Anleihe
Verzinsliche Wertpapiere (auch: Schuldverschreibung, Anleihe, Rentenpapier, Obligation) sind auf den jeweiligen Inhaber lautende Schuldverschreibungen. Der Käufer einer Schuldverschreibung (Gläubiger) besitzt eine Geldforderung gegenüber dem Emittenten (Herausgeber/Schuldner). Dieses Recht ist in einer Urkunde verbrieft. Diese Urkunde besteht aus Mantel und Bogen. Der Mantel verbrieft die Forderung des Gläubigers, der Bogen besteht aus Kupons, die zur Geltendmachung der Ertragsansprüche (z. B. Zinsen) dienen, und ggf. einem Erneuerungsschein (Talon). (siehe auch Wertpapier)
Der Herausgeber beschafft sich mit einer Anleihe auf dem Rentenmarkt, der Effektenbörse, Fremdkapital: Er erhält von den Käufern der Schuldverschreibungen Kredite, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden müssen. Dabei erhält der Käufer aber im Gegensatz zu Aktien kein unmittelbares Eigentum.
Festverzinsliche Wertpapiere können an der Effektenbörse jederzeit zum jeweiligen Kurswert ge- und verkauft werden. Anleihen müssen in den meisten Ländern jedoch nicht an der Börse gehandelt werden, das heißt sie sind nicht börsenpflichtig, weshalb nur ein geringer Teil des Handels von Anleihen über die Börsen stattfindet.
Die Anleihe gilt als eher risikoarme Anlageform. Sie eignet sich daher für unerfahrene oder besonders risikoaverse (risikoscheue) Anleger. Vielen Organisationen, die das Vermögen Dritter verwalten (z.B. Versicherungen) sind verpflichtet, einen großen Anteil der zu verwaltenden Gelder in Titel mit hoher Bonität anzulegen, wobei die Wahl häufig auf festverzinsliche Wertpapiere fällt. Es gibt auch Anleihen, die bewusst ein höheres Maß an Risiko enthalten und dafür eine höhere Rendite (Verzinsung) versprechen.
Obwohl die Anleihe eine sehr alte Wertpapierform ist, sind die meisten Innovationen des Finanzsektors der letzten Jahre auf dem Gebiet der Anleihen passiert, was zu einer großen Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten geführt hat.
Emittenten und Emission
Emittenten
Als Herausgeber von Anleihen kommen in Frage:
- Öffentliche Anleihen werden von Bund (z.B. Staatsanleihen und andere Bundeswertpapiere), Ländern und Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften herausgegeben. Bund und Länder finanzieren ihre Defizite im Bundeshaushalt über öffentliche Anleihen.
- Bankschuldverschreibungen und Pfandbriefe werden von Kreditinstituten emittiert, die sich dadurch ihre Mittel für die mittel- und langfristige Finanzierung ihres Kreditgeschäfts besorgen.
- Unternehmensanleihen
In Österreich und Deutschland werden die meisten Anleihen von Banken und der öffentlichen Hand herausgegeben, während in den USA viele Unternehmen Anleihen emittieren. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, dass Unternehmen in Europa Kapital lieber durch Selbstfinanzierung aufbringen oder Kredite bei Geschäftsbanken erhalten, oft gefördert von Seiten der öffentlichen Hand.
Emissionsverfahren
Es gibt folgende Emissionsverfahren:
- Selbstemission, der Emittent trägt das Absatzrisiko selbst. Die Kreditinstitute fungieren nur als Zeichnungsstellen. Man bezeichnet diese Emissionsform auch als direkte Anleihe.
- Fremdemission durch Banken, Platzierungskonsortien oder Syndikate, ein Mittler übernimmt das Absatzrisiko und verlangt dafür eine Gebühr von Emittenten. Man bezeichnet diese Emissionsform auch als indirekte Anleihe.
- Versteigerung
- Tenderverfahren, ähnlich einer Versteigerung, jedoch geben die Zeichner an, wieviel nominal sie zu welchem Kurs bereit sind zu erwerben, und der Emittent bedient dann alle Gebote, welche einen (vom Emittenten gewählten) Mindestkurs nicht unterschreiten. Dabei ist das Emissionsvolumen nicht von Anfang an festgelegt, sondern wird je nach Umfang der Gebote angepasst. Siehe auch: Bedingungen der Deutschen Bundesbank für das Tenderverfahren.
Anleihen können zu pari (= 100 %), unter pari oder über pari ausgegeben werden. Unter oder über pari bedeutet, dass bei der Ausgabe einer neuen Anleihe ein Abschlag (Disagio) oder ein Aufschlag (Agio) festgelegt wird, um den der Ausgabepreis den Nennwert unter- oder überschreitet.
Anleihen werden entweder als Einzelurkunde mit bestimmtem Nennwert ausgegeben (effektive Stücke) oder als Sammelurkunde verbrieft. Effektive Stücke können an den Käufer ausgeliefert werden. Die Sammelurkunde verwahrt die Deutsche Börse Clearing AG (Girosammelverwahrung) für den Käufer, er erhält eine Gutschrift über das Miteigentum.
Laufzeit
Die Unterscheidung von Anleihen nach ihrer Laufzeit ist rein formaler Natur, vor allem deshalb, weil es viele Mischformen mit anderen Finanzprodukten gibt (s.u.). Die gängigste Einteilung ist:
- kurzfristig (bis 4 Jahre)
- mittelfristig (4 bis 8 Jahre)
- langfristig (mehr als 8 Jahre)
Der Zusammenhang zwischen (Rest-)Laufzeit und dem Zins einer Anleihe findet Niederschlag in der Zinskurve.
Schuldnerkündigungsrecht
Anleihen können mit einem Schuldnerkündigungsrecht ausgestattet sein. Dies bedeutet, dass der Emittent die Anleihe frühzeitig tilgen kann, wofür in der Regel eine Prämie von bis zu 1% des Nennwerts vereinbart ist.
Formen von Anleihen
Verzinsliche Wertpapiere kommen prinzipiell in einer sehr großen Zahl verschiedener Formen vor. Der Finanzmarkt hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine Vielzahl von innovativen Finanzinstrumenten hervorgebracht, wobei Anleihen eine bedeutende Rolle gespielt haben. Viele dieser Finanzinstrumente sind wieder vom Markt verschwunden, während andere sich länger halten oder ins Standardrepertoire von Finanzinstitutionen aufgenommen werden.
Die wichtigsten Formen, insbesondere für die Lehre, sind:
- Standardanleihen (auch Festzinsanleihen, Straight Bonds) haben eine feste Verzinsung (Kupon) über die gesamte Laufzeit (z.B. 5 % des Nominalwerts p.a.). Sie sind eine der häufigsten Anleiheformen.
- Nullkuponanleihe (auch Zerobond genannt) haben keine Zinskupons. Der Ertrag des Gläubigers besteht hier ausschließlich in der Differenz zwischen Rückzahlungskurs und Emissionkurs verdient. Deshalb werden Nullkuponanleihen meist mit einem hohen Abschlag (also unter pari / Disagio) emittiert und bei Fälligkeit zu 100 % (pari) zurückgezahlt.
- Tilgungsanleihen (oder auch Auslosungsanleihen) sind Anleihen, die einen festen Kupon haben, deren Nennwert jedoch nicht wie bei den Festzinsanleihen zur Gänze am Fälligkeitstag zurückgezahlt wird, sondern über einen bestimmten Zeitraum. Hierbei ist in der Regel eine tilgungsfreie Zeit vereinbart, danach wird regelmäßig verlost, welcher der Zeichner der Anleihe sein Geld zurückgezahlt bekommen soll.
- Annuitätenanleihen sind Anleihen, bei der die Rückzahlung in gleichen Beträgen bis zum Laufzeitende erfolgt. Diese Beträge beinhalten sowohl den Kupon als auch jeweils einen Teil der Tilgung.
- Perpetuals
- Perpetuals sind Anleihen, die nie getilgt werden. Der Anleger profitiert ausschließlich durch die Verzinsung bzw. den Kupon.
- Auch Zero-Perpetuals sind möglich. Diese sind Kombinationen aus Nullkuponanleihen und Perpetuals. Sie werden dementsprechend nie getilgt und besitzen keinen Kupon. Der Anleger "verschenkt" damit den Kaufpreis. Zero-Perpetuals werden für Spendenaktionen genutzt. Sinn ist es, dass in der Bilanz (des Fonds, der Bank, usw.) eine Buchungszeile erhalten bleibt.
