Diskussion:Rechte an Geoinformationen
Über den Artikel
Ich fange heute mal mit diesem Thema an. Für die Wikipedia ist besonders interessant, ob man eine Karte abmalen und veröffentlichen kann. Dagegen spricht das Urhebergesetz, dafür spricht jedoch auch ein deutsches Urteil.
Ich beginne ein bisschen verkehrt herum an, ich sammle erst einmal Quellen und besorge noch ein paar Zeitschriftenaufsätze aus dem deutschsprachigen Vermessungswesen. Der Text folgt noch. Die Gliederung ist ja schon angedeutet.
Das Thema hat auch eine durchaus weitreichende Dimension: Geobasisdaten und Geodaten bzw. Geoinformationen sind heute Grundlage für Planungen und für allerlei Anwendungen bis hin zum Navigationssystem. Dahinter steht eine milliardenschwere Wertschöpfung.
Das Internet macht Daten in mehr Fülle und Geschwindigkeit zugänglich, ebenso auch deren Verbreitung. Anbieter, Server, Nutzer befinden sich dazu noch irgendwo in der Welt, ohne dass die Fragen Geistiges Eigentum, Internationales Urheberrecht und Durchsetzung hinreichend gelöst wurden. -- Simplicius 22:00, 20. Okt 2004 (CEST)
Mehr dazu
http://archiv.twoday.net/stories/375321/ --Historiograf 23:25, 22. Okt 2004 (CEST)
Insbesondere Urheberrecht?
Ich bitte doch dringend, dem Gesichtspunkt der öffentlichrechtlichen Genehmigungsvorbehalte mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Amtliche Kartenwerke sind fast immer von § 5 UrhG ausgenommen (so Gesetzesbegründung BTDrucks IV/270 bei urheberrecht.org), aber nach Katzenberger (GRUR 1972, 693 bzw. in Schricker, UrhR ²1999, § 5 Rdnr. 50) betrifft das nicht Kartenwerke mit Normqualität, wie Bebauuungspläne, Katasterkarten und Karten über Freihäfen als Bestandteil zollrechtlicher Vorschriften. Diese werden aber auch von den landesrechtlichen Genehmigungsvorbehalten erfasst, die gleichsam ein (fiskalisch motiviertes) Auffangrecht darstellen, falls das UrhG nicht greift. Hier ist unendlich viel ungeklärt, weil die Lobby der Vermessungsämter diesen Bereich konsequent einer öffentlichen Diskussion entzieht. Ungeklärt ist etwa, ob die Genehmigungsvorbehalte auch bei Zitaten und anderen Schrankenbestimmungen greifen. Ungeklärt ist desweiteren, wie weit zurück die Genehmigungsvorbehalte reichen: bis zum Erlaß es ersten jeweiligen Landesgesetzes mit einem solchen Vorbehalt oder bis zum Beginn der organisatorischen Kontinuität (Gründung eines Vermessungsamtes)? Dies könnte konkret bei Luftbildern bedeutsam sein, da diese wohl nie als Lichtbildwerke, sondern nur als einfache Lichtbilder einzuschätzen sind (soweit sie nicht zeitgeschichtliche Dokumente sind), was bei älteren Bildern leicht zur urheberrechtlichen Gemeinfreiheit führen könnte. Siehe dazu meinen Beitrag in URECHT. --Historiograf 18:06, 24. Okt 2004 (CEST)
Teepause
Das "urheberrechtlich" muss man gegebenenfalls noch ändern oder erweitern. Zum Punkt "Entgeltpolitik der Landesvermessung" hab ich mich noch gar nicht vorgelesen.
Ich knabbere zur Zeit noch an den Definitionen, zum Beispiel Kartenwerk und Datenbankwerk - ergänzt habe ich auch Sammelwerk. Beim Kartenwerk gibt es ein kleine Unterscheidung: der Begriff Kartenwerk weist eigentlich nicht auf eine Karte mit mehr schöpferischer Leistung hin (so wie Lichtbildwerk gegenüber Lichtbild), sondern im Gegenteil auf eine Kartenserie nach einem bundeseinheitlichen Musterblatt ohne eigene Kreativität. Jedenfalls im kartografischen Sinne.
