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Wehrpflicht

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Als Wehrpflicht bezeichnet man die Pflicht für einen gewissen Zeitraum in der Armee eines Landes zu dienen. Ob und für wen eine Wehrpflicht besteht ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt:

Deutschland

Wer ist wehrpflichtig?

Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und

  1. ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder
  2. ihren ständigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben und entweder
  • ihren früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten oder
  • einen Pass oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben.

(§1, Satz 1 Wehrpflichtgesetz (WPlfG)

Erfüllung der Wehrpflicht

Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes beträgt heute 9 Monate, der Zivildienst muss 10 Monate geleistet werden. Ab 1. Oktober 2004 wird nach einem am 1. Juli 2004 verabschiedeten Gesetz auch die Dauer des Zivildienstes auf 9 Monate reduziert.

Wehrpflicht-Dauer in der Bundesrepublik Deutschland von 1957 bis heute. (in Monaten)


Ende der Wehrpflicht

Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 45. Lebensjahr vollendet, bei Offizieren und Unteroffizieren in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird.
Im Verteidigungsfall endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet.

Was bedeutet 'Erfüllung der Wehrpflicht'

Die Pflicht zur Dienstleistung umfasst

  1. den Grundwehrdienst (§ 5 WPflG)
  2. Wehrübungen (§ 6 WPflG)
    1. Einzelwehrübungen
    2. Besondere Auslandsverwendungen
  3. im Verteidigungsfall den unbefristeten Wehrdienst

Müssen auch Ungediente im Verteidigungsfall Wehrdienst leisten?

Ja, ungediente Wehrpflichtige gehören zur Ersatzreserve. Wehrpflichtige, die in der Bundeswehr gedient haben, gehören zur Reserve. Die übrigen gedienten Wehrpflichtigen gehören zur Reserve, sobald über ihre Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der Wehrpflicht entschieden ist.

Wehrgerechtigkeit

Die politische Diskussion, die Bundeswehr in eine reine Berufsarmee umzuwandeln, stellt die Wehrpflicht in Frage. Da immer weniger junge Männer eines Jahrgangs tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden, beklagen Kritiker die mangelnde Wehrgerechtigkeit bei der Auswahl der Rekruten.

Für eine ausführlicher Darstellung, siehe: Wehrgerechtigkeit

Einberufungspraxis

Seit dem 1. Juli 2003 gilt in Deutschland eine neue Einberufungspraxis zum Grundwehrdienst. Die neue Praxis besteht aus folgenden Punkten:

  1. Absenkung der Heranziehungsgrenze vom 25. auf das 23. Lebensjahr
  2. Keine Heranziehung von Verheirateten und in eingetragenen Lebenspartnerschaften lebenden Wehrpflichtigen
  3. Nicht-Einberufung von "T3"-gemusterten Wehrpflichtigen (Anmerkung: T3 = ein niedriger Tauglichkeitsgrad)
  4. Abiturienten und Fachoberschüler

Wehrpflichtige mit Hochschul- oder Fachhochschulreife werden zunächst nicht zum Wehrdienst herangezogen, wenn sie einen Ausbildungsvertrag für eine betriebliche Ausbildung abgeschlossen haben. Die Zurückstellung gilt bis zum Ende der betrieblichen Ausbildung, der dann die Einberufung zum Wehrdienst folgt. Bereits zugestellte Einberufungsbescheide werden widerrufen. Nach der Berufsausbildung ist eine Einberufung bis zum 25. Lebensjahr möglich. Die Regelung gilt nicht für Abiturienten oder Fachoberschüler die ein Studium aufnehmen wollen.

Argumente für und wider die Wehrpflicht

Die Diskussion unterscheidet ethische und juristische Argumente. Während die auf ethischen Begründungsmodellen fußenden Argumente zum Rechtfertigungsproblem der Ethik führen, müssen sich die juristischen Argumente national zumindest an den ersten vier Artikeln des Grundgesetz messen lassen und international an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen.

Die Diskussion über die Wehrpflicht ist nicht gleichbedeutend mit der Diskussion über das für und wider einer Armee, hängt aber mit ihr zusammen.

Desweiteren werden Analogien zur Schulpflicht und zur Steuerpflicht gezogen. Aus dem für und wider der einen Pflicht läßt sich jedoch nicht auf die Befürwortung oder Ablehnung einer anderen Pflicht schließen.

Volkswirtschaftliche Argumente

Aus volkswirtschaftlicher Sicht hindert die Wehrpflicht Menschen während ihres Wehrdienstes daran, den Beruf, für den sie am besten qualifiziert sind, auszuüben. Gerade junge Menschen, die gerade ihre Schullaufbahn beendet haben, können aber mit ihrem Wissen die Volkswirtschaft formen. Während der Wehrpflicht, die einen nicht unerheblichen Teil der Lebensarbeitszeit ausmacht, haben sie dazu keine Gelegenheit. Potenzielle Berufssoldaten werden in andere Berufe gedrängt, ihre potenzielle berufliche Qualität als Soldat geht der Volkswirtschaft somit verloren. Kritiker befürchten sogar, Wehrpflichtige könnten ihre in der Schule erworbenen Fähigkeiten zu einem Teil während der Dienstzeit wieder verlernen. Somit ist die Wehrpflicht in zweifacher Hinsicht ein Standortnachteil.