- Anleihe mit variablem Nominalzins
- Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Note) werden in der Verzinsung während der Laufzeit angepasst. Meist orientiert sich dieser Zinssatz an den Geldmarktsätzen wie dem LIBOR (London Interbank Offered Rate) oder dem europäischen Referenzzinssatz EURIBOR (European Interbank Offered Rate). Der Zinssatz kann auch an die jeweiligen Renditen kurzfristiger Schuldverschreibungen (z.B. Schatzwechsel, T-bills) oder an Indikatoren wie die Inflationsrate gebunden werden. Marktzinspapiere sind eine Sonderform dieser Anleihen.
- Anleihen mit variablem Kupon können eine Zinsuntergrenze (Floors) oder Zinsobergrenze (Caps) haben. Mini-Max-Floater haben sowohl eine Zinsobergrenze als auch eine Zinsuntergrenze.
- Bei Stufenzinsanleihen steigt der Zins mit der Laufzeit, wobei die Zinstreppe bei Emission festgelegt wurde. Beispiel: Bundesschatzbriefe
- Bei Anleihen mit Step-Up-Kupon orientiert sich die Höhe der Zinszahlung an den Ratings von Ratingagenturen, meist an Moody's und Standard & Poor's. Wird das Rating der Anleihe herabgestuft, so steigt der Zins, und umgekehrt.
- Eine inflationsgebundene Anleihe (Inflation-Linked Bond) bietet einen Schutz gegen das Inflationsrisiko. Bei typischen Vertretern dieses Anleihetyps wird das Nominal innerhalb einer vordefinierten Periode entsprechend der Inflation angepasst. In den meisten Ländern wird dazu der Consumer price index (CPI) oder entsprechende Indizes verwendet.
- Arten: Kanada: Real Return Bond (RRB); UK: Inflation-linked Gilt (ILG); US: inflation-protected security (IPS)
Stückzinsen
Beim Kauf von Anleihen muss man dem Vorbesitzer den ihm gehörenden Anteil am Kupon ersetzen. Dies nennt man Stückzins oder Marchzins.
Beispiel: Anleger A hat eine Anleihe der XY AG in seinem Depot. Der nächste Zinstermin wäre am 1. Juli. A möchte das Papier jedoch schon am 20. Juni an B verkaufen. Der Erwerber hat in diesem Falle dem Verkäufer A die seit der letzten Zinszahlung aufgelaufenen Zinsen zusätzlich zum eigentlichen Kurswert zu entrichten.
Besicherung von Anleihen
Anleihen werden nach folgender Besicherung unterschieden:
- Pfandbriefe sind durch Grund und Boden besichert.
- Schiffspfandbriefe sind durch Hypotheken auf Schiffe besichert und stellen eine Sonderform des Pfandbriefs dar.
- Unternehmensanleihen werden durch das Unternehmensvermögen (z. B. Maschinen, Immobilien) besichert
- Patronage bedeutet, dass ein Bürge für die Schulden einsteht (z. B. ein Mutterunternehmen für eine Tochter)
- nachrangige Anleihen sind ebenfalls durch das Unternehmensvermögen besichert, jedoch werden zuerst alle anderen Schuldner bedient und erst dann die Käufer nachrangiger Anleihen
Staatsanleihen, z. B. Bundesanleihen, sind dagegen nicht besicherte Anleihen. Öffentliche Haushalte sind nicht konkursfähig. Seit der Zahlungsunfähigkeit Argentiniens findet jedoch eine Diskussion um ein Insolvenzrecht für Nationalstaaten statt. Bundesanleihen gelten dennoch als sicher, da das Steueraufkommen und das Staatsvermögen (z. B. Grund, Immobilien, Beteiligungen) als solide Einnahmequelle gilt; der Staat kann zumindest theoretsich durch Änderung der Steuergesetzgebung stets die Mittel zur Verfügung stellen, die zur Bedienung der Verbindlichkeiten notwendig sind. In der Praxis zeigt jedoch der Fall Argentinien oder die deutschen Währungsreformen, dass dies alleine nicht ausreichend ist. Ebenso hat sich die Sowjetunion als Rechtsnachfolger des zaristrischen Russland geweigert, Anleihen aus dieser Zeit zu bedienen. Das führte aber dazu, daß die Sowjetunion lange Zeit kein Geld leihen konnte und dadurch nicht in der Lage war die eigene Wirtschaft mit genügen Devisen zu versorgen um notwenige Investitionsgüter zu importieren. Das war mit ein Grund für den langsamen wirtschaftlichen Aufstieg der Sowjetunion.
