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Schwäbisch-alemannische Fastnacht

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Die Schwäbisch-alemannische Fastnacht birgt vielleicht die ursprünglichste Form der mittelalterlichen Fastnacht. Verglichen mit dem Karneval hat sie eine weitaus längere Tradition.

Die schwäbisch-alemannische Fastnacht wird heute, wie der Name schon sagt, in Baden-Württemberg, Teilen von Bayern, Vorarlberg, der Schweiz und im Elsass gefeiert. Dort wird sie in der Regel Fasnet, Fasnacht oder Fasent genannt.

Am bekanntesten sind die Hochburgen Rottweil, Elzach, Oberndorf, Überlingen (Viererbund) und Villingen in Deutschland sowie Basel und Luzern in der Schweiz. Aber auch andere Narrenstädte blicken auf eine lange Fastnachtstradition zurück, so beispielsweise Lindau, Endingen am Kaiserstuhl, Offenburg, Furtwangen, Schömberg, Wolfach oder Schramberg.

Die meisten der "alten" Fastnachtzünfte, die heute noch Fastnacht in ihrem ursprünglichen Sinn feiern, gehören der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte an. Diese Vereinigung, gegründet 1924, schloss sich zur Wahrung der "althistorischen" Fastnachtsbräuche zusammen. Sie versucht heute, alte Bräuche in der Fastnacht zu bewahren und die Fastnacht vor Übermaß zu beschützen.

Geschichte der Fastnacht

Ursprünge in Mittelalter und Früher Neuzeit

Wie der rheinische Karneval hat auch die schwäbisch-alemannische Fastnacht ihren Ursprung in Festen, die dazu dienten, verderbliche Lebensmittel vor Beginn der Fastenzeit aufzubrauchen. Derartige Veranstaltungen sind für ganz Mitteleuropa spätestens im 13. Jahrhundert nachgewiesen. Allerdings waren diese nicht mit der heutigen Fastnacht zu vergleichen und regional höchst unterschiedlich. Behauptungen, nach denen die Fastnacht auf römische Ursprünge zurückgeht, haben sich als ebenso falsch erwiesen, wie die im schwäbisch-alemannischen Raum häufig geäußerte Meinung, die Fastnacht ginge auf germanische Bräuche zur Winteraustreibung zurück. In Wirklichkeit handelt es sich hierbei um eine Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Legende, die besonders von der NS-Organisation "Kraft durch Freude" gestreut wurde.

Datei:Wolfach fastnacht.jpg
Narren barocker Prägung: Wolfacher Schellen- und Röslehansel

Ergänzend zum exzessiven Nahrungsmittelkonsum wurden ab dem 14. Jahrhundert Bräuche wie Tänze, Umzüge oder Fastnachtsspiele üblich. Auch hier spielten Speisen zunächst eine zentrale Rolle was beispielsweise im "Zämertanz", einem Fastnachtstanz der Nürnberger Metzger, deutlich wird, bei dem sich die Teilnehmer an Wurstringen festhielten. Zunehmend wurde nun der Gegensatz zwischen dem fastnachtlichen Vergnügen und dem Entbehrungsreichtum der Fastenzeit aber auch theologisch gedeutet. In Zusammenhang mit den augustinischen Lehren vom Zwei-Staaten-Modell gebracht, wurde die Fastnacht schon bald mit dem Teufelsstaat "civitas diaboli" gleichgesetzt, die Fastenzeit hingegen mit dem Gottesstaat "civitas Dei". Aus dieser Denkweise heraus entwickelten sich als erste Fastnachtsfiguren Teufel oder Dämonen. Eine weitere zentrale Figur der damaligen Fastnacht war der Narr, dessen Entstehung sich auf biblische Motive zurückführen lässt und der als Inbegriff von Vergänglichkeit, Gottesferne und Tod gesehen wurde.

Die Reformation machte dem fastnachtlichen Treiben in weiten Teilen Mitteleuropas ein Ende. Durch sie entstanden aber auch neue Formen, wie die Bauernfastnacht oder die Basler Fasnacht, die eine Woche nach der Schwäbisch-alemannischen Fastnacht gefeiert werden. Die zeitliche Verschiebung entstand durch die Weigerung der protestantischen Gebiete, die Gregorianische Kalenderreform anzuerkennen. Obwohl die Fastenzeit mit der Reformation wegfiel, wurde aber vorläufig auch von vielen Protestanten an der Fastnacht festgehalten.

Bislang war das Bild der Fastnacht von relativ einfachen Verkleidungen geprägt. Mit dem Aufkommen des Barock kam es im 17. Jahrhundert zu einer wesentlichen Aufwertung und Verfeinerung der Fastnachtsgestalten. Das gilt insbesonders für die verwendeten Masken, die nun statt wie bisher aus Ton oder Papier aus Holz geschnitzt wurden. Hinzu kam ein deutlicher italienischer Einfluss.

Der Karneval und die Abkehr davon

Trotz barocker Aufwertung kam die Fastnacht Ende des 18. Jahrhunderts zu dem äußerst zweifelhaften Ruf, ein primitiver, längst überholter Brauch aus grauer Vorzeit zu sein. Entsprechend dieser Auffassung wurden die Festlichkeiten vielerorts aufgegeben oder gar verboten. Das änderte sich, als sich, angeregt durch die Romantik, der Karneval zu entwickeln begann. Ausgehend von Städten wie Köln etablierte er sich schnell in ganz Mitteleuropa, also auch in Südwestdeutschland. Erst Ende des 19. Jahrhunderts besann man sich hier auf die alten Traditionen zurück. Besonders in den kleinbürgerlichen und bäuerlichen Kreisen des schwäbisch-alemannischen Raums fühlte man sich durch den vom Bildungsbürgertum dominierten Karneval bevormundet und besann sich auf die alten Traditionen zurück. In der Folgezeit wurden zahlreiche Narrenzünfte alten Zuschnitts neu gegründet.

