Sozialhilfe (Deutschland)
Die Sozialhilfe in Deutschland ist eine öffentlich-rechtliche Sozialleistung, die im System der sozialen Sicherheit die Funktion des untersten Auffangnetzes innehat. Aus dem in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantierten Sozialstaatsprinzip ergibt sich die Verpflichtung des Staates, einen Mindeststandard des menschenwürdigen Daseins sicherzustellen (soziokulturelles Existenzminimum). Das jeweils aktuelle Sozialhilferecht konkretisiert diesen Mindeststandard in materiellem Recht, aus dem sich konkrete und einklagbare Leistungsansprüche bedürftiger Personen herleiten lassen. Das Leitprinzip des menschenwürdigen Daseins wird in § 1 Satz 1 SGB XII dem Gesetz programmatisch vorangestellt.
- „Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.“
Basisdaten | |
---|---|
Titel: | Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - |
Abkürzung: | SGB XII |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Rechtsmaterie: | Sozialrecht |
Fundstellennachweis: | 860-12 |
Erlassen am: | 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022, 3023) |
Inkrafttreten am: | 1. Januar 2005 |
Letzte Änderung durch: | Art. 10 G vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378, 449) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
1. April 2007 (Art. 46 G vom 26. März 2007) |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das Sozialhilferecht ist seit dem 1. Januar 2005 ein eigenständiges Buch des Sozialgesetzbuch XII[1]. Seit dem teilt sich die Sozialhilfe neben dem Arbeitslosengeld II (SGB II) die Funktion der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums für jeweils unterschiedliche Personenkreise. Von 1961 bis 2004 war die Sozialhilfe im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geregelt.
Laut Art. 72 GG in Verbindung mit Art. 74 Nr. 7 GG liegt die Gesetzgebungskompetenz für das Sozialhilferecht beim Bund. Den Bundesländern obliegt die Ausführung der Sozialhilfe als eigene Angelegenheit (Art. 83 GG).
Geschichte
Historisch betrachtet ist Sozialhilfe die älteste Form einer Sozialleistung und gleichzeitig diejenige, die im Laufe der Geschichte die stärksten Wandlungen durchlaufen hat. Ihre Ursprünge hat sie in der Armen- und Krankenfürsorge, die in mittelalterlichen Städten von der Kirche, den Städten selbst oder von den Handwerksorganisationen organisiert wurde. Im Zuge der industriellen Revolution, des mit ihr einhergehenden raschen Wachstums der Städte, der Entstehung der in diesem Maße vorher ungekannten Massenarmut und des zunehmend revolutionsbereiteren Proletariats wuchsen die Aufgaben der Fürsorge so stark an, dass gesetzliche Regelungen geschaffen wurden (z. B. das Preußische Armenpflegegesetz von 1842). Damit verband sich sehr schnell auch die Absicht der sozialen Kontrolle, weil erkannt wurde, dass in der Unzufriedenheit entwurzelter Armer „politischer Sprengstoff“ steckte (daher auch Otto von Bismarcks Bemühen zur Einführung der klassisch gewordenen Sozialversicherungen - der Arbeiterbewegung wurde durch Erfüllung ihrer Minimalforderungen „der Wind aus den Segeln“ genommen).
