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Sachenrecht (Deutschland)

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Deutsches Recht

Das Sachenrecht regelt in Deutschland als Teil des Zivilrechts und drittes Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches die Beherrschung der Sachgüter durch den Menschen. Dabei wird durch das Sachenrecht als objektivem Recht diese Beherrschung sowohl für die Ruhelage (also z.B. die Befugnisse des Eigentümers oder Besitzers) als auch für die Veränderung (also z.B. Übereignung und Besitzverschaffung) normiert.

Im Sachenrecht herrscht, anders als im Schuldrecht, wo durch Vereinbarung neue Vertragstypen geschaffen werden können, Typenzwang, d.h. es gibt nur die im Gesetz im einzelnen ausdrücklich geregelten Arten von dinglichen Berechtigungen an einer Sache. Dies sind:

Diese dinglichen Rechte wirken absolut, d.h. gegenüber jedermann. Vertragliche Rechte wirken dagegen nur im Verhältnis zum Vertragspartner. Die dinglichen Rechte sollen offenkundig, also für jedermann erkennbar sein. Diese Publizität wird bei beweglichen Sachen durch den Besitz, bei unbeweglichen Sachen durch die amtliche Aufzeichnung im Grundbuch gewährleistet. Die dinglichen Rechte sind regelmäßig übertragbar, Ausnahmen gelten für den Nießbrauch und die Dienstbarkeiten. Die auf die dinglichen Rechte bezogenen Rechtsgeschäfte sind von den zu Grunde liegenden vertraglichen Beziehungen zu trennen (Trennungsprinzip) und von deren rechtlichem Schicksal unabhängig (Abstraktionsprinzip).

Siehe auch: Besitz, Fundrecht, Grundstück, Immobilie, Übereignung


Österreichisches Recht

Das Sachenrecht regelt die Rechtsbeziehung zwischen Sachen und Menschen. Das weitreichendste Sachenrecht ist das Eigentum. Der bloße Besitz selbst ist kein Sachenrecht. Die wichtigsten sachenrechtlichen Institute sind:

Rechtsnormen

  • ABGB: Die zentralen Normen des Sachenrechts befinden sich im Zweiten Teil des ABGB, wobei anzumerken ist, dass das ABGB als eine noch auf dem Institutionensystem aufgebaute Kodifikation unter dem Begriff "dingliches Sachenrecht" das Sachenrecht im heutigen Sinn und das Erbrecht i.h.S. und unter "persönliches Sachenrecht" das Schuldrecht i.h.S. bezeichnet. Diese Einteilung wird jedoch in Lehre und Rechtssprechung als historisch betrachtet; rechtswissenschaftlich werden Einteilung und Terminologie des moderneren Pandektensystems verwendet.
  • Nebengesetze
    • GBG (Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955): Regelungen über das Grundbuch
    • WEG (Wohnungseigentumsgesetz 2002): Begründung und Erwerb von Wohnungseigentum, Eigentümerpartnerschaft, Verwaltung der Liegenschaft, Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers
    • BauRG (Baurechtsgesetz 1912): Regelungen über das Baurecht