Aber eines kann ich mal so einwerfen: die Landesvermessung ist hauptsächlich Ländersache. Mit dem Begriff hoheitliche Aufgabe müsste ich mich auch noch auseinandersetzen. Jedenfalls jetzt mal noch ein paar Beispiele:
Bayern, Artikel 11, Absatz 4 VermKatG: Die Erstellung von Abschriften der Katasterbücher und von Auszügen aus dem Katasterkartenwerk ist der das Kataster führenden Behörde vorbehalten. Vervielfältigungen der Abschriften und Auszüge dürfen von den Beziehern nur für den eigenen Bedarf angefertigt und nicht an Dritte weitergeben werden.
Rheinland-Pfalz, § 12 Verwendungsvorbehalt: Geoinformationen dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie vermittelt werden. Eine Umwandlung, Weitergabe oder Veröffentlichung der Geobasisinformationen bedarf der Zustimmung der zuständigen Vermessungs- und Katasterbehörde.
Das heisst, es gibt hier nicht eine "Gefahr, Befürchtung usw. dass Geodaten nicht mehr frei sind", stattdessen ist Stand der Dinge: es gibt Gebühren beginnend mit 1 Koordinate, und eine traditionell heftig restriktive Weitergabepolitik.
Auch die Begriffsunterscheidung Daten und Information fällt der Geoszene etwas schwer. Der Hintergrund in der Wirtschaftsinformatik ist - in etwa - so: Aus Daten (formalisiert, genormt) gewinnt man Informationen (paradigmagebunden, Bedeutung durch Konventionen, Sichtweise durch Zweck). Auf der Grundlage von Einzelinformationen macht man Überlegungen, trifft man erfolgreiche oder schlechte Entscheidungen. Summe von Informationen und Verarbeits- und Kombinationsfähigkeit ist Wissen. Daran knüpfen die Gebiete Dokumentationswesen, Informationsmanagement, Wissensmanagement usw. an.
Ähnlich habe ich auch Kopfschmerzen mit den Begriffen Datenbank, Datenbankwerk und Sammelwerk. Warum soll eine Landkarte eine Datenbank sein? Warum soll ein auf eine Karte gemalter Strich (nicht eine mathematische Linie) in einer gewissen Breite und mit einem geschönten Kurvenverlauf noch Daten darstellen? Bei der Erstellung einer Karte werden die Daten vermantscht, das nennt man Generalisierung.
Bei einer Karte würde ich daher von Informationen sprechen. Daten im vermessungstechnischen Sinne würde ich mir in Form von Tabellen oder x-y-z-Koordinaten beschaffen. Aber allgemein anerkannt ist diese Unterscheidung nicht, Daten und Informationen werden oft nur als Synonyme verwendet. Nach meiner Meinung ist Information der geeignete Überbegriff für beides.
Soviel zum Wischi Waschi und jetzt mal noch was zum Hohepriestertum. Auf dem Bildrechte-Fragenkatalog in der Metawiki wird vorgeschlagen, die Max-Planck-Institut für Urheberrecht einzuschalten. Die aber gelten als die wirklich hartgesottesten Lobbyisten. -- Simplicius 20:33, 24. Okt 2004 (CEST)
Unverständlich
ist mir, wieso du das Grundsatzurteil des BGH Topographische Landeskarten, das auch online vorliegt, http://www.jura.uni-sb.de/clear/de/web-dok/19990008.html übergehst und dich nur auf die jüngere Entscheidung von 1998 stützst. Höchst dumm ist, dass http://www.lv-bw.de/lvshop2/produktinfo/wir-ueber-uns/tipps/Datenbankrecht/infob%EF%BF%BDrse_adv.doc nicht mehr vorliegt, es war sehr hilfreich, ich hatte daraus einige neue Urteile kennengelernt. Vielleicht ist das LVermA BW so nett, dir eine Kopie rüberzureichen? --Historiograf 18:11, 31. Okt 2004 (CET)
