Aneurysma
Ein Aneurysma ist eine spindel- oder sackförmige, lokalisierte, permanente Erweiterung des Querschnitts von arteriellen Blutgefäßen in Folge angeborener oder erworbener Wandveränderungen.
Man unterscheidet das echte Aneurysma (Aneurysma verum) vom falschen Aneurysma. Während sich beim echten Aneurysma die gesamte kranke Gefäßwand erweitert, entsteht das falsche Aneurysma (Aneurysma spurium) durch einen Riss in der Gefäßwand. Das ausströmende Blut ruft ein pulsierendes Hämatom (Bluterguß) hervor, das sich dank der Adventitia abkapselt und durch Vernarbung eine Pseudowand bildet. Die Brisanz zentraler Aneurysmen (z.B. infrarenales Bauchaortenaneurysma) liegt in ihrer potentiell tödlichen Rupturgefahr (also Rißgefahr). Diese steigt mit zunehmendem Querdurchmesser des Aneurysma. Aneurysmen der peripheren Gefäße bedrohen vor allem durch thromboembolische Gefäßverschlüsse die Gliedmaßen. In der Regel sind Aneurysmen teilweise mit Thrombenmassen, welche sich randständig befinden, ausgefüllt. Diese Thrombenmassen können zum Beispiel beim Aneurysma in der Kniekehle durch entsprechende Bewegungen in die periphere Zirkulation ausmassiert werden. Dies führt zu peripheren, zum Teil irreversiblen Gefäßverschlüssen mit entsprechenden Folgen.
Ursachen
Als Ursache stehen die degenerativen Gefäßwanderkrankungen (Arteriosklerose in über 80% der Fälle) zahlenmäßig weit im Vordergrund. Weit seltenere Ursachen sind Traumen, Infektionen (Rheumatisches Fieber), Entzündungen und eine angeborene Bindegewebsschwäche (s. Marfan-Syndrom). Bei ca. 5-7% der Aneurysmaträger treten diese multipel an verschiedenen Körperlokalisationen auf (Morbus aneurysmaticus). Aneurysmen der Aorta betreffen nicht nur Erwachsene, sondern können als Folge eines Marfan-Syndroms oder als Spätfolgen einer Volumenbelastung der Aorta bei angeborenen Herzfehlern mit Rechts-Links-Shunt oder einer shuntabhängigen Perfusion der Lungen klinisch bedeutsam werden.
Symptome und Befunde
Ein Großteil der Bauchaorten- und Becken-Aneurysmenträger sind asymptomatisch. Die Diagnose findet meistens zufällig im Rahmen einer Routine-Untersuchung oder Bauchabklärung statt. Im Ultraschall kann die Diagnose, bei Bauchschlagader- oder Beckenarterien-Untersuchungen, mit großer Treffsicherheit erfolgen. Werden diese Aneurysmen symptomatisch, treten Rückenschmerzen und/oder diffuse Abdominal-Schmerzen auf. Sie sind typisch für das expandierende Aneurysma mit Einblutung in die Wand. Die intraabdominellen Aneurysmen können frei in die Bauchhöhle rupturieren, was zum Verbluten des Patienten führt. Häufig kann aber das Retroperitoneum (die Gefäße liegen retroperitoneal) diese Blutung noch zurückhalten. Der Patient präsentiert sich mit heftigsten Flankenschmerzen und einer Schock-Symptomatik (DD: Nierenkolik, Pankreatitis). Bei den peripheren Aneurysmen steht nicht die Ruptur sondern der thrombotische Verschluss des Aneurysmas oder der embolische Verschluss der distalen Gefäße im Vordergrund. Die Symptomatik ist häufig akut. Embolien nach distal können auch chronisch und lange Zeit oligosymptomatisch ablaufen (der Patient merkt wenig oder nichts). Bei den cerebralen (im Gehirn gelegen) Aneurysmen ( sogenannte Hirn-Aneurysmen) kann es durch den Druck der ein Aneurysma auf einen Nerv ausübt zu Lähmungserscheinigungen im Gesicht kommen. Bei einer Ruptur eines solchen Aneursymas ist ein Schlaganfall bzw. eine Subarachnoidalblutung (auch Hirnblutung genannt) die Folge.
