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Nettelnburg

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"Nettelnburg" ist ein in den westlichen Elbmarschen liegender Ortsteil von Hamburg-Bergedorf, der in den Zwanziger Jahren von einer Siedlergemeinschaft aus Kriegsteilnehmern, Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen auf der Fläche des ehemaligen Gutes Nettelnburg errichtet wurde. Charakteristisch für die Alt-Nettelnburger Siedlung waren die verklinkerten Einzel- oder Doppelhäuser mit Mansarden und Krüppelwalmdächern. Der Haupteingang war in der ersten Etage, während die Wirtschafts- und Kellerräume wegen des hohen Grundwasserspiegels und der Überschwemmungsgefahr im Parterre lagen. Meist kam ein Stall für Kleinvieh als Anbau hinzu. Zu jedem Siedlungshaus gehörte ein großer Garten, der von Entwässerungsgräben begrenzt wurde. Ab den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts entstand im Westen und Südwesten ein Neubaugebiet. Nach dem Anschluss an die Kanalisation zwischen 1970 und 1980 wurden viele Parzellen in Alt-Nettelnburg geteilt, um Platz für Neubauten zu schaffen. Trotzdem blieb der Charakter Nettelnburgs als Gartenstadt erhalten.

Ortsgeschichte

Frühe Belege

Nach einer von Amalie Schoppe tradierten Sage lebte zur Zeit der Kreuzzüge ein Familienzweig der Schauenburger auf einer „Nettelburg". Tatsächlich ist urkundlich belegt, dass die Gemarkung Nettelnburg bis 1307 zum Gebiet der Schauenburger und Stormarn gehörte. Somit könnte sich der Name daher erklären, dass die Schauenburger ein Nessel- oder „Nettelblatt“ im Wappen hatten.

Nettelnburg wurde erstmals im Jahre 1208 urkundlich erwähnt, als ein Wernherus von Netelenburg als Zeuge bei einer Grundstücksübertragung auftrat. Damit ist zumindest die Existenz eines frühen ländlichen Lehnsgutes belegt. Nach einer Verkaufsurkunde aus dem Jahre 1307 traten die Schauenburger ihre „gutere Nettelenburg“ an das Kloster „Reinebeck“ ab. Spuren einer solchen Burg wurden allerdings nicht gefunden.

Die Zeit bis 1900

Ab 1609 waren zwei Pächter des Landgutes Nettelnburg und zwei Pachthöfe belegt, die mehrfach die Besitzer und Oberherren wechselten. Nach einem Großbrand im Oktober 1894 wurde ab 1895 ein Herrenhaus als gründerzeitliches Villa erbaut, die der Bauuntermehmer Philipp Holzmann im Jahre 1899 erwarb.

Ausbau von Alt-Nettelnburg

Im ersten Bauabschnitt wurden um 1900 am Oberen Landweg einige Villen erbaut. Nach einer urbanen Legende waren es Kapitänshäuser. Die eigentliche Altnettelnburger Siedlung östlich vom Oberen Landweg und westlich vom Weidenbaumsweg entstand nach dem genossenschaftlichen Ankauf des Geländes zwischen 1921 und 1930. Zunächst wurden in Eigenleistung im schweren Marschenboden Entwässerungsgräben gelegt, bevor es zur Parzellierung mit Grundstücken größer als 1000 Quadratmetern kam. Dadurch verzögerte sich der Baubeginn bis zum Frühjahr 1922. Die vom Architekten F. Winterfeldt entworfenen Typenhäuser besaßen meist auf der Rückseite einen Stallanbau. Zur Siedlung gehörten Verkaufsläden, eine Feuerwache, eine Schule, ein Gasthaus, ein öffentlicher Platz mit Sportanlagen und einem Fußballplatz, aber keine Kirche. Die meisten Siedler waren Arbeiter oder Handwerker, die der SPD nahestanden. Eine provisorische evangelische Kirche wurde erst im Jahre 1929 am Siedlungsrand erbaut. Im Spätherbst des Jahres 1930 kam es zu einem Deichbruch, wobei viele der neuerrichteten Siedlungshäuser in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Situation in der Nazizeit

Bei den letzten freien Reichstagswahlen vom 5. März 1933 erreichte die SPD in Nettelburg 65,00 %, die KPD erhielt 13,20 %, während die NSDAP nur 16,37 % der Wählerstimmen erhielt. Ab April 1933 kam es zur Gleichschaltung. Der Gemeindevorsitzende wurde amtenthoben, die eigene Zeitschrift, der „Nettelnburger Siedler“ wurde umbenannt und die Redaktion gewechselt. Selbst die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr wurden durch linientreue Parteigenossen ersetzt, was sich jedoch nicht bewährte. Der Schulleiter wurde abgesetzt. Ab Januar 1938 wurde am Oberen Landweg 10 ein HJ-Heim errichtet. Im selben Jahr wurde Nettelburg aus der Zugehörigkeit zu Billwerder entlassen und dem Stadtteil Bergedorf angegliedert. Im Zweiten Weltkrieg blieb Nettelnburg weitgehend von Bombeneinschlägen verschont.

