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Lebewesen

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Lebewesen

Sonnentierchen
Sonnentierchen Acanthocystis turfacea

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domänen

Lebewesen werden durch einen Satz von Merkmalen beschrieben, der in seiner Gesamtheit für alle Lebewesen gilt.

Die Biologie befasst sich wissenschaftlich mit allen bekannten Lebewesen, ihren Abwandlungen und Vorläufern.

Verwandte Begriffe: Lebensform, Kreatur, Organismen.

Vergleich der Eigenschaften von Lebewesen und technischen Systemen

Kennzeichen Beispiel Lebewesen Beispiel Nicht-Lebewesen
Energieaustausch mit der Umgebung:
Aufnahme Pflanzen nehmen Lichtenergie auf (Photosynthese) Felsen nehmen am Tag Wärmeenergie auf
Abgabe Säugetiere geben Wärmeenergie ab und geben sie in der Nacht wieder ab
Stoffaustausch mit der Umgebung
Aufnahme Nahrungsaufnahme Betanken eines Autos mit Benzin
Abgabe Tiere geben Kohlenstoffdioxid ab Abgase des Autos
Stoffwechsel (chemische Umwandlung von Stoffen) alle Lebewesen (außer Viren, Viroide und Prionen) brennende Kerze
Informationsaustausch
Empfangen von Information Pflanzen bestimmen den Sonnenstand Belichtungsmesser des Fotoapparates misst Lichtstärke
Senden von Information Warntracht der Wespen Verkehrsampel
Reaktion auf Umweltveränderungen
  Pflanzen richten ihre Blätter nach dem Sonnenstand aus Der Sonne nachgeführte Solarzellen
Wachstum
Volumenzunahme Eine Hefezelle nimmt nach der Zellteilung an Volumen zu Wachstum eines Kochsalz-Kristalls
Zellteilung Stammzellen des Knochenmarkes --
Selbstreproduktion (Fortpflanzung)
  Die durch Zellteilung entstandenen Zellen sind ihrer Mutterzelle ähnlich Bei technischen Systemen noch nicht ausgereift aber theoretisch möglich; sich selbst reporduzierende Computerprogramme sind Praxis.
stoffliche Grundlage
Grundbausteine Biomoleküle verschieden
Informationsträger DNA, RNA verschieden

Einige der Lebewesen kennzeichnenden Merkmale findet man auch bei technischen, physikalischen und chemischen Systemen.

  1. Auf alle lebenden Organismen (Lebewesen) müssen zumindest auf der Ebene der Zelle alle Kennzeichen zutreffen.
  2. Tote Organismen wiesen in ihrer Vergangenheit alle Kennzeichen auf.
  3. Latentes Leben haben Organismen, die zwar nicht alle Kennzeichen aufweisen, also toten Organsimen oder unbelebten Gegenständen ähnlich sind, jederzeit aber zu lebenden Organsimen werden können. (Beispiele: Sporen von Bakterien oder Pilzen).
  4. Unbelebte Gegenstände zeigen zur Zeit ihrer Existenz nicht alle Kennzeichen.

Zeitablauf

Lebewesen haben einen Zeitablauf (Ontologie): Sie werden geboren, sie wachsen, sie verändern sich, pflanzen sich fort, sie altern und sterben.
Bei vielen Einzellern ist potentielle Unsterblichkeit möglich, da aus einer Mutterzelle ohne Substanzverlust zwei Tochterzellen hervorgehen.

Aufbau von Lebewesen

Alle Lebewesen (Pflanzen, Tiere, Pilze, Bakterien, Archaeen und Protisten) sind aus Zellen aufgebaut. Sowohl die einzelne Zelle als auch die Gesamtheit der Zellen (eines mehrzelligen Organismus) sind strukturiert und kompartimentiert, das heißt sie bilden ein kompliziert aufgebautes System gegenseitig abgegrenzter Reaktionsräume.

Jede Zelle enthält in ihrem Erbgut (Desoxyribonukleinsäure, DNS, engl. DNA) alle zum Wachstum und für die vielfältigen Lebensprozesse notwendigen Anweisungen.

Chemie der Lebewesen

Elemente

Lebewesen bestehen vorwiegend aus Wasser und organischen Kohlenstoffverbindungen.

Neben dem Kohlenstoff als Hauptelement der Biomoleküle und den Elementen des Wassers - Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) - kommen noch die Elemente Stickstoff (N), Natrium (Na), Kalium (K), Chlor (Cl), Phosphor (P), Schwefel (S), Iod (J), Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Selen (Se) in Lebewesen vor. Chlor (Cl), Iod (I), Eisen (Fe), Kupfer (Cu), Selen (Se) und einige andere Elemente kommen nur Spuren vor (können aber doch essentiell sein).