Börsenkurs und Bewertung einer Anleihe
Bewertung einer Anleihe
Mit einer Anleihe kann der Anleger zwei Arten von Erträgen erwirtschaften:
- In Form von Zinsen
- In Form von Kurssteigerungen
Die meisten Anleihen notieren in Prozent des jeweiligen Nominalwerts. Ein Kurs von 101,25 bedeutet also, dass der Käufer 101,25 % des Nominalwerts der Anleihe beim Kauf zu bezahlen hat (plus eventuelle Stückzinsen). Es gibt jedoch wenige Ausnahmen, die in Nominalwährung notieren (z. B. französische Wandelanleihen); ein Umstand, der auch in einschlägigen Publikationen bei der Renditeberechnung immer wieder übersehen wird und zu falschen Zahlen führt.
Als Wert einer Anleihe gilt der Barwert aller in der Zukunft erwarteten Zahlungen (d. h. Kuponzahlungen und Nennwertrückzahlung). Das heißt, dass die Rendite von Anleihen gleicher Bonität und Restlaufzeit ungeachtet des Kupons immer gleich ist, nämlich Marktrendite plus einer Bonitätsprämie.
Als allgemeine Berechnungsformel für den Wert einer Anleihe gilt somit:
oder
wobei
- P0 = Barwert,
- Ct = Zahlung zum Zeitpunkt t,
- rt = Für die Laufzeit t gültiger Zinssatz
Beispielbewertung
Situation 1
Die Anleihe der X AG habe die folgenden Ausstattungsmerkmale:
- Laufzeit: 3 Jahre
- Nominalwert: 100 €
- Kupon: 5 % (der Marktzins sei ebenfalls 5 %)
- Emission zu pari (= 100 %)
Ein Kaufinteressent kann also sicher mit folgenden Zahlungsströmen in den nächsten drei Jahren rechnen:
- in 01: 5 € Kupon
- in 02: 5 € Kupon
- in 03: 5 € Kupon + 100 € Tilgung = 105 €
Der Barwert des Papiers ist demnach:
Situation 2
Einen Sekundenbruchteil nachdem sich der obige Interessent für das Wertpapier entschied, klettert der Marktzins plötzlich auf 8 %. Dem Anleger stehen natürlich noch die festgelegten Zahlungen zu (wie oben aufgelistet), jedoch ändert sich der Kurs (= Barwert) seiner Anleihe entscheidend:
Weshalb kommt es zu einem derartigen Kurseinbruch?
Möchte unser Anleger nach seinem Kauf das Rentenpapier gleich wieder abstoßen, so bedenken mögliche Käufer, dass sie auf eine alternative Anlageform in jedem Falle eine Verzinsung in Höhe des Marktzinses von 8 % erhalten. Folglich käme keiner auf die Idee, dem Anleger die Anleihe zu 100 abzukaufen und nur eine 5 %-ige Verzinsung in Anspruch zu nehmen. Der Anleger bliebe aller Wahrscheinlichkeit nach auf seinem Finanzprodukt sitzen.
Die einzige Möglichkeit, das Wertpapier doch loszuwerden besteht also darin, einen niedrigeren Kaufpreis zu verlangen. Die Kräfte des Marktes sorgen in Siuationen wie dieser dafür, dass der Kurs einer Anleihe so niedrig ist, dass die geringere Verzinsung (Kupon) exakt ausgeglichen wird.
Berechnung der Rendite (Effektivverzinsung)
Häufig ist nicht interessant, zu wissen, welchen Wert eine Anleihe am heutigen Tag hat, sondern welche Rendite man mit dem Kauf einer Anleihe zu einem heute bekannten Preis erzielen kann. Die Rendite wird in der Regel vom Zinssatz am Markt und auch vom Kupon der Anleihe abweichen, jeweils abhängig von der Bonität des Schuldners usw. Für die Berechnung gibt es zwar eine Näherungsformel die aber eher ungenau ist:
mit
- K = Kupon
- PM = Marktpreis
- n = Restlaufzeit
- Nennwert angenommen mit 100
Es ist besser, so lange Zinssätz in die Bewertungsformel für den jeweiligen Anleihentyp einzusetzen, bis der errechnete Wert mit dem Kaufpreis übereinstimmt (Iteration).
