Zum Inhalt springen

Auslandseinsätze der deutschen Polizei

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. April 2007 um 19:01 Uhr durch Feba (Diskussion | Beiträge) (Arbeitsschwerpunkte und Lebensbedingungen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Beteiligung deutscher Polizisten an internationalen Einsätzen

Traditionell ist die Polizei ausschließlich zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung innerhalb der Bundesrepublik konzipiert. Dies ist auch entsprechend gesetzlich geregelt. In den letzten Jahren kamen zu diesen bisher gesetzlich geregelten Tätigkeiten allerdings auch Tätigkeiten im Ausland hinzu.

Die Begründung hierfür, die teilweise auch kritisiert wird, lautet, dass Deutschland eine weltpolitische Verantwortung zur Schaffung humanitärer Lebensbedingungen sowie zur Hilfeleistung in Krisenregionen und zur Verhinderung von Mord, Vertreibung und Menschenrechtsverletzungen habe.

Umstritten ist auch, ob das bundesdeutsche Engagement im Rahmen des internationalen Krisenmanagements auch tatsächlich zur Wahrung innenpolitischer Interessen beiträgt. Die Debatte ähnelt der aufgeflammten Diskussion darüber, ob die Bundesrepublik durch Bundeswehrsoldaten tatsächlich am Hinukusch verteidigbar sei, was von einigen Politikern bestritten wurde.

Die Befürworter der Einsätze argumentieren, durch die Stabilisierung nationaler und internationaler Sicherheit würden zudem weltweite Flüchtlingsströme verhindert, Flüchtlingen wird die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht.

Außerdem diene die Stärkung des Rechtsstaates und der Zivilgesellschaft in den betroffenen Ländern letztlich auch der Bekämpfung grenzüberschreitender, organisierter Kriminalität, die sich fehlende rechtsstaatliche Strukturen in ehemaligen Kriegs- und Krisengebieten für ihre eigenen Zwecke zu Nutzen macht.

Seit August 1989 nehmen deutsche Polizisten an Auslandseinsätzen teil. Die ersten Bundesgrenzschutz Beamte wurden im Rahmen der UNTAG, in Namibia, eingesetzt. Nach Einsätzen in Kambodscha (UNTAC 1992), der West-Sahara (MINURSO 1993) und auf der Donau (WEU Danube 1993) traten auch deutsche Polizisten der Landespolizeien am 13. Oktober 1994 erstmals einen Einsatz im Ausland an. Sie unterstützten den deutschen WEU Administrator Hans Koschnick bei seiner Mission in der Stadt Mostar während des Bürgerkrieges in Bosnien und Herzegowina.

Seitdem sind Polizisten schwerpunktmäßig auf dem Balkan (Bosnien-Herzegowina: WEU Mostar Administration, UNMIBH und EUPM / Albanien: WEU MAPE / Kroatien: OSCE PMG / Kosovo: OSCE KVM, UNMIK / Mazedonien: EU PROXIMA), aber auch in Georgien (UNOMIGgg), Afghanistan (PGPAA) und Liberia (UNMIL), sowie im Sudan (Darfur und Süd-Sudan) mehr als 4.300 Mal zum Einsatz gekommen. Viele Polizisten haben bis heute zum wiederholten Male an Auslandseinsätzen teilgenommen.

Einsatzstärke

(Stand 10. August 2005)

Aktuell sind 327 deutsche Polizeivollzugsbeamte im Auftrag der Vereinten Nationen und der Europäischen Union eingesetzt. In den Einsatzgebieten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Afghanistan, Kosovo, Georgien, Liberia und im Sudan sind sie fester Bestandteil der friedensichernden und -erhaltenden UN-Missionen oder engagieren sich im Rahmen des Zivilen Krisenmanagements der EU. Das traditionell stärkste Landeskontingent im German Police Contingent (GEPOLCON) stellt Nordrhein-Westfalen mit derzeit 52 Polizisten.

Arbeitsschwerpunkte und Lebensbedingungen

Je nach Missionsmandat ergeben sich für die deutschen Polizisten unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Ein Exekutivmandat üben sie exklusiv im Kosovo, im Rahmen der United Nation Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK) aus. Die Beratung, Unterstützung und Überwachung des Aufbaus der lokalen Polizeiorganisationen steht normalerweise im Fokus der internationalen Gemeinschaft. Eine funktionierende, nach demokratischen Grundsätzen operierende, verlässliche und vertrauenswürdige Polizeiorganisation ist für die Stabilität und die Rekonstruktion einer Post-Konflikt-Gebietes von essentieller Bedeutung.

Die Einsatzdauer beträgt für die deutschen Polizistinnen und Polizisten grundsätzlich acht Monate mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere vier Monate. In den Einsätzen tragen sie deutsche Uniformen, an denen zusätzlich eine Deutschlandflagge und die Hoheitssymbole der Mandatsgeber angebracht werden.

Besonders die europäischen Polizisten werden in den Missionsgebieten mit belastenden Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert, die den nationalen Verhältnissen nicht vergleichbar sind. In der Regel ist die Infrastruktur des Einsatzgebietes zerstört. Die deutschen Polizisten sind im Gegensatz zu den Bundeswehrsoldaten nicht in Gemeinschaftsunterkünften oder Feldlagern untergebracht. Durch Selbstmanagement organisieren sie ihre Unterkünfte für die Einsatzdauer auf dem jeweiligen "freien Wohnungsmarkt". Engpässe bei der Wasser-, Gas- und Stromversorgung sind so die Regel. Umwelt- und Luftverschmutzung, ein chaotischer Straßenverkehr, hohe Gewaltbereitschaft und Kriminalitätsraten, sowie die Tragödien durch Elend und Vertreibung sind alltägliche und allgegenwärtige Stressoren.

Bei der Neuorganisation der häufig korrupten und in der Regel nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen agierenden Polizeiorganisationen stehen deutsche Polizisten immer wieder im Brennpunkt innerstaatlicher Spannungen, ethnischer, religiöser und sozialer Konflikte.

Die bundesweit drei ausgewiesenen Trainingsstandorte für polizeiliche Auslandsverwendungen in Lübeck (Bundespolizei), Brühl (Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei NRW) und Wertheim (Polizeiakademie Baden-Württemberg) tragen diesen Umständen durch eine gezielte Einsatzvorbereitung besondere Rechnung.

Multikulturelle Kompetenz, Charakterstärke, Teamfähigkeit, hohe Einsatzbereitschaft, Selbstmanagement und diplomatisches Geschick sind die Grundvoraussetzungen für die Verwendung deutscher Polizisten in internationalen Friedenseinsätzen.

Einsatz bei europäischen Sportgroßveranstaltungen

Im Kampf gegen den Terrorismus treten deutsche Polizeikräfte bei ausländischen europäischen Sportgroßveranstaltungen auf. Rechtsgrundlage ist der Leitfaden für die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Terroranschlägen bei den Olympischen Spielen und anderen vergleichbaren Sportveranstaltungen des Europäischen Rates. Dort agieren sie ohne Hoheitsrechte. Gleiches gilt für ausländische Polizeikräfte während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 (vgl. auch Antwort auf eine kleine Anfrage im Bundestag). Nach neusten Berichten erhalten ausländische Polizisten Hoheitsrechte [1].