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Großes ß

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Versales Eszett auf dem Titelblatt des Duden, Leipzig 1957.

Das Versal-Eszett bezeichnet die Großbuchstabenform des Buchstaben ß (Eszett). Die offizielle Aufnahme dieses Buchstaben in das deutsche Alphabet wurde Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang u. Mitte des 20. Jahrhunderts und nun aktuell Anfang des 21. Jahrhunderts diskutiert. Die eine Fraktion ist der Meinung, die Tatsache, daß ein versales Eszett historisch existierte und ein Bedarf besteht, wäre Grund genug, es in das deutsche Alphabet aufzunehmen. Die andere Fraktion ist der Meinung, daß das Eszett eine Ligatur aus zwei Kleinbuchstaben ist und dementsprechend entwickelte Formen im Versalsatz nie zu den Großbuchstaben passen werden.

Die genaue Entstehung der Minuskel ß ist bis heute nicht völlig geklärt (auch wenn es hierzu in den letzten Jahren gewisse Erkenntnisfortschritte gegeben hat). Nach landläufiger Meinung ist der Kleinbuchstabe (die Minuskel) ß historisch aus einer Ligatur entstanden, die in deutschsprachigen Wörtern nur im Wortinnern oder am Wortende vorkommt, und deswegen nur als Kleinbuchstabe existiert.[1] Sobald aber deutschsprachiger Text in Kapitälchen oder Versalien ausgezeichnet wird – seit Einführung der Antiquaschrift als Normalschrift (1941) erst besonders häufig, meinen manche, es bestünde der Bedarf nach einem Versal-Eszett. Auch der Interessensverband Rat für deutsche Rechtschreibung e.V. rief 2005 dazu auf, Abhilfe zu schaffen.

Regeln für ß im Versalsatz

Noch im 19. Jahrhundert verzichteten die Brüder Grimm im Antiquasatz ganz auf ß, da sie ein eigenes Zeichen dafür schaffen wollten, da das ß sich im Antiquasatz aus dem langen s und dem runden-s entwickelt hatte – im Fraktursatz hatte es sich aus langem s und z mit Unterschlinge entwickelt. Sie ersetzten aus Mangel an solch einem Zeichen ß durch sz. Der Reformtext von 1901 orientierte sich an diesem Vorbild und schrieb für den Versalsatz die Ersetzung von ß durch SZ vor. So wurde „Preußen“ im Versalsatz zu „PREUSZEN“.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts bürgerte sich aber immer mehr die Ersetzung durch SS ein. Die Entwicklung der Rechtschreibregeln im Duden spiegelt die Koexistenz der beiden Formen wider. Kurz vor der Rechtschreibreform von 1996 war die Schreibweise SZ nur noch in Ausnahmefällen möglich, wenn eine Ersetzung durch SS zu Verwechslungen führen würde. So wurde „Masse“ zu „MASSE“, aber „Maße“ zu „MASZE“. Die Neue deutsche Rechtschreibung schreibt seit 1996 für den Versalsatz die einheitliche Ersetzung von ß durch den Doppelbuchstaben SS vor. Eine Unterscheidung etwa zwischen "Masse" und "Maße" ist damit im Versalsatz nicht mehr möglich.

Die Ersetzung des ß durch Großbuchstaben führt insbesondere bei Eigennamen zu Mehrdeutigkeiten. Der Name „WEISS“ könnte für „Weiß“ oder „Weiss“ stehen, der Name „LISZT“ für „Lißt“ oder „Liszt“. Deswegen bildete sich als dritte Möglichkeit der Mischsatz heraus. Das ß wird nicht ersetzt. Der Name „Weiß“ wird versal zu „WEIß“, was typografisch äußerst unschön ist, da hier Groß- und Kleinbuchstaben gemischt werden. Diese Regel wird seit den 1980er Jahren bei deutschen Reisepässen und Personalausweisen angewandt, da hierbei die korrekte Wiedergabe der Originalschreibweise wichtiger ist als die typografische Ästhetik. Auch die Deutsche Post empfiehlt, beim Ausfüllen von Formularen in Großbuchstaben das ß beizubehalten.

