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Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2004

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Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. November 2004 um 21:49 Uhr durch Atman Sun (Diskussion | Beiträge) (Vorläufiges amtl. Endergebnis (3. November, 19:40 Uhr): Zitat Daily Mirror Titelblatt (wohl representativ für die Mehrheit unserer Leser). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Wahlen des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika fanden am 2. November 2004 statt. Wiedergewählt wurde George W. Bush, der damit 43. Präsident der USA bleibt. Die Wahl muss noch durch ein Wahlmännergremium bestätigt werden. Dabei handelt es sich aber um eine Formalität.

Kandidaten und Wahlverfahren

Als Kandidaten traten George W. Bush (Republikaner), John Kerry (Demokraten), Ralph Nader (unabhängig) sowie 44 weitere unabhängige Kandidaten an. Ernsthafte Siegchancen hatten nur Kerry und Bush. Allerdings hätte Nader wie auch schon zu den letzten US-Präsidentschaftswahlen 2000 die Demokraten bei etwas anderen Ergebnissen den Sieg kosten können, da Kerry als liberaler Demokrat gilt. Vielen politisch links eingestellten Amerikanern könnten die Positionen Kerrys im Gegensatz zu Naders Ansichten nicht weit genug gehen.

Weitere weitgehend unbekannte Präsidentschaftskandidaten mit äußerst geringen Wahlchancen waren: Michael Badnarik (Libertarian Party), der liberale Umweltschützer und Kriegsgegner David Cobb (Green Party), der erzkonservative Rechtsanwalt Michael A. Peroutka (Constitution Party, früher US Taxpayer Party) und Walter F. Brown (Socialist Party).

Der Präsident der Vereinigten Staaten wird nicht direkt, sondern durch ein Kollegium von 538 Wahlmännern gewählt, die von den Bundesstaaten entsandt werden und im Prinzip an die Entscheidung der Wähler des entsendenden Staats für einen der Kandidaten gebunden sind. Dieses Wahlsystem der indirekten Mehrheitswahl ist die Erklärung dafür, dass der Kandidat, der landesweit die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigt, nicht unbedingt zum Präsidenten gewählt wird. Diese Konfiguration war bei den Präsidentschaftswahlen 2000 zugunsten des republikanischen Kandidaten Bush aufgetreten. Hätte Kerry in Ohio gesiegt, hätte sich das Phänomen zum Vorteil der Demokraten wiederholt. Für die Wahl zum Präsidenten benötigt ein Kandidat die absolute Mehrheit des Wahlmännerkollegiums, also mindestens 270 Stimmen (FAQ (englisch) zu Geschichte, Zusammensetzung und Verfahren des Kollegiums).

Vorwahlen

Bei den Vorwahlen der Demokraten galt John F. Kerry im Vergleich zu Howard Dean, der am 18. Februar 2004 seine Kandidatur auf Grund mangelnder Unterstützung wieder zurückzog, als gemäßigter Kandidat. Für ihn sprachen sowohl seine internationale Erfahrung als auch seine persönliche Reputation als aktiver Kriegsteilnehmer. Seine demokratischen Gegner im Vorwahlkampf warfen ihm vor, umfangreiche Spenden von Großunternehmen erhalten zu haben. Republikaner werfen ihm vor allem seine wechselnden Meinungen im US-Senat sowie seine generell zu „liberale“ Einstellung vor.

Seit dem so genannten Super Tuesday am 2. März 2004 galt seine Präsidentschaftskandidatur als sicher. Offiziell wurde der demokratische Kandidat auf einem nationalen Parteitag Ende Juli 2004 gekürt, allerdings war mit John Edwards am 3. März 2004 der letzte ernstzunehmende Mitbewerber aus dem Rennen um die Präsidentschaft ausgestiegen. Am 16. März 2004 erreichte Kerry ein weiteres Etappenziel. Nach einem Sieg bei den Vorwahlen im Bundesstaat Illinois verfügte er über mehr als die rechnerisch benötigten 2.162 Delegiertenstimmen für die Ernennung auf dem Konvent seiner Partei im Juli.

Die Republikanische Partei hielt dieses Jahr keine Vorwahlen ab, da nur George W. Bush als Kandidat antrat.

Nominierungsparteitage (Conventions)

Die Nominierungsparteitage (Conventions) gehörten zu den Höhepunkten des Wahljahres in den USA. Bei diesen nationalen Parteitagen, die traditionell im Sommer stattfinden, stimmten die Delegierten der Bundesstaaten über den Präsidentschaftskandidaten der Partei ab.

Am Morgen des 6. Juli 2004 nominiert Kerry seinen Rivalen aus den Vorrunden Edwards als Vizepräsident der USA ("running mate"). Edwards habe "den Mut, die Entschlossenheit und die Begabung für das- Amt", erklärte Kerry. Dieser strategische Schachzug soll dem Bush-Herausforderer Stimmen in den Südstaaten sichern, denen große Bedeutung für den Wahlausgang zukommt.

