Brandenburg (Spezialeinheit)
Die Brandenburger waren während des Zweiten Weltkrieges eine Spezialeinheit des Amtes Abwehr /Ausland der Wehrmacht. Sie wurden unter anderem für Sabotageaktionen hinter feindlichen Linien eingesetzt, oft sogar bis nach Afrika, Iran und Afghanistan.
Aufbau und Gliederung
Noch vor Beginn des Krieges gegen Polen 1939 stellte die Abwehrabteilung II (und die Abwehrgruppen der Wehrkreise VIII und XVII) mehrere „K-Trupps“ (K = Kampf) auf, die aus polnisch sprechenden Schlesiern und Volksdeutschen bestanden, und deren Aufgabe es wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen und bis zum Eintreffen regulärer Wehrmachtsverbände zu halten. So besetzte u.a. der 500 Mann starke „Kampfverband Ebbinghaus“ die Industrieanlagen in Ostoberschlesien. Fast alle diese Aktionen gelangen. Bekanntheit erlangte jedoch im Nachhinein das Unternehmen gegen den strategisch wichtigen Tunnel am Jablunka-Pass, den der „K-Trupp Herzner“ am 26. August, fünf Tage vor Kriegsausbruch, einnahm, weil er nicht von der Verschiebung des Angriffstermins benachrichtigt wurde.[1]
Die Angehörigen der „K-Trupps“ im Polenfeldzug waren zum überwiegenden Anteil Zivilisten, die von der Abwehr extra für diesen Einsatz ausgebildet worden waren. Die Erfahrungen aus diesen Einsätzen gaben jedoch Anlass eine reguläre Truppe für Kommandounternehmen aufzustellen. So enstand am 15. Oktober 1939 die Baulehrkompanie (D.K.) z.b.V. auf dem Truppenübungsplatz Bruck an der Leitha, der am 25. Oktober die Baulehrkompanie z.b.V. 800 in Brandenburg folgte. Nachdem in verschiedenen Standorten zwei weitere Kompanien entstanden waren wurden sie alle am 10. Januar 1940 im Baulehrbataillon z.b.V. 800 zusammengefasst. Dies war eine rein administrative Maßnahme, weil die Einheiten auch weiterhin in verschiedenen Garnisonen lagen (siehe: Tabelle rechts).
Truppenteil | Standort |
---|---|
Bataillons-Stab | Brandenburg |
1. Kompanie | Innermanzing (Wien) |
2. Kompanie | Brandenburg |
3. Kompanie | Münstereifel |
4. Kompanie | Niederrhein |
Am 1. Juni 1940 erreichte die Größe des Verbandes einen Umfang, der eine Umbenennung in Lehrregiment Brandenburg z.b.V. 800 sinnvoll machte. Nun erst wurde die Bezeichnung „Brandenburger“ zum Synomym für deutsche Kommandoeinheiten. Mit der zunehmenden Ausbreitung der Kriegsschauplätze stiegen auch die Anforderungen an die Kommandoverbände, so dass zahlreiche neue Spezialeinheiten, wie z.B. eine Fallschirmspringerkompanie, aufgestellt werden mussten. Am 20. November 1942 erhielt der stark angewachsene Verband deshalb die Bezeichnung Sonderverband Brandenburg[2], bevor diese bereits am 1. April 1943 wieder in Division Brandenburg[3] geändert wurde, obwohl dies nach wie vor nur eine administrative Einheit bedeutete. Aufgrund der prekären Lage an der Ostfront wurde die Einheit jedoch zunehmend als normale Fronttruppe verwendet, um die personellen Verlust dort auszugleichen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde sie zunächst in eine motorisierte Infanteriedivision umgegliedert und erhielt am 8. September 1944 den Namen Panzer-Grenadier-Division Brandenburg.[4] Dabei wurden Mitte Oktober 1944 Teile der Sturm-Division Rhodos eingegliedert. Da die Division innerhalb weniger Monate schwere Verluste erlitt, wurde im Februar 1945 eine Umgliederung und Auffrischung erforderlich. Im März 1945 kam der Verband als Panzer-Grenadier-Regiment Brandenburg[5] wieder zum Einsatz.