Zivil- und Grundwehrdienstleistende erhalten oftmals eine weit geringere Entlohnung als auf dem freien Markt durch Mindestgehälter möglich wäre. Obwohl das Gesetz es verbietet, übernehmen Zivildienstleistende oft Arbeiten, die sonst von Arbeitnehmern, die nicht unter Zwang arbeiten, erledigt würden. Sie blockieren so Arbeitsplätze und schwächen die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer.

Ethische Argumente

Wehrpflichtgegner können sowohl für als auch gegen eine Armee sein, während Wehrpflichtbefürworter folglich auch gleichzeitig für eine Armee sind.

Da eine Befürwortung der Wehrpflicht mittels ethischer Begründungsmodelle stets zum Rechtfertigungsproblem der Ethik führt und dieses nicht lösbar ist, kann die Wehrpflicht letztendlich nicht mittels ethischer Argumente begründet werden.

Juristische Argumente

Die Diskussion über die Wehrgerechtigkeit leitet sich aus Artikel 3 ab.

Schweiz

In der Schweiz gilt für männliche Bürger gemäß Art. 59 Bundesverfassung die allgemeine Dienstpflicht. Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. Die Wehrpflicht dauert gemäß Art. 13 Militärgesetz in der Regel vom 20. bis 34. Altersjahr. Die Pflichtigen werden solange zu Wiederholungskursen aufgeboten, bis eine dienstgradbezogene Anzahl von anrechenbaren Tagen erreicht ist. Für die Mannschaftsdienstgrade beträgt diese Zahl höchstens 260 Tage.

Österreich

In Österreich gilt die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger vom 18. bis zum 50. Lebensjahr, für Offiziere und Unteroffiziere bis zum 65. Lebensjahr. Bis zum 36. Lebensjahr können Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst eingezogen werden. Die Dauer des Grundwehrdienstes beträgt 8 Monate, wobei zumindest 6 Monate ohne zeitliche Unterbrechung geleistete werden müssen. Die fehlenden Monate werden über den Zeitraum von mehreren Jahren durch Waffenübungen ergänzt. Bis alle 8 Monate abgeleistet sind, befindet sich der Wehrpflichtige im Milizstand.

Anstelle des Militärdienstes ist auch ein Wehrersatzdienst oder Zivildienst möglich. Dieser dauert 12 Monate und kann bei verschiedenen Organisationen abgeleistet werden.

Frauen haben prinzipiell keine Wehrpflicht, können aber den Wehrdienst freiwillig ableisten.

Tunesien

In Tunesien unterliegen Männer und seit März 2003 auch Frauen der Wehrpflicht (1).

Geschichte

Heere, die aufgrund einer allgemeinen Aushebung aller wehrfähigen Männer aufgestellt wurden, gab es in der Geschichte immer wieder, etwa das Heer der römischen Republik oder Bürgergarden in Städten. Auch der preußische Staat befand sich mit dem Kantonssystem (Wehrfähige eines Gebietes waren für bestimmte militärische Einheiten enrolliert)auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigenarmee.

Das Frankreich der großen Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der Levée en masse fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht organisierte. (Daneben gab es noch Freiwillige.)

Preußen kopierte dieses Vorbild und führte im Zuge der preußischen Reformen auch die allgemeine Wehrpflicht ein. Damit war eine grundsätzliche Aufwertung des Soldatenstandes verbunden, galten Soldaten bisher doch als gesellschaftlich deklassiert - jetzt, wo auch Bürgersöhne zur Armee eingezogen wurden, galt Militärdienst als Ehrendienst entehrende Körperstrafen wurden folgerichtig abgeschafft.

Nach den Befreiungskriegen wurde die Wehrpflicht in Preußen konsequent beibehalten, mit der Ausnahme, dass Angehörige der "gebildeten Stände" sich als so genannte "Einjährige" melden konnten. In den anderen deutschen und europäischen Staaten wurde unter den tauglich gemusterten die erforderliche Anzahl von Rekruten durch Los bestimmt, der geloste konnte aber einen Ersatzmann stellen, weshalb in der Armee eher Männer aus ärmeren Schichten dienten.

Im Kaiserreich setzte sich das preußische gegen alle anderen Rekrutierungssysteme durch, hatte es doch seine Effizienz im Krieg 1870/71 eindrucksvoll bewiesen.

Auch in der Weimarer Republik und im Dritten Reich hielt man an der Wehrpflicht fest, nur wurde im Dritten Reich im Zuge der Volksgemeinschaft der "Einjährige" abgeschafft und von den Offizieren wurde erstmals gefordert, auch die Mannschaften als Kameraden zu betrachten.

Während der Zeit der Teilung Deutschlands unterlagen Bürger Westberlins nicht der Wehrpflicht.

Literatur

Siehe auch: Wehrdienst