Versal-Eszett

Versales Eszett auf dem Titelblatt des Heftes Signa Nr. 9.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts haben nur sehr wenige Schriftgestalter für ihre Schriftarten eine zusätzliche Glyphe entworfen, die das Eszett im Versalsatz repräsentieren soll (siehe unten). Bis zum Verbot der Gebrochenen Schriften durch Adolf Hiltler im Jahr 1941 waren diese – besonders die Frakturschriften – im deutschen Sprachraum allerdings die vorwiegenden Schriften und bei den Gebrochenen Schriften gab es keine Versal- oder Kapitälchenschreibweise, da die Großbuchstaben eigens auf das Zusammenspiel und den Fluss mit den Kleinbuchstaben gestaltet wurden und es sich gestalterisch verbot, ausschließlich Versal zu setzen. Es gibt kaum Beispiele für Versal-Eszett in Beschriftungen und im Druck. [2]

Der Bedarf nach einer Normierung eines Versal-Eszett wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts formuliert. Im Duden von 1925: steht, wie in den vorausgegangen Ausgaben: „Für ß wird in großer Schrift SZ angewandt, z. B. MASZE (Maße) – aber MASSE (Masse), STRASZE, PREUSZEN, MEISZNER, VOSZ. Die Verwendung zweier Buchstaben für einen Laut ist nur ein Notbehelf, der aufhören muss, sobald ein geeigneter Druckbuchstabe für das große ß geschaffen ist.[3]

Der Interessensverband Rat für deutsche Rechtschreibung e.V. rief 2005 dazu auf, Abhilfe zu schaffen.

Die Gegner des Versal-Eszett meinen, dass die Form im Deutschen Text mit einem B verwechselt werden könnte. Statt des Textes "DAS GROßE ESZETT" könnte man fälschlicherweise lesen: "DAS GROBE ESZETT", da die Unterschiede nicht deutlich genug sind.

Kodierung

Im Jahr 2004 beantragte Andreas Stötzner, Autor der Zeitschrift SIGNA beim Unicode Consortium die Aufnahme eines Latin Capital Letter Double S in Unicode.[4] Der Antrag wurde verworfen, da die Existenz dieses Buchstabens nicht ausreichend bewiesen war, sowie aus technischen Gründen. [5]

Ein neuerlicher Antrag auf eine Aufnahme des Versal-Eszetts als LATIN CAPITAL LETTER SHARP S ist 2007 vom zuständigen DIN-Komitee gestellt worden.[6] An der Tagung der zuständigen ISO/IEC-Working-Group vom 28. April 2007 ist beschlossen worden, das Versal-Eszett gemäß diesem Vorschlag solle im Unicode-Standard die Stelle U+1E9E erhalten.[7]

Die Medieval Unicode Font Initiative erarbeitet Zeichenbelegungen für Mittelalterforscher. Im Entwurf zur Version 2.0 der Zeichenbelegung wird geplant Latin Capital Letter Sharp S als Zeichen U+E3E4 zu codieren. [8]

Ausgewählte Schriften mit Versal-Eszett

Ehmcke-Antiqua
P22 Underground Bold
Andana
Incana
Andron
Phoenica
Battista Regular
Prillwitz
Eszett-Anna
Eszett-Timo
Eszett-Linea
Eszett-Enge
Logotypia Pro

Historische Schriften

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es nur wenige Schriften mit einem Versal-Eszett-Entwurf. Bei vielen modernen Schriften, wie der Futura, gab es einen solchen Entwurf nicht.