Neubauten in der Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit wurde die Siedlung nach Erschließungsarbeiten durch den Bau zusätzlicher Ein- und Zweifamilienhäuser erweitert. Das erste Nettelnburger Mietshaus entstand 1954 als Gewerbegebäude mit 4 Läden und 17 darüberliegenden Wohnungen.

Seit 1970 wurden in Nettelnburg-Süd, am Oberen Landweg und in Alt-Nettelnburg erneut Einfamilienhäuser, teils als Reihenhäuser gebaut. Diese sind in eine geplante Landschaft von Fleeten und Grünflächen eingebettet. Heute präsentiert sich Nettelnburg als Gartenstadt, wobei ein Teil der Alt-Nettelnburger Siedlung wegen des einheitlichen Erscheinungsbildes als wichtiges architektonisches Denkmal der 1920er Jahre gilt.

Die Bugenhagen-Kirche

Kennzeichnend für Alt-Nettelnburg war die Tatsache, dass im Zentrum zwar ein Volkshaus und ein Sportplatz, aber keine Kirche geplant war. Erst 1929 wurde am Oberen Landweg, außerhalb der Siedlung, eine hölzerne Notkirche, der Bugenhagen-Saal, errichtet. 1943 wurden Kirche und Pastorat durch Bombentreffer beschädigt. Der Kirchensaal wurde anschließend wiederhergestellt und diente bis zur Einweihung der Bugenhagen-Kirche am 26. Oktober 1958 als Gotteshaus. Am 5. November 1972 wurde auf dem Kirchengelände ein evangelischer Kindergarten mit Spielplatz eröffnet

Bildungseinrichtungen

Nach dem Einzug der Siedlerfamilien in den 1920er Jahren wurde über den Bau einer eigenen Schule nachgedacht. Während zunächst im ehemaligen „Herrenhaus“ eine Behelfsschule eingerichtet war, konnte die „Siedlungsschule“ oder „Schule Nettelnburg“ am Fiddigshagen am 28. Juli 1928 eingeweiht werden. Der Mittelflügel erinnert stilistisch an Bauten des Hamburger Stadtbaumeisters Fritz Schumacher, obwohl die Pläne von Baurat Völker stammen. Trotz der Tatsache, dass es eine überkonfessionelle Gemeinschaftsschule mit Koedukation war, war die Schule eher sozialdemokratisch geprägt. So erhielten 75 % der Schulabgänger die Jugendweihe. Ebenso wurden Kulturveranstaltungen zur Erwachsenenbildung angeboten.

In der Nazizeit wurden der Schulleiter und ein Lehrer abgesetzt. Der Lebenskundeunterricht wurde eingestellt, und es wurde stattdessen nur noch Religionsunterricht angeboten. Es kam zur Diffamierung von Kindern aus sozialistischen Familien.

In der Nachkriegszeit wurde nach dem Zuzug weiterer Familien im Jahre 1958 ein Westflügel angebaut und zusätzlich eine Turnhalle errichtet. Da der Platz trotzdem nicht ausreichte, kamen später Pavillons dazu. Mit der Schulreform der Achtzigerjahre wurde die Schule Nettelnburg zur reinen Grundschule, in der es aber auch Vorschulklassen gibt. Seit 1991 ist die Schule eine Integrative Grundschule.

Sport und Freizeit

Im Jahre 1930 gründeten die Siedler einen Fußballverein, den „1. FC Nettelnburg“. Dieser wurde 1933 verboten und aufgelöst, weil er Mitglied beim „Arbeiter Turn- und Sportbund“ war. 1946 erfolgte eine Neugründung als „Sport-Club Nettelnburg von 1930 e. V.“. In den Jahren 1981 - 1984 wurde das Angebot um Basketball, Volleyball, Karate, Leichtatlethik, Schwimmen, Tanzen und Turnen erweitert. Am 30. November 1985 kam es zur Fusion mit dem TUS Neu-Allermöhe und einer erneuten Umbenennung in „Sportverein Nettelnburg/Allermöhe von 1930 e. V.“, kurz „SVNA 1930“.

Verkehrsanbindung

Seit den 1970er Jahren besitzt Nettelnburg eine gleichnamige S-Bahn-Station an der Linie S2/S21 Hauptbahnhof - Bergedorf - Aumühle, die auch das Neubaugebiet Bergedorf-West einbindet.

Im Zuge des Baus der Marschenautobahn A 25) und weiterer erschlossener Neubaugebiete (Neu-Allermöhe Ost bzw. West) in der Nachbarschaft vollzieht sich ein Wandel des einstmals eher abgeschiedenen dörflichen Charakters. So wurden die Nutztierhaltung und der Gemüseanbau aufgegeben. An der Einfamilienhausbebauung hat sich jedoch mit wenigen Ausnahmen bis heute nichts geändert.

Literatur

  • Kultur und Geschichtskontor (Hrsg.), Nettelnburg, Ritter - Bauern - Siedler, Hamburg 2004, ISBN 3-9806996-8-4