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Stockton and Darlington Railway

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Die Stockton und Darlington Railway George Stephenson stand in den Vierzigern. Sein Sohn Robert war herangewachsen, nicht ohne Mühe und Entbehrungen hatte man ihm eine fortschrittliche, technische Ausbildung vermittelt, wie sie sein Vater niemals genossen hatte. Die zwangsläufige europäische Depression nach den Napoleonischen Kriegen wurde durch umfangreiche industrielle Expansion wettgemacht; in England, in Frankreich, selbst im feudalen Deutschland wie im armen Schottland. Das letztere hatte 1817 den Dampf auf seiner Kilmarnock und Tronn-Eisenbahn mit den damals üblichen Resultaten erprobt; gußeiserne Schienen zerbrachen in tausend Stücke, und die Maschine schied als alles zerstörender Apparat aus. Auch die Deutschen unternahmen Versuche und bauten die Murray-Blenkinsop-Zahnrad-Lokomotive nach, jedoch mit tragikomischen Ergebnissen. Wie erwähnt, kamen schließlich Birkinshaws gewalzte Eisenschienen auf und wirkten Wunder. Der Tees-River bildete den natürlichen Ausgang des Durham-Kohlen-Reviers im englischen Nordosten. Zwischen Darlington im Binnenland und Stockton am Tees sollte eine Eisenbahn, allerdings für anspruchsvollere Verhältnisse, gebaut werden. Die große Quäkerfamilie der Pease stand hinter dem Unternehmen. Die Peases zogen George Stephenson zu Rate, der zu einiger lokaler Berühmtheit gelangt war. Die Stockton und Darlington Railway wurde 1821 gegründet, die Urkunde sah den Betrieb durch "Menschen, Pferde oder anderweitig" vor. Stephenson bestand darauf (wahrscheinlich mit einigem Nachdruck, seiner Art entsprechend), daß „anderweitig" durch Dampffortbewegung bedeuten müßte. Edward Pease war vorsichtig, wie es die schweigsamen Quäker sind, er stand aber zu seinem Wort. Das Ende vom Liede war, daß Stephenson Vater und Sohn schließlich an den Bau der ersten Dampflokomotive gehen konnten, die für regulären öffentlichen Verkehr auf einem gesellschaftseigenen Schienenweg bestimmt war. Die Locomotion gehörte noch zum frühen Stephenson-Typ. Zylinder und Gestänge lagen noch oben, die Antriebskurbeln waren an jeder Seite um 90 Grad versetzt, die Kurbelstange war hierbei über eine Gegenkurbel mit dem hinteren Treibzapfen verbunden. Der Kessel, der mit hölzernen Dauben an seinem Oberteil verschalt war, um die Hitze von dem Lokführer abzuschirmen, besaß die alte mittlere Feuerungs und Flammrohranordnung ohne Rauchkammer. Die Radsterne waren aus durchbohrten Eisensegmenten mit aufgeschrumpften Eisenreifen zusammengesetzt. Der einfache, einem englischen Kohlenwagen ähnliche Tender trug einen Behälter für das Speisewasser mit darunterliegendem Raum für Brennstoff. Im Herbst 1824 begann der Bau von Stephensons Locomotion in einer Werkstatt in der Forth Street zu Newcastle-upon-Tyne. Im Jahr darauf wurde sie fertig. Lange vor Eröffnung der Eisenbahn befand sich der junge Stephenson jedoch schon weit weg auf einer Bergwerksbesichtigungsreise im nördlichen Südamerika (dort sollte er übrigens den verarmten Richard Trevithick finden und ihm nach der Heimat helfen). Eine Ironie des Schicksals mag hier erwähnt sein: Trevithick sollte arm und verlassen 1833 in England sterben, nachdem er oft genug die britische Regierung um eine kleine Pension ersucht hatte, jedesmal ohne Erfolg. Robert Stephenson hingegen wurde (und das wiederum ohne Zutun der britischen Regierung) der erste Ingenieurmillionär Sterling, in Gold!). Als er im Alter von 56 Jahren starb, wurde er wie Könige