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Stolpersteine

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Stolperstein in Bonn
Stolperstein in Berlin-Kreuzberg

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen Mahnmalen soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die von den Nationalsozialisten deportiert und u. a. in Konzentrationslagern und Vernichtungslagern ermordet wurden.

„Hier wohnte“

Initiativen, Schulen, Angehörige und Hinterbliebene recherchieren die Daten von Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Zu den von den Nationalsozialisten während des "Dritten Reiches" verfolgten Gruppen gehörten Juden, Sinti und Roma, politisch Andersdenkende, Mitglieder von Widerstandsbewegungen, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und Christen im Widerstand. Ebenfalls erfasst werden Euthanasieopfer. Eine Recherche-Hilfe stellt die Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem dar.

Liegen die Daten vor, fertigt Demnig einen Betonwürfel mit 10 Zentimeter Kantenlänge, der mit einer Messingplatte abschließt. Diese versieht er in der Regel mit dem Schriftzug Hier wohnte (in Zittau auch: Hier lebte, in Frankfurt (Oder) auch: Hier wirkte), dem Namen, Geburtsjahr und dem Schicksal des Menschen, meist das Datum der Deportation oder des Todes. Den Stein lässt er jeweils bündig in den Bürgersteig oder die Straße direkt vor der Haustür zur letzten Wohnung des Opfers ein.

Finanziert werden die Stolpersteine durch Spenden, Sammlungen und Patenschaften von einzelnen Bürgern, Zeitzeugen, Schulklassen, Berufsgruppen und Kommunen. Ein Stein kostet dabei 95 Euro.

Caspary-Stolperstein in Berlin-Tiergarten

Erste Steine

Nach der Ursprungsidee im Jahre 1993 kam es 1994 zu einer ersten Ausstellung der Stolpersteine in der Antoniterkirche in Köln. Der damalige Pfarrer machte ihm Mut, die Steine zu verlegen. 1995 verlegte Demnig probeweise und ohne Genehmigung die ersten Steine in Köln, danach in Berlin-Kreuzberg in der Oranienstraße. 1996 setzte er im Rahmen des Projektes Künstler forschen nach Auschwitz in Berlin 55 Steine. 1997 verlegte er auf Anregung der Kunstinitiative KNIE und des Österreichischen Gedenkdienstes die ersten beiden Stolpersteine für Zeugen Jehovas in St. Georgen bei Salzburg. Vier Jahre später, nachdem bürokratische Hürden und Bedenken der Stadt Köln ausgeräumt waren, bekam er dort die Erlaubnis, 600 Steine einzulassen.

Deutschland (Auswahl)

In Berlin befinden sich knapp 1.400 Stolpersteine (Stand Dezember 2006).

In Bochum existieren einige Stolpersteine.

für Georg und Elfriede Salomon, Fritz Watermann aus Bochum.

In Bonn gibt es 132 Stolpersteine (Stand Frühjahr 2007) in den Bezirken Bonn-Zentrum, Bonn-Beuel und Bonn-Bad Godesberg.

In Düren wurden die ersten Steine am 26. Juni 2005 verlegt.

In Erlangen wurden am 12. April 2007 zwei Stolpersteine für die enteigneten und ermordeten Eigentümer eines Schuhgeschäftes verlegt. Dem gingen Recherchen bei dem Enkel der Opfer und die Dokumentation der Geschichte dieser Familie in einer Schularbeit voraus.

In Essen sind ebenfalls Stolpersteine zu finden.

In Frankfurt am Main existiert seit 2003 die Initiative Stolpersteine in Frankfurt am Main. Bisher wurden über 200 Stolpersteine in 15 Stadtteilen verlegt. Dies ist wegen des besonders massiven Pflasters eine große Herausforderung. Die Bürgerinitiativen, die die Schicksale der Opfer recherchiert haben, veranlassen Institutionen der Stadtteile wie z.B. Schulen und Kirchengemeinden zur Mitarbeit. Die Stadt Frankfurt selbst begrüßt die Initiative und namhafte Einrichtungen wie das Fritz-Bauer-Institut, das Jüdische Museum und das Institut für Stadtgeschichte unterstützen sie. In Frankfurt wurden etwa 12 000 Juden deportiert und ermordet. Die Lebensläufe der Opfer wurden vom Jüdischen Museum in Frankfurt recherchiert und in einer Datenbank dokumentiert.

