Osho
Rajneesh Chandra Mohan Jain (* 11. Dezember 1931 in Madhya Pradesh; † 19. Januar 1990 in Pune, Maharashtra) war der Urheber und Mittelpunkt der Neo-Sannyas-Bewegung, einer neuen spirituellen Bewegung mit Sitz in Indien und zeitweise auch den Vereinigten Staaten von Amerika und weiterhin Anhängern in der ganzen Welt. Er nannte sich zuerst Acharya Rajneesh (Mitte der Sechzigerjahre bis Anfang der Siebzigerjahre), danach Bhagwan Shree Rajneesh (bis Anfang 1989) und danach bis zu seinem Tod Osho.
Namen
Acharya bedeutet „Lehrer“. Das Wort Bhagwan kommt aus dem Sanskrit. Es bedeutet „Gesegneter“ (nicht „Gott“, wie oft fälschlich behauptet) und ist in Indien ein häufiger Titel für spirituelle Meister. Im Buddhismus ist es auch der erste Zusatztitel für den historischen Buddha Siddhartha Gautama.[1] Shree (auch Shri oder Sri) kommt ebenfalls aus dem Sanskrit und bedeutet „spirituell vermögend“; es wird oft ähnlich wie das englische Wort „Lord“ verwendet. Osho ist ein Titel aus dem Zen-Buddhismus und bedeutet dort eigentlich „Mönch“ oder „Abt“.
Leben
Chandra Mohan Jain (Rajneesh war ein Spitzname,[2] den er von seiner Familie[3] erhielt) wurde am 11. Dezember 1931 in Kuchwada, Madhya Pradesh (Indien) als ältester Sohn eines Tuchhändlers geboren und von seinen Großeltern aufgezogen. Die Familie gehörte zur Taranpanthi-Religionsgemeinschaft, einer Splittergruppe der Digambara-Jainas.
Er war ein begabtes, aber rebellisches Kind und gewann schon in früher Jugend Ansehen für seine Debattierkünste.[3]
Im Alter von 21 Jahren soll er nach eigenem Bekunden am 21. März 1953 in einer Vollmondnacht in einem Park Erleuchtung erfahren haben:
- The moment I entered the garden everything became luminous, it was all over the place – the benediction, the blessedness. I could see the trees for the first time – their green, their life, their very sap running. The whole garden was asleep, the trees were asleep. But I could see the whole garden alive, even the small grass leaves were so beautiful.
- I looked around. One tree was tremendously luminous – the maulshree tree. It attracted me, it pulled me towards itself. I had not chosen it, god himself has chosen it. I went to the tree, I sat under the tree. As I sat there things started settling. The whole universe became a benediction.[4][2]
Er erwarb den Magister-Grad in Philosophie mit Auszeichnung (1956, University of Sagar) und lehrte als Professor zunächst am Raipur Sanskrit College und dann, bis 1966, an der Universität von Jabalpur.
In den 60er Jahren unternahm er unter dem Namen „Acharya Rajneesh“ ausgedehnte Vortragsreisen durch Indien, provozierte führende Persönlichkeiten der etablierten Religionen und Politik Indiens.[5]
Ab 1965 unterstützten Jainas ihn in Bombay ("Lebenserweckungsbewegung"), und 1966 legte er seine Professur nieder, um sich ganz seiner Karriere als Redner widmen zu können.[3]
Große Kontroversen in Indien erregte 1968 eine Vortragsreihe, in der er die Einstellungen der indischen Gesellschaft gegenüber Liebe und Sex scharf kritisierte und für eine freizügigere Atmosphäre plädierte[3] (die Vortragsreihe wurde später als Buch unter dem Titel From Sex to Superconsciousness veröffentlicht).
Am 28. September 1970 begann er, Schüler („Neo-Sannyasins“ oder einfach kurz „Sannyasins“) zu initiieren. Sannyasins erhielten von ihm einen neuen Namen (Frauen z.B. „Ma Dhyan Shama“, Männer z.B. „Swami Satyananda“) und trugen bis September 1985 alle orange oder rote Kleidung und eine Mala (Halskette) mit 108 Holzkugeln und seinem Bild. Kurz darauf begann er auf den Vorschlag eines seiner Schüler hin, sich Bhagwan zu nennen.[3]
In den folgenden Jahren gewann er in zunehmendem Maße auch über die Grenzen Indiens hinaus Anhänger, darunter viele aus dem deutschen Sprachraum.
Ashram in Poona
Osho gründete 1974 in Poona (heute Pune) einen Ashram, im Haus eines Maharajas, das ihm Catherine Venizelos zur Verfügung stellte. Poona wurde zu einem Pilger-Ort für tausende Menschen aus aller Welt, die dort persönliche und spirituelle Entwicklung suchten.
Osho gab jeden Morgen einen in Hindi oder Englisch gehaltenen „Discourse“ (Vortrag). Bis 1981 wechselten sich dabei Vortragsreihen auf Hindi und Englisch in etwa monatlichem Rhythmus ab. Jede Vortragsreihe hatte einen Klassiker der spirituellen Weltliteratur als ihren thematischen Schwerpunkt. Diese spontan, ohne Notizen gehaltenen Vorträge gewannen aufgrund seiner Redekunst große Beachtung in Indien und anderswo;[6] sie berührten alle Bereiche des Lebens und sind in hunderten Büchern und Videos zugänglich.
Abends gab es Darshans, in denen Osho persönliche Gespräche mit individuellen Anhängern und Besuchern führte.[6] Ansonsten umfasste das Angebot des Ashrams diverse Meditationen und (für Besucher aus westlichen Kulturen) Selbsterfahrungsgruppen.
Osho entwickelte etliche neue Meditationstechniken – darunter die „Dynamische Meditation“ (1970), die „Kundalini-Meditation“ und die „Nataraj-Meditation“.
Viele der in Poona eingesetzten Selbstfindungstechniken waren unter seiner Anleitung entstandene Anpassungen bereits bestehender Methoden wie Encounter, Psychodrama, Gestalttherapie, Tanztherapie etc., die auch heute noch von westlichen Therapeuten (insbesondere der humanistischen Psychologie) praktiziert werden.
Seine provokativen Vorträge und die besonders in den ersten Jahren ungewöhnlich freizügige Einstellung zur Emotionalität und Sexualität[7] in den Therapiegruppen erregten internationales Aufsehen und führten in der Öffentlichkeit vielerorts zu einer Polarisierung. Die Presse berichtete oft sensationsheischend („Sex-Guru“ etc.).
Im deutschsprachigen Raum lösten vor allem die Berichterstattung der Illustrierten Stern und das Buch Ganz entspannt im Hier und Jetzt des ehemaligen Stern-Reporters Jörg Andrees Elten großes Interesse an Osho aus. Gleichzeitig wurden in nahezu allen Ländern der westlichen Welt Niederlassungen (Ashrams, „Bhagwan-Zentren“) der Osho-Bewegung gegründet, die zum Teil noch heute bestehen (z.B. Köln, Hamburg).
Oregon
Der Ashram in Pune wollte ursprünglich in Indien (Gujarat) expandieren. 1981 siedelte Osho jedoch mit seinen Anhängern zuerst nach New Jersey und später nach Oregon (USA) um, unter anderem auch auf der Suche nach einer besseren medizinischen Behandlung, da er unter Diabetes, Asthma und ernsthaften Rückenproblemen litt. Anhänger kauften für 5,75 Millionen Dollar die Big Muddy Ranch (früherer Drehort einiger Westernfilme mit John Wayne), auf deren Grund die Gruppierung die Siedlung „Rajneeshpuram“ errichtete.
Es kam bald zu Streitigkeiten mit den Behörden über Bauvorschriften sowie zu Anfeindungen seitens der ansässigen Bevölkerung, die auch Morddrohungen gegen Osho einschlossen. Seine Anhänger ließen sich in Antelope (Oregon) nieder und nutzten bei den Stadtratswahlen ihre Stimmenmehrheit. Aufsehen und Kontroversen erregte auch eine Flotte von bis zu 93 Rolls-Royce. Kommentare der Sprecherin und Sekretärin Oshos, Ma Anand Sheela, verstärkten die Spannungen. Osho selbst äußerte sich während dieser Zeit nicht; er war von 1981 bis 1984 in einer Phase des Schweigens, und Sheela übernahm währenddessen den Führungskreis.
1984 wurden vorsätzlich Salmonellen in das Essen verschiedener Restaurants der Kleinstadt The Dalles in Oregon lanciert, um zu sehen, ob es möglich wäre, Wahlberechtigte krank zu machen und von der Teilnahme an den bevorstehenden County-Wahlen abzuhalten. Dieser Vorfall wurde dem Führungskreis um Sheela zugeschrieben.[8] Osho trennte sich daraufhin von Sheela, was auch mit ihren kriminellen Machenschaften begründet wurde.
1985 wurde Osho in North Carolina ohne Haftbefehl verhaftet. Als Begründung behaupteten die amerikanischen Behörden, er wolle die USA verlassen. Am 23. Oktober 1985 wurde Osho wegen Einwanderungsdelikten angeklagt. Osho bekam eine Bewährungsstrafe, die unter der Bedingung, das Land zu verlassen, ausgesetzt wurde. Osho behauptete danach, er sei im Gefängnis mit einem Mittel vergiftet worden, das später nicht mehr nachweisbar sei.
Rückkehr nach Pune
Der Gesundheitszustand Oshos verschlechterte sich ständig. Nach längeren Irrflügen um den Globus, während deren ihm überall auf massives Betreiben der entsprechenden Stellen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) die Einreise verweigert wurde,[9] kehrte er schließlich in den Ashram in Pune zurück.
Er befasste sich ab dieser Zeit in seinen Vorträgen ausschließlich mit Zen-Meistern. Vier Jahre nach der Verhaftung starb er am 19. Januar 1990 im Alter von 58 Jahren, in Pune. Seine Asche befindet sich in einem weißen marmornen Meditationssaal des Ashrams. Auf einer Gedenktafel steht ein Zitat Meher Babas: „Never Born, Never Died: Only Visited this Planet Earth between Dec 11 1931 – Jan 19 1990.“
Oshos Ashram in Pune hat sich zum Osho International Meditation Resort, einem der populärsten Reiseziele Indiens,[3] entwickelt.
Werke
Oshos Vorträge und Initiationsgespräche wurden aufgezeichnet und in Buchform in praktisch unredigiertem Originalwortlaut und auch als Tonkassetten und Videofilme veröffentlicht. Die in Hindi gehaltenen Vorträge (nach 1981 sprach er durchwegs in druckreifem Englisch) werden nun nach und nach auch ins Englische übersetzt. Viele Bände sind zudem ins Deutsche und viele andere Sprachen übertragen worden. So entstanden über 400 Bände von durchschnittlich 250 Seiten (ohne Berücksichtigung der Übersetzungen und thematischen Neuzusammenstellungen). Zwei Jahre nach seinem Tod wurde die komplette Ausgabe seiner Bücher in die Bibliothek des indischen Parlaments aufgenommen. Diese Ehre wurde zuvor nur Mahatma Gandhi zu Teil.
Bekannte Titel:
- Hammer on the Rock. Initiationsgespräche
- Diskurse zum Vigyan Bhairav Tantra, 5 Bände, ISBN 3933556163
- Meditation, die erste und letzte Freiheit, ISBN 3925205373
- Autobiographie eines spirituellen Provokateurs, ISBN 3453872878
- Guida Spirituale (Desiderata)
- The Book of the Books (Dhammapada)
- Tao, The Three Treasures
- The Book of the Secrets (Tantra)
- Philosophia Ultima (Mandukya Upanishad)
- The Rajneesh Upanishad (gemischt)
- No Water, no Moon (Zen)
- This very Body, the Buddha (Zen)
- Zen, The Special Transmission
- The Goose is Out (Zen)
- Buddha sprach (42 buddhistische Sutren)
Anhänger und Schüler
Hier seien einige besonders im deutschen Sprachraum bekannte Persönlichkeiten genannt, die sich Osho irgendwann in ihrem Leben einmal genähert haben bzw. Sannyasins wurden.
Der New-Age-Musiker Georg Deuter (Swami Chaitanya Hari) komponierte in den Siebzigerjahren die Musik für verschiedene Osho-Meditationen.[4] Der Schauspieler Terence Stamp wurde 1976 in Poona Sannyasin (Swami Deva Veeten).[5] Die Schauspielerin Eva Renzi nahm in den Siebzigerjahren an Therapiegruppen in Poona teil und versorgte danach die Boulevardpresse mit negativen Berichten über ihre dortigen Erfahrungen.[6] Der Stern-Journalist Jörg Andrees Elten fuhr daraufhin nach Poona, um einen Report zu verfassen, wurde aber kurz darauf zum Schüler Oshos (Swami Satyananda) und ist immer noch als Journalist und Seminarleiter in der Osho-Bewegung tätig.[7][8]
Die Jugendbuchautorin Elfie Donnelly und ihr damaliger Ehemann, der Fernsehmoderator Peter Lustig, gingen in den Siebzigerjahren beide nach Poona. Elfie Donnelly nennt Osho immer noch als eines ihrer Vorbilder.[9] Auch der deutsche Philosoph und TV-Moderator Peter Sloterdijk verbrachte in den Siebzigerjahren einige Zeit in Poona und sieht diese Erfahrung als den entscheidenden Einschnitt in seinem Leben.[10] Rudolf Bahro war 1983 mehrere Wochen in Rajneeshpuram und äußerte sich positiv zu Osho.[10] Der Musikjournalist und Autor Joachim-Ernst Berendt wurde Sannyasin [11] und schrieb später das Vorwort zu dem Osho-Buch „Die verborgene Harmonie“.
Die Schauspielerin und Politikerin Barbara Rütting (Ma Anand Taruna) nennt Osho den größten Therapeuten des Jahrhunderts,[12] und der Alternativmediziner und Autor Dr. Achim Eckert, der mehrere Jahre in Oshos Ashram verbrachte, wendet bei seiner Arbeit Oshos Meditationstechniken an.[13]
Weitere namhafte Figuren in der Osho-Bewegung sind Denny Yuson-Sanchez (Swami Anand Veeresh, Phoenix House, Humaniversity, Therapeut)[14] und Michael Barnett (Swami Anand Somendra, Energie-Therapeut), der sich allerdings 1982 von Osho trennte.[15]
Literatur
- Osho, Autobiographie eines spirituellen Provokateurs, Heyne, 2002, ISBN 3-453-87287-8
- Osho, Glimpses of a Golden Childhood, Osho Viha, 1997, ISBN 81-7261-072-6
- Brecher, Max: A Passage to America, 1993
- Carter, Lewis F., Charisma and Control in Rajneeshpuram, Cambridge University Press, 1990, ISBN 0-521-38554-7
- FitzGerald, Frances, Cities on a Hill: A Journey Through Contemporary American Cultures, Simon & Schuster, 1986, ISBN 0-671-55209-0 (enthält ein sehr ausführliches Kapitel über Rajneeshpuram, das zuvor in zwei Teilen im Magazin The New Yorker [Ausgaben vom 22. und 29. Sept. 1986] veröffentlicht wurde)
- Goldman, Marion S.: Passionate Journeys – Why Successful Woman Joined A Cult, The University of Michigan Press, 1999
- Gordon, James S.: The Golden Guru – The strange Journey of Bhagwan Shree Rajneesh, 1987
- Hoevels, Fritz Erik: Bhagwan oder das Dilemma einer menschenfreundlichen Religion – Eine psychoanalytische Studie, 1987
- Huth, Fritz-Reinhold: Das Selbstverständnis des Bhagwan Shree Rajneesh in seinen Reden über Jesus, Studia Irenica Band 36, 1993
- Klosinski, Gunther: Psychologische und psychodynamische Aspekte religiöser Konversion zu neureligiösen Bewegungen am Beispiel der Neo-Sannyas-Bewegung; Habilitationsschrift, 1983
- Palmer, Susan J. und Sharma, Arvind: The Rajneesh Papers: Studies in a New Religious Movement, 1993
- Priskil, Peter: Jesus – Bhagwan: ein Vergleich, 1987
- Süss, Joachim: Zur Erleuchtung Unterwegs: Neo-Sannyasin in Deutschland und ihre Religion, Marburger Studien zur Afrika- und Asienkunde, 1994
- Thoden, Anna & Schmidt, Ingemarie: Der Mythos um Bhagwan – Die Geschichte einer Bewegung, rororo Sachbuch 1080, 1987
Quellen
- ↑ Geschichtliches zur Bedeutung des Wortes Bhagavan
- ↑ Encyclopædia Britannica
- ↑ a b c d e Frances FitzGerald, The New Yorker 22. Sept. 1986, S. 77 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „ff77“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ The Discipline of Transcendence, Vol. 2, Kapitel 11
- ↑ University of Oregon Libraries Collection, Historical Note
- ↑ a b Frances FitzGerald, The New Yorker 22. Sept. 1986, S. 80
- ↑ Artikel in der New York Times vom 13 Nov. 1981
- ↑ Lewis F. Carter (1990), S. 234
- ↑ [1]
- ↑ Rudolf Bahro, In Amerika gibt es keine Kathedralen, taz-Interview aus Rajneeshpuram vom 29/30. 08. 1983
Weblinks
- Osho offizielle Website
- Osho-Videos auf youtube
- Vorlage:PND
- Osho Verlag
- The Rise and Fall of Rajneeshpuram
- "Bhagwan or The Dilemma of a Human Religion" - Article
- Auszug aus einem Gespräch P. Sloterdijks mit Hans-Jürgen Heinrichs
- David Singer: Umschau. Zu dir oder in mich? - Aktueller Bericht über einen Aufenthalt im Osho-Resort
- DER SPIEGEL Nr. 32/1985 – Interview
Personendaten | |
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NAME | Rajneesh Chandra Mohan |
ALTERNATIVNAMEN | Bhagwan Shree Rajneesh; Osho |
KURZBESCHREIBUNG | Gründer und Führer einer umstrittenen religiösen Bewegung in Indien und zeitweise auch den USA |
GEBURTSDATUM | 11. Dezember 1931 |
GEBURTSORT | Madhya Pradesh |
STERBEDATUM | 19. Januar 1990 |
STERBEORT | Pune, Maharashtra |