgelöst werden. Dadurch wird der Satz leichter verständlich.
Beispiele:
- die von oben kommende Botschaft (als Relativsatz: die Botschaft, die von oben kommt)
- mit der von oben kommenden Botschaft
Partizip Präsens
Das Partizip Präsens Aktiv (PPA, im Deutschen auch Partizip 1) ist sinngemäß der Aktivform des Verbs zuzuordnen.
Beispiele:
- die liebende Mutter
- das singende Mädchen
- das schweigende Lamm
Das PPA drückt das Zeitverhältnis der Gleichzeitigkeit zwischen der durch das Partizip ausgedrückten Handlung und der des übergeordneten Satzes aus. Diese Form gibt es auch im Lateinischen und im Griechischen. Das Griechische und das Lateinische haben darüber hinaus auch ein Partizip Präsens Passiv.
Kennzeichen: nt
Partizip Perfekt
Das Partizip Perfekt Passiv (PPP, im Deutschen auch Partizip 2) ist sinngemäß der Passivform des Verbs zuzuordnen. Die Art der Bildung des Partizips Perfekt hängt wesentlich davon ab, ob das jeweilige Verb stark oder schwach ist. (Vgl. unten die jeweiligen Formen zu lieben -schwach- und singen -stark-)
Beispiele:
- die geliebte Mutter
- das gesungene Lied
- der verlorene Sohn
Kennzeichen: 3.Stammform (bsp. amatus) Das Partizip Perfekt wird im Deutschen außerdem zur Bildung der zusammengesetzten Tempusformen des Verbs verwendet, also zur Bildung von Perfekt, Plusquamperfekt und zur Bildung der Passivformen: "ich habe geliebt" (Perfekt Aktiv), "ich werde geliebt" (Präsens Passiv). Ähnlich ist der Gebrauch z. T. im Lateinischen und Griechischen, jedoch bilden diese beiden Sprachen für das Passiv des Präsens eigene Formen und greifen hier nicht auf das PPP zurück.
Adjektivische Eigenschaften des Partizips im Deutschen sind die Steigerbarkeit (Beispiel: "die gelungenste Vorstellung"), die Antonymie (Beispiel: "passend - unpassend"), die Möglichkeit, Komposita zu bilden (Beispiel: "hochtalentiert") sowie die Möglichkeit sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet zu werden (Beispiel: "eine passende Gelegenheit - die Gelegenheit ist passend").
Im Griechischen gibt es auch ein Partizip Perfekt Aktiv. Insgesamt drückt das Partizip Perfekt Vorzeitigkeit zur Handlung des übergeordneten Satzes aus
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Balto-slawische Partizipien
Besonders viele Partizipialformen gibt es in den baltischen und slawischen Sprachen. Die synthetischen Verbformen werden nach Tempus und Genus verbi abgewandelt, außerdem noch wie Adjektiva nach Kasus und Numerus. Darüber hinaus unterscheiden Partizipien zwischen Kurz- und Langformen (die slawischen resultativen Partizipien haben heute in der Regel nur mehr Kurzformen). Durch Kombination dieser grammatischen Kategorien ergeben sich bis zu mehrere Dutzend Formen, die in der Regel nur selten zusammenfallen. Allerdings werden in einigen Sprachen die Partizipien verdrängt und mit Nebensätzen paraphrasiert. Besonders selten sind Partizipien des Futurs.
Beispiel aus dem Litauischen: Inf. matyti "sehen", akt. Präsens mask. Nom. Sg. matąs/matantis "der sieht", akt. Perfekt mask. Nom. Sg. matęs "der gesehen hat", akt. iter. Perfekt mask. Nom. Sg. matydavęs "der wiederholend gesehen hat", akt. Futur mask. Nom. Sg. matysiąs/matysiantis "der sehen wird", pass. Präsens mask. Nom. Sg. matomas "der gesehen wird", pass. Perfekt mask. Nom. Sg. matytas "der gesehen worden ist", pass. Präsens mask. Nom. Sg. matysimas "der gesehen werden wird".