Vize-Präsidenten

Eine Vizepräsidentendebatte wurde angesetzt:

  • 5. Oktober 2004 an der Case Western Reserve University, moderiert von Gwen Ifill von PBS.

Wahlkampf und Wahldurchführung

Bei dem mit einem Frühstart Anfang März 2004 begonnenen Wahlkampf kam es zunächst zu Protesten von Angehörigen der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001. Sie warfen George W. Bush vor, Fotos aus jener Zeit, die den Präsidenten zusammen mit der Feuerwehr vor dem Hintergrund der Trümmern zeigen, für seinen Wahlkampf zu missbrauchen.

Auch die ersten gegenseitigen Anschuldigungen ließen nicht lange auf sich warten. Am 8. März 2004 warf Bush Kerry auf einer Wahlkampftour in Texas unverantwortliches Handeln vor. Der Senator habe sich vor zehn Jahren für massive Einschnitte im Geheimdienstbudget eingesetzt. Kerry, ebenfalls in Texas auf Wählersuche, griff Bush im Gegenzug wegen einer seiner Ansicht nach rücksichtslosen Außenpolitik an.

Neben Bush und Kerry haben auch der unabhängige Kandidat Ralph Nader sowie Kandidaten der "Partei für soziale Gleichheit" (PSG) teilgenommen. Bei den letzten Wahlen hatte die Kandidatur des „grünen“ Nader maßgeblich zur Niederlage von Al Gore beigetragen. Eine Umfrage vom 7. März 2004 in Florida sah Kerry mit 49 Prozent deutlich vor Bush, der 43% erhalten würde. Nader war mit 3% weit abgeschlagen. Im Schlüsselstaat Ohio trat Nader - vermutlich mit Rücksicht auf den wie prognostiziert knappen Ausgang - nicht an.

Debatten

Drei Präsidentschaftsdebatten wurden von der "Kommission für Präsidentschaftsdebatten" angesetzt:

Am 13. März 2004 forderte John Kerry den Amtsinhaber George W. Bush zu monatlichen Fernsehduellen heraus. Bush lehnte ab und verwies dabei auf die scharfe Rhetorik des Herausforderers. Die traditionellen drei Fernsehrunden vor der Wahl fanden aber statt.

Bis Juni 2004 war der Wahlkampf durch den andauernden Konflikt im Irak und vor allem durch die Bilder über von US-Armeeangehörigen gefolterte Häftlinge in irakischen Gefängnissen geprägt. War vor dem Wahlkampf die Außenpolitik die Stärke und die Wirtschaftspolitik die Schwäche der Regierung von George W. Bush, so stellte sich das Mitte des Jahres 2004 genau andersherum dar.

Fahrenheit 9/11

Überraschenden Einfluss gewinnt ein Dokumentarfilm des Bush-Kritikers Michael Moore mit dem Titel Fahrenheit 9/11. Die Anhänger der Republikaner laufen gegen diesen Film Sturm, so dass dieses Werk immer noch mehr Aufmerksamkeit erhielt. Inwieweit dieser Film Einfluss auf die Wahlentscheidung hat, ließ sich Anfang Juli 2004 noch nicht beurteilen.

Verdacht auf Unregelmäßigkeiten

Kritiker und Beobachter werfen den US-Behörden massive Wahlmanipulation mittels bürokratischer Schikanen, schwer durchschaubarer Wahlmodalitäten und -unterlagen wie bei der Briefwahl und durch Einschüchterung von Wählern vor, die dem politischen Establishment ablehnend gegenüber stehen. So wurden zum Beispiel in Bush-feindlichen Wohngebieten zu wenig Wahlbüros eingerichtet, so dass Wähler teilweise stundenlang auf die Stimmabgabe warten mussten, oder es wurde amtlicherseits erlaubt, dass republikanische Anwälte beliebigen Wählern vor der Stimmabgabe 3 Fragen stellen durften.

Zudem traten bereits im Vorfeld der Wahlen massive Spekulationen über die Zuverlässigkeit der eingesetzten elektronischen Wahlmaschinen auf, die nach dem Debakel im Zusammenhang mit der notwendig gewordenen manuellen Neu-Auszählung der Stimmen aus Florida bei der letzten Wahl eigens angeschafft worden waren. Nach Presseberichten soll der Inhaber des beauftragten Unternehmens sich als starker Befürworter des amtierenden Präsidenten geäußert haben und wolle (Zitat): ...alles, was in seiner Macht steht tun, um die Wiederwahl des Präsidenten zu ermöglichen. Daneben tauchten im Internet bereits Monate vor der Wahl interne Sicherheitsprotokolle der Herstellerfirma auf, die belegten, wie unsicher die interne Programmierung der Walmaschinen gewesen sei. Infolge dessen hat der Staat Florida für neue Wahlmaschinen auf einen anderen Hersteller zurückgegriffen, um den Verdacht des Wahlbetrugs zu zerstreuen.