Die weitaus häufiger als Kohlenstoff in der Erdkruste vorkommenden Elemente Silizium und Aluminium werden aufgrund ihrer eingeschränklten Verbindungsmöglichkeiten nicht als Bausteine des Lebens genutzt. Edelgase und alle Elemente schwerer als das Selen (Atomgewicht 34) sind keine Bausteine des Lebens oder sogar je nach Dosis in unterschiedlichem Grade schädlich für Lebewesen.

biochemische Bestandteile

Wichtige (biochemische) Substanzen (organische Moleküle), die Lebewesen zum Leben benötigen, sind

Daneben enthalten die Zellen der Lebewesens zu einem großen Teil Wasser und darin gelösten Mineralien (Salzen).

Alle Lebensvorgänge finden in Anwesenheit von Wasser statt.

Evolution

Das Leben auf der Erde nimmt einen historisch einmaligen Verlauf. Auch wenn man die Ausgangsbedingungen wiederherstellen könnte, würde sich vielleicht ein ähnlicher Ablauf ergeben, aber nicht derselbe der bis heute stattgefunden hat. Der Grund dafür ist die Vielzahl von Zufallentscheidungen, die seit dem Beginn des Lebens bis heute erfolgten. Diese Zufallsentscheidungen werden durch Selektions- und Anpassungsprozesse teilweise wieder ausgeglichen, trotzdem ist ein genau identische Entwicklung unter realen Bedingungen nicht vorstellbar.

Die Entwicklung der verschiedenen Arten von Lebewesen wird in der Evolutionstheorie behandelt. Dieser von Charles Darwin begründete Zweig der Biologie erklärt die Vielfalt der Lebensformen durch Variation, Mutation, Vererbung und Selektion.

Die Evolutionstheorie behandelt die Veränderung von Lebensformen im Laufe der Zeit und die Entstehung der ersten Lebensformen. Hierzu gibt es eine Reihe von Konzepten und Hypothesen (beispielsweise RNA-Welt, siehe auch Chemische Evolution).

Die ältesten bisher gefundenen fossilen Spuren von Lebewesen sind mikroskopische 'Fäden', die als Überreste von Cyanobakterien gelten. Allerdings werden diese in 3,5 Mrd. Jahren alten Gesteinen gefundenen Ablagerungen nicht allgemein als Spuren von Leben angesehen.

Neuere Ansätze zur Evolutionstheorie gehen davon aus, dass die Evolution nicht an der Art sondern am Individuum und seinen Genen ansetzt. (Siehe Soziobiologie und Verhaltensbiologie)

Grenzfragen

Wird die Zelle als grundlegendes Kennzeichen von Lebewesen angesehen, werden Viren nicht zu den Lebewesen gerechnet, da sie keine Zellen sind und nicht aus Zellen aufgebaut sind. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und pflanzen sich auch nicht selbständig fort. Ihre Vermehrung erfolgt durch Wirtszellen. Allerdings sind sie durch Mutationen und Selektion der Evolution unterworfen, was im weiteren Sinne wiederum auch für viele Nicht-Lebewesen gilt: So unterliegen laut der Mem-Theorie auch die nicht-physischen Ideen und Gedanken der Evolution, was auch für physische, nicht-lebendige Werkzeuge und Maschinen gilt.

Systematik der Lebewesen

Die biologische Systematik versucht eine sinnvolle Gruppierung aller Lebewesen. Die oberste Stufe wird dabei von den Domänen gebildet. Man unterscheidet nach molekularbiologischen Kriterien die eigentlichen Bakterien (Bacteria), die Archaebakterien (Archaea) und die Eukaryoten (Eucaryota). Dieses Taxon umfasst die uns vertrauten Tiere, Pflanzen und Pilze.

