Paul Feyerabend
Paul Karl Feyerabend (* 13. Januar 1924 in Wien; † 11. Februar 1994 in Genolier/Schweiz) war ein österreichischer Philosoph und Wissenschaftstheoretiker.
Überblick
Paul Feyerabend beginnt 1946 in Wien, Theaterwissenschaft, Geschichte, Soziologie, Physik, Mathematik und Astronomie zu studieren. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. beim letzten in Wien lehrenden Angehörigen des Wiener Kreises, dem Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Victor Kraft, erhält er ein Stipendium des British Council und geht nach London. Er will dort eine Assistentenstelle bei Ludwig Wittgenstein antreten. Genau in dieser Zeit stirbt Wittgenstein und Feyerabend entscheidet sich für eine Stelle bei Karl Popper. Dies begründet eine Hass-Liebe Feyerabends zu Popper, die seine vielfach polemische Popper-Kritik zu einem festen Bestandteil fast aller seiner Veröffentlichungen machte. Zwischen 1955 und 1990 durchwandert er viele Stationen, u.a. Berkeley, Hamburg, Auckland, Kassel, New Haven, London und FU Berlin, um am Ende zwei Professuren gleichzeitig in Berkeley und an der ETH in Zürich auszuüben. 1990 wurde er in Berkeley wie in Zürich emeritiert.
Feyerabend gilt zusammen mit Thomas Samuel Kuhn als Vertreter einer eher soziologisch orientierten relativistischen Wissenschaftstheorie. Anders als Kuhn war Feyerabend jedoch wesentlich konsequenter und deswegen auch umstrittener. Gipfelnd im Ausspruch „Anything goes“ sah Feyerabend Wissenschaft, neben beispielsweise Religion oder Kunst, nur als eine von vielen Möglichkeiten, Erkenntnis zu gewinnen. Eine Wertigkeit verschiedener Zugänge zur Wahrheit war nach Feyerabend nicht möglich, da diese Wahrheitszugänge untereinander inkommensurabel seien. Unter anderem prägte er auch den Begriff der Anti-Regel.
Besonders in späten Jahren war er ein Gegner des Kritischen Rationalismus von Popper. Seine Popper-Kritik durchzieht sein gesamtes Lebenswerk.
Biografie und Werdegang
Paul Karl Feyerabend wurde am 13. Januar 1924 in Wien geboren. Er nahm das Studium an den Musikakademien in Wien und Weimar auf, sowie ein Physikstudium in Wien. Feyerabend, der seit einer Verletzung im Zweiten Weltkrieg an einer Gehbehinderung litt, entwickelte sich, obwohl er nie regulär Philosophie studiert hatte, zum überzeugten Gefolgsmann Karl Poppers und dessen kritischem Rationalismus; er trat uneingeschränkt für den Neopositivismus und dessen Methodenlehre ein. 1951 erfolgte seine Promotion, sowie eine anschließende Dozententätigkeit in Wien und Bristol eine leitende Mitarbeit beim Europäischen Forum Alpbach.
1959–1990 war Feyerabend Professor für Philosophie an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Weitere Lehraufträge führten ihn nach Yale (1966–67), London (1965–68) und an die FU Berlin (1967–69). 1980–1990 hatte er eine Professur für Philosophie der Wissenschaft an der ETH Zürich inne.
Um 1968 änderte sich Feyerabends Wissenschaftsverständnis, fortan verstand er abendländische Vernunftskriterien als eine Alternative unter vielen. Zu Beginn seiner wissenschaftstheoretischen und wissenschaftlichen Laufbahn war Feyerabend Anhänger Karl Poppers und des kritischen Rationalismus. Nach seiner wissenschaftstheoretischen Katharsis galt Feyerabend als Kritiker des Rationalismus, der bestehenden Wissenschaftstheorie und der Methodologie; so bezeichnete er den kritischen Rationalismus zuweilen als law-and-order-„Rationalismus”. Feyerabend stand fortan im Ruf, Verfechter eines (Wissenschafts-) Relativismus und eines erkenntnistheoretischen Anarchismus oder philosophischen Dadaismus zu sein. Feyerabend rebellierte gegen den orthodoxen Dogmatismus der Wissenschaft, wobei er sich im Dienste der Provokation auch derart äußerte, Regentänze seien genausogut wie Wettervorhersagen und Wahlprognosen nicht besser als Astrologie. Hierzu schreibt er in Erkenntnis für freie Menschen (S.15f):„Aber ein Mystiker, der durch eigene Kraft seinen Leib verlassen und Gott selbst gegenübertreten kann, wird kaum davon beeindruckt sein, daß es zwei sorgfältig eingewickelten und nicht besonders gescheiten Menschenkindern mit der Unterstützung von Tausenden von wissenschaftlichen Sklaven und Milliarden von Dollars gelang, einige unbeholfene Sprünge auf einem trockenen Stein auszuführen – dem Mond –, und er wird die Abnahme und fast völlige Zerstörung der spirituellen Fähigkeiten der Menschen bedauern, die ein Ergebnis des wissenschaftlich-materialistischen Klimas unserer Zeiten sind. Man kann sich natürlich über diesen Einwand zu Tode lachen – Argumente gegen ihn hat man nicht.“
Für Feyerabend lässt sich aus der Ideengeschichte der Schluss ziehen, dass die Praxis der Erkenntnisgewinnung und Erkenntnisveränderung in oftmals irrationaler und anarchischer Weise bestehende wissenschaftstheoretische Grundsätze verletzt hat und eben darum erfolgreich war. Feyerabend betont die Bedeutung von Intuition und Kreativität als Voraussetzung des Erkenntnisgewinns und Erkenntnisfortschritts, beide dürfen nicht durch eine bestimmte dogmatische Rationalität und wissenschaftstheoretisch-methodologische Regeln und Zwänge, die ihrerseits nicht sakrosankt sind, sondern vielmehr im Erkenntnisprozess einem Wandel unterliegen, nutzlos und in irreführender Weise eingeschränkt werden.
Feyerabend fordert eine scharfe Trennung von Staat und Wissenschaft, darüber hinaus wandte er sich gegen einen Überlegenheitsanspruch von Experten und Wissenschaftlern.
Sein Ziel war eine freie Gesellschaft, in der Bürger und Politiker direkt, ohne weitere administrative Umwege über abstrakte Theorien, am Erkenntnisprozess teilhaben. Eine objektive, von Lebens- und Erfahrungspraxis in einer freien Gesellschaft abgetrennte (und damit die bislang herrschende) Rationalität — in Form der Logik, Wissenschaftstheorie und bestimmter Sozialtheorien — soll durch Beteiligung der Bürger (etwa in Form von Bürgerinitiativen) ersetzt werden.
Werke
- Wider den Methodenzwang (Against Method. Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge). Frankfurt/M. 1975 (ISBN 3518281976)
- Erkenntnis für freie Menschen Frankfurt/M. 1980). ISBN 351811011X
- Wissenschaft als Kunst. Frankfurt/M. 1980. ISBN 351811011X
- Zeitverschwendung (Autobiographie). Frankfurt/M. 1995. ISBN 3518392220
- zus. mit Hans Albert: Briefwechsel. Frankfurt/M. 1997 ISBN 359613434X
- Widerstreit und Harmonie, Hg. von Peter Engelmann, Wien: Passagen Verlag 1998. ISBN 3-85165-305-X
- Conquest of Abundance (posthum veröffentlicht von Bert Terpstra). Chicago 2001 ISBN 0226245349
- Wissenschaftstheoretische Plaudereien. Originaltonaufnahmen 1971-1992, hrsg. v. Klaus Sander. Audio-CD, 60 Minuten und Booklet, 24 Seiten. Köln: supposé 2000. ISBN 3-932513-15-0
- Stories from Paolino's Tapes. Private Recordings 1984-1993, hrsg. v. Grazia Borrini-Feyerabend und Klaus Sander. Audio-CD, 68 Minuten. Köln: supposé 2001. ISBN 3-932513-19-3
- Die Vernichtung der Vielfalt. Ein Bericht, Hg. von Peter Engelmann, Wien: Passagen Verlag 2005., ISBN 3-85165-633-4.
Literatur
- Eberhard Döring: Paul K. Feyerabend zur Einführung, Hamburg: Junius, 1998,ISBN 3885069806
- Thomas Sukopp: Anything goes? – Paul K. Feyerabend als Elefant im Popperschen Porzellanladen. Aufklärung und Kritik, 1/2007 14. Jg. ISSN 0945-6627
Weblinks
- Vorlage:PND
- Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Vorlage:Aeiou
- http://www.philosophenlexikon.de/feyerab.htm – Kurzinhalte einiger seiner Werke
- http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/philarchiv/bestaende/Feyerabend.htm – Nachlass, Manuskripte, Korrespondenz und Handbibliothek Paul Feyerabends im Philosophischen Archiv der Uni Konstanz
- Passagen Verlag - Das Verlagsprogramm, mit Werken von Paul Feyerabend
- Paul Hoyningen-Huene: Paul Feyerabend – ein postmoderner Philosoph?
- Das „Testament“ des Paul Feyerabend
Personendaten | |
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NAME | Feyerabend, Paul Karl |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Philosoph und Wissenschaftstheoretiker |
GEBURTSDATUM | 23. Jänner 1924 |
GEBURTSORT | Wien, Österreich |
STERBEDATUM | 11. Februar 1994 |
STERBEORT | Genolier, Schweiz |