Professioneller Handel von Anleihen
Anleihen werden an Börsen gehandelt. Der Handel über Börsen ist für die Kursbestimmung aber relativ unbedeutend, da die gehandelten Volumina (Beträge) im Vergleich zum OTC-Handel (over the counter), dem direkten Handel zwischen Banken, minimal sind.
Die Quotierung einzelner Anleihen ist unterschiedlich. Manche Anleihen werden nach Rendite gehandelt (z. B. Schwedische Staatsanleihen SGB, Australische Staatsanleihen oder Japanische Staatsanleihen JGB), andere werden mit Kursen gehandelt (z. B. Deutsche Bundesanleihen DBR, Österreichische Bundesanleihen RAGB, Britische Staatsanleihen Gilts). In den Vereinigten Staaten werden Staatsanleihen (Treasuries) mit 32stel (1/32) quotiert. (z. B. 101-16 entspricht 101 16/32= 101.50)
Die Standardvaluta ist bei europäischen Staatsanleihen normal T+3, bei US-Staatsanleihen T+1, je nach Settlementsystem in Japan T+2 (Furukai - Furiketsu) oder T+4 (Toruku).
In den letzten Jahren setzten sich bei immer mehr Anleihearten elektronische Handelssysteme durch. So wird heute der überwiegende Anteil des Umsatzes in liquiden europäischen Staatsanleihen nicht mehr via Telefon sondern via elektronischen Handelsplattformen wie Bondvision, Tradeweb, Eurex Bonds oder Bloomberg Bond Trading abgewickelt.
Risiken von Anleihen
Ausfallsrisiko
Das Ausfalls- bzw. Bonitätsrisiko ist jenes Risiko, welches daraus erwächst, dass der Schuldner in Zahlungsverzug kommen kann oder sogar zahlungsunfähig wird. Je schlechter die Bonität, umso höher das Ausfallsrisiko der Anleihe. Gläubiger mit schlechter Bonität müssen daher einen höheren Kupon bieten, womit eine Risikoprämie bezahlt wird. Das Ausfallsrisiko von Anleihen lässt sich teils wegdiversifizieren, in der Regel bestehen jedoch zwischen verschiedenen Schuldnern recht hohe Kovarianzen. Anleihen von Gläubigern mit schlechter Bonität werden auch als Schrottverschreibung, Junk bond oder High Yield Bond bezeichnet. Internationale, unabhängige Agenturen bemessen das Bonitätsrisko aus ihrer Sicht mit einem Rating. Die bekanntesten Ratingagenturen sind Moody's, Standard and Poor's sowie Fitch.
Zinsänderungsrisiko
Das Zinsänderungsrisiko ist das Risiko, welches aus der Möglichkeit einer Änderung des Marktzinses erwächst. Zwar wird eine Anleihe immer zum Nennwert zurückgezahlt, aber der Marktzins hat einen Einfluss auf den Kurs der Anleihe, welcher schlagend wird, wenn man die Anleihe vor ihrer Fälligkeit wieder verkauft.
Der Zinssatz ist der wichtigste, gleichzeitig aber auch der volatilste Parameter zur Bewertung einer Anleihe. Eine Änderung des Zinssatzes hat folgende Auswirkungen für den Inhaber einer Anleihe:
- der Wert der Anleihe sinkt, wenn der Zinssatz steigt.
- die Rückzahlungsbeträge (Kupon und Tilgung) werden zum neuen Zinssatz angelegt. Steigt der Zinssatz, so steigt auch der Betrag, der aus der Wiederveranlagung der Rückzahlungsbeträge resultiert (der Zinseszins).
- der Zinsertrag aus den Kupons der Anleihe bleibt unverändert.
Die Kursänderung und der Zinseszinseffekt sind gegenläufig. Um die Frage zu beantworten, welchen Gesamteffekt eine Zinsänderung für den Gesamtertrag der Anleihe hat, wurde das Durationskonzept entwickelt.