Das 1871 neu gegründete Deutsche Reich überließ diese Aufgaben den einzelnen Ländern. Eine reichsweite Regelung entstand erst zur Zeit der Weimarer Republik in Gestalt der Reichsfürsorgepflichtverordnung von 1924 und der „Reichsgrundsätze über die Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge“, ebenfalls von 1924. Einen einklagbaren Rechtsanspruch gegenüber dem Fürsorgeträger gab diese Verordnung dem Hilfebedürftigen jedoch nicht.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 24. Juni 1954 entschieden (BVerwGE 1, 159)[1][2], dass sich aus den Grundrechten auf Schutz der Menschenwürde (Vorlage:Zitat Art Grundgesetz [GG]), der freien Entfaltung der Persönlichkeit und körperlichen Unversehrtheit (Vorlage:Zitat Art GG) sowie dem Sozialstaatsgebot Vorlage:Zitat Art GG ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch des Bürgers auf soziale Fürsorge durch den Staat ergibt. Daraufhin wurde in der Bundesrepublik Deutschland 1961 mit dem Bundessozialhilfegesetz ein einheitliches Sozialhilferecht geschaffen. Vereinheitlicht sind allerdings nur die allgemeinen Regeln; die Höhe der tatsächlich ausgezahlten Sozialhilfeleistung und viele Einzelheiten der Hilfegewährung werden von den Bundesländern bestimmt. Die Bundesländer koordinieren ihre diesbezügliche Politik dadurch, dass sie in der Regel den Empfehlungen des von den Sozialhilfebehörden und Sozialverbänden getragenen Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. folgen.
Geschichte, Entwicklung in Deutschland
Bis 1880 war die Armenpflege Aufgabe der Wohngemeinden.
Mit der Versicherungsgesetzgebung des deutschen Reiches nach 1880 (Krankenversicherungs- (1883), Unfallversicherungs- (1884) sowie Invaliden- und Altersversicherungsgesetz (1889) ) ergaben sich wesentliche Entlastungen der traditionellen Armenfürsorge.
Mit dem „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“, Berlin, koordinieren öffentliche und freie Träger ihre Soziale Arbeit. Er ist ein eingetragener Verein, der als gemeinnützig anerkannt ist und 1880 gegründet wurde.
1924 – aus diesem Jahr stammen die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge (RGr) und die Verordnung über die Fürsorgepflicht (RFV) der staatlichen Gemeinschaft für Einzelne - ein Begriff der als neue staatliche Aufgabe neben den Begriff „Freie Wohlfahrtspflege“ gestellt wurde.
1962 – Das Vorläufergesetz „Bundessozialhilfegesetz“ trat am 1. Juni 1962 in Kraft.
Seit 1976 ist das Bundessozialhilfegesetz Bestandteil des Sozialgesetzbuches (SGB). Seither finden die allgemeinen Regelungen des SGB (insbesondere SGB I und SGB X) auch auf die Sozialhilfe Anwendung.
2003 – Die Grundsicherung für erwerbsgeminderte und alte Menschen wird eingeführt; zunächst als eigenes Gesetz.
2005 – Das SGB II bringt die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für bedürftige erwerbsfähige Personen. Die Sozialhilfe wird ohne eine grundlegende Strukturreform in das neu geschaffene SGB XII eingeordnet. Das Bundessozialhilfegesetz tritt außer Kraft. Die Grundsicherung wird in die Sozialhilfe integriert. Mit der Hilfe zum Lebensunterhalt und dem Arbeitslosengeld II existieren zwei Parallelsysteme zur Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums.
Anspruch
Die Sozialhilfe kann als Geld-, Sach- oder auch als Dienstleistung erbracht werden. Der Regelfall ist die Geldleistung. Alle Leistungen werden nur nach dem Maßstab der Bedürftigkeit erbracht, wobei immer der gesamte Haushalt betrachtet wird, unabhängig davon, ob und wie die Haushaltsmitglieder miteinander verwandt sind (Einsatzgemeinschaft). Jedoch ist der Anspruch jeder einzelnen Person separat zu prüfen. Für den alltäglichen Lebensbedarf wird ein so genannter Regelsatz zugrunde gelegt.
