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Hochstift Paderborn

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Das Fürstbistum Paderborn (langläufig auch Hochstift Paderborn) war ein geistliches Territorium des Heiligen Römischen Reiches im östlichen Westfalen, bestehend vom Hochmittelalter (14. Jahrhundert) bis 1802/03. Es war der weltliche Herrschaftsbereich der Fürstbischöfe von Paderborn im Gegensatz zum größeren Bereich der Diözese, des geistlichen Seelsorgebereichs des Bistums Paderborn.


Datei:Bistum Paderborn Gigas.jpg
Johannes Gigas: Paderbornensis Episcopatus descriptio nova, 1620





Geografie

Das Fürstbistum Paderborn umfasste in etwa das Gebiet der heutigen nordrhein-westfälischen Kreise Paderborn und Höxter mit Ausnahme des Bereiches um die Stadt Höxter, der das Territorium der Fürstabtei Corvey bildete. Essentho, Meerhof, Oesdorf und Westheim des früheren Amtes Wünnenberg im ehemaligen Kreis Büren sind heute Teil des Hochsauerlandkreises. Dieser Raum liegt beiderseits des Eggegebirges zwischen Senne und Warburger Börde, zwischen Weser und Sauerland. Die Diözese umfasste stets weitere Gebiete, so auch die meisten nördlichen, südlichen und östlichen (oft nicht katholischen) Nachbarterritorien des Fürstbistums.

Geschichte

Auf dem Gebiet des Bistums entwickelt sich im Laufe der Jahrhunderte das Territorium Fürstbistum Paderborn, das erst in der Neueren Neuzeit durch preußische Besetzung 1802 aufgelöst wird. Von einer Landeshoheit bzw. Staatlichkeit des Fürstbistums kann nur vom Hochmittelalter (14. Jahrhundert) bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gesprochen werden.

Paderborner Bischöfe als Landesherren

Der Bischof der Gegenreformation: Dietrich IV.

Die Liste der Bischöfe von Paderborn ist lang. Seit dem 8. Jahrhundert sind 66 Bischöfe bekannt. Etwa 28 Landesherren waren seit dem 14. Jahrhundert bis 1802 Fürstbischöfe im heutigen Verständnis. Hathumar (806-815) war der erste Bischof von Paderborn, Berndhard V. (1321-1341) gilt als der erste Fürstbischof. Franz Egon (seit 1789) war das letzte Landesoberhaupt, bis 1825 war er weiter der kirchliche Oberhirte der Diözese. Zu den bedeutensten Fürstbischöfen zählen neben dem Schöpfer der ersten Landesverfassung "Privilegium Bernhardi" Bernhard V. und Heinrich III., der als erster Landesherr wirklich zwischen seinen geistlichen und weltlichen Aufgaben trennte. In den folgenden Jahrhunderten bedienten sich die meisten Landesherren der Weihbischöfe, die das geistliche Amt ausführten. Während der Reformationszeit war mit Heinrich IV. sogar ein Protestant Landesherr geworden.

Als der neuzeitlich bedeutenste Fürstbischof kann Dietrich IV. gelten, trotz der Forcierung der Hexenprozesse war er der Gründer der ersten westfälischen Universität und ein eifriger wissenschaftlich interessierter Stifter und Bauherr des Hochbarock. Als später aufgeklärter Reformer kann Bischof Friedrich Wilhelm gelten, auch wenn seine Reformen vor dem Untergang des geistlichen Territoriums keinen Schutz boten. Insgesamt sind nur diejenigen Bischöfe auch erfolgreich gewesen, die sich auf das Paderborner Terriorien konzentrierten konnten und überwiegend dort regierten. Auf der anderen Seite boten die auswärtigen Landesherren, die in Personalunion mit anderen geistlichen Territorien standen, einen gewissen, und wie das Beispiel Clemens August zeigt, oft vergeblich außenpolitischen Schutz vor Annexion größerer weltlicher Territorialstaaten.

Vorgeschichte

Bistumsgründung durch die Karolinger

Das Bistum Paderborn wird in Sachsen 799 durch Papst Leo III. und dem fränkischen König Karl der Große im Pfalzort Paderborn errichtet. Ein genaues Datum ist nicht überliefert. Schon Jahre zuvor wurde die Bistumsgründung durch die Franken vorbereitet. Der Gründung dienten seit 798 Enteignungen altsächsischen Eigentums. Im Jahre 799 floh Papst Leo III. vor römischen Unruhen zu Karl nach Paderborn. Die Bistumsgründung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Flucht Leos III. aus Rom und den sich anschließenden Verhandlungen mit Karl in Paderborn zur Wiederbegründung des weströmischen Kaisertums. Nur ein Jahr später ließ sich Karl in Rom zum neuen römischen Kaiser krönen. Dem Bistum Würzburg unterstehend war das Bistum in den ersten Jahren noch nicht eigenständig. Schon der erste Bischof, der Sachse Hathumar, wurde in Würzburg ausgebildet. Um 805 erst ist das Wirken des ersten Bischofs im Bistum selbst nachweisbar. Zahlreiche Reichsversammlungen sind auch nach Karl im damals wichtigsten Bistum des alten Sachsens nachweisbar: Ludwig der Fromme 815, Ludwig der Deutsche (840, 845). Eine erste rechtliche Aufwertung erfuhr das Bistum 822 durch Ludwig dem Frommen durch die Verleihung der Immunität, die adlige Gerichtsbefugnisse im Territorium ausschloss. Karl III. übertrug 885 dem Domklerus das Recht der freien Bischofswahl. Eine in der Geisteswelt des frühen Mittelalters nicht minder wichtige religiöse und Aufwertung erfuhr das Bistum durch zahlreiche Stifts- und Klostergründungen (Corvey 822, Böddeken 836, Niggenkerken 863, Neuenheerse 868) und Reliquientranslationen: Hl. Liborius nach Paderborn und St. Veit nach Corvey 836.