Lebewesen als Systeme

Lebewesen sind in der Terminologie der Systemtheorie

  • offen: Sie stehen in lebenslangem Energie-, Stoff- und Informationsaustausch mit der Umwelt.
  • komplex: Sie bestehen aus einer großen Zahl von unterschiedlichsten Untereinheiten (zum Beispiel Organsysteme), die durch zahlreiche Beziehungen miteinander verknüpft sind und selbst wieder aus zahlreichen Untereinheiten (zum Beispiel Organe, Zellen, Organellen, Biomoleküle) bestehen. Auch sind sie selbst wieder Bestandteil komplexer, übergeordneter Systeme ((Population, Biozönose, Ökosystem), sind also ebenfalls mit zahlreichen weiteren Systemen (andere Lebwesen, unbelebte und technische Systeme) miteinander verknüpft.
  • dynamisch: Sie sind zumindest auf der biochemischen Ebene dauernden Veränderungen unterworfen, können aber zeitweise einen stationären Zustand einnehmen, weisen also eine Konstanz von Struktur und Leistung auf. Diese Veränderungen sind einerseits auf dem System innewohnende Bedingungen zurückzuführen (Beispiel: Erzeugung genetischer Variation durch Rekombination bei der Fortpflanzung), andererseits durch Umwelteinflüsse. Lebewesen wirken wiederum auf ihre Umwelt verändernd zurück. (Beispiel: Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre durch die Photosynthese.)
  • deterministisch: Auch wenn alle Eigenschaften der Lebewesen durch die Naturgesetze bestimmt sind, lassen sich auf Grund ihrer Komplexität vor allem für emergente Eigenschaften kaum mathematisch exakte Aussagen über die Vorhersagbarkeit ihrer Eigenschaften und Entwicklung und ihres Verhaltens machen: Durch die für wissenschaftliche Untersuchungen notwendige Reduktion lassen sich zwar Gesetzmäßigkeiten für einzelne Elemente ermitteln. Daraus lassen sich aber nicht immer Gesetzmäßigkeiten für das Gesamtsystem ableiten.
  • stabil und adaptiv: Lebewesen können trotz störender Einflüsse aus der Umwelt ihre Struktur und ihr inneres Milieu für längere Zeit aufrecht erhalten. Anderseits können sie sich auch in Struktur und Verhalten verändern und Umweltänderungen anpassen.
  • autopoietisch: Lebewesen sind sich selbst replizierende Systeme, wobei einerseits die Kontinuität von Struktur und Leistung über lange Zeiträume hinweg gewährleistet ist, andererseits durch die Ungenauigkeit der Replikation Möglichkeiten zur evolutionären Anpassung an Umweltänderungen bestehen.
  • autark: Lebewesen sind bis zu einem gewissen Grad von der Umwelt unabhängig. (Siehe dazu die Erörterung der Problematik der Autarkie. )

Problemkreise

Definition der Grenzen

Natürliche Grenzen ergeben sich bei der Betrachtung von Individuen als System. Hier ist die äußerste Grenze letztlich die Zellmembran, die Pellikula, die Zellwand oder eine andere einhüllende und begrenzende Struktur. Bei höheren Organisationsstufen übernehmen Abschluss- und Deckgewebe (Epidermis, Epithel, Haut, Rinde) diese Funktion.

Viele Organismen geben Stoffe and die Umwelt ab und schaffen sich damit eine eigen Umwelt im Nahbereich, ein Mikromilieu. Beispiel: Schleimkapsel von Pneumococcus. Hier muss der Beobachter selbst definieren, wie er das System abgrenzt.

Definition des Individuums

Bei Schleimpilzen und kolonienbildenden Einzellern (Beispiel Eudorina), lassen sich individuelle, autarke Zellen unterscheiden. Sie gehen aber zumindest zeitweise Verbindungen miteinander ein, in welcher sie ihre Individualität und Unabhängigkeit aufgeben, also einem mehrzelligen Organismus gleichen.

Auf Grund der komplexen Wechselwirkungen von Organismen mit ihrer Umwelt kann man nur mit einschränkung von Autarkie sprechen:

