Benutzer:TobiasKlaus/Beobachtung
Die Beobachtung der Natur ist die eigentliche Wurzel der Wissenschaft. Sie unterscheidet sich von der reinen Betrachtung dadurch, dass sie in einen Kontext einer Theorie eingebunden ist.
Der Begriff Beobachter wird als Instanz definiert, die – in einem Prozess der Grenzziehung oder Unterscheidung – etwas als von sich selbst verschieden betrachtet und sich auf dieses Etwas irgendwie bezieht, und wird in der Philosophie als Subjekt bezeichnet.
Im modernen wissenschaftlichen Kontext spielt die Beobachtung in zwei Aspekten eine besondere Rolle:
- Zum einen bildet die Gesamtheit aus Beobachter, Beobachtungsobjekt und Beobachtung das Experiment, dessen Auswertung als Schlussfolgerung (Urteil) bezeichnet wird. Die Beobachtung spielt für die angewandten Wissenschaften die Rolle, die das Modellverhalten für die theoretischen Wissenschaften spielt.
- Der Beobachter ist in diesem Sinne die reale Person, die die Beobachtung vornimmt. Die Beobachtung unterscheidet sich in diesem Kontext von der Wahrnehmung durch ihr Streben nach Beobachterunabhängigkeit.
- Zum anderen ist Beobachtung die Beschäftigung mit Vorgängen der Wahrnehmung, der Scheinbarkeit und dem Anblick (Phänomenologie).
- Beobachter bezeichnet hier einen Standpunkt, einen ausgewählten Bezugspunkt, insbesondere den Nullpunkt eines Koordinatensystems.
Darüber hinaus ist der Begriff der Wahrheit mit der Beobachtung verbunden. Wahr – im wissenschaftlichen Sinne – impliziert also, von der Beobachtung unabhängig zu sein. Die heutige Wissenschaft verwendet hierzu den Begriff der Widerspruchsfreiheit zu anerkannten Erfahrungen, und trifft keine Aussage über eine allfällige „absolute Wahrheit“.
Beobachtung
Im Kontext von Wissenschaftstheorie und -geschichte ist der Begriff der Beobachtung deshalb zentral, weil im 20. Jahrhundert die Beobachterabhängigkeit aller Experimente und Urteile - d.h. schlicht aller Beobachtungen - erkannt worden ist: Die Annahme, die Wirkung der Beobachtung würde nur in Richtung des Beobachters stattfinden, erweist sich als unzulässige Idealisierung. Daher ist Frage nach der Beobachtbarkeit ein Kern aller wissenschaftlichen, insbesondere aller naturwissenschaftlichen Disziplinen.
- Eine Ausnahme bildete lange die Mathematik, die sich – als Reaktion auf die Krise, die den Beginn der modernen Mathematik markiert – auf abstrakte Strukturen beschränkte und die Beobachtung durch den Beweis ersetzte. Daher gab es weder eine „experimentelle“ noch eine „beobachtende“ Mathematik, und der Mathematik wurde ein Art Sonderstatus unter den Naturwissenschaften eingeräumt – und sogar angezweifelt, ob sie überhaupt eine sei (wobei sie aber die Tauglichkeit ihrer Ergebnisse ungebrochen unter Beweis stellt) – und eine Kategorisierung als Strukturwissenschaft vorgeschlagen. Durch die Entwicklung der Numerischen Mathematik, die als experimentelle Disziplin angesehen werden kann, da sie die Funktion von Algorithmen beobachtet, kann diese Kluft aber als geschlossen gelten.
Siehe auch: Planung, Strategie
Wissenschaftstheorie
Beobachtung ist ein zentraler Begriff in der Systemtheorie Niklas Luhmanns, der der Beobachterabhängigkeit Rechnung trägt. Beobachtung ist die Unterscheidung und anschließende Bezeichnung. Der Kern des Begriffs liegt also im Konzept der Differenz (Systemtheorie). Die Bezeichnung ermöglicht, die Unterscheidung gleichsam festzuhalten und für weitere Operationen (Anschlüsse) verfügbar zu machen.