Festlegung des Regelsatzes
Die Höhe dieses Regelsatzes wird in einer Verordnung der Bundesregierung (BRD) festgelegt. An dem Verfahren wird kritisiert, dass die Berechnungsgrundlagen dafür nicht nachvollziehbar gemacht werden. Die Höhe des Regelsatzes hat auch Auswirkung auf die Freibetragsgrenze aller Steuerzahler, also auf das steuerfreie Existenzminimum.[3][4] Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat jede Entscheidung über den Regelsatz nicht nur Auswirkungen auf Leistungsempfänger resp. die Ausgaben der Sozialhilfeträger (Gebietskörperschaft), sondern auch auf die Höhe der Steuereinnahmen und somit auf den Etat (Haushalt) der entscheidenden Institution.[5]
- Hauptartikel: Existenzminimum
Sozialhilfe für Deutsche im Ausland
Deutsche, die im Ausland leben, können nur noch dann Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, wenn sie sich in einer „außergewöhnlichen Notlage“ befinden und eine Rückkehr aus bestimmten Gründen nicht möglich ist (Vorlage:Zitat de § SGB XII).
Asylsuchende; Kriegsopfer
Keine Leistungen aus dem SGB XII erhalten Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) oder Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§Vorlage:Zitat de § ff. Bundesversorgungsgesetz [BVG]) beziehen.
Kein Antragserfordernis
Sozialhilfeleistungen werden erbracht, sobald dem Sozialhilfeträger die Notlage bekannt wird (Vorlage:Zitat de § SGB-XII). Lediglich Leistungen der Grundsicherung erfordern einen Antrag im formellen Sinne. Daher ist es möglich, dass auch andere Personen und Stellen (z. B. Heime, Krankenhäuser) einen „Antrag“ auf Sozialhilfe stellen können.
Subsidiarität
Die Sozialhilfe ist subsidiär, das heißt, dass die meisten anderen Sozialleistungen ihr vorgehen und die Sozialhilfe nur als „Notbehelf“ eintritt (ultima ratio, letztes Mittel). Personen, die als Erwerbsfähige Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) haben, erhalten keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII (Vorlage:Zitat de § SGB XII, Parallelvorschrift Vorlage:Zitat de § Abs. 2 SGB II).
Abgrenzung zu Arbeitslosengeld II
Die Sozialhilfe für grundsätzlich erwerbsfähige Bezieher und deren Familienangehörige ist mit der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 zum Arbeitslosengeld II zusammengefasst worden (nach dem Ideengeber der Reform Peter Hartz im Volksmund „Hartz IV“ genannt). Nach diesem Zeitpunkt sollen nur noch Erwerbsunfähige auf Zeit, Vorruheständler mit niedriger Rente, längerfristig Erkrankte und hilfebedürftige Kinder mit selbst nicht hilfebedürftigen Eltern Sozialhilfe beziehen. Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wurde als Rechtsgrundlage vom Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII) ersetzt, das dann auch die Bestimmungen für Grundsicherungsleistungen für dauerhaft Erwerbsunfähige enthält, die zuvor Leistungen nach dem GSiG (Grundsicherungsgesetz) erhalten.
Die nicht immer genau zu treffende Abgrenzung, welcher Personenkreis tatsächlich als arbeitsfähig einer Erwerbstätigkeit zugeführt werden kann und welcher Personenkreis weiterhin als Sozialhilfeempfänger von den Kommunen versorgt werden muss, führt gelegentlich dazu, dass Personen von den Kommunen zu Empfängern von Arbeitslosengeld II gemacht werden, obwohl sie de facto nicht als arbeitsfähig einzuschätzen sind.
Die Abgrenzung erfolgt danach, in welchem zeitlichen Umfang der Berechtigte einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinem Arbeitsmarkt nachgehen kann und ob er zu einer Bedarfsgemeinschaft der Grundsicherung für Arbeitssuchende zählt sowie nach dem Lebensalter (ab 15 und bis 65 Jahre).
Bei einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden und Vollendung des 18. Lebensjahres besteht Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Gleiches gilt bei Vollendung des 65. Lebensjahres.