Personelle Zusammensetzung
Die ersten Angehörigen der „K-Trupps“ waren freiwillige Volksdeutsche. Sie meldeten sich freiwillig oder wurden wegen ihrer Sprachfertigkeiten gezielt angeworben. In der Regel waren diese Männer ungedient und nur kurz von der Abwehr II ausgebildet worden. Obwohl sie von Wehrmachtoffizieren angeführt worden, waren diese jedoch selbst Zivilisten und keine Soldaten. Dies änderte sich erst nach dem Polenfeldzug, als die Freiwilligen den Status von Wehrmachtangehörigen erhielten, um zum einen die Versorgung der Hinterbliebenen sicherzustellen und zum anderen um disziplinarrechtliche Möglichkeiten gegenüber den Freiwilligen selbst zu haben.
Für die Rekrutierung der Mannschaften stellte die Abwehr II hohe Anforderungen. „Die erste Voraussetzung war Freiwilligkeit, dann Wendigkeit und schnelle Reaktionsfähigkeit, die Gabe zu improvisieren, ein hohes Maß an Eigeninitiative auch beim letzten Schützen, jedoch gepaart mit ausgesprochenem Teamgeist; außerdem eine gewisse, wenn auch gebremste Abenteuerlust, Takt im Umgang mit Fremdvölkern und natürlich körperliche Leistungsfähigkeit. Dringend erwünscht waren weiter gediegene Auslands- und Sprachkenntnisse, die so weit gehen sollten, dass der Betreffende überzeugend als britischer Offizier oder Rotarmist auftreten konnte.“[6] Den ersten Grundstock der Baulehrkompanien bildeten die Angehörigen der „K-Trupps“ (Schlesier, Volks- und Sudetendeutsche). Mit der Ausweitung der Kriegsschauplätze kamen auch Deutsche aus anderen Regionen, wie dem Baltikum, dem Balkan oder Südafrika hinzu. Als sich die Nachricht von der neuen Elite-Einheit in der Wehrmacht herumsprach, meldete sich zusätzlich eine große Zahl Soldaten aus den regulären Heeresteilen. Erst als der Personalbedarf mehr und mehr wuchs bagannen Werbeoffiziere mit Anwerbungen in Truppenschulen der Wehrmacht.
Da die neuen Kommandosoldaten meist ungedient waren mussten zunächst Unteroffiziere von regulären Wehrmachtverbänden herangezogen werden. Bei dem Offizierskorps handelte es sich 1939/1940 vornehmlich um ältere Offiziere der Reserve, die über bestimmte Erfahrungen (Weltkrieg) oder Fachkenntnisse (Slawistik, Ethnologie) verfügten. In zunehmenden Maße rückten jedoch bald Kommandosoldaten in diese Dienststellen auf. Das Dienstverhältnis entsprach nicht immer dem sturen Prinzip von Befehl und Gehorsam, da bei den Einsätzen auch einfache Mannschafter schnell Entscheidungen für die ganze Gruppe treffen mussten, wenn sie die einzigen in der Gruppe waren, die die Landessprache beherrschten und von gegnerischen Soldaten angesprochen wurden. Dies änderte sich mit der zunehmenden Vertruppung der Kommandoverbände und ihrem Einsatz als reguläre Grenadierdivision.
Zusammensetzung und Bedeutung
Aufbau
Im Laufe des Krieges wandelten sich die Brandenburger von einer kleinen, elitären Spezialeinheit zu einer 1944 aufgestellten regulären Panzergrenadier-Division. Diese Divisionseinheiten waren jedoch nie selbstständig, sondern wurden je nach Anforderungen anderen Divisionen unterstellt, um dort ihre Sonderaufgaben zu erfüllen. Durch diese Befehlskette ergaben sich oft Probleme, da die Kommandeure oft spät oder gar nicht die Brandenburger wieder freigaben und sie für normale Einsätze zweckentfremdeten. Auch die eindeutigen Leitlinien und Anweisungen der Heeresabwehr vermochten das Problem nicht zur Gänze zu lösen.
Funktion
Die notwendige Spezialausbildung erhielten die Rekruten in der S-Schule der Abwehr II („Quenzgut“) nahe Brandenburg. Die Brandenburger wurden vor allem für die Sicherung von kriegswichtigen Anlagen vor Beginn massiver Kampfhandlungen eingesetzt. Um schnelles Nachrücken von Truppen zu ermöglichen, wurden bewachte Brücken und Tunnel eingenommen und von Sprengladungen befreit, wie es in Polen, den Niederlanden und Jugoslawien erfolgte. Darüberhinaus wurden Fabriken gesichert, die nach der Eroberung weiter betrieben werden sollten.