Charakter und Grundprinzipien

  • Publizitätsgrundsatz: Sachenrechte müssen, um von jedermann beachtet werden zu können, offenkundig sein. Dies wird insbes. beim Pfandrecht deutlich: An beweglichen Sachen exisitert es nur soweit, als der Pfandschuldner (= Forderungsgläubiger) die Pfandsache tatsächlich inne hat (Faustpfandprinzip); an unbeweglichen Sachen nur soweit das Pfandrecht im Grundbuch eingetragen ist.
  • Typenzwang: Das ABGB und die Nebengesetze stellen eine geschlossene Anzahl (numerus clausus) an Sachenrechte zur Verfügung, von denen der Rechtsunterworfene entweder Gebrauch machen kann oder nicht, diese jedoch nicht abändern und neue "erfinden" kann, wie es z.B. im Schuldrecht (atypische Verträge) möglich ist.
  • Weiters sind sachenrechtliche Normen zwingende Normen (ius cogens) und nicht bloß, wie schuldrechtliche Bestimmungen, Normen "im Zweifel" (ius dispositivum).
  • Ebenfalls im Gegensatz zu den (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäften sind (sachenrechtliche) Verfügungsgeschäfte grundsätzlich formpflichtig (Übergabe bzw. Einverleibung im Grundbuch) und kausal: Das Verfügungsgeschäft bedarf zu seiner Gültigkeit eines geeigneten Verfügungsgeschäftes (z.B. für Übereignung: Kauf, Schenkung, Tausch, Darlehen); abstrakte Verfügungen sind ungültig.
  • Auch ist zu bedenken, dass sich Sachenrechte immer nur auf einzelne Sachen beziehen (Spezialität). Ein Unternehmen kann durch einen einzigen Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) verkauft werden, zur Eigentumsübertragung bedarf es jedoch einzelner Akte; so sind beweglichen Sachen (ggf. durch Zeichen) zu übergeben und alle Grundstücke einzeln grundbücherlich einzuverleiben.
  • Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (lat. "Niemand kann mehr Recht übertragen, als er selbst hat."): Derivativer (= vom Vormann abgeleiteter) Erwerb ist nur insoweit möglich, als der Vormann auch bereits entsprechend berechtigt war. So kann der bloße Inhaber einer Sache oder auch der Pfandgläubiger diese - derivativ - nicht übereignen. Ausnahmsweise kann dieses Prinzip jedoch dadurch umgangen werden, dass ein originärer Erwerb (z.B. gutgläubiger Erwerb nach § 367 ABGB) stattfindet.
  • Superficies solo cedit (lat. "Überbauten weichen [in rechtlicher Hinsicht] dem Boden [= Grundstück]"): Werden demnach bisher bewegliche Sachen (z.B. Ziegel) mit einem Grundstück untrennbar verbunden, so werden diese zu einer unbeweglichen Sache; wird z.B. eine Einbauküche untrennbar mit dem Haus verbunden, so wird diese zu einer unbeweglichen Sache. Selbst der Wachhund kann als Liegenschaftszugehör als unbeweglich gelten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind: Superädifikate, Baurecht, Stockwerkseigentum

Einteilungen der Sachen

§ 285 ABGB: "Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt."

Nach dieser sehr weitreichenden Definition des ABGB sind alle Sachen, die zum Gebrauch dienen erfasst, womit vor allem auch unkörperliche Sachen (wie Arbeitsleistungen, Rechte, Anwartschaften, Software an sich [nicht auf einem Datenträger]) umfasst sind. Die Grenze zieht § 286 bei allem, was vom Menschen unterschieden ist und somit leicht von ihm getrennt werden kann (also Sachen sind z.B. Brillen, Kontaktlinsen, Gebissprothesen; keine Sachen sind z.B. Zahnplomben) sowie was dem Gebrauch dient und beherrschbar ist (keine Sache ist die Luft, das Meer, ein Fluss; eine Sache ist jedoch Beherrschbares wie z.B. Luft in einer Sauerstoffflasche).

Wenngleich unkörperliche Sachen ebenso wie körperliche als Sachen qualifiziert werden, ist anzumerken, dass die meisten sachenrechtlichen Bestimmungen des ABGB überwiegend für körperliche Sachen gedacht sind. Aus diesem Grunde ist mitunter durch Auslegung zu ermitteln, ob sich eine Bestimmung nicht vorwiegend auf körperliche Sachen bezieht.

Einfache und zusammengesetzte Sachen

  • einfache Sachen (z.B. ein lebendes Tier)
  • zusammengesetzte Sachen (Hauptsache + Zugehör)
    • unselbstständige Bestandteile: sind sonderrechtsunfähig (z.B. Lack eines Autos)
    • selbstständige Bestandteile: sind sonderrechtsfähig (z.B. Reifen eines Autos)
    • Zubehör (z.B. Warndreieck oder spezifisches Werkzeug eines Autos)

Beweglichkeit

Die Unterscheidung von beweglichen und unbeweglichen Sachen ist die wichtigste Differenzierung im Sachenrecht. Bewegliche Sache können "ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt werden" (§ 293 ABGB). Demnach sind vormals bewegliche z.B. in ein Haus eingemauerte Sachen unbeweglich; eine Trennung würde die Substanz verletzen und einen wirtschaftlichen Aufwand darstellen.

Ausnahmen:

  • Superädifikate sind bewegliche Sachen: Ein Superädifikat ist eine (relativ) grundfester Bau, der in fehlender Belassungsabsicht errichtet wird. Diese Absicht wird z.B. durch einen Mietvertrag über den Aufstellungsort deutlich. So kann ein fest z.B. verschraubter Verkaufsstand (z.B. auf einem Markt, im Prater), ein eingemauerter Verkaufsstand oder sogar ein "normales Haus" als Superädifikat gelten.
  • Liegenschaftszugehör gilt als unbeweglich: Der z.B. Traktor, der im Betrieb eine Bauernhofes verwendet wird, ist eine unbewegliche Sache. Gemäß der Sonderregel des § 297a ABGB gelten bestimmte Sachen, Maschinen, grundsätzlich als Zugehör einer Liegenschaft, es sei denn das dingliche Recht eines Anderen an ihnen ist grundbücherliche angemerkt.

Körperlichkeit

Körperliche Sachen "fallen in die Sinne" (§ 292 ABGB), unkörperliche Sachen nicht. Zu den körperlichen Sachen zählen demnach auch elektrischer Strom, Gas, Wärme; zu den unkörperlichen insbesondere Rechte, weiters Software als solche - Software auf einem Datenträger ist eine körperliche Sache! - und Arbeitsleistungen.

Vertretbarkeit

Vertretbare Sachen (Genus- oder Gattungssachen) sind in vielfacher Anzahl erhältlich (z.B. die Waren in einem Supermarkt), unvertretbare Sachen sind Einzelstücke (z.B. Waren in einem Antiquitätengeschäft). Die Unterscheidung ist im heutigen Wirtschaftsleben von untergeordneter Bedeutung.

Verkehrsfähigkeit

Nicht verkehrsfähige Sachen sind z.B. automatische Feuerwaffen (z.B. StG 77 des Bundesheeres oder Sprengstoff, beschränkt verkehrsfähige Sachen sind genehmigungspflichtige Feuerwaffen wie z.B. Pistolen oder Revolver. Die Beschränkung der Verkehrsfähigkeit bewirkt die Nichtigkeit des dem Erwerb zugrundegelteten Vertrages (z.B. Kaufvertrag).

Entwicklung

Das Sachenrecht ist eine relativ änderungskonstante Rechtsmaterie, sodass die meisten Bestimmungen aus dem Jahr 1811 unverändert in Geltung stehen. Abgesehen von geringfügigen Ergänzungen bzw. Novellierungen wie der § 285a aus dem Jahr 1988, in dem Tiere - rein programmatisch - nicht mehr als Sachen bezeichnet werden und Änderungen des Nachbarrechts im Zuge der dritten Teilnovelle 1916 wurde im Jahr 2002 das Fundrecht gänzlich novelliert. 2003 wurde auch das Nachbarrecht geändert: § 364 schützt nun auch vor dem Entzug von Licht und gem. § 422 hat der Nachbar beim Entfernen von überhängenden Ästen nun "fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen".

Auf der Ebene der Nebengesetze wurde 2002 das WEG 1975 (Wohnungseigentumsgesetz) durch das - formell - gänzlich neue WEG 2002 ersetzt.