Prädikativ können einige baltische Paritizipen den Modus relativus ausdrücken, z. B. litauisch Jis sako buvęs namie (Er sagt, er sei zu Hause gewesen), kuršiai gyvenę šiaurėje (die Kuren lebten im Norden; vgl. die Indikativform gyveno) bzw. im Passiv kuršių gyventa šiaurėje (dass.; im Indikativ käme noch das oft ausgelassene Hilfsverb hinzu: (buvo) gyventa). Analog dazu wird auch das Transgressiv verwendet, wenn sich das Subjekt des Hauptsatzes von dem der indirekten Rede unterscheidet, z. B. jis sakė tėvą išęjus (er sagte, dass der Vater weggegangen sei; diese Konstruktion heißt in Latein Accusativus cum participio).
Zur Bildung periphrastischer Tempora gibt es im Litauischen weiters progressive (aktive) Partizipien, z. B. jis buvo bemiegąs "er schlief gerade (er war am Schlafen)".
Meist umgangssprachlich oder dialektal werden sowohl aktive wie passive Partizipien zur Bildung periphrastischer (perfektiver) Tempora herangezogen:
- polnisch: Wtedy miałem wypite. (Ich hatte damals getrunken)
- russisch: У меня корова подоена. (Bei mir ist die Kuh gemolken / Ich habe die Kuh gemolken - PPP)
- mazedonisch: Gi nemam videno. (Ich habe sie nicht gesehen)
- altkirchenslawisch: běx stoję (ich war am Stehen - Verlaufsform)
- litauisch (weißrussischer Dialekt): Manip karvė pamelžta. (Ich habe die Kuh gemolken)
Formal passive Partizipien haben mitunter nur ein aktive Bedeutung, z. B.:
- polnisch (dial.): Jeżech przijdzóny. (Ich bin gekommen.)
- niedersorbisch: Som stanjony. (Ich bin aufgestanden.)
Von Partizipien abgeleitete infinite Verbformen
In den slawischen Sprachen gibt es den Transgressiv und in den baltischen das Quasipartizip (z. B. lit. matant, mačius, matysiant von matyti "sehen") sowie Halbpartizipien, z. B. litauisch rašydamas (schreibend, Infinitiv rašyti), lettisch likdams (legend, Infinitiv likt). Halbpartizipien können nur als satzwertige Verbalphrasen verwendet werden. Ins Deutsche werden sie meist durch Nebensätze paraphrasiert.
In einigen Sprachen kongruiert die infinite Verbform mit dem Bezugswort in Genus und Numerus, z. B. im Tschechischen (Transgressiv) oder Litauischen (Halbpartizip), vgl. litauisch Jis įėjo verkdamas (er ist weinend hereingekommen) vs. Ji įėjo verkdama (sie...).
Modalitätsausdrücke
Einige Sprachen kennen spezielle Partizipialformen, die modale Aspekte ausdrücken. Beispielsweise im Litauischen gibt es das Partizip des Müssens (Participium Necessitatis), dessen Bedeutung dem deutschen Gerundiv ähnlich ist, z. B. rašytinas straipsnis (der zu verfassende Aufsatz). In einigen slawischen Sprachen gibt es das Partizip der Möglichkeit, z. B. im Obersorbischen (korigujomny korrigierbar, wobdźiwajomny bewundernswert), im Niedersorbischen (widobny sehbar, zranjobny verletzbar) oder im Tschechischen (korigovatelný korrigierbar). Manche modalen Partizipien haben jedoch ihre Modalität allmählich eingebüßt. Darüber hinaus können auch die üblichen Partizipien als Modalitätsausdrücke verwendet werden, z. B. lettisch dzerams (trinkbar), im Litauischen und Russischen haben meist die negierten Formen einen modalen Nebensinn, z. B. lit. neištariamas (unaussprechbar), russ. nerešaemyj (unlösbar). Ob ein Partizip modale Aspekte ausdrücken kann, hängt von dessen Tempus, Verbalaspekt und Genus verbi ab, die Kriterien variieren von Sprache zu Sprache. Modale Partizipien sind durch Nebensätze mit Modalverben paraphrasierbar.
Verwendungsweisen
Im Lateinischen und Griechischen dient das Partizip auch als Satzverkürzung in der Konstruktion des Participium coniunctum (PC). Sonderfall im lateinischen Ablativ ist der Ablativus absolutus, im Griechischen der Genitivus cum Participio (AcP).