Diskussion:Identität
Kommt Identität von ID-Entität = Identifikations-Entität?
PS: Ernstgemeinte Frage!
- Ich glaub nicht - das wäre ja eine rekursive Erklärung, denn woher kommt dann "Identifikation"? Meinem Wörterbuch zufolge kommt "Identität" von lat. "identitas" = "Wesenseinheit". Wenn's keine bessere Erklärung gibt, sollte diese in den Artikel eingefügt werden. --SirJective 12:58, 4. Jun 2004 (CEST)
Stimmt die Definition?
1. Wenn die Identität eines Menschen (oder einer Sache) die Summe der Merkmale ist, anhand derer wir uns (sie sich) von anderen unterscheiden, dann besteht die "eindeutige Identifizierbarkeit" eines Menschen (einer Sache) darin, dass seine (ihre) Merkmalskombination mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 mehr als ein Mal vorkommt. Damit hängt nach Definition Identität vom Zufall ab.
2. Die Definition widerspricht dem Absatz "Verlust der Identität". Im Absatz "Verlust der Identität" ist von einem "Alleinstellungsmerkmal" die Rede, das in der Definition nicht auftaucht - eher sogar geleugnet wird. In der Definition ist von einer "Summe" von Merkmalen die Rede. "Merkmale" sind nach Wikipedia-Definition beschreibbar. Einmalige Merkmale sind aber nicht beschreibbar oder nur beschreibbar als Kombination nicht-einmaliger Merkmale oder nur nennbar.
3. Wenn die Identität eines Menschen (oder einer Sache) die Summe der Merkmale ist, anhand derer wir uns (sie sich) von anderen unterscheiden, dann besteht ein "Verlust der Identität" darin, dass sich die Merkmalskombination so ändert, dass sie nicht mehr mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 mehr als ein Mal vorkommt. Angenommen, dies stößt einem Menschen (einer Sache) A zu: Nach Definition handelt es sich dann nicht mehr um A. Damit ist ein "Verlust der Identität" aber unmöglich, denn mit dem Verlust der Identität verschwände das, was sie verliert - es sei denn, es gäbe etwas, das bei Verlust seiner Identität mit sich selbst identisch bliebe.
4. Punkt 1 bedeutet vielleicht, dass aufgrund der Funktionsweise der Sprache und Begriffe die Identität eines Menschen (einer Sache) sprachlich und begrifflich nicht erfassbar ist.
5. Angenommen, ein Mensch (eine Sache) X habe die Merkmale A, B, C und sonst keine. Dann verliert X das Merkmal A und gewinnt Merkmal D. Dann verliert X Merkmal B und gewinnt Merkmal E. Dann verliert X Merkmal C und gewinnt Merkmal F. Am Ende hat X die Merkmale D, E, F und sonst keine. Nach Definition wäre X nicht mehr X, obgleich es ein Etwas ist, das so etwas wie eine Geschichte hat und von BeobachterInnen dieser Geschichte als dasselbe X identifizierbar bzw. von anderen unterscheidbar wäre.
6. Original und exakte Kopie sind nicht durch Merkmale unterscheidbar, die ihnen zukommen, sondern nur durch ihr Verhältnis zu einem Dritten (z.B. durch ihre Lage im Raum). Das würde bedeuten, dass Identität sich nicht allein auf der Summe von Merkmalen gründen lässt, sondern auch auf spezifische Verhältnisse zu etwas Anderem.
7. Die Definition unterstellt, dass ein Merkmal A mit sich selbst identisch bleibt unabhängig davon, ob es das Merkmal von X oder das Merkmal von Y ist (diese Unterstellung scheint der Anlass dafür zu sein, eine "Summe von Merkmalen" einzuführen). Ich vermute, dass Identität gerade etwas damit zu tