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Reinmar der Alte

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Reinmar (auch mit den unterscheidenden Beinamen: der Alte und von Hagenau, † vor 1210 in Wien), war einer der bedeutendsten Minnesänger neben Walther von der Vogelweide.

Herr Reinmar der Alte (Codex Manesse, 14. Jahrhundert)

Reinmar stammte vermutlich aus dem Elsass (seine Herkunft aus Hagenau nennt als einziger Gottfried von Straßburg). Um 1190 kam er an den Hof des Herzogs Leopold V. nach Wien, den er wohl auch auf seinem Kreuzzug von 1190 begleitete.

Von Reinmar sind etwa 80 Lieder überliefert, deren Authentizität aber teilweise umstritten ist. Sie gelten als meisterlicher Höhepunkt des traditionellen Minnesanges und sind durch Formbeherrschung, reiche Nuancierung, Eleganz und höfisch-gemäßigte Diktion gekennzeichnet. Die Meistersänger zählten ihn zu ihren Zwölf Alten Meistern. Ludwig Uhland nannte ihn einen "Scholastiker der unglücklichen Liebe".

Ich wil allez gâhen
zuo der liebe, die ich hân.
sô ist ez niender nâhen,
daz sich ende noch mîn wân.
doch versúoche ich ez alle tage
und gediene ir sô, daz si âne ir danc
mit fröiden muoz erwenden
kumber, den ich trage.
Swaz in allen landen
mir ze liebe mac beschehen,
daz stât in ir handen.
anders nieman wil ichs jehen.
si ist mîn ôsterlîcher tac,
und hân si in mînem herzen liep.
daz weiz er wol, dem nieman
niht geliegen mac.

Der Vergleich seiner Geliebten mit dem Ostertag - also der Auferstehung Christi - stieß vor allem bei Walther von der Vogelweide auf Ablehnung. Walther hat in seinem Lied "ein man verbiutet âne pfliht" (111,22) diesen Vergleich ausdrücklich zurückgewiesen, genauso wie Reinmars Feststellung, seine Herrin setze "alle anderen matt" und Reinmars Schilderung eines Kussraubes von seiner schlafenden Herrin. Reinmar und Walther lieferten sich eine regelrechte Sänger-Fehde (die in der älteren Forschung etwas überstilisiert wurde), die sich über mehrere Lieder zog und unter Umständen dafür verantwortlich ist, dass Walther, der vielleicht eine Art Schüler Reinmars war, Wien verließ.

Reinmar-Fehde

Die sogenannte 'Fehde' zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar ist in der Forschung in den letzten Jahren zunehmend relativiert und neu bewertet worden.

Forschungsmythen

Dabei sind vor allem folgende Faktoren als Forschungsmythen zu werten[1]:

  • Reinmar als Wiener Hofpoet - Die Verortung Reinmars nach Wien beruht letztendlich auf einer Namensverwechslung. Melchior Goldast, der sich um 1600 mit der Manessischen Liederhandschrift beschäftigte, hielt Reinmar aufgrund der Namensverwandschaft für den Vater Reinmars von Zweter. Da letzterer in Wien lokalisiert werden konnte, versetzte man den mutmaßlichen Vater auch dorthin. Die einzige Referenz auf einen realhistorischen Hintergrund im Oevre Reinmars findet man innerhalb seiner Witwenklage, in der eine Frau den Tod eines gewissen Leopold beklagt. Die Forschung bezog diese Namensnennung in der Regel auf Leopold, den Babenberger Herzog, der Weihnachten 1194 infolge eines Sturzes vom Pferd verstarb. Allerdings scheint die Witwenklage erst im Sommer darauf verfasst worden zu sein. Ein Hofpoet hätte wahrscheinlich eine zeitnahe Klage geschaffen, so dass man annimmt, dass Reinmar erst im Sommer 1195 in Wien anzutreffen ist.
  • Reinmar als Lehrer Walthers von der Vogelweide - Walther referiert selbst in seinem Werk mehrmals auf den Wiener Hof und gibt Österreich als Ort seiner Sängerausbildung an. Allerdings lässt sich der Wiener Hof für Reinmar nicht als Hauptwirkungsstätte nachweisen. Es ist wahrscheinlicher, dass sich beide an verschiedenen Höfen, wohl auch am Hofe der Babenberger in Wien getroffen haben. Eine Lehrer-Schüler-Konstellation kann daraus allerdings nicht zwangsläufig nachgewiesen werden.
  • Die persönliche Aversion beider gegeneinander - Vor allem aus der Totenklage, die Walther auf Reinmar verfasste, schließt man auf eine persönliche Abneigung, die beide einander entgegenbrachten. Walther postuliert, dass er den Tod Reinmars als Menschen nicht so tief betrauerte wie den Untergang seiner Kunstfertigkeit. Allerdings kann dies auch als ein rhetorischer Schachzug gesehen werden, um das Lob der Kunst zu steigern. Dazu kommt, das Walther auf keinen anderen Dichter Totenklagen verfasste, sondern ausschließlich Reinmar besingt.