Stolperstein für den DDP-Politiker Max Eichholz in Hamburg-Harvestehude, Mittelweg 89.

In Frankfurt (Oder) wurden am 8. Mai 2006 die ersten sieben Stolpersteine verlegt.

In Freiburg im Breisgau begann die Verlegung von Stolpersteinen erstmals im Jahr 2002. Mitte 2006 gab es 270 Stolpersteine, Tendenz steigend. Über eine Bürger-Initiative in Zusammenarbeit mit der Stadt können Patenschaften übernommen werden.[1]

In Hamburg wurde 2002 mit der Verlegung der Stolpersteine begonnen. Derzeit (Ende April 2007) gibt es 1.800 Stolpersteine vor ehemaligen Wohn- oder Wirkungsstätten oder im Fall der homosexuellen Wohnungslosen vor der Unterkunft für die Nacht (Pik As). Die Verlegung wurde durch Stadtteil-Initiativen und durch Opfergruppen angestoßen. Auch 15 Schritte rechts vom Eingang zum Hamburger Rathaus wird durch einen Stolperstein an einen ehemaligen Senator erinnert. Durch Tageszeitungen, die Obdachlosenzeitung, durch Stadtteil- sowie Mitteilungsblätter, wie z. B. des Freundeskreises der Gedenkstätte Neuengamme, wird berichtet oder auch weiter recherchiert. Auch vor weiteren offiziellen Gebäuden wie dem Hamburger Justizgebäudekomplex, vor der Oberfinanzdirektion und vor der Hamburgischen Staatsoper befinden sich Stolpersteine. Institutionen geben Pressemitteilungen zu einzelnen Stolperstein-Verlegungen und stellen Berichte in ihre Internet-Seiten. Zwischen 1941 und 1945 wurden allein 10.000 Juden aus Hamburg deportiert.

Stolpersteine in Köln, Ehrenfeldgürtel, Neuehrenfeld

Bis Anfang 2005 wurden in Köln 1.400 Stolpersteine verlegt.

In Konstanz wurden Erfahrungen aus Freiburg berücksichtigt. Nach Diskussion wurden Arbeitsgruppen aus interessierten Bürgern gebildet, die Schicksale einzelner Opfergruppen und Opfer recherchiert und der Gedankenaustausch mit der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat aufgenommen. Durch Berichterstattung in der Tageszeitung wurden Paten und Spender gefunden. Die ersten drei Steine wurden im September 2006 für ein jüdisches Opfer, für ein Euthanasieopfer und für ein politisches Opfer verlegt.

2004 wurden in Lahr/Schwarzwald Stolpersteine verlegt.

In Leipzig gibt es mittlerweile ebenfalls etliche Stolpersteine, so etwa in der Alexanderstraße.

In Überlingen diente ein komplett recherchiertes Buch zum Schicksal einer verfolgten Familie als Grundlage für die Verlegung von drei Stolpersteinen vor dem ehemaligen Bezirksamt, dann Landratsamt, heute Bauamt.

Österreich

Seit 2005 werden auch in Wien Steine verlegt, die jedoch nicht von Gunter Demnig stammen. Das Projekt heißt Steine der Erinnerung. Bis jetzt konnten Steine im zweiten Bezirk Leopoldstadt um den Volkertplatz gesetzt werden, ein „Weg der Erinnerung“ mit weiteren Tafeln und Steinen quer durch den zweiten Bezirk ist ebenfalls in Ausführung. Diese Aktion wird zum Teil von der Stadt Wien, dem Nationalfonds und Spendengeldern unterstützt.

Im oberösterreichischen Braunau am Inn, dem Geburtsort Adolf Hitlers, wurden am 11. August 2006 vier Stolpersteine verlegt.

Ungarn

In Ungarn werden seit April 2007 Stolpersteine verlegt. Ungefähr 600 000 Juden aus Ungarn wurden deportiert und ermordet.