Bei einer medizinisch befristeten Einschränkung auf weniger als drei Stunden pro Tag besteht Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe). Ebenso erhält Sozialhilfe, wer unter drei Stunden täglich erwerbsfähig sein kann, aber das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und in keiner Bedarfsgemeinschaft mit einem Berechtigten auf Grundsicherung für Arbeitssuchende lebt (insb. minderjährige, behinderte Kinder in stationären Einrichtungen). Daneben erhalten besondere Personengruppen Sozialhilfe, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht oder schwer vermittelbar sind (z. B. Alkohol- und Suchtkranke).
Grundsicherung für Arbeitssuchende erhält, wer mindestens drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig werden kann oder mit einem Berechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, sofern dieser Angehörige nicht Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hat.
Das Verfahren zur Feststellung einer Erwerbsminderung und zur Bestimmung des richtigen Sozialleistungsträgers wird in Vorlage:Zitat de § SGB II (für die Grundsicherung für Arbeitssuchende; Arbeitslosengeld II) und Vorlage:Zitat de § SGB XII (für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB-XII) geregelt. Die Verfahren sind jedoch nicht identisch.
Hilfearten der Sozialhilfe
Das SGB XII kennt folgende Leistungsarten:
- Hilfe zum Lebensunterhalt (laufende Sozialhilfe zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums), (§§ 27 – 40 SGB-XII)
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (laufende Sozialhilfe für Menschen ab 65 Jahren sowie für dauerhaft voll Erwerbsgeminderte zwischen 18 und 65 Jahren (§§ 41 - 46 SGB-XII)
- Hilfen zur Gesundheit (vorbeugende Gesundheitshilfe, Hilfe bei Krankheit, Hilfe zur Familienplanung, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft, Hilfe bei Sterilisation), (§§ 47 – 52 SGB-XII)
- Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, (§§ 53 – 60 SGB-XII)
- Hilfe zur Pflege, (§§ 61 – 66 SGB-XII)
- Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, (§§ 67 – 69 SGB-XII)
- Hilfe in anderen Lebenslagen (Blindenhilfe, Altenhilfe, Hilfe in sonstigen Lebenslagen, Bestattungskosten), (§§ 70 – 74 SGB-XII)
sowie die jeweils gebotene Beratung und Unterstützung.
Das SGB XII unterscheidet formal nicht mehr wie bisher das BSHG die Hilfe zum Lebensunterhalt und die (frühere) Hilfe in besonderen Lebenslagen. Dennoch bestehen weiterhin Unterschiede bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung bei den einzelnen Hilfearten des SGB XII.

Hilfe zum Lebensunterhalt
- Hauptartikel: Hilfe zum Lebensunterhalt
Die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen überwiegend in Privathaushalten lebende Personen, wobei zusammen wohnende Partner sowie im Haushalt lebende minderjährige Kinder als sog. Bedarfsgemeinschaft oder Einstandsgemeinschaft betrachtet werden. Nach Vorlage:Zitat de § SGB XII umfasst der notwendige Lebensunterhalt „insbesondere Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens“. Zu dem Letzteren gehört auch die Teilnahme am kulturellen Leben. Die aus dem BSHG übertragene Definition verdeutlicht, dass Sozialhilfe nicht nur ein physisches Existenzminimum, sondern einen soziokulturellen Mindeststandard für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben einschließen soll. Hilfe zum Lebensunterhalt wird vorrangig als Geldleistung erbracht. Zunächst wird der Sozialhilfebedarf bestimmt, danach werden das Einkommen und Vermögen (nach dem Elften Kapitel des SGB XII) darauf angerechnet.