Kannte ich noch nicht (ist wohl 10 Jahre älter), hab mich auch noch nicht durch alles durchgelesen. Am nächsten Wochenende kann ich mir die Texte mal ausdrucken und näher zur Brust nehmen. Die wissenschaftliche Verwertung nach UrhG finde ich bis auf Weiteres noch interessant, weil sie zumindest eine Grundlage dafür darstellt, dass man Seminararbeiten in diesem Sektor überhaupt kostenlos durchführen kann. Unter Wikipedia:Adminkandidaturen werde ich übrigens als urheberrechtsmässig Recht- und Gesetzloser gebrandmarkt. Das finde ich ja ganz schräg. -- Simplicius 18:38, 31. Okt 2004 (CET)
- Ich werde es zwar ewig bereuen, aber ich habe *schleim* für dich gestimmt. @53 UrhG: Ich verstehe jetzt, aber das sollte deutlich gesagt werden etwa so: Für private und wissenschaftliche Zwecke (etwa in Seminararbeiten) dürfen Karten gemäß § 53 UrhG kopiert werden (jedoch keinesfalls veröffentlicht). --Historiograf 19:37, 31. Okt 2004 (CET)
Rechteklärung Görings Atlas
Hi Simplicius! Vielleicht hast du Lust, ein kleines Gutachten zur Frage, wie die urheberrechtliche Situation bei Görings Atlas ist (Link 2, Link 3), abzugeben? Versuche möglichst alle relevanten rechtlichen Gesichtspunkte zusammenzutragen. Danke --Historiograf 22:20, 3. Nov 2004 (CET)
Ja, aber nur kurz. Die psychologische Seite: Sind die 33 Karten aus dem Reisekoffer von Hermann Göring - im Gegensatz zu Hitlers Tagebüchern - echt? Anscheinend ja. Haben diese Karten - im Gegensatz zu irgendwelchen Devotionalien - einen wissenschaftlichen Wert? Ja, sie zeigen angeblich, dass die Amerikaner - ganz böse formuliert - das Deutsche Reich noch nicht genügend bombadiert haben, weil die Rüstungsindustrie anders als gedacht verteilt war. Genau heute vor 60 Jahren brannte meine Heimatstadt Bochum, nachdem binnen einer Stunde 140.000 Bomben auf sie fielen. Das ist für mich heute morgen also sehr makaber. Angeblich haben die Amerikaner daran auch Überlegungen zum Wiederaufbau Europas angestellt. Naja, vielleicht kann man so auch die Lage vieler NS-Arbeits- und Vernichtungslager besser erklären. Für Historiker also: vielleicht durchaus wichtig.
Die juristische Seite: der Verlag in Braunschweig hat die Karten von einer älteren Dame in Hamburg für ein paar tausend Euro abgekauft. Die Kartographen dürften die Karten zuletzt um 1944/45 erstellt haben, sind also nicht bekannt, aber auch noch keine 60 Jahre tot (der Schutz dürfte 70 Jahre betragen, zumal die Karten ja auch thematisch und individuell sind). Der Auftraggeber der Kartografen und Herausgeber der Blätter war das Deutsche Reich, dessen "Rechtsnachfolger" nach meinem Wissen die BRD ist - der scheint das irgendwie egal zu sein.
Wenn der Verlag der Auffassung ist, dass er die Sachen drucken darf, geht er wohl davon aus, dass entweder a) die Sachen gemeinfrei seien, oder b) dass er als Inhaber des "Kunstwerks" auch die Vervielfältigungsrechte erworben habe.
Druck und Verkauf von 1.000 Stück lassen sich übrigens nicht durch die vom Verlag anscheinend oft betonte Klausel "für wissenschaftliche Zwecke" aus dem UrhG abdecken, wenn da was im Argen sein sollte.
Auf einen Erstveröffentlichungsschutz würde ich mich hier nicht berufen, weil diese Unterlagen - fast original - offensichtlich der Öffentlichkeit in der Library of Congress zugänglich gemacht worden sind, wenn auch von der geneigten Leserschaft nicht sehr viel beachtet.