Ottonische Blütezeit

Ende des 9. Jahrhunderts führten die Streitigkeiten um das Erbe der Karolinger im Frankenreich auch im Bistum Paderborn zu Konflikten zwischen den fränkischen Haus der Konradiner und dem (ost-)sächsischen Haus der Liudolfinger, den späteren Ottonen. Das Bistum lag am handelspolitisch wichtigen Hellweg zwischen dem Hausbesitz der Liudolfinger im Harz/Magdeburgischen und dem niederrheinischen Königsbesitz und Aachen. Der liudolfingisch geprägte Bischof Meinwerk (1009–1036) verstand es, die Nähe zu den neuen fränkischen Königen aus dem Hause Sachsen für sich und sein Bistum zu nutzen. Wirtschaftlich und politisch erlebte das Bistum unter Meinwerk eine zweite Blütezeit, der als Musterbeispiel eines königsnahen Reichsbischofs gelten konnte.

Regionale Beschränkung

Machtpolitische und erste territoriale Freiheiten, die Meinwerk dem Bistum verschafft hatte, wurden in der Folgezeit, als das deutsche Königtum im 12. Jahrhundert mit den Staufern seinen Schwerpunkt nach Süddeutschland verschob, eingeschränkt. Das nun nicht mehr verkehrsgünstig liegende und damit in seiner überregionalen Bedeutung eingeschränkte Bistum geriet in regionale Konflikte, die auch durch den Investiturstreit verschärft wurden. Vor allem die Grafen von Werl und später insbesondere die Erzbischöfe von Köln suchten eine territoriale Ausweitung auf Kosten des Bistums Paderborn. Mit der Teilung des Herzogtums Sachsen 1180 durch Barbarossa wurde das Bistum dem neuen Herzogtum Westfalen und Engern zugeschlagen, die Herzogswürde erhielt der Erzbischof von Köln.

Kölnisch-Paderborner Konflikt

Die regionale Schwäche des Bistums führte zunächst zu Konflikten mit den unmittelbaren Nachbarn. Die Grafen von Schwalenberg, die Edelherren von Brakel und die Grafen von Everstein, die Erzbischöfe von Mainz, die Herren von Schöneberg, die Herren von Büren und die Edelherren zur Lippe ließen die weltliche Herrschaft auf ein Minimum beschränkt. Gleichzeitig emanzipierte sich die Stadt Paderborn von der Bischofsmacht. Die Erzbischöfe von Köln suchten auch in der Bürgerschaft Verbündete zur Schwächung des Paderborner Bischofs. So bewegten die Kölner Erzbischöfe Philipp von Heinsberg (1167-1191) und Engelbert I. von Berg (1216-1225) Klöster und Stifte zum Abschluss von Bündnissen mit Köln. Engelberg unterstützte 1217 die Selbstbestimmung der Stadt Paderborn. Auch die Gründung und Aufwertung von Städten im Herzogtum Westfalen wurden von ihm unterstützt (u.a. Werl, Geseke, Brilon, Obermarsberg, Rüthen). Nach Engelberts Ermordung 1225 wurde der Druck Kölns auf Paderborn zunächst abgeschwächt. Aber schon Konrad von Hochstaden setzte als Kölner Erzbischof den Expansionskurs seinen Vorgängers fort. Da mit Bischof Simon I. zur Lippe (1247-77) erstmals auch ein Paderborner Bischof eine aktive Territorialpolitik betrieb, kam es zur gewaltsamen Konfrontation. In der Schlacht auf dem Wülferichskamp 1254 bei Dortmund schlugen die Kölner die Paderborner Truppen. Das Paderborner Bistum schien nun ganz an Köln zu fallen. Die Schlacht von Worringen am 5. Juni 1288 beendete die Kölner Expansion jäh. Köln musste sich auf das Territorium Herzogtum Westfalen und den bloßen Titel des Herzogtums Westfalen-Engern beschränken. Die Auseinandersetzungen zwischen Paderborn und Köln sollten für das kommende Jahrhundert ausgesetzt werden, da sich beide Herrschaften um den inneren Ausbau ihrer Territorien kümmerten. Im 14. Jahrhundert kam es zur Fehde innerhalb der Familie des Paderborner Bischofs Wilhelm I. von Berg. Die Bürger der Stadt Paderborn und Wilhelms Vater suchten Unterstützung beim Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden (1370-1414). Die Fehde endete in einem offenen Krieg. Friedrichs Nachfolger der Administrator Bischof Dietrich III. von Moers (1414-63) suchte schließlich den Aufbau eines rheinisch-westfälischen "Superterritoriums" unter Kölner Führung. Die geplante Verschmelzung der Kölner und Paderborner Territorien ist aber auf Grund des Widerstandes der Paderborner Landstände erfolglos geblieben.