Sozialhilfe in Heimen und Anstalten
Die vom Sozialhilfeträger zu übernehmenden Kosten für den Lebensunterhalt in Einrichtungen richten sich nach den Leistungen der Grundsicherung. Übersteigt der Pflegesatz der Einrichtung die Leistung der Grundsicherung, ist gleichwohl der Pflegesatz in voller Höhe aufgrund des Bedarfsdeckungsprinzips zu übernehmen. Zusätzlich ist der so genannte weitere notwendige Lebensunterhalt zu übernehmen, dieser umfasst insbesondere eine Kleiderbeihilfe und einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (umgangssprachlich „Taschengeld“). Der Barbetrag beträgt mindestens 27 % des Eckregelsatzes (Gesetzesänderung zum 01. Januar 2007 BGBl I, S. 2670).
- Beispiel für das Jahr 2007: Eckregelsatz 345 €, davon 27 % entspricht 93,15 € Barbetrag.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
- Hauptartikel: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Nach dem Vierten Kapitel (§Vorlage:Zitat de § - 46 SGB XII) haben Personen ab 65 Jahren sowie dauerhaft aus medizinischen Gründen voll erwerbsgeminderte Personen ab 18 Jahren einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung. Die Leistungen werden in der gleichen Höhe erbracht wie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen (Drittes Kapitel), also derzeit 345 Euro + Miete, sind aber im Unterschied zur Hilfe zum Lebensunterhalt antragsabhängig.
Die Leistungen werden in der Regel für ein Jahr bewilligt. Einkommen wie z. B. Rentenbezüge oder Vermögen des Leistungsberechtigten, des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft werden wie in der Sozialhilfe angerechnet, jedoch erfolgt gegenüber unterhaltsverpflichteten Kindern bzw. Eltern mit einem Jahreseinkommen unterhalb von 100.000 Euro kein Unterhaltsregress vorgenommen.
Hilfen zur Gesundheit (§§ 47 - 52 SGB XII)
Personen, die Leistungen nach dem SGB XII beziehen, werden (anders als Empfänger von Arbeitslosengeld II) in der Krankenkasse nicht pflichtversichert. Sofern keine Pflichtversicherung (z. B. über eine versicherungspflichtige Beschäftigung) besteht, werden die fälligen Beträge für die freiwillige Weiterversicherung die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Bedarf berücksichtigt.
Personen, die nicht krankenversichert sind, können Leistungen nach dem 5. Kapitel des SGB XII (Hilfen zur Gesundheit) erhalten; hier besteht seit dem 1. Januar 2004 die Möglichkeit der Meldung an eine Krankenversicherung; die Krankenkasse leistet im Rahmen des Betreuungsverhältnisses wie für reguläre Mitglieder gesetzliche und satzungsgemäße Leistungen, die Kosten trägt das Sozialamt (§ 264 SGB V).
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 - 60 SGB XII)
- Hauptartikel: Eingliederungshilfe
Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen hat die Aufgabe, „eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern“ (Vorlage:Zitat de § Abs. 3 SGB XII). Leistungsberechtigt sind alle Personen, die dauerhaft körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert oder von einer Behinderung bedroht sind.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist im wesentlichen, wie bisher im BSHG geregelt waren. Die eingeschränkte Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei behinderten Menschen wurde in Vorlage:Zitat de § SGB XII geregelt. Es besteht nun auch die Möglichkeit, Leistungen der Eingliederungshilfe als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets zu erbringen (Vorlage:Zitat de § SGB XII). Mit dem Persönlichen Budget sollen behinderte und pflegebedürftige Menschen eigenständig bestimmen können, welche Dienstleistungen sie in welcher Form und von welchem Anbieter in Anspruch nehmen.
Hilfe zur Pflege (§§ 61 - 66 SGB XII)
- Hauptartikel: Hilfe zur Pflege
Die Sozialhilfe übernimmt bei Pflegebedürftigkeit die mit der Pflege verbundenen Kosten ganz oder teilweiset. Seit Einführung der Pflegeversicherung ist die Sozialhilfe vor allem zuständig
- für Pflegebedürftige, die das Kriterium der „erheblichen Pflegebedürftigkeit“ (die Stufe I nach Vorlage:Zitat de § SGB XI) nicht erfüllen,
- in Fällen kostenintensiver (Schwerst-) Pflege, wenn die nach oben hin begrenzten Leistungen der Pflegeversicherung nicht ausreichen,
- für die Finanzierung der von der Pflegeversicherung nicht übernommenen Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten bei der Pflege in Einrichtungen
- sowie für nicht pflegeversicherte Personen.