In Budapest wurde im Zentrum, in der Raday-Straße, mit der Stolpersteinverlegung begonnen.

11.000 Steine

Inzwischen (April 2007) hat Gunter Demnig rund 11.000 Steine in über 220 Städten und Gemeinden gesetzt.

Stolpersteine wurden nicht nur in Deutschland verlegt, sondern auch in Österreich, Italien, den Niederlanden und Ungarn. Eine für den 1. September 2006 geplante Verlegung in Polen fand nicht statt, nachdem die Genehmigung dafür wieder zurückgezogen wurde.

Durch die Berichterstattung in der Presse werden Interessierte auf die Steine in ihrer näheren Umgebung aufmerksam und suchen die Stellen gezielt auf. Passanten nehmen die Steine im Vorübergehen unbewusst wahr oder machen sich Gedanken, wie es dazu kam, dass Menschen mitten aus ihrem täglichen Ablauf herausgerissen wurden. In Hamburg wurden die Anwohner zu einem Frühjahrsputz der Steine (mit Putzmitteln für Metalle) aufgerufen.


Stolpersteine für Hertha und Alexander Adam, Frankfurter Allee, Berlin-Friedrichshain

Kritische Stimmen

In einigen Städten, beispielsweise München, wird die Verlegung von Stolpersteinen von politischer Seite abgelehnt. In anderen Städten wurde die Genehmigung für die Verlegung der Steine erst nach mehr oder weniger langer Diskussion erteilt. Beispielsweise lehnte die CDU/FDP-Ratsmehrheit im Stadtrat Krefeld eine Verlegung gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde ab, die die Auffassung vertrat, dass auf diese Weise die Namen der Opfer ständig mit Füßen getreten würden. Erst nach einem Bürgerbegehren wurde ein Kompromiss gefunden: Wenn die jeweiligen Hauseigentümer und die Angehörigen der Opfer zustimmen, können die Stolpersteine verlegt werden. Zwischenzeitlich wurden auch in Krefeld die ersten Stolpersteine verlegt. In Simbach am Inn wurde beispielsweise die Verlegung eines Stolpersteines für den am 1. Mai 1945 hingerichteten Fahnenflüchtigen Georg Hauner abgelehnt.

Auch einige Hausbesitzer wehren sich gegen die Verlegung vor ihren Häusern, sie fürchten einen Wertverlust ihres Besitzes und wollen nicht zu einer täglichen Erinnerung an die nationalsozialistischen Gräueltaten gezwungen werden. In einem Fall in Köln klagte ein Wohnungseigentümer, die Steine wurden schließlich an den Straßenrand verlegt. In der Stadt Lahr genehmigte der Gemeinderat die Verlegung unter der Auflage, dass die Hauseigentümer, vor deren Haus die Steine im Gehweg verlegt werden sollen, zuvor zustimmen.

Film

Die Dokumentarfilmerin Dörte Franke hat über die Stolpersteine einen Film gedreht.

Literatur

  • Kurt Walter und AG Spurensuche: "Stolpersteine in Duisburg". Herausgeber: Ev. Kirchenkreis Duisburg/ Ev. Familienbildungswerk, Duisburg 2005, ISBN 3-00017-730-2
  • Marlis Meckel: "Den Opfern ihre Namen zurückgeben. Stolpersteine in Freiburg", Rombach Verlag, Freiburg 2006,ISBN 3-79305-018-1
  • Beate Meyer (Hrsg.): "Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945. Geschichte, Zeugnis, Erinnerung." Landeszentrale für Politische Bildung, Hamburg, 2006. (auch: Liste der bis 2006 in Hamburg verlegten Stolpersteine.)
  • Kirsten Serup-Bilfeldt: "Stolpersteine. Vergessene Namen, verwehte Spuren. Wegweiser zu Kölner Schicksalen in der NS-Zeit", Kiepenheuer & Witsch, 2003, ISBN 3-46203-535-5
  • Oswald Burger/ Hansjörg Straub: "Die Levingers. Eine Familie in Überlingen." Eggingen 2002, ISBN 3-86142-117-8

Quellen

  1. http://www.freiburg-im-netz.de/stolpersteine/stolpdoku.php


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