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Sturm und Drang

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Der Sturm und Drang war eine deutsche Literaturbewegung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Name stammt von einem Drama von Friedrich Maximilian Klinger.

„Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Epoche deutscher Literatur von 1767 bis 1785 und wird auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt nach der Verherrlichung des 'Originalgenies' als Urbild des höheren Menschen und Künstlers, des wahren Schöpfers der Kunst.“ (nach Gero von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1969, S. 747)

Voraussetzungen: Die Literatur der Aufklärung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist das philosophische und literarische Leben im deutschen Sprachraum weitestgehend von der Aufklärung bestimmt. Der laut Immanuel Kants klassischer Definition „Ausgang der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit“ soll durch den Einsatz der Vernunft als bestimmender Lebensmaxime erreicht werden.

Diese Geisteshaltung spiegelt sich deutlich in den Werken der Aufklärung. Johann Christoph Gottsched hatte in seinem „Versuch einer Critischen Dichtkunst“ von 1730 der Literatur in der Aufklärung einen engen Rahmen gesetzt und eine unbedingte Zweckhaftigkeit der Schriftstellerei angesetzt. Literatur sollte den Leser moralisch bilden, ihn erhellen und seine Vernunft wecken. Die durch die Aufklärung angestrebte Freiheit war dem neuen Zwang eines engen Regelwerks gewichen, der die Literaten an die (gestalterisch) kurze Leine nahm. Die Einheit von Ort, Zeit und Handlung, eine gehobene Sprache und die Trennung der Besetzung von Adel und Bürgertum nach Tragödie und Komödie waren die Postulate, die man in zahlreichen Dichterakademien den angehenden Literaten lehrte.

Die Anfänge des Sturm und Drang

Doch bereits mit Gotthold Ephraim Lessings Werk „Minna von Barnhelm“ von 1767 zeigte sich, dass dieses Reglement für eine den empörenden Umständen angemessene sozialkritische Literatur (politische Bildung ist ja schließlich auch Aufklärung!) zu eng gefasst war. Um 1770 lehrte der ostpreußische Theologe, Philosoph und Sprachforscher Johann Gottfried Herder an der Universität Straßburg (hier studierte u.a. gerade der junge Goethe), dass Poesie nicht erlernbar sei, sondern ein Originalgenie erfordere. Außerdem trat er für die Literatur Shakespeares und eine Erneuerung alter Volkslieder in der Lyrik seiner Zeit ein. Mit dieser Reaktion gegen die rein verstandesmäßige Haltung der Aufklärung war der Grundstein für die Überwindung der Vernunftherrschaft und eine Entfesslung des Gefühlsüberschwangs, der Fantasie und der Gemütskräfte als neue dichterische Grundhaltung gelegt. Diese Erneuerungsbewegung, die wie ein Ruck durch die deutschsprachige Literatur geht ist in ihrem bürgerlich-jugendlichen Charakter von einem hohen Idealismus gekennzeichnet: 'Fülle des Herzens' und Freiheit des Gefühls, Ahnung und Treib, emotio statt ratio bezeichnen ihr Lebensgefühl. Das Aufbegehren der Jugend hat nun sein literarisches Equivalent gefunden, eine neue Generation deutschsprachiger Schriftsteller findet in den Thesen Herders den Widerhall ihrer Erfahrungen und Gefühlswelt.

Besonderheiten des Sturm und Drang

Das Persönlichkeitsideal der jungen Generation in der deutschen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts wendet sich gegen Autorität und Tradition sowohl im politischen Leben, als auch in der geistigen und dichterischen Welt. Ihre politische Wirkung blieb dabei gering und ging nicht über einen im Grunde wirkunslosen Protest hinaus.

Im literarischen Bereich dagegen konnte er seine volle Wirkung entfalten. An die Stelle einer erlernbaren Regelpoetik, die man in Dichterakademien lernen konnte, setzten die „jungen Wilden“ die Selbständigkeit des Original-Genies, das sein Erleben und seine Erfahrungen in eine individuelle künstlerische Form bringt, die mit den Regeln der traditionellen Poetik sehr frei umging. Der verbindliche „gute Geschmack“ der Aufklärung mit seinen ans antike Theater angelehnten Regeln hatte damit zunächst seine prägende Kraft verloren. Dieses Regelwerk wurde mit Verweis auf das eigene Können, die Kraft bloßer genialer Orginalität als Krücken für den Kranken verworfen, die das gesunde Genie der jungen Autoren nicht benötigt. Anstelle der alten Regeln tritt die Stärke der Leidenschaft, die allein als Wert gilt und das Charakteristische, Ursprüngliche über das „Schöne“ setzt. Nicht in eine Form soll es passen, sondern die Welt, wie die Generation des Sturm & Drangs sie erlebt mit der Energie ihrer Jugend widerspiegeln!

Ein neues, innig umfassendes und sich einfühlendes Verhältnis zur Natur vereint sich mit der tragischen Grundauffassung vom Genie, das als Verkörperung dieser unbändigen Natur im Konflikt mit den Mächten des Zwanges, der Kultur und der Gesellschaft zum Untergang bestimmt scheint.