  • So sind Lebewesen bezüglich der Energie nie autark, sie sind immer auf eine externe Energiequelle angewiesen, die letztlich durch die Sonne gegeben ist. Organismen, die als e Energiequelle nur Licht oder die chemische Energie anorganischer Stoffe benötigen, also nicht auf andere Lebewesen als Energielieferanten angewiesen sind, können als energetisch autark betrachtete werden.
  • Autotrophe Organismen sind in dem Sinne stofflich autark, als sie aus anorganischen Stoffen körpereigene organische Stoffe herstellen und diese im Stoffwechsel wieder zu anorganischen Stoffen abbauen. So lässt sich eine photosynthetisch aktive Pflanze in einem von der Umgebungsluft abgeschlossenen Glasgefäß bei ausreichender Beleuchtung am Leben erhalten, da sich ein Gleichgewicht zwischen Photosynthese und Atmung einstellen kann. Wachstum und Vermehrung sind in diesem System allerdings nur so lange möglich wie der Vorrat an Wasser und Nährsalzen ausreicht. Heterotrophe Organismen sind in diesem Sinne nicht autark, da sie auf die von anderen Lebewesen vorgefertigte Nährstoffe angewiesen sind.
  • Übergeordnete Systeme wie zum Beispiel eine Lebensgemeinschaft (Biozönose) können wiederum energetische und stoffliche Autarkie erreichen, wenn bestimmte Organismengruppen in ausreichender Zahl und mit einer ausgeglichenen Vermehrungsrate vorhanden sind. (Siehe dazu Ökologisches Gleichgewicht.) so hat sich in der Tiefsee eine autarke Lebensgemeinschaft zwischen chemoautotrophen Bakterien, Röhrenwürmern, Krebsen und Fischen ausgebildet. Die Ökologie untersucht unter anderem, welche Mindestanforderungen eine abgeschlossene Lebensgemeinschaft erfüllen muss, um autark zu sein, das heißt einen geschlossenen Stoffkreislauf zu ermöglichen. Letztlich können alle Lebewesen der Erde als eine autarke Lebensgemeinschaft aufgefasst werden (vergleiche dazu die Gaia-Hypothese, die die Erde als einen Organismus auffasst.)
  • Alle Lebewesen sind bezüglich eines dem Systeme innewohnenden Programms, des genetischen Systems, autark. Damit können sie selbst ihre Lebensvorgänge auslösen, steuern und regeln (Siehe Systemverhalten). (In diesem Sinne wären auch Viren und Viroide autark, ihr Programm ist aber nicht vollständig, sie sind auch auf die Programme ihrer Wirte angewiesen). Diese Autarkie ist insofern vollständig, als auch die Programmierung, also die Erstellung des genetischen Quellcodes nicht von außen, durch einen „Programmierer höherer Ordnung“, vorgenommen werden muss. Andererseits reichen die Programme nicht aus, um alle Lebensvorgänge zu determinieren: So kann sich zum Beispiel das Gehirn ohne Einfluss der Umwelt nicht fertig entwickeln. In völliger Dunkelheit würde die Sehrinde nicht ihre volle Funktionsfähigkeit erlangen.
  • Alle Lebewesen sind bezüglich Wachstum, Reparatur und Reproduktion autark. Sie stellen die für sie charakteristischen Systemelemente (Biomoleküle, Zellorganelle, Zellen) selbst her, gleichen mit Hilfe von Reparaturmechanismen strukturelle Störungen innerhalb gewisser Grenzen von selbst aus und sind fähig, ähnliche Kopien von sich herzustellen. Die Herstellung identischer Kopien ist prinzipiell auf Grund physikalischer und chemischer Gesetzmäßigkeiten auf keiner Systemebene möglich. Die dadurch zwangsläufige Variation führt in Zusammenwirken mit der Umwelt Evolution auf allen Systemebenen. (Siehe dazu Systemtheorie der Evolution)

Bei der Entwicklung der Systemtheorie durch Physiker, Mathematiker und Techniker gingen diese immer wieder auf Analogien in Struktur und Verhalten von Lebewesen ein (siehe dazu Hans-Joachim Flechtner, Grundbegriffe der Kybernetik, 1970). Diese Betrachtung von Lebewesen als Systeme führte dazu, dass Konzepte der Kybernetik, Informatik und der Systemtheorie Eingang in die Biologie gefunden haben, zuletzt und umfassend in der Systemtheorie der Evolution.

Thermodynamische Definition

Lebewesen sind als offene Systeme zeit ihres Lebens stets weit vom thermodynamischen Gleichgewicht entfernt. Sie weisen einen hohen Ordnungsgrad und damit eine niedrige Entropie auf. Diese können nur dadurch aufrechterhalten werden, dass die Erhöhung des Ordnungsgrades energetisch mit Prozessen gekoppelt wird, die die hierfür notwendige Energie liefern. (Beispiel: Aufbau von organischen Stoffen niedriger Entropie wie Glukose, DNA oder ATP, aus anorganischen Stoffen wie hoher Entropie wie Kohlenstoffdioxid, Wasser und Mineralsalzen durch Photosynthese und Stoffwechsel.)

Siehe auch

Literatur

  • Anna Maria Hennen: Die Gestalt der Lebewesen. Versuch einer Erklärung im Sinne der aristotelisch-scholastischen Philosophie. Königshausen und Neumann, Würzburg 2000 ISBN 3-8260-1800-1