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Franz Grillparzer

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’’’Franz Grillparzer’’’, Dramatiker, geb. 15. Januar 1791 in Wien als Sohn eines Juristen, studierte auf der Universität seiner Vaterstadt die Rechte und trat 1813 als Konzeptspraktikant bei der kaiserlichen Hofkammer in den österreichischen Staatsdienst. Er wurde 1823 Hofkonzipist, 1832 Archivdirektor bei der kaiserlichen Hofkammer, dem spätern Finanzministerium, und trat 1856 in den Ruhestand.

Seine Bildungsjahre fielen in die Zeiten der französischen Revolution und der Napoleonischen Epoche, deren Wirkungen selbst von Österreich um so weniger fernzuhalten waren, als damals die Traditionen der Josephinischen Epoche noch fortlebten. Wer, wie Grillparzer, dem Konservatismus zuneigte und doch den geistigen Druck, die gewaltsame Bildungsreaktion unter der Regierung des Kaisers Franz I. verspürte; wer auf der einen Seite die geistigen Errungenschaften der Sturm und Drangperiode und der klassischen Literatur in sich aufnahm und auf der andern jeden Konflikt mit dem in Österreich herrschenden System, ja selbst mit der herrschenden Lebensanschauung zu vermeiden trachtete, dabei aber einen starken Drang des Schaffens und poetischen Bildens in sich fühlte, sah sich in einer zwiespältigen Situation.

Grillparzers poetische Anfänge wurden von der Romantik (die ihm die bleibende Vorliebe für die spanischen Dramatiker einprägte) und von der vorübergehenden Irrung der Schicksalstragik, der er in der "Ahnfrau" sein Opfer brachte, beeinflusst. Wenn er sich von diesen Einflüssen verhältnismäßig rasch zu emanzipieren wusste, so gelang ihm dies nicht ebenso mit denen seiner heimatlichen Verhältnisse und Bildungszustände.

Zunächst war es eine bedeutende Tat schöpferischer Kraft und Selbständigkeit, dass der Dichter seiner 1817 mit außerordentlichem Erfolg aufgeführten Schicksalstragödie "Die Ahnfrau", welche .alsbald über alle deutschen Bühnen ging, ein so völlig verschiedenes Werk wie "Sappho" (1818) folgen zu lassen vermochte. In der "Sappho" (Wien 1819) stellte er sich zuerst auf den Boden des rein Menschlichen, wie er es verstand und auffasste. Unverkennbar lag in seiner Auffassung ein quietistisches Moment. Wer den Boden der gegebenen möglichst einfachen Verhältnisse verlässt, den Kreis der nächsten Pflicht überschreitet, der verfällt Mächten, die er nicht bezwingen kann.

Nicht das Maß des Menschlichen, welches die edle, hoch tragende, ungeahnte Kräfte erweckende, läuterungsfähige Leidenschaft mit einschließt, sondern jenes, welches die Leidenschaft ausschließt, ward das Maß von Grillparzers Welt. Daher konnte er sich einerseits eng an die klare Durchbildung und Gestaltung des Stoffes, an die Formenschönheit der klassischen Dichtung anschließen und blieb anderseits doch durch eine tiefe Kluft von derselben getrennt. Nur in der Darstellung der Liebe, als der natürlichsten, unvermeidlichsten und edelsten Leidenschaft fand eine Vermittlung statt. Die Hauptstärke Grillparzers lag in der Entwickelung des Liebesgefühls zu einer dramatischen Handlung, daher in gewissem Sinn die. Tragödien: "Sappho" und "Des Meeres und der Liebe Wellen" (worin die Sage von Hero und Leander behandelt ist) als seine vollendetsten Werke gelten können.

Von 1821 an, wo im Wiener Hofburgtheater die Trilogie "Das Goldene Vlies" (Wien 1822) mit Erfolg aufgeführt wurde, deren letzter Teil, die Tragödie "Medea", rasch über alle deutschen Bühnen ging und durch die Heroinenrolle des Titels sich auf den Brettern behauptete, zählte Grillparzer etwa ein Jahrzehnt lang zu den begünstigten Dramatikern.

1825 wurde die Tragödie "König Ottokars Glück und Ende" (Wien 1825), 1828 "Ein treuer Diener seines Herrn" (1830), 1831 "Des Meeres und der Liebe Wellen" (1840), 1834 das Drama "Der Traum ein Leben" (1840) mit Erfolg im Wiener Burgtheater aufgeführt. Die Kritik, welche nach 1830 im eigentlichen Deutschland herrschend und maßgebend geworden war, zeigte sich gegen Grillparzer feindselig; seine Vorzüge galten ihr nichts, seine Mängel wusste die jungdeutsche Kritik scharf hervorzuheben. Grillparzer selbst litt unter der Ungunst seiner heimischen Zustände.

Seine beschränkte materielle Situation erlaubte ihm lebenslang nur Bräutigam seiner Iugendgeliebten, Katharina Fröhlich, zu bleiben. Jede größere Reise (1819 Italien, 1826 Deutschland, 1838 Paris, 1843 Athen und Konstantinopel) rückte ihm den Widerspruch seiner Ideale und der heimischen Verhältnisse deutlich vor Augen.

Trotz seiner unzweifelhaften Loyalität hatte er mit dem stupiden Zensurdruck der Sedlnitzkyschen Zeit zu kämpfen, mehrere seiner besten lyrischen Gedichte wurden unterdrückt und ihm die Lust zur Herausgabe einer Sammlung verleidet.

Schließlich gesellte sich 1838 noch eine förmliche Niederlage seines Lustspiels "Weh dem, der lügt" (Wien 1848) bei der ersten Aufführung im Burgtheater hinzu. Grillparzer beschloss, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, und hielt diesen Entschluss unverbrüchlich, ohne darum der Ausübung der poetischen Kunst zu entsagen. In den nächstfolgenden Jahrzehnten entstanden die Dramen: "Libussa", "Die Jüdin von Toledo", "Ein Bruderzwist im Hause Habsburg" sowie das stimmungsvolle Fragment "Esther" und zahlreiche lyrische Dichtungen.

Erst seit 1848 drangen wieder einzelne poetische Leistungen Grillparzers an die Öffentlichkeit, so sein berühmtes Gedicht "An Radetzky". Seit 1850 begann man sich dann in Österreich, vereinzelt auch in Deutschland bewusst zu werden, welch einen Dichter man in Grillparzer besitze. Der alternde Mann erlebte Ehren und Anerkennungen, wurde 1847 zum Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannt, durch mehrere Orden ausgezeichnet, 1859 von der Universität Leipzig anlässlich des Schiller -Jubiläums der Ehrendoktor verliehen, 1861 zum lebenslänglichen Mitglied des österreichischen Herrenhauses, 1846 zum Ehrenbürger der Stadt Wien erhoben.

Er starb achtzigjährig am 21. Januar 1872 in Wien. Die Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1909-1942 in 42 Bänden.