Kündigungsrisiko, Auslosungsrisiko, Konversions(Wandelungs-)risiko
Dies sind drei Arten von Unsicherheiten, die nur bei bestimmten Anleihen auftreten, bei denen Schuldnerkündigungsrecht oder eine Auslosung der Tilgung vereinbart ist, bzw. wenn es sich um Wandelanleihen handelt.
Währungs/Wechselkursrisiko
Die Nominalwährung ist die Währung, in der die Anleihe bei Endfälligkeit vom Emittenten zurückgezahlt wird. Die Kuponwährung ist die Währung, in der die Zinsen ausbezahlt werden. Bei fast allen Anleihen sind Kupon- und Nominalwährung identisch, jedoch gibt es einige Ausnahmen.
Aufgrund von Wechselkursänderungen schließt der Kauf einer Fremdwährungsanleihe ein Wechselkursrisiko ein. Fällt die Nominalwährung gegenüber der Heimatwährung des Käufers, so muss er Verluste einstecken, steigt die Nominalwährung gegenüber der Heimatwährung, so kassiert er Gewinne.
Das Währungsrisiko kann recht einfach durch Währungsoptionen, Währungsforwards oder Währungs-Futures minimiert werden.
Inflationsrisiko
Das Inflationsrisiko bezeichnet die Unsicherheit über die reale Höhe der zukünftigen Auszahlungen. Da der Fisher-Effekt nur langfristig empirisch nachweisbar ist, ist das Inflationsrisiko vom Zinsänderungsrisiko getrennt zu bewerten. Das Inflationsrisiko kann durch den Erwerb von inflationsindexierten Anleihen ausgeschaltet werden.
Liquiditätsrisiko
Es ist möglich, dass zu dem Zeitpunkt, an dem man die Anleihe verkaufen will, dies nicht ohne große Kursabschläge gemacht werden kann. Dieses Risiko ist in Märkten mit großem Marktvolumen zu vernachlässigen; es kann in kleinen Märkten oder bei exotischen Anleihen bestehen.
Abschreibungsrisiko
Es ist möglich, dass eine Anleihe im Wert sinkt, man die Anleihe aber hält und keine Verluste realisiert. Dies kann z. B. aufgrund eines steigenden Zinssatzes passieren. Trotzdem muss die Anleihe aufgrund der handelsrechtlichen Vorschriften teilweise abgeschrieben werden, was zu unerwünschten Gewinnminderungen führen kann.
Entwicklung des Anleihenkurses im Zeitverlauf
Da der Nennwert der Anleihen am Schluss zurückgezahlt wird kommt es zur Nennwertkonvergenz, die Kurse der Anleihen bewegen sich also (von oben) Richtung Nennwert.
Sonderformen von Anleihen
- Wandelanleihen: Dem Käufer wird das Recht eingeräumt, die Anleihe zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Verhältnis in Aktien des Emittenten umzutauschen.
- Optionsanleihen: Im Unterschied zur Wandelanleihe ist das Recht zum Kauf von Aktien des Emittenten separiert von der Anleihe. Das heißt, dass die Option auch separat gehandelt und ausgeübt werden kann.
- Reverse Convertibles sind Zins ausschüttende derivate Produkte, wobei unterschieden wird in
- Aktienanleihen, bei denen die Rückzahlung vom Kurs einer Aktie abhängt
- Indexanleihen, bei denen die Rückzahlung vom Kurs eines Index abhängt
- sonstige exotisch strukturierte Produkte: Der Rückzahlungsbetrag und / oder die Zinszahlung sind nicht fest vereinbart, sondern koppeln sich an den Stand einer bestimmten Größe (Preis- oder Aktienindizes)
Siehe auch:
- Andere Bedeutung des Wortes "Obligation": Siehe Obligation (Recht)
- Geldmarkt und Kapitalmarkt
Weblinks
Literatur
- Beike/Schlütz, Finanznachrichten lesen, verstehen, nutzen, 3. Auflage, Verlag Schäffer-Poeschel
- Fabozzi, u.a., Foundations of Financial Markets and Institutions, 3. Auflage, Verlag Prentice Hall
- Uhlir/Steiner, Wertpapieranalyse (mit vielen Auflagen). Dieses Buch gilt im deutschen Sprachraum seit Jahren als eines der Standardwerke für Wertpapiere