Aversion zwischen Walther und Reinmar

Die Ausfechtung eines regelrechten Wettstreits ist unwahrscheinlich. Betrachtet man alle Lieder, die der sog. 'Fehde' zugerechnet werden, dann fällt auf, dass Reinmar nur sehr wenige Lieder in den Diskurs einbringen kann. Die meisten Bezüge, Zitate und Anspielungen findet man bei Walther von der Vogelweide. Interpretiert man ebendiese Lieder genauer, so ergibt sich folgendes Bild: Die Lieder stehen alle unter der Prämisse, die Kunstfertigkeit Walthers, seine außergewöhnliche Begabung, die Betonung seines Minnekonzeptes (Freude und Gegenseitigkeit, statt ferner Anbetung) zum Ausdruck zu bringen. Diese Profilierung, die Walther ganz offensichtlich anstrebt, geschieht in Abgrenzung zu anderen Dichtern: Reinmar, Heinrich von Morungen und Hartmann von Aue. Greift Walther also Reinmars Dichtungen oder dessen Minnekonzeption an, so geschieht dies zu weiten Teilen unter der Maßgabe der Selbstdarstellung, weniger als Herausforderung an den Dichterkollegen. Zudem muss man sich vor Augen halten, dass beide, sowohl Reinmar als auch Walther, nicht immer gleichzeitig am selben Ort auftraten, sondern sich womöglich nur alle Monate oder Jahre persönlich begegneten.[2]

Reinmars Themen

Die Lieder Reinmars zeichnet vor allem eine Umkreisung der Frau aus. Die absolute Überhöhung der Frau, die im Hohen Minnesang konstitutiv ist, führt letztendlich dazu, dass die Frau vollkommen aus der Sphäre des lyrischen Ichs entrückt wird. Sie wird sozusagen entsubstanzialisiert. Ihre absolute Vollkommenheit macht sie unerreichbar für das Lyrische Ich. Diese so entstandene Leerstelle wird ausgefüllt durch die moralische und ethische Vervollkommnung, die der beständige Minnedienst mit sich bringt.

Reinmar erhebt den Dienst zum beinahe vollwertigen Ersatz der ausbleibenden Minneerfüllung. Die Rolle der Frau wird dabei prinzipiell obsolet. Der Mann hat Souveränität und Bestätigung im Dienst gefunden. Die Klagelieder Reinmars zielen alle auf diesen Fluchtpunkt hin. Das männliche lyrische ich beschäftigt sich fast ausschließlich mit der eigenen Befindlichkeit, die Frau wird marginalisiert, sie dient lediglich als zündendes Moment. Die Frauenrolle bei Reinmar ist in letzter Konsequenz nur Staffage und dient als Projektionsfläche männlicher Souveränität, männlicher Dienstbereitschft. Sie wird durch diese Entstofflichung aber auch austauschbar. Die sog. Kussraubstrophe in Reinmars Werk wird unter diesem Gesichtspunkt leichter verständlich: da die Frau ohnehin für das Lyrische Ich entsubstanzialisiert ist, kann es den Kussraub, ebenso wie eine Probenacht, imaginieren, ohne dabei die prinzipiell hohe Stellung der Frau im Minnemodell zu gefährden. Auf diese Aporie hat Walther reagiert, indem er die Frau wieder auf die Ebene des lyrischen ichs zurückzuholen versucht. Kritik äußert er vor allem an Reinmars "Mattsetzung" und am Kussraub. Walther inszeniert den Kussraub innerhalb einer weniger gedankenlyrischen, dafür aber plastischeren Kulisse als Reinmar und holt ihn aus dem Raum der überhöhten Fiktionalität auf die Ebende des Ichs zurück.[3]

Werke

  • Des tages dô ich daz kriuze nam (eLib Austria Volltext)
  • Minnelieder Reinmars in der Studie "puella bella - Die Beschreibung der schönen Frau in der Minnelyrik des 12. und 13. Jahrhunderts":
  • War kan iuwer schoener lîp (MF 195,37)
  • Herre, wer hât sie begozzen (MFH Anm.S.313f)
  • West ich, wâ man vröide enpflaege (MF 182,34)
  • Mîn ougen wurden liebes alse vol (MF 194,18)
  • Zuo niuwen vröuden stât mîn muot (MF 203,10)
  • Ein lieplîch triuten (MFH Anm.S.303f)

Literatur

Quellen

  1. Schweikle, Günther: Die Fehde zwischen Walther von der Vogelweide und Reinmar dem Alten. Ein Beispiel germanistischer Legendenbildung, in: ZfdA 115 (1986), S. 235-253.
  2. Bauschke, Ricarda: Die ‚Reinmar-Lieder’ Walthers von der Vogelweide. Literarische Kommunikation als Form der Selbstinszenierung, Heidelberg 1999 (Beiheft zur Germanisch-Romanischen Monatsschrift 15).
  3. Quelle: Hausmann, Albrecht: Reinmarf der Alte als Autor. Untersuchungen zur Überlieferung und zur programmatischen Identität, Tübingen – Basel 1999 (Bibliotheca Germanica 40).