und Feldherren in der Westminster-Abtei beigesetzt. Merkwürdig! Es gab noch eine andere Besonderheit bei dieser Stockton- und Darlington-Eisenbahn, nämlich die Absicht, neben dem Gütertransport auch Reisende zu befördern. In Anbetracht dessen wurde ein einzelner Personenwagen gebaut und mit in den Eröffnungszug eingestellt, als dieser am 27. September 1825, von der Locomotion geführt, über die Strecke rollte. Sein genaues Aussehen wissen wir nicht. Viele Jahre kursierte eine Zeichnung, die eine Art auf Räder gestellte Hütte wiedergab, aber es scheint doch nur eine gewitzte Umarbeitung eines Straßenwagens jener Epoche gewesen zu sein, wie sich an Hand der schönen Bleistiftzeichnung von J. R. Brown beurteilen läßt, die kürzlich entdeckt wurde und von der man annimmt, daß sie in jenen Jahren angefertigt wurde. Das Fahrzeug wurde einschließlich der darin sitzenden Honoratioren in die Mitte eines aus Kohlenwagen bestehenden Zuges eingestellt, während das übrige Volk in die Wagen kletterte, so viel wie eben darauf gingen. Unmassen von Zuschauern waren erschienen, um das Wunder zu bestaunen, nicht wenige in der Hoffnung, Locomotion würde explodieren und für einen Nervenkitzel sorgen. Aber alles verlief reibungslos. Trotzdem wurden eine Zeitlang Reisende im planmäßigen Verkehr mit pferdebespannten Personenwagen zwischen den Kohledampfzügen befördert. Die Leute hatten noch recht viel Furcht vor der Fahrt hinter einer jener schrecklichen, feuerspeienden Maschinen, die nach allgemeiner Ansicht nicht nur sich selbst, sondern auch sie, die Fahrgäste, in die Luft sprengen konnten, sobald eine Störung auftrat. Immerhin, die Sache machte sich. Die Dampfeisenbahn, zunächst als industrielle Einrichtung angesehen, wie wir heute eine Bergwerkseinrichtung und einen Lastenaufzug betrachten, war nunmehr als öffentliches Verkehrsmittel vorhanden. Dennoch war die Freude über das Neue nicht ungetrübt. George Stephenson fehlte sein Sohn Robert, der viel zur Vervollkommnung der Maschine beigetragen hatte. Der treue Förderer und Geldgeber Edward Pease hatte soeben einen Sohn verloren und war so voll Kummer, daß er sich überhaupt nicht in der Öffentlichkeit blicken ließ. Die Mehrheit des britischen Adels besaß kaum Verständnis für die Dinge, die hier vor sich gingen, obwohl sie später ihr Vermögen beträchtlich vermehren sollten. Die Revolution (man hörte dieses Wort beim Gedanken an Frankreich in diesem Zusammenhang nicht gern) hatte tatsächlich begonnen. Revolution war nun freilich ein Wort, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellte. Für die Franzosen hieß es Reform, für die Amerikaner ruhmreiche Unabhängigkeit. Die englische Landaristokratie verstand darunter höchst unerwünschten sozialen Umbruch, schlimmstenfalls Ausschreitungen wie während der französischen Schreckensherrschaft unter Robespierre. Sie wollten keine Revolution, weder eine maschinelle noch eine politische, und fürchteten, daß eine die andere nach sich ziehen könne. Dort, wo die Eisenbahnen aus den Industriebezirken, wo man sie noch als notwendiges Übel dulden mochte, in das Land vorstießen, wurden alle Projekte sowohl mit politischem Druck als auch mit offener Gewalt gegen die Landvermesser bekämpft. Die großen Kaufmanns- und Industriellenfamilien des Nordens, die damals die politische Linke bildeten, begünstigten natürlich sehr diese großartige Erfindung. Das ist auch der Grund, weshalb während der zwanziger und frühen dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Angelegenheit eine Streitfrage der Parteien im Parlament bildete.