Die Regelungen der Hilfe zur Pflege wurden weitgehend aus dem BSHG übernommen. Auch hier besteht die Möglichkeit, Leistungen als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets zu erhalten.
Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 - 69 SGB XII)
Die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten richtet sich an Menschen, die insbesondere von Obdachlosigkeit betroffen sind.
Hilfe in anderen Lebenslagen (§§ 70 - 74 SGB XII)
Das Neunte Kapitel des SGB-XII enthält verschiedene Leistungen:
- die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (Vorlage:Zitat de §),
- die Altenhilfe (Vorlage:Zitat de §),
- die Blindenhilfe (Vorlage:Zitat de §),
- die Übernahme von Bestattungskosten (Vorlage:Zitat de §)
- und als Auffangnorm die Hilfe in sonstigen Lebenslagen (Vorlage:Zitat de § SGB XII).
Einkommensanrechnung
Die Sozialhilfe ist (wie auch das Arbeitslosengeld II) abhängig von Einkommen (Vorlage:Zitat de § SGB-XII) und Vermögen (Vorlage:Zitat de § SGB-XII). So wird z. B. das Kindergeld als Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet.
Ausnahmen gelten z. B. für Erziehungsgeld, Pflegegeld, Opferentschädigungsrenten, Schmerzensgelder, Leistungen der Stiftung „Mutter und Kind“ u.a., die nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden dürfen.
Leistungsberechtigte können von dem aus einer Erwerbstätigkeit erzielten Einkommen 30% behalten. Hierbei wird davon ausgegangen, dass eine Erwerbstätigkeit im Sozialhilferecht einen geringeren Umfang als 3 Stunden pro Tag hat, denn bei höherer Leistungsfähigkeit würden die Betroffenen in den Leistungsbereich des SGB II (Arbeitslosengeld II) übergehen.
Abweichend davon bleibt für Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen der anrechnungsfreie Betrag wie bisher ein Achtel des Eckregelsatzes zuzüglich 25% des übersteigenden Entgelts.
Das Arbeitsförderungsgeld nach Vorlage:Zitat de § Satz 4 SGB IX bleibt generell anrechnungsfrei, nicht nur im Falle der stationären Eingliederungshilfe. Außerdem wurden die Einkommensgrenzen bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel verändert: Statt der allgemeinen und der besonderen Einkommensgrenzen nach dem BSHG kennt das SGB XII nur noch eine Einkommensgrenze in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (z.Zt. in den alten Bundesländern 690 Euro) zuzüglich 70% des Eckregelsatzes für jedes weitere Familienmitglied sowie der Kosten der Unterkunft.
Vermögensanrechnung
Vermögen der Betroffenen wird nach Vorlage:Zitat de § SGB-XII grundsätzlich angerechnet. Einige Vermögenswerte bleiben anrechnungsfrei. Geringe Barbeträge zwischen 1.600 und 2.600 Euro sind ebenfalls anrechnungsfrei. Die Vermögensfreibeträge bei ALG 2 liegen demgegenüber deutlich höher.
Anspruchsübergang
Eine andere Folge der Orientierung an der Bedürftigkeit und der Nachrangigkeit ist die, dass die Träger der Sozialhilfe nachforschen, ob ein Antragsteller möglicherweise zivilrechtliche Unterhaltsansprüche hat, die er selbst nicht geltend macht oder nicht geltend machen will; dies kommt z. B. häufig vor, wenn Sozialhilfe für Kinder beansprucht wird und ein allein erziehender antragstellender Elternteil mit dem anderen Elternteil nicht zusammenlebt und auch keine Verbindung mehr hat. Das Gesetz gibt für solche Fälle dem Sozialhilfeträger die Befugnis, die Unterhaltsansprüche, die dem Hilfeempfänger zustehen, auf sich selbst überzuleiten (sie sich sozusagen anzueignen) und im eigenen Namen geltend zu machen.
