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Verwaltungsprozessrecht (Deutschland)

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Die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung, kurz VwGO, enthält Regelungen über das Gerichtsverfahren vor Verwaltungsgerichten.

Basisdaten
Kurztitel: Verwaltungsgerichtsordnung
Voller Titel: ders.
Typ: Bundesgesetz
Rechtsmaterien: Gerichtsverfahren, Verwaltungsrecht
Gültigkeitsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Abkürzung: VwGO
FNA: 340-1
Verkündungstag: 21. Januar 1960 (BGBl. I 1960, S. 17)
Aktuelle Fassung: 6. September 2004 (BGBl. I 2004, S. 2198)


Die VwGO gliedert sich in die vier Teile I Gerichtsverfassung, II Verfahren, III Rechtsmittel und Wiederaufnahme des Verfahrens, sowie IV Kosten und Vollstreckung. In Teil V fiden sich Schluß- und Übergangsbestimmungen.

Teil I: Die Gerichtsverfassung

Die Vorschriften in Teil I zur Gerichtsverfassung enthält Bestimmungen über die Zuständigkeit und die Besetzung der Gerichte. § 1 betont etwas heute Selbstverständliches, das jedoch historisch damit erklärbar ist, dass die Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen lange Zeit allein der Verwaltung selbst überlassen war:

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte Gerichte ausgeübt.

Die Vorschrift setzt Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 92 GG um, die fordern, dass gegen Maßnahmen des Staates Rechtschutz vor Gerichten und damit Instanzen der dritten Gewalt gewährleistet ist.

Nach § 2 gibt es Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte als Gerichte der Länder sowie in dritter Instanz das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) als Gericht des Bundes.

Gemäß § 5 VwGO werden beim Verwaltungsgericht Kammern gebildet. Diese bestehen aus drei Berufs- und zwei Laienrichtern. In der Regel soll die Kammer die Sache jedoch nach § 6 einem Einzelrichter zur Enscheidung übertragen. Das Oberverwaltungsgericht besteht aus Senaten, die mit mindestens drei Berufsrichtern besetzt sind, je nach Landesrecht auch mit zusätzlichen zwei Berufs- oder Laienrichtern, § 9. Auch beim Bundesverwaltungsgericht bestehen Senate. Diese sind mit fünf Berufsrichtern besetzt, § 10.

Die §§ 15 ff. enthalten Vorschriften über Richter, die §§ 19ff. Regelungen zu ehrenamtlichen Richtern.

Als Besonderheit des Verwaltungsprozesses gibt es beim BVerwG einen Vertreter des öffentlichen Interesses, der beim Bundesministerium des Inneren "eingerichtet" ist, § 35. Auch für die Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten können Vertreter des öffentlichen Interesses durch Landesrecht bestimmt werden, § 36.

Teil I, 6. Abschnitt: Verwaltungsrechtsweg, Klagearten, Zuständigkeit

Von zentraler Bedeutung ist der 6. Abschnitt des ersten Teils mit seinen §§ 42 bis 53. In § 40 Abs. 1 findet sich die zentrale Norm zur Anwendbarkeit der VwGO: Danach ist der Verwaltungsrechtsweg [...] in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

Von großer Bedeutung ist hier der Begriff der öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, die nichtverfassungsrechtlicher Art sein muss, da diese Streitigkeiten speziellen Gerichten, den Verfassungsgerichten, zugewiesen sind. Als "öffentlich-rechtlich" wird eine Streitigkeit dann aufgefasst, wenn eine öffentlich-rechtliche Norm streitentscheidend ist, also eine solche, die allein den Staat als Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet ("modifizierte Sonderrechtstheorie"). Praktisch wichtige Beispiele sind das Polizei- und Ordnungsrecht, das Versammlungsrecht und das öffentliche Bau- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, doch auch das Sozialhilferecht.

Die §§ 42, 43 und 47 enthalten Regelungen über die häufigsten Klagearten, nämlich die Anfechtungsklage, die Verpflichtungsklage, die Feststellungsklge und die Normenkontrollklage. Nicht ausdrücklich geregelt, doch unzweifelhaft zulässig, ist die allgemeine Leistungsklage, mit ein Handeln (oder Unterlassen) erstrebt wird, das keinen Verwaltungsakt darstellt.

Die §§ 45 bis 53 enthalten Regelungen übder die örtliche und instanzielle Zuständigkeit der verschiedenen Gerichte (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht und Bundesverwaltungsgericht).

Teil II: Verfahren

Teil II der VwGO enthält Vorschriften zum Verfahren vor Gericht. Weitgehend werden hierbei die Vorschriften der ZPO für entprechend anwendbar erklärt, oder an die besonderen Gegebenheiten des Verwaltungsprozesses angepasst.

Von großer Bedeutung ist hierbei der 8. Abschnitt, der das Vorverfahren regelt: Bei Klagen, mit denen ein Verwaltungsakt angefochten oder eine Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet werden soll (dies ist die Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren), muss zunächst ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden. Dieses Vorverfahren ist ein in der VwGO geregeltes, doch von Verwaltungsbehörden durchgeführtes Verfahren der außergerichtlichen Fehlerkorrektur. Es dient auch der Entlastung der Gerichte.

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Vorverfahrens wurde als problematisch deshalb aufgefasst, weil damit der Bundesgesetzgeber Regelungen auch zum Verwaltungsverfahren vor Landesbehörden trifft. Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 iVm. Art. 72 GG Gebrauch gemacht und als Annexkompetenz das Vorverfahren mitgeregelt.

Weitere Regelungen

In Teil III der VwGO finden sich Bestimmungen über Rechtsmittel gegen Gerichtsentscheidungen, insbesondere die Berufung zum Oberverwaltungsgericht und die Revision zum Bundesverwaltungsgericht, doch auch zur Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens.

Teil IV enthält Vorschriften zu den Kosten des Verfahrens und zur Durchsetzung von Urteilen.