Die Hauptform der Dichtung in der Epoche des Sturm&Drang stellt das Drama dar. Das immerwiederkehrende Thema in den Werken dieser Generation ist der Zwiespalt und Konflikt des Naturgenies, des nach Freiheit strebenden, widerspenstigen Jungen, mit den Schranken der bestehenden Weltordnung, die die handelnden Personen als Aufrührer und Verbrecher erscheinen lässt.

Formales Vorbild wurde nunmehr Shakespeare statt den Dichtern der antiken Welt. Mit der Bewunderung für den englischen Dichterfürsten ist eine Bewunderung für das auf dem Weg zur Freiheit weit fortgeschrittene England eng verbunden. Kritiker werfen ein, dass die Vernachlässigung der dramatischen Technik und der Einheiten in den Werken des Sturm & Drang bis zum beliebig häufigen Schauplatzwechsel geht, oft über den Grad bühnenmäßiger Wirksamkeit (und Darstellbarkeit) hinaus. Die exaltierte, ungebändigte und doch gefühls- und ausdrucksstarke Sprache ist voller Ausrufe, halber Sätze und forcierter Kraftausdrücke und neigt zum Derbrealistischen-Volkstümlichen. Man nahm kein Blatt mehr vor den Mund und brachte die Sprache des Volkes und der Jugend auf die Bühnen. Allerdings war man dabei nicht vor hohlem Pathos gefeit - die Sprache Schillers ist dafür berüchtigt.

Die Frontstellung der jungen Schriftsteller gegen eine aristokratische Hofkultur nach französischem Vorbild und ihre Sympathie für Begriffe wie Natur, Herz und Volk fielen bereits ihren Zeitgenossen auf. So hatte man es geschafft, sich eine eigenständige „Jugendkultur“ in der Literatur zu etablieren, mit einer vorher ungekannten Radikalität und Energie aufzuzeigen, dass die junge Generation aufbegehrte.

Kunst läßt sich auf die Dauer aber nicht nur jenseits von Regeln und aus eigener Genialität heraus verstehen. Um die Jahrhundertwende wurde der Sturm und Drang von der Klassik abgelöst, eine Epoche, die wieder extrem auf Regeln und die Einhaltung von Gattungsgrenzen achtete.

Zu den prominentesten Vertretern dieser Jugendbewegung zählten die jungen Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller. Goethes Die Leiden des jungen Werther gilt als einer der wichtigsten Romane dieser Bewegung. Andere Vertreter sind Jakob Michael Reinhold Lenz und Autoren, die im Göttinger Hainbund zusammengeschlossen waren. Hauptorte der Bewegung waren vor allem Straßburg, Göttingen und Frankfurt am Main.

Werke und Autoren

Die Stürmer und Dränger kamen vorwiegend aus dem Mittel- und Kleinbürgertum; ihre literarischen Betätigungen suchten sie materiell durch Hauslehrer- oder Pfarrstellen abzusichern, denn von der Literatur konnten sie nicht leben. Es fehlte ihnen nämlich die soziale Resonanz, ihre Bewegung blieb auf die Bekannten beschränkt, mit denen man sich zu Männerbünden zusammenschloss (z.B. Göttinger Hain). (Goethes erwähnter Roman blieb eine Ausnahme.) Hauptorte des Sturm und Drang waren Straßburg, Göttingen, Frankfurt am Main. Für viele Dichter, v.a. Goethe und Schiller, war der Sturm und Drang nur eine vorübergehende Phase ihres Lebens und Schaffens. Viele Autoren und Werke waren nur zu ihrer Zeit den Interessenten bekannt und sind heute weit gehend vergessen. Zu den bedeutendsten Schriftstellern und Werken gehören:

Johann Wolfgang Goethe (1749-1832)

• Zum Schäkespears-Tag (Rede) 1771 • Sesenheimer Lieder 1770/71 • Götz von Berlichingen (Drama) 1773 • Prometheus 1773/77, Ganymed 1774 (Gedichte) • Die Leiden des jungen Werthers (Roman) 1774

Friedrich Schiller (1759-1805)

• Die Räuber 1781 (Drama) • Kabale und Liebe 1784 (Drama)

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1805)

• Der Hofmeister 1774 (Drama) • Die Soldaten 1776 (Drama)

Göttinger Hain (Zeitschrift "Göttinger Musenalmanach"), darunter:

• Johann Heinrich Voss (1751-1826, Übersetzer von Homers "Odyssee" und "Ilias" in deutsche Hexameter) • Christoph Heinrich Hölty (1748-1776)

Auswirkungen auf die Musik

Die Sturm und Drang-Epoche hatte auch Auswirkungen auf die Musik, die in dieser Zeit entstand. Die Werke des Sturm und Drangs (z. B. die Sinfonien (ca.) Nr. 35-55 von Franz Joseph Haydn) sind durch sehr starke Dynamik und einen düsteren Klang gekennzeichnet. Viele dieser Stücke sind in Moll geschrieben.


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