Einsatztechnik
Die meisten Einsätze erfolgten in Halb- oder Volltarnung, also unter Nutzung von feindlichen Uniformen oder in Zivil. Halbtarnung bedeutete, dass man sich als Zivilist oder Verbündeter gekleidet der feindlichen Stellung näherte, aber unmittelbar vor Beginn des Angriffs die Tarnung ablegte und sich als Wehrmachtssoldat zu erkennen gab. Bei der Volltarnung wurden selbst Gefechte in der feindlichen Uniform ausgeführt, was einen Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht darstellt.
Die Brandenburger setzten sich bei ihren Einsätzen meist aus einer Hälfte hoch ausgebildeter deutscher Soldaten, vor allem Führer und Sprengspezialisten, und zur anderen Hälfte aus ausländischen oder eingewanderten Soldaten zusammen, die hauptsächlich für die Tarnung und Sprachübermittlung eingesetzt wurden. So kämpften zahlreiche Russen, Letten, Tschetschenen aber auch Kirgisen und andere Soldaten weiterer Nationen bei den Brandenburgern.
Kontroversen
Die Brandenburger werden von Reinhard Günzel und Ulrich K. Wegener in einer Traditionslinie mit Spezialeinheiten der Bundeswehr gesehen, obwohl sich die Bundeswehr ausdrücklich nicht in der Tradition der Wehrmacht sieht. [7]
Fussnoten
- ↑ Dazu im Detail: Herbert Schindler: Mosty und Dirschau 1939 - Zwei Handstreiche der Wehrmacht vor Beginn des Polenfeldzuges, Freiburg 1971.
- ↑ Gliederung: Verband 801, 802, 803, 804, 805; Küstenjäger-Abteilung 800; Nachrichten-Abteilung 800, siehe: Eintrag im Lexikon-der-Wehrmacht.de
- ↑ Gliederung: Regiment Brandenburg 1 bis 4; Lehr-Regiment 5 Brandenburg; Küstenjäger-Abteilung Brandenburg; Nachrichten-Abteilung Brandenburg, siehe: Eintrag im Lexikon-der-Wehrmacht.de
- ↑ Gliederung: Jäger-Regiment 1 Brandenburg, Jäger-Regiment 2 Brandenburg, Artillerie-Regiment Brandenburg, siehe: Eintrag im Lexikon-der-Wehrmacht.de
- ↑ Gliederung: Panzer-Regiment Brandenburg; Panzer-Jäger-Regiment 1 Brandenburg; Panzer-Aufklärungs-Abteilung Brandenburg; Panzer-Artillerie-Regiment Brandenburg, siehe: [Eintrag im Lexikon-der-Wehrmacht.de]
- ↑ Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn 1990, S.120
- ↑ Ex-KSK-Chef lobt NS-Spezialeinheit als Vorbild, Spiegel online, 24. Februar 2007
Interne Links
Literatur
- Hans Bentzien: Division Brandenburg. Die Rangers von Admiral Canaris. Edition Ost, Berlin 20042; ISBN 978-3360010582
- Reinhard Günzel, Wilhelm Walther, Ulrich K. Wegener: Geheime Krieger – Drei deutsche Kommandoverbände im Bild. KSK, Brandenburger, GSG 9. Pour le Mérite, Kiel 2006, ISBN 3-932-38129-7
- Franz Kurowski: Deutsche Kommandotrupps 1939-1945.
Band 1: Brandenburger und Abwehr im weltweiten Einsatz. Motorbuch Verlag, Stuttgart 20003, ISBN 978-3613020184
Band 2: Die „Brandenburger“ im weltweiten Einsatz. Motorbuch Verlag, Stuttgart 20031, ISBN 978-3613023338 - Eric Lefèvre: Brandenburg Division. Commandos of the Reich. Histoire et Collections, Paris 2000. ISBN 2-908182-73-4
- Will Berthold: Die Männer der Division Brandenburg; Neuer Kaiser Vlg GmbH (Januar 1999). ISBN-10: 3704331198; ISBN-13: 978-3704331199
Weblinks
- K. Nowak: Baulehr-Bataillon z.b.V. 800 „Brandenburg“; Geschichte der Brandenburger und Beschreibung ihrer Einsätze
- Bundesarchiv: „Die Brandenburger“. Kommandotruppe und Frontverband; Geschichte und Originaldokumente
- artour-Buchbesprechung (MDR) von Hans Bentzien: „Division Brandenburg“ – Hitlers Terror-Einheit