Letztendlich, ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn man die Sache juristisch noch tiefer bohrt, am Ende herauskommt, dass der Verlag sich nicht dagegen wehren könnte, wenn Karten aus seinem 178 € teuren Werk reproduziert werden. Vielleicht hat er aber auch selbst ein Urheberrechtsproblem am Hals. -- Simplicius 08:56, 4. Nov 2004 (CET)
Also was mir noch so auffällt: das Land Bayern hat das Erbe von Adolf Hitler angetreten. Es untersagt als Erbe den Druck von "Mein Kampf" auf der Grundlage des UrhG. Ein Nachdruck der Tagebücher, würde man nun echte finden, wäre dann so ohne Weiteres eigentlich gar nicht möglich, oder? -- Simplicius 09:32, 4. Nov 2004 (CET)
- Im Kern ist, denke ich, was du geschrieben hast, zutreffend. Die Sache mit den Hitler-Urheberrechten ist umstritten, wobei ich denke, das Ostpreussenblatt ist keine valide jur. Quelle (dort schreibt ein Prof. Maser online etwas dazu). Zu Goering selbst habe ich nichts rausbekommen, ob es eine ähnliche Einziehung gab, aber das ist, wie du richtig herausstellst, ja eigentlich irrelevant, da es sich um ein dienstliches Werk handelt, das dem Deutschen Reich zuzuweisen ist. § 71 UrhG (editio princeps) scheidet aus, da die Karten nicht unveröffentlicht waren (auch wenn sie geheim waren, heisst das nicht notwendigerweise, dass alle Nutzer eine persönliche Verbundenheit aufwiesen) und in der LoC waren sie es dann sowieso nicht mehr. Mit dem Erwerb eines Werkstücks erwirbt man keinerlei Nutzungsrechte, das sollte auch der Verlag wissen. Beamtete Kartografen haben nach damaligem Recht die Wahrnehmung ihrer Urheberrechte weitestgehend dem Dienstherrn überlassen. Hinsichtlich der Schutzfrist könnte man an ein anonymes Werk denken, aber nach § 66 aF UrhG galt - in der Tradition des KUG - der Ausschluß der Werke der bildenden Künste, wozu auch die angewandte Kunst (das dürfte sich auch auf Karten beziehen), nicht aber Lichtbildwerke zählten, weshalb die Regelschutzfrist 70 pma (des längstlebenden Mitwirkenden) gilt, die in jedem Fall noch nicht abgelaufen ist. Die Urheberrechte hätte die BRD.
- Nun aber noch ein Gedanke: "Was ist aber mit den vor dem 1.1.1966, dem Inkrafttreten des jetzigen UrhG, geschaffenen unveröffentlichten inneramtlichen Werken, die nach dem LUG von 1901 nicht geschützt waren (“zum amtlichen Gebrauch hergestellte amtliche Schriften“), seit 1966 aber von dem die Gemeinfreiheit amtlicher Werke anordnenden § 5 Abs. 2 UrhG nicht erfasst werden, der sich nur auf veröffentlichte Werke bezieht. Mit Katzenberger in: Schricker, UrhR, 2. Aufl. 1999, § 5 Rdnr. 56 (S. 195) ist davon auszugehen, dass diese Werke auch nach neuem Recht schutzlos bleiben, was erhebliche Auswirkungen für das in Archivalien vorfindliche amtliche Schriftgut haben dürfte, da alles, was von Beamten und Staatsangestellten dienstlich zu Papier gebracht wurde, urheberrechtlich schutzlos wäre." Handelt es sich um solche amtliche Schriften, so wäre nach Katzenberger das Urheberrecht erloschen, wobei es aber in anderen nationalen Rechtsordnungen durchaus nicht erloschen war, weshalb § 137f heranzuziehen wäre (was ich aber nicht möchte). Alles klar? --Historiograf 14:54, 4. Nov 2004 (CET)
- Also, das LUG = Gesetz vom 19.06.1901 betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, in der Fassung des Gesetzes zur Ausführung der revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst vom 22. Mai 1910 und des Gesetzes zur Verlängerung der Schutzfristen im Urheberrecht vom 13. Dezember 1934 (Reichsgesetzbl. II S. 1395) ... habe ich noch nicht gelesen. Wo findet man diese Fassung im Internet?
- Ich bin leider nur in Österreich gelandet [1]), § 7 Abs. 2 sagt hier: "Vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen hergestellte oder bearbeitete (§ 5 Abs. 1) und zur Verbreitung (§ 16) bestimmte Landkartenwerke sind keine freien Werke".
- Ich kann schlecht glauben, dass die Vervielfältigung von Landkarten 1945 nicht streng geregelt sein sollte, denn die Erstellung der Karten ist viel Arbeit und die Hoheit über Geoinformationen liegt im staatlichem Interesse. -- Simplicius 20:49, 4. Nov 2004 (CET)