Dezimierung der Bevölkerung durch die Beulenpest

Die politischen Krisen im Zusammenhang mit der Kölner Expansionspolitik kann nicht losgelöst von der viel schlimmeren Naturkatastrophe gesehen werden, die auf das Territorium seit der Mitte des 14. Jahrhunderts einschlug. Der Paderborner Chronist Gobelinus Person beschrieb die Auswirkungen der großen Beulenpest, die im Jahre 1348 aus dem Mittelmeerraum kommend auch weite westfälische Gebiete menschenleer machte. Neben der bäuerlichen und städtischen Bevölkerung war selbst der Adel enorm betroffen. Von ca. 130 Angehörigen des Rittertums, waren im Zeitraum von 1340 bis 1445 nur noch um die 50 übrig. Nur im geschützteren oberwaldischen Distrikt konnten sich viele Adelsfamilien halten. Von der einfachen Bevölkerung sind keine genauen Zahlen bekannt. Am schlimmsten betroffen war das Sintfeld im unterwaldischen Südosten des Landes. Von 41 Siedlungen konnte sich nur noch die Stadt Wünnenberg halten. Der Rest fiel wüst. Der Adel selbst reagierte mit Abschottung. Nicht von ungefähr galt seit für die Mitglieder des Domkapitels die Regel, dass beide Eltern adeligen Ursprungs sein sollten.


Der Untergang des Fürstbistums

1802 besetzten preußische Truppen das Fürstbistum Paderborn. Der Reichsdeputationshauptschluss 1803 besiegelte die Annexion des Fürstbistums durch Preußen auch staatsrechtlich. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte das Hochstift zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis.

Heraldik

Das Wappen des Fürstbistums stellte stets ein Kreuz dar und ist seit dem 13. Jahrhundert belegt. Das rote Kreuz auf silbernen Grund findet sich noch heute im Schildhaupt des Wappens des Kreises Paderborn wieder. Das rot-silberne Wappen ist somit das Landeswappen. Erst mit dem letzten Fürstbischof Franz Egon von Fürstenberg 1789 übertrugen sich die Familienfarben gold/rot auf das Territorialwappen (goldenes Kreuz auf rotem Grund) und galten bis zur Auflösung 1802/1803. Die ähnliche Farb- und Formgebung der Stadt Paderborn ist wohl zufällig.

Das Hochstift heute

Kirchenrechtlich bezeichnet die Seelsorgeregion Hochstift heute einen Gemeindeverband des römisch-katholischen Erzbistums Paderborn mit den kirchlichen Dekanaten Brakel-Steinheim, Büren, Corvey, Delbrück, Paderborn und Warburg. Das Dekanat Corvey (östlicher Teil des Kreises Höxter) gehört historisch nicht zum Fürstbistum Paderborn, sondern bildete ein eigenes Territorium.

Erst in den vergangen Jahrzehnten ist der Begriff Hochstift wieder zu einem Bestandteil der regionalen Identität im Raum um Paderborn und Höxter geworden.

Siehe auch: Hochstift Paderborn (Region)

Literatur

  • Brandt, Hans Jürgen / Hengst, Karl: Geschichte des Erzbistums Paderborn, Paderborn 1997
  • Drewes, Josef (Hg.): Das Hochstift Paderborn: Portrait einer Region, Paderborn u.a. 1997 (2.Aufl.)
  • Grabe, Wilhelm (Hg.): Neue Herren - neue Zeiten? : Quellen zur Übergangszeit 1802 bis 1816 im Paderborner und Corveyer Land; Paderborn 2006. (Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte ; 52)
  • Keinemann, Friedrich: Das Hochstift Paderborn am Ausgang des 18. Jahrhunderts, [S.l.] 1996
  • Hohmann, Friedrich Gerhard: Das Hochstift Paderborn, ein Ständestaat, Paderborn 1975
  • Hohmann, Friedrich Gerhard: Karten, Pläne, Ansichten 1550-1800 aus dem Paderborner und dem Corveyer Land, Paderborn 1996
  • Roerkohl, Anne: Geschichte des Hochstifts Paderborn, Münster 1997
  • Schoppmeyer, Heinrich: Der Ursprung der Landstände im Hochstift Paderborn, Paderborn 1986
  • Schoppmeyer, Heinrich: Geschichte des Hochstifts Paderborn und des Paderborner Landes, in: Drewes, Josef (Hg.): Das Hochstift Paderborn: Portrait einer Region, Paderborn u.a. 1997 (2.Aufl.), S. 9-30.

Quellen