Siehe auch: Reflexion (Philosophie), Ontologie, Strategie
Beobachtbarkeit
Wird eine Beobachtung gemacht, so ist eine Analyse der Beobachtbarkeit erforderlich. Dabei ist zwischen theoretischer oder prinzipieller Beobachtbarkeit und experimentatorischer, also praktischer Beobachtbarkeit zu unterscheiden.
Prinzipielle Beobachtbarkeit
Zu den bedeutendsten Entdeckungen der Physik, die der „wissenschaftlichen Revolution“ des 20. Jahrhundert zugerechnet wird, ist die Erkenntnis, dass das auf Aristoteles zurückgehende, über zweitausend Jahre geltende Paradigma eines „von allem anderem unbeeinflussten Urgrundes, das von nichts beeinflusst wird, aber alles andere beeinflusst“ (Ousia) so nicht haltbar ist – beziehungsweise transzendenter Natur ist, nicht aber Untersuchungsgebiet der Wissenschaften.
- Die klassische Mechanik ist ein System, das nicht beobachtet werden kann, ohne es zu beeinflussen. Eines der wichtigsten Ergebnisse ist dabei die Formulierung der Unschärferelation durch Werner Heisenberg, die besagt, dass Ort und Bewegung nicht unabhängig voneinander definiert sind.
- Daher gibt es hier zwei Sätze von Formeln: Einerseits die Zeitentwicklung des unbeobachteten Systems, und zweitens die Regeln zur Beobachtung. Die unterschiedliche Natur dieser zwei Formelsätze sind eines der Hauptprobleme bei der Interpretation der Quantenmechanik.
- Auch die Astronomie stößt an Grenzen der Beobachtung: Zum einen sei hier die Problematik der Singularitäten genannt. Zum anderen verknüpft die endliche Lichtgeschwindigkeit – unabhängig vom kosmologischen Modell – das Alter des Universums mit dem Bereich beobachtbaren Raumes, dem Vergangenheitslichtkegel. Daher spricht man von einem Beobachtungshorizont.
- Tatsächlich handelt es sich bei diesen Phänomenen um Naturgesetze, die nicht nur den mikroskopischen und kosmischen Bereich betreffen. Jedoch bleiben sie im „täglichen Leben“ aufgrund ihrer immensen Größenordnung vernachlässigbar klein: Bei 1 m beträgt die „Vergangenheitsstrecke“ zwischen Beobachter und Objekt etwa 3 Nanosekunden (eine 300 Millionstel Sekunde).
Als Konsequenz daraus entstanden die Theoretische Physik und die Kosmologie (die in diesem Sinne als theoretische Astronomie bezeichnet werden kann). In diesen Disziplinen ist ein eigentliches Experiment nicht durchführbar. Die Beobachtbarkeit wird also durch ein mit den Beobachtungen vereinbares Modell ersetzt, und infolgedessen der Begriff „wahr“ durch widerspruchsfrei. Dabei näherten sie sich dem „selbstgewählten Exil“ der Mathematik an.
Daher können die wissenschaftlichen Krisen des beginnenden 20. Jahrhunderts nach knapp einem Jahrhundert als überwunden gelten, und alle Wissenschaften sind aus diesem Prozess gestärkt, und auch umfassender hervorgegangen, obwohl z. B. die Deutungen der Quantenphysik noch nicht abgeschlossen sind.
Praktische Beobachtbarkeit
Da in der Realität ein Experiment nicht vom Beobachter unabhängig stattfinden kann, wurden die Methoden zur Durchführung eines Versuchs einer grundlegenden Revision unterzogen. Als mächtiges Werkzeug zur Analyse, inwieweit die möglichen Einflüsse des Beobachters und des Beobachtungsvorgangs auf das Untersuchungsobjekt berücksichtigt werden, erweist sich hier die Beobachtung zweiter Ordnung. Die moderne Experimentatorik verfügt über zahlreiche Methoden, solche Wechselwirkungen zu erkennen, zu berücksichtigen und - wenn möglich - zu kompensieren. Hierzu gehören dem Versuch vorgelagerte Modellrechnungen oder die Doppelblindstudie.