Insgesamt, so die Einschätzung der Schweizer Nationalrätin Barbara Haering, welche die OSZE-Delegation zur Wahlbeobachtung leitete, scheinen die Stimmabgabe und die Auszählung der Stimmen ordnungsgemäß abgelaufen zu sein, obwohl unseren Beobachtern aufgrund fehlender bundes- oder einzelstaatlicher Regelungen nicht in allen Bundesstaaten der Zugang zu den Wahllokalen möglich war.

Vorläufiges amtl. Endergebnis (3. November, 19:40 Uhr)

Präsidentschafts-Kandidat Wahlmänner
George W. Bush 274
John Kerry 252
Ralph Nader 0

Offen sind noch die Ergebnisse aus Iowa (7 Wahlmänner) und New Mexico (5). Beide Kandidaten benötigten den Sieg in Ohio (20), um die Präsidentenwahl zu gewinnen.

Obwohl die genaue Feststellung der letztlich gültigen Stimmen aufgrund von sogenannten „vorläufigen“ und Briefwahlstimmen im noch bedeutenden Staat Ohio andauern wird, hat der demokratische Herausforderer Kerry um 16 Uhr MEZ telefonisch seine Niederlage gegenüber Amtsinhaber Bush erklärt und ihm zum Wahlsieg gratuliert. Bush habe Kerry als harten und ehrenhaften Opponenten gewürdigt. Beide bedauerten demnach, dass das Land „zu sehr gespalten“ sei.

Die Ergebnise der einzelnen Bundesstaaten gliedern sich wie folgt (Angaben in Prozent, in der Reihenfolge des Wahlerfolges für den Amtsinhaber, gerundet, Quelle hier):

Bundesstaat Bush Kerry Sonst
Utah 71 27 2
Wyoming 69 29 2
Idaho 68 30 2
Nebraska 66 32 1
Oklahoma 66 34 0
North Dakota 63 35 2
Alabama 62 37 1
Alaska 62 35 3
Kansas 62 36 1
Texas 61 38 1
Indiana 60 39 1
Kentucky 60 40 0
South Dakota 60 38 2
Georgia 59 40 1
Mississippi 59 40 1
South Carolina 58 41 1
Louisiana 57 42 1
Tennessee 57 43 0
North Carolina 56 43 0
West Virginia 56 43 1
Arizona 55 45 0
Montana 55 43 1
Arkansas 54 45 1
Hawaii 54 45 0
Virginia 54 46 0
Colorado 53 46 1
Missouri 53 46 0
Florida 52 47 1
Nevada 51 48 1
Ohio 51 49 1
Iowa 50 49 1
New Mexico 50 48 1
Wisconsin 49 50 1
New Hampshire 49 51 0
Michigan 48 51 1
Minnesota 48 51 0
Oregon 47 52 1
Pennsylvania 47 51 1
Delaware 46 53 1
New Jersey 46 53 1
Washington 46 52 1
Maine 45 53 1
Connecticut 44 54 2
Illinois 44 55 1
Kalifornien 44 45 1
Maryland 43 56 1
New York 41 58 2
Rhode Island 39 60 1
Vermont 39 60 2
Massachusetts 36 62 1
Washington D.C. 9 89 1
Gesamt 51 48 1

In absoluten Zahlen hat der Amtsinhaber George W. Bush somit ca. 3,5 Millionen Stimmen mehr als sein Herausforderer erzielt. Bemerkenswert bei den jeweils erfolgreichsten Staaten für die Kontrahenten ist, dass im Regierungsbezirk des neuen und alten Amtsinhabers selbst, also dem District of Columbia, der Herausforderer Kerry mit überwältigender Mehrheit von 89 % der überwiegend hoch gebildeten Bevölkerung gewählt wurde, während der mit 71% der Stimmen für Bush erfolgreichste Staat Utah zu 60% von extrem konservativ lebenden Mormonen mit hohem Anteil an landwirtschaftlicher Bevölkerung und dem weltgößten Kupfertagebau dominiert wird. Augenfällig ist auch, dass dort, wo die Terroranschläge des 11. September seine stärksten Spuren hinterlassen hat – in New York, in Washington D.C. und in Pennsylvania -­ Kerry einen eindeutigen Sieg errang. Der britische Daily Mirror fragte in sicher nicht ganz neutralem Tenor auf dem Titel der am 04.11. erschienenen Ausgabe: „Wie können 59 054 087 Menschen nur so blöd sein?“

Zeittafel

  • 2. November 2004 - Stimmabgabe der wahlberechtigten US-Bürger
  • 3. November 2004 - John F. Kerry gesteht seine Niederlage ein
  • 13. Dezember 2004 - Die Wahlmänner treten in den Hauptstätten der einzelnen Bundesstaaten zusammen, um die Wahl formell zu bestätigen. Die Ergebnisse der einzelnen Abstimmungen unter Verschluss an den Kongress gesandt.
  • 3. Januar 2005 - Der neu gewählte Kongress tritt zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.
  • 6. Januar 2005 - Die Stimmen der Wahlmänner werden vom Kongress gezählt. Damit wird der Präsident für die nächsten vier Jahre designiert.
  • 20. Januar 2005 - Der Präsident wird in sein Amt eingeführt und vereidigt.