  • Schelter kursiv (Schelter & Giesecke, Leipzig 1906)
  • Ehmcke-Antiqua von Fritz Helmuth Ehmcke (ehem. Flinsch, Frankfurt am Main, 1909); auch unter dem Namen ITC Carlton* hier aber schlechte Umsetzung und ohne Versal-ß
  • Ehmcke-Kursiv von Fritz Helmuth Ehmcke (ehem. Flinsch, Frankfurt am Main, 1910)
  • Erbar-Grotesk (Ludwig & Mayer, Frankfurt a. M. 1910)
  • Kleukens-Antiqua von F.W. Kleukens (Bauersche Gießerei, Frankfurt a. M. 1910)
  • Journal-Antiqua von Hermann Zehnpfundt (E. Gursch, Berlin 1910)
  • Grimm-Antiqua von Richard Grimm-Sachsenberg (Jul. Klinkhardt 1911, Leipzig (1920 von H. Berthold übernommen)
  • Tauperle (Schelter & Giesecke, Leipzig 1912)
  • Belwe-Antiqua von Georg Belwe [4 Schnitte] (Schelter & Giesecke, Leipzig ca. 1913, 1951 mit Schriftguß AG zu VEB Typoart verschmolzen)
  • Koralle breitmager (Schelter & Giesecke, Leipzig 1913)
  • Koralle breithalbfett (Schelter & Giesecke, Leipzig 1913)
  • Belwe-Kursiv von Georg Belwe 1914
  • Ehmcke-Rustika von Fritz Helmuth Ehmcke (D. Stempel AG, Frankfurt 1914)
  • Roland-Grotesk (Schelter & Giesecke, Leipzig um 1914?)
  • Koralle (Schelter & Giesecke, Leipzig 1915)
  • Lichte Koralle-Vers. (Schelter & Giesecke, Leipzig 1916)
  • Schneidler-Latein von F.H. Ernst Schneidler (Schelter & Giesecke, Leipzig 1919)
  • Schneidler-Kursiv von F.H. Ernst Schneidler (Schelter & Giesecke, Leipzig 1920)
  • Koralle mager (Schelter & Giesecke, Leipzig 1919)
  • Koralle kursiv mager (Schelter & Giesecke, Leipzig 1923)
  • Shakespeare-Mediaeval von Georg Belwe (Schelter & Giesecke, Leipzig 1927)
  • Shakespeare-Kursiv von Georg Belwe (Schelter & Giesecke, Leipzig 1928)
  • Schmale fette Koralle (Schelter & Giesecke, Leipzig vor 1931)
  • Parcival (in Papier und Druck 1955/9)
  • Diverse Hausschriften von der Schriftgießerei Klinkhardt (Leipzig)

Heute verfügbare Computerschriften mit Versal-Eszett

  • P22 Underground Bold von Edward Johnston (1916). Diese Schrift wurde für die Londoner U-Bahn entworfen. Digitalisiert 2001
  • Missale Incana von Andreas Seidel (2004). Basiert auf der Schrift „Erler Versalien” von Herbert Thannhaeuser, 1953.
  • Adana von Andreas Seidel (2005). Basiert auf der Schrift „Divana” des Grafikers Wilhelm Berg, Schriftguss AG 1925 – 1930. Die Versalien und Kapitälchen sind neu
  • Missale Lunea, Uncialschrift von Andreas Seidel
  • Prillwitz von Ingo Preuß (2005)
  • Phoenica von Ingo Preuß (2007)
  • Battista von Ingo Preuß (2005)
  • Eszett-Anna von Andreas Stötzner (Mai 2006)
  • Eszett-Timo von Andreas Stötzner (Mai 2006)
  • Eszett-Linea von Andreas Stötzner (Mai 2006)
  • Eszett-Enge von Andreas Stötzner (Mai 2006)
  • Logotypia Pro von Ralf Herrmann (2004–2007)

Einzelnachweise

  1. Regeln und Wörterverzeichnis. Überarbeitete Fassung des amtlichen Regelwerks 2004. Rat für deutsche Rechtschreibung, München und Mannheim, Februar 2006. Online
  2. Stötzner, Andreas: Dokumentation „Das versale ß“ (PDF)
  3. Vorbemerkungen, XII in: Duden - Rechtschreibung. 9. Auflage, 1925
  4. Stötzner, Andreas: Vorschlag zur Kodierung eines versalen ß in Unicode (n2888.pdf) (Englisch)
  5. Unicode Consortium: Rejected Characters and Scripts [1] (Englisch); und als Kommentar dazu: Michael Kaplan: Every character has a story #15: CAPITAL SHARP S (not encoded) [2] (Englisch)
  6. Wischhöfer, Cord: Proposal to encode Latin Capital Letter Sharp S to the UCS (n3327.pdf) (Englisch)
  7. Resolutions of WG 2 meeting 50 (Beschlüsse des 50. Treffens der Working-Group 2 des Subkomitees 2 des gemeinsamen Komitees von ISO und IEC, English)
  8. MUFI Character Recommendations [3]

Literatur

  • Das große Eszett. In: Signa, Heft Nr. 9. Edition Waechterpappel, Grimma 2006, ISBN 3-933629-17-9.

Weiterführendes Material

Anbieter kommerzieller Computerschriften mit Versal-Eszett