Eine Neuerung des 19. Jahrhunderts war die Weiterentwicklung der Fastnacht zur Saison. Bisher hatte man sich auf die drei Tage vor Aschermittwoch beschränkt. Nun dehnte man die Fastnacht im Fall des rheinischen Karnevals bis zum 11. November aus. Um sich hiervon abzuheben, starten viele Fastnachten des schwäbisch-alemannischen Raums heute erst am Dreikönigstag in die närrische Zeit. Historisch fundierte Gründe hat dies keine, zumal es in Südwestdeutschland durchaus Gegenden und Städte gibt, in denen ebenfalls der 11.11. als Beginn der Fastnacht angesehen wird, so zum Beispiel in Konstanz.

Entwicklung zur heutigen Fastnacht

Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sich die Narrenzünfte zu organisieren und 1924 wurde die "Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte" (VSAN) gegründet. Notwendig machten diesen überregionalen Dachverband die unsichere politische Lage sowie zahlreiche Fastnachtsverbote. Nun wollte man die Interessen der Narren gegenüber der Politik offensiv vertreten. Außerdem sah man sich der Pflege und Bewahrung des eigenen Brauchtums verpflichtet, was heute sicherlich die Hauptaufgabe der Vereinigung darstellt. In der Zeit nach ihrer Gründung erhielt die VSAN derart großen Zuspruch, dass schon bald ein Aufnahmestopp für Neumitglieder ausgesprochen werden musste. Bis heute nimmt die VSAN nur äußerst selten neue Mitglieder auf. So kam es schon bald zur Gründung neuer Dachverbände wie dem "Verband Oberrheinischer Narrenzünfte" (1937) oder der "Narrenvereinigung Hegau-Bodensee" (1959). Diese Gründungswelle hält auch in unseren Tagen noch an. Grund dafür ist nicht zuletzt die Einführung sogenannter "Narrentreffen“. Bis ins 20. Jahrhundert war Fastnacht eine rein regionale Angelegenheit gewesen und man feierte ausschließlich im eigenen Wohnort. Die VSAN und ihre Schwesterorganisationen ermöglichten es den Narren nun, sich auch untereinander außerhalb der angestammten Ortschaft zu begegnen. 1928 fand das erste Narrentreffen in Freiburg statt. Heute hat ihre Zahl und Dimension derart zugenommen, dass die Narrentreffen inzwischen schon als Gefahr für die traditionelle, ortsgebunde Fastnacht angesehen werden müssen. So gibt es inzwischen Zünfte, die nur noch Narrentreffen besuchen und keinerlei Ortsverwurzelung mehr kennen. Insbesondere die VSAN hat sich daher entschlossen, Treffen dieser Art stark einzuschränken. Dem Boom der Narrentreffen tut dies freilich keinen Abbruch.

Ablauf der schwäbisch-alemannische Fastnacht

Die schwäbisch-alemannischen Fastnacht beginnt die Fastnacht nicht am 11. November, sondern an Dreikönig. In den Wochen vor der eigentlichen Fastnacht finden vielerorts Narrentreffen statt, die von verschiedenen Vereinigungen veranstaltet werden, so z.B. der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte.

Am Schmutzigen Donnerstag beginnt die eigentliche Fastnacht. An diesem Tag wird vielerorts die Fastnacht früh morgends erweckt. Sie endet am Aschermittwoch. Vielerorts ist der Höhepunkt am Fastnachtsonntag, so z.B. in Elzach, manchmal auch der Fastnachtmontag, wie in Rottweil, selten auch der Fastnachtsdienstag, so beispielsweise in Offenburg.

Datei:Fkleidle.jpg
Fransenkleidle aus Rottweil
Datei:Hexen alt.jpg
Offenburger Hexen um 1936

Figuren der schwäbisch-alemannischen Fastnacht

Die Figuren in dieser Fastnacht sind vielfältig.

Die ältesten findet man in Villingen, dem Narro, oder in Rottweil. Auch Elzach beruft sich mit dem Schuttig auf eine alte Tradition.

Insbesondere auf der Baar, dem Landstrich zwischen Schwarzwald und Hegau, in Umkreis von Donaueschingen findet sich die Figur des Weißnarren. Sie trägt eine freundliche, männliche Holzmaske, ein bemaltes (weißes) Leinengewand und mehrere Gürtel mit Glocken .

Spättle-Hansel aus Furtwangen

Ganz traditionell sind auch die verschiedenen Spättle- oder Fleckle-Häs: Auf ein Unterkleid werden bunte Stofffetzen genäht, heute bei vielen Zünften durch farbenfrohen Filz ersetzt.
Seit den 1930er Jahren, als eine Hexenfigur in Offenburg entstand, hat sich die Fastnachtshexe stark vermehrt. Sie findet sich seit den 1990er Jahren fast in jeder Fastnachtszunft. Oftmals werden die Figuren einer städtischen Ulkfigur oder einer Sagenfigur nachempfunden, die darauf an den Fastnachttagen bei Umzügen auftritt.

Links:

Literatur:

  • Mezger, Werner: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen Fastnacht, Ursprünge, Entwicklungen und Erscheinungsformen organisierter Narretei in Südwestdeutschland, Stuttgart 1999.
  • Mezger, Werner: Fasnet in Rottweil : Geschichte und Gegenwart eines Brauchs, Stuttgart 1996.
  • Kutter, Wilhelm: Schwäbisch-alemannische Fasnacht, Künzelsau 1976 (Großartige Bilder, inhaltlich überholt.)