Diagnostik
Klinische Untersuchung: Periphere Aneurysmen sind oft ohne Schwierigkeiten durch Inspektion (Betrachtung) und Palpation (Ertastung) zu erkennen. Das Bauchaortenaneurysma kann bei schlanken Patienten während der Untersuchung als expansiv pulsierender Tumor im Mittelbauch palpiert (ertastet) werden. Bei adipösen Menschen ist dies allerdings unmöglich. Apparative Untersuchung: Die Ultraschall-Sonografie ermöglicht eine nicht-invasive und kostengünstige Aneurysma-Diagnostik. Sie eignet sich sehr gut als Screening-Methode bei asymptomatischen Personen. Die Computertomographie gibt morphologisch präzise und geometrisch reproduzierbare Messwerte des Aneurysmas an. Ebenfalls kann die Art der Thrombosierung, die Wandbeschaffenheit und der Bezug des Aneurysmas zu den Nachbar-Organen bildlich dargestellt werden. Die Angiographie dient nicht dem Aneurysmanachweis, sondern wird zum Nachweis von Verschlusserkrankungen in peripheren oder zentralen Gefäßen wie z.B. Nierenarterie begleitend eingesetzt.
Therapie
Bauchaortenaneurysma
Die Indikation zur elektiven Therapie des Bauchaortenaneurysmas stellt sich durch das Erreichen einer kritischen Größe mit daraus folgender erhöhter Rupturgefahr. Beim Bauchaortenaneurysma ist eine Operationsindikation ab einem Querdurchmesser von ca. 5cm indiziert, selbstverständlich sind die allgemeinen Risiken des Patienten bei der Indikationsstellung mit zu berücksichtigen (Carotiden, Coronararterien). Das Behandlungsprinzip ist die Ausschaltung des Aneurysmas mit Wiederherstellung der Gefäßkontinuität. Im Aorten- und Beckenbereich besteht der Ersatz in einer Kunststoffprothese entweder als Rohr- oder Y-Prothese bei Mitbefall der Beckenarterien. Peripher, das heißt infrainguinal erfolgt die Wiederherstellung durch einen Bypass, bzw. Interponat mit autologem Venen-Material. Die Indikation zur notfallmäßigen bzw. beschleunigten Operation ist bei einem rupturierten bzw. symptomatischen Aneurysma gegeben.
Die Operationssterblichkeit beträgt bei einer elektiven Operation eines infrarenalen Aortenaneurysmas etwa 1-3% (in erfahrenen Händen), bei gedeckter Ruptur 30-50% und bei freier Ruptur liegt der Prozentsatz bedeutend höher. In der Regel wird das Bauchaortenaneurysma durch einen längsgerichteten oder queren Bauchschnitt frei gelegt. Nach Abklemmen der Gefäße und Eröffnen des Aneurysma-Sackes wird eine Y-Prothese eingenäht und der Aneurysmasack über der Prothese wieder verschlossen.
Seit einigen Jahren kann das Aneurysma auch endovaskulär mittels Y-Stent-Prothese versorgt werden. Dabei wird durch eine Inzision in der Leiste eine zusammengefaltete Stent-Prothese unter radiologischer Kontrolle in das Aneurysma eingeführt und expandiert. Der zweite Schenkel einer solchen Y-Prothese wird durch die gegenüberliegende Leiste in die Arteria femoralis eingeführt und wiederum unter Röntgenkontrolle mit der Rest-Prothese verbunden.
Da nach offener Operation kaum Nachkontrollen nötig sind, besteht das große Problem bei den Endoprothesen in der Entwicklung von so genannten Endoleaks. Durch Endoleaks kommt der Aneurysmasack wieder unter systemischen Blutdruck, sodass das Ziel der Operation nicht erreicht ist. Solche Endoleaks müssen gesucht werden und entsprechend, in der Regel auf endovaskulärem Weg, verschlossen werden. Die Nachsorge von Stent-Prothesen ist ein erhebliches Problem, weil es die Spital-Infrastruktur belastet. Nach heutigem Wissen können auch nach einigen Jahren noch Endoleaks auftreten, die behandlungsbedürftig sind. Aus diesem Grund ist eine mindestens jährliche Nachkontrolle mittels Duplex oder MRT oder CT notwendig. Die Langzeitresultate dieses Verfahrens sind noch völlig unbekannt. Die Langzeitresultate nach offener Operation sind extrem gut. Nach 10 Jahren funktionieren 95% der eingesetzten Prothesen.
