Madrigal (Musik)
Das Madrigal ist eine musikalische Form der Renaissance und des Frühbarock. Sie entstand in Italien ab 1530 und ging aus der Frottola hervor, mit starken Einflüssen durch die Motette und dem französischen Chanson der Renaissance.
Nicht verwandt ist das Madrigal mit dem italienischen Trecento-Madrigal des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts; meist zwei-, selten dreistimmigen, unbegleiteten Vokalkompositionen in einfacher Manier. Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts geriet die Bezeichnung für musikalische Zwecke ausser Gebrauch, als sich diese Madrigale nur mehr als literarische Form niederschlugen (siehe Madrigale (Literatur).
Der Ursprung des Namens ist umstritten, er wird sowohl hergeleitet von "Cantus matricalis", d.h. "Gesang in der Muttersprache", also mit weltlichem Text als Gegenstück zum Latein der Sakralwerke, wie auch von "Mandra" (Herde), da früheste Werke auch als "Mandriale" bezeichnet wurden.
Das Madrigal war die bedeutendste weltliche Musikform seiner Zeit, seine Blütezeit hatte es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts hingegen verlor es dann allmählich wieder an Bedeutung.
Geschichte
Die Geschichte des Madrigals lässt sich in drei Phasen unterteilen, in denen es von jeweils verschiedener Gestalt war. In allen Phasen aber ist ihm gemein, daß es sich jeweils um weltliche Chorstücke in kammermusikalischem Rahmen handelt. Als solches bietet es dem Komponisten die Möglichkeit, sich unabhängig von der dominierenden und stark formalisierten sakralen Musik in ihm wie auf einer kreativen Spielwiese frei zu entfalten. Es wurde im Verlauf seiner Entwicklung auch zu einer Keimzelle anderer weltlicher Musikformen, wie z.B. der Oper (bei Claudio Monteverdi).
Das frühe Madrigal (1530-1560)
1533 erscheint in Venedig das Primo libro di Madrigali von Philippe Verdelot, die erste Madrigalsammlung überhaupt. Die Form wird rasch aufgenommen, z.B. von Costanzo Festa und Jakob Arcadelt 1539. In seinen Anfängen vertont das Madrigal klassische italienische Lyrik und verbindet so weltliche Texte mit Musik. Zu Beginn ist es meist noch vierstimmig (selten fünf- oder gar sechsstimmig) und homophon gesetzt und die Texte sind einstrophig mit 1-2 Reimpaaren. Bereichert wird die Form bald von Adrian Willaert (er setzte die Fünfstimmigkeit durch) und seinem Schüler Cyprian de Rore, der chromatische Madrigale komponierte.
Klassisches Madrigal (1560-1590)
In dieser Phase gewinnt das Madrigal an Ausdruck und formaler Vielfalt. Meist fünfstimmig, wechselnd homophon und polyphon und mit starken rhythmischen und harmonischen Kontrasten werden die musikalischen Mittel zum Ausdruck der Textvorlage verwandt, welche zugleich an formaler Strenge verliert und so die Form freier werden lässt. Die bedeutendsten Vertreter dieser Zeit sind Orlando di Lasso, Andrea Gabrieli, zeitweise Giovanni di Palestrina und am tschechischen Hof Philip de Monte. Letzterer kennzeichnet auch den beginnenden Siegeszug des Madrigals in Europa, der um diese Zeit beginnt.
Spätes Madrigal (1590-1620)
1588 verlegt Nicholas Yonge in England eine Madrigalsammlung namens Musica Transalpina mit in das Englische übertragenen Texten. Die Sammlung initiiert die Entstehung der wohl reichhaltigsten Madrigalkultur ausserhalb Italiens mit Vertretern wie Thomas Weelkes, John Wilbye, William Byrd, Orlando Gibbons, Thomas Morley, Thomas Tomkins und Thomas Bateson und lässt sogar einen eigenständigen Typ des Madrigals, die Ayre, entstehen. Auch in anderen Ländern verbreitet es sich, wenn auch weniger stark. In Deutschland ist der wichtigste Madrigalist gewiß Hans Leo Hassler ("O Haupt voll Blut und Wunden"), aber auch Johann Hermann Schein und zeitweise Heinrich Schütz trugen zur deutschen Literatur wesentlich bei.
Aber auch in Italien bleibt die Entwicklung nicht stehen. Voll chromatischer Experimentierfreudigkeit und mit kontrapunktischer Verflechtung der verschiedenen Stimmen lassen insbesondere das Madrigalwerk Claudio Gesualdos und die ersten Madrigalbücher Claudio Monteverdis mit ihrer extremen Ausdruckssteigerung die Ausgeglichenheit der Renaissancemusik bereits hinter sich und kündigen das Barock an. Auch die Textvorlagen werden freier, meist 6 bis 13 sieben- bis elfsilbige Verse in freier Reimstellung bieten der Musik weiten Raum, die Verständlichkeit des Textes wird zugunsten der musikalischen Darstellung vernachlässigt. 1605 führt Monteverdi den Basso continuo in das Madrigal ein, sein achtes Madrigalbuch "Madrigali guerrieri et amorosi" von 1638 wird gemeinhin als die Vollendung der Form des Madrigals betrachtet.
Zugleich ist das Madrigal aber auch am Ende seiner Entwicklung angelangt, die barocke Monodie löst die Polyphonie der Renaissance ab und die Entstehung neuer Formen wie Oper, Rezitativ und Oratorium öffnet weitere Horizonte. Das Madrigal geht auf in Formen wie Kantate und Dialog, als selbstständige Form hört sie auf zu existieren, später entstandene Beispiele sind in der Regel reine Rückgriffe auf ein abgeschlossenes Formenrepertoire. Auch Komponisten des 20. Jahrhunderts knüpften gelegentlich erneut an seine Tradition an, meist aber ohne die Formstrenge des Vorbilds, z.B. im "Schwarzen Madrigal" von Mauricio Kagel.