Leistungsträger
Träger der Sozialhilfe sind für den „Normalfall“ der Sozialhilfe, der Hilfe zum Lebensunterhalt, die Landkreise, kreisfreien Städte und Sonderstatusstädte. Für bestimmte Menschen in besonderen Lebenslagen (z. B. Behinderte, die dauerhaft in Wohnheimen untergebracht sind) bestehen je nach Bundesland spezielle Zuständigkeiten von Behörden oder Trägern mit einem größeren räumlichen Zuständigkeitsbereich (beispielsweise in NRW die Landschaftsverbände).
Die Zuständigkeit der Landkreise, kreisfreien Städte und Sonderstatusstädte besteht nicht nur hinsichtlich der Verwaltung, sondern auch hinsichtlich der Finanzierung der Sozialhilfe. Daher haben die Gemeinden ein Interesse daran, dass Sozialhilfeempfänger möglichst in anderen Hilfesystemen aufgefangen werden und nicht im „letzten sozialen Netz“, der Sozialhilfe landen oder verbleiben.
Kritik
Missbrauchs- bzw. Faulheitsdebatten
Einer Studie des WZB (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)[6] zufolge führte die sich im Zuge des technologischen Wandels seit Mitte der 1970er Jahre kontinuierlich verschlechternde konjunkturelle Lage sowie die infolgedessen zunehmende Arbeitslosigkeit[7] zu einer Reihe von (politischen) Missbrauchsdebatten mit dem Ziel, Leistungseinschränkungen oder auch Zumutbarkeits- oder Sanktionsverschärfungen den Boden zu bereiten, indem Leistungsbezieher mit dem Attribut des potenziellen Betrügers ausgestattet werden (Sündenböcke).[8] Es wird stets der Eindruck vermittelt, es handele sich um ein Massenphänomen, obgleich valide Zahlen fehlen.
Vorliegende Zahlen und Daten weisen jedoch darauf hin, dass der „Missbrauch“ jedenfalls nicht als Massenphänomen angesehen wird. So werden zum Beispiel infolge der neuerlichen Sanktionsverschärfung im Zuge des SGB II-Fortentwicklungsgesetzes (BT-Drucksache 16/1410[9]) Einsparungen in Höhe von ca. 20 Millionen Euro jährlich erwartet, also ein im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen mehr als marginaler Betrag.[10]
Der in der Berichterstattung der Medien zu Unrecht als „Missbrauch“ dargestellte Fall des „Florida-Rolf“ schrieb Rechtsgeschichte: „Die Bundesregierung durch die zuständige Ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung“ sah sich veranlasst, „in einer beispiellosen Blitzaktion innerhalb Wochenfrist im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 119 BSGH einzubringen.“ [11]
Die Verbleibedauer in Sozialhilfebezug ist nicht so hoch wie oft angenommen: „von 100 Einsteigern in die Sozialhilfe sind nach einem Jahr 59, nach drei Jahren 78 und nach fünf Jahren 83 wieder ausgeschieden“ (Gebauer,R.: Wer sitzt in der Armutsfalle?, 2002, S.20)
Sozialleistungsbetrug
Der unrechtmäßige Bezug von staatlichen Leistungen (Arbeitslosengeld I und II, Sozialhilfe) wird umgangssprachlich Sozialhilfebetrug genannt.