Aortenaneurysma
Die chirurgische Behandlungsbedürftigkeit eines Aortenaneurysmas hängt von der Zunahme des normalen Durchmessers von über 50 % ab, besonders beim Kind. Die kritische Größe bei Ewachsenen ist bei einem Durchmesser von 50 bis 55 mm erreicht. Dafür stehen folgende Operationsverfahren zur Verfügung:
- getrennt prothetischer Ersatz der Aortenklappe durch eine Kunstklappe oder eine gerüstmontierten biologischen Prothese (Homograft = menschliche Spenderklappe) und Ersatz der Aorta ascendens durch eine Gefäßprothese. Diese Technik hat für gut selektierte Patienten (typischerweise der ältere Mensch) mit einer ausschließlichen Erweiterung der tubulären Aorta weiterhin ihre Berechtigung. Eine degenerative Erkrankung muss ausgeschlossen sein.
- bei Hinweisen auf eine primäre Aortenwanderkrankung (Marfan-Syndrom), eine Mediannekrose oder biscupide (zweizipflige) Aortenklappe wird ein simultaner Ersatz der gesamten Aortenwurzel durchgeführt. Diese Operation mit Gefäßprothese mit integrierter künstlichen Klappenprothese (klappentragendes Conduit) wurde 1968 von Bentall und DeBono zuerst beschrieben. Diese Operation wird auch heute noch durchgeführt. Sie bedingt die lebenslange Einnahme gerinnungshemmender Medikamente (Cumarine). Wo immer möglich, ist heute die Kunstprothese zu vermeiden und klappenerhaltende Techniken mit biologischen Coduits werden bevorzugt. In diesen Fällen wird über die Durchführung der Ross-Operation zu entscheiden sein.
Hirn-Aneurysmen
Hirn-Aneurysmen werden entweder endovaskulär oder neurochirurgisch behandelt. Bei der endovaskulären Therapie werden mittels Katheter über die Leistenarterie sogenannte Platin-Coils (Spiralenform) in den Aneurysmasack gebracht. Dort knäulen sich die Platinspiralen und füllen das Aneurysma aus, so das dort kein Blut mehr hineinfließt. So ist das Hirn-Aneurysma vor einer möglichen Ruptur geschützt. Bei der neurochirurgischen Therapie wird das Aneurysma mittels einer Kraniotomie (offene Hirn-Op) angegangen. Der Aneurysmasack wird mittels eines Clips (meist aus Titan) sozusagen abgeklemmt. Somit ist das Aneurysma vom Blutkreislauf ausgeschaltet. Ist ein Clipping nicht möglich, wird das Aneurysma gewrappt, d.h. die Arterien-Aneurysma-Wand wird wandverstärkt. So soll die mitunter poröse Arterienwand verstärkt werden, um eine mögliche Ruptur zu verhindern.
Die Ursache ist eine angeborene Schwäche der Zellen der Gefäßinnenwand, der sogenannten Endothel-Zellen. Im Laufe des Lebens entsteht dann unter bestimmten Umständen wie z.B. bei Normvarianten von Gefäßaufzweigungen, Verschluß von hirnzuführenden Gefäßen und länger bestehendem Hochdruck ein Aneurysma. Bevorzugt treten sie an Aufzweigungen von Gefäßen auf.
An den intracraniellen Hirnarterien ist die Muskelschicht dünner als an den übrigen Arterien des Körpers. Daher sind die Hirnbasis-Gefäße prädisponiert für das Entstehen von Aneurysmen.
In Autopsie-Serien werden bei 1-5% der Bevölkerung Mitteleuropas Aneurysmen gefunden, die nicht geblutet haben. Frauen sind häufiger betroffen als Männer ( 5:3 ).
Bei 10 bis 20% aller Aneurysma-Patienten liegen mehrere Aneurysmen an den Hirnbasis-Gefäßen vor.
Aneurysmen an den Hirnbasis-Gefäßen sind gefährlich. Sie können platzen und eine tödliche Hirnblutung verursachen. Man geht davon aus, das 60-70% an oder nach der Hirnblutung sterben, nur an die 10% behalten keine neurologischen Ausfälle, der Rest kann mit neurologischen Ausfällen wie vollständige Lähmung/Halbseitenlähmung, Sprachverlust, Hirnschäden usw. rechnen.