Gottfried von Straßburg
Gottfried von Straßburg, einer der bedeutendsten deutscher Dichter des Mittelalters, lebte Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts, war Zeitgenosse von Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach und Walther von der Vogelweide.
Überblick
Ob er bürgerlichen Standes gewesen oder nicht, läßt sich nicht entscheiden. Durch gelehrte Bildung seine dichtenden Zeitgenossen fast alle überragend, verfasste er um 1210 die große epische Dichtung: "Tristan und Isolde". Er starb vor der Vollendung zwischen 1210 und 1220. Der Stoff seines Epos gehört dem bretonischen Sagenkreis an und war bereits im 12. Jahrhundert in weniger kunstvoller Weise von Eilhard von Oberge bearbeitet worden, wie denn die welsche oder irische Tristansage früh auch schon im Französischen und Englischen, dann im Spanischen, Dänischen, Norwegischen, Slawischen (Böhmischen) und selbst im Mittelgriechischen dichterische Bearbeitung erfuhr. Gottfried hat als Quelle für sein Epos ein Werk des französischen Trouvere Thomas benutzt, das uns aber nur in Bruchstücken erhalten ist, die an einem kleinen Stück einen unmittelbaren Vergleich ermöglichen. Einigermaßen ersetzt wird diese Quelle durch das Vorhandensein einer nordischen Prosaübersetzung: "Tristrams Saga ok Isondar". Der Vergleich zeigt, dass die meisten Züge der Handlung schon dem Original angehören. Der Gang der Erzählung in "Tristan und Isolde" ist im wesentlichen folgender:
- Tristan, der Sohn Riwalins von Parmenien und Blancheslours, wird nach dem frühen Tod seiner Eltern durch den treuen Marschall seines Vaters, Rual, erzogen und kommt nach mannigfachen Abenteuern zu seinem Oheim, König Marke von Cornwall.
- Dieser sendet Tristan aus, für ihn um Isolde, die schöne Königstochter in Irland, zu werben. Isolde, welche die Werbung annimmt, geht mit Tristan zu Schiff, und eine der Jungfrauen in ihrem Gefolge erhält von der Königin heimlich einen Minnetrank, den sie Isolde und ihrem Gemahl bei der Hochzeit zu trinken geben soll, um beide mit unwandelbarer Treue aneinander zu ketten.
- Es ereignet sich aber das Unglück, dass Tristan und Isolde auf der Überfahrt den Zaubertrank, ohne von der Wirkung desselben etwas zu wissen, trinken und infolgedessen ihre Herzen von unwiderstehlicher Liebe zu einander ergriffen werden. Isolde wird die Gemahlin Markes, den nun das in allen Künsten der Liebesklugheit meisterhaft gewandte Paar fort und fort betrügt.
- Nach einer langen Reihe solcher Abenteuer endlich von Marke entdeckt, zieht Tristan nach der Normandie und knüpft hier mit einer anderen Isolde ("Isolde Weißhand"), mit dem Namen sich täuschend, eine neue Liebschaft an, ohne sich jedoch befriedigt zu fühlen und ohne die frühere Isolde vergessen zu können.
- Mit der Schilderung dieses Zwiespalts in Tristans Seele bricht Gottfrieds Gedicht ab.
"Tristan und Isolde" wird zu den schönsten epischen Gedichten des deutschen Mittelalters gezählt. An Klarheit und Durchsichtigkeit der Darstellung, an zauberischem Reiz leichten Gedankenflusses, an plastischer Geschlossenheit und konsequenter Durchführung der Gestalten, an melodischem Wohllaut der Sprache und des Reims sucht Gottfrieds Dichtung in der ganzen höfischen Epik, sowie im Volksheldengesang der besten Zeit mittelhochdeutscher Poesie ihresgleichen.
Gottfried bildet in seiner weltmännischen Lebensanschauung den größten Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Wolfram von Eschenbach, mit dem er auch eine literarische Polemik führte.
Wer eine so wunderbar genaue Kenntnis des menschlichen, zumal des weiblichen, Herzens bekundet, wer den "sehnenden Zwang" der Minne so unvergleichlich innig, so in zartester Milde wie in brennendster Glut zu schildern weiß wie Gottfried, dem kann man nicht ohne schwere Ungerechtigkeit die seelischen Eigenschaften, welche dem Dichter am wesentlichsten sind, absprechen. Wir besitzen von Gottfried auch einige lyrische Gedichte.
An der Fortsetzung von "Tristan und Isolde" haben sich bald nach Abfassung des Gedichts zwei Poeten versucht: plump und trocken Ulrich von Türheim; mehr dem Stil Gottfrieds sich nähernd, gewandt und anmutig Heinrich von Freiberg, beide aber nach einer anderen Quelle als der von Gottfried benutzten.
Weblinks
- http://www.ub.fu-berlin.de/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/multi_fgh/gottfr.html Kommentierte Linksammlung