Genaue Zahlen sind nicht ermittelbar. Dies liegt zum einen an der Vielzahl der Leistungsformen, als auch an uneinheitlichen Meldeverfahren bei zu Unrecht erbrachten Leistungen. Oftmals werden Schäden, die durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten verursacht wurden, durch Aufrechnung mit zukünftigen Leistungen oder Erstattung „geheilt“. Nur in einem kleineren Teil der Fälle kommt es zu Gerichtsverfahren.
Siehe auch
Grundsicherung, Arbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld 2, Elternunterhalt, Existenzminimum, Hartz IV, Sozialabbau, Soziale Gerechtigkeit, Soziale Sicherheit, Sozialklauseln, Sozialstaat, Altersarmut, Sozialkriminalität
Weblinks
Rechtsnormen
Sonstige
- Umfangreiche Infoseiten zu Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe bei der Arbeitnehmerkammer Bremen
- Hartz IV - Leistungen und Perspektiven
- Sozialhilfe und die Verordnungen nach altem Recht
- Menschenwürde und Existenzminimum, Prof. Dr. Volker Neumann (PDF-Datei; 95 KB)
- Das sozialgerichtliche Verfahren - Information der Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland
- Faule Arbeitslose? Zur Debatte über Arbeitsunwilligkeit und Leistungsmissbrauch Bundeszentrale für politische Bildung
Arbeitsloseninitiativen bzw. Ansprechstellen in Deutschland
- Aktuelle Infoseiten und Forum zum Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Grundsicherung
- Kritik, Fragen, Austausch, Hilfe, Tips und Ratschläge zu Sozialhilfethemen
- Einführung und vertiefende Informationen zu Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter
- Beamte4u - Viele aktuelle Informationen und nützliche Tips und Tricks zur Sozialhilfe
- Sozialhilfe neu und alt
- Sozialhilfe nach deutschem Recht für Deutsche in Chile
- argezeiten.de Juristisches und juristische Kommentare zu SGB II und SGB XII für Hamburg und Bundesweit
- Informationen und Nachrichten zum Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe, sowie zur Arbeitsmarktreform Hartz IV
Quellen
- ↑ Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Prof. Dr. Volker Neumann, Menschenwürde und Existenzminimum, Seite 3 f. (PDF-Datei; 95 KB)
- ↑ BVerfGE 82, 60, 85 = Rdnr. 104 ff. in BVerfGE 82, 60 - Steuerfreies Existenzminimum (der sogenannte Kindergeld-Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes)
- ↑ Vgl. BT-Drucksache 14/6812 - Gesetzentwurf der Bundesregierung; Siebtes Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, Seite 8 (PDF-Datei; ca. 1,8 MB)
- ↑ BVerfGE 82, 60, 85 = Rdnr. 104 ff sowie BVerfGE 82, 60, 94 = Rdnr. 128 ff. in BVerfGE 82, 60 - Steuerfreies Existenzminimum
- ↑ Marie-Luise Hauch-Fleck: Rechnen, bis es passt / Die Bundesregierung manipuliert das Existenzminimum – zum Schaden aller Steuerzahler, DIE ZEIT (Nr. 01/2007), 28.Dezember 2006
- ↑ Homepage des WZB (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
- ↑ Vgl. Werner Bührer: Wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 270: Deutschland in den 70er/80er Jahren, 2001
- ↑ Frank Oschmiansky: Faule Arbeitslose? Zur Debatte über Arbeitsunwilligkeit und Leistungsmissbrauch, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (Bundeszentrale für politische Bildung), 2003
- ↑ BT-Drucksache 16/1410 (PDF-Datei)
- ↑ Uwe Berlit (Vortrag auf der Fachtagung "Netzwerk SGB II"): Sanktionen - sozialrechtliche Vorgaben, Leipzig, 3. Mai 2006 (PDF-Datei; ca. 136 kB)
- ↑ Wörtliches Zitat aus: Albrecht Brühl: Florida-Rolf, Viagra-Kalle und Yacht-Hans abgedruckt in: info also 1/2004