- In der Systemtheorie dient das Black Box-Modell dazu, sich mit den Fragen der Beobachtbarkeit - dem wahren Zustand eines Systems - gar nicht auseinandersetzen zu müssen. Ein standardisierter Beobachtungswert wird als hinreichende Beschreibung des Systems akzeptiert.
- In der Soziologie ist im Kontext der Beobachterabhängigkeit auch die teilnehmende Beobachtung zu sehen.
Aus der Tatsache, dass eine Beobachtung innerhalb eines Experiments auch nicht unabhängig vom verwendeten Werkzeug – z. B. dem Messgerät - stattfinden kann, folgt das zwangsläufige Auftreten von Messfehlern. Ist die Beobachtung ein Element eines größeren beobachteten Systems, dann werden diese Fehler mit Hilfe der Ausgleichungsrechnung minimiert.
- Die Untersuchung von Wahrnehmungstäuschungen führt zu der Feststellung, dass nicht nur die Sinnesorgane, sondern auch die nachgelagerten Hirnareale den Beobachtungswerkzeugen zuzurechnen sind. Erkenntnisse der Psychologie, dass sogar Erinnerungen oder Stimmungen die Beobachtung des Menschen beeinflussen, betreffen sogar die Rechtsprechung. Eine Abgrenzung zur Scheinbarkeit ist hierbei nicht mehr unbedingt eindeutig.
Scheinbarkeit
In den Wissenschaften wird der Begriff Scheinbarkeit (in Abgrenzung zur Illusion) verwendet, um auf Effekte hinzuweisen, die vom Standort des Beobachters abhängig sind. In Unterscheidung zur Beobachtbarkeit sind diese prinzipiell erfassbar.
- Die Verwendung des Wortes „scheinbar“ geht auf die Zeit der Aufklärung zurück und drückt das Misstrauen gegenüber der schon damals hinlänglich bekannten Unzuverlässigkeit von Messungen aus, sowie auch den Glauben, der oben erwähnte Aristotelische Urgrund wäre durch hinreichend genaues wissenschaftliches Arbeiten zu enthüllen.
- Der Ausdruck ist für den Beobachter selbst irreführend, da es den von ihm tatsächlich wahrgenommenen Anblick bezeichnet. Das in der englischsprachigen Fachliteratur übliche Wort apparent „anscheinend, offensichtlich, augenscheinlich“ trifft den Sachverhalt genauer.
- So wird in Geometrie und Astrometrie die Auswirkung der Perspektive auf den Anblick eines Objekts als scheinbare Größe bezeichnet.
- Die scheinbare Helligkeit gibt an, wie hell ein Himmelskörper für einen Beobachter auf der Erde erscheint.
- Die klassischen Mechanik bezeichnet Daten als scheinbar, die aus einem bewegten Maßsystem heraus ermittelt werden. Im modernen Gebrauch umfasst die Bezeichnung auch Korrekturen relativistischer Effekte, wie der Lichtlaufzeit oder der Lichtbeugung.
- In der Relativitätstheorie dient der Beobachter nur zur Auszeichnung eines bestimmten Bezugssystems. Seine Existenz hat keinen Einfluss auf das physikalische Geschehen selbst, sondern bestimmt nur dessen Beschreibung aus seiner Sicht.
Die Folgerungen der Relativitätstheorie führten aber zum endgültigen Abschied von der Annahme der klassischen Physik, es gäbe ein vor allen anderen Bezugsystemen ausgezeichnetes Inertialsystem – bzw. dieses ist eine Idealisierung, also ein hypothetisches Modell, und keine beobachtbare Naturerscheinung. Die Festlegung eines Beobachters ist daher prinzipiell die einzige Möglichkeit, ein Bezugssystem gegenüber anderen auszuzeichnen.
- In der modernen Astronomie, die davon am stärksten betroffen ist, wird dies durch das Fundamentalsystem realisiert. Koordinaten in diesem – oder einem für die jeweilige Beobachtung hinreichend angenähertem - Bezugsystem bezeichnet man dann als wahr oder geometrisch, alle anderen als scheinbar.
Zitate
Der berühmte Mathematiker Leonhard Euler sagte: "Es gibt Menschen, die einen Horizont mit dem Radius Null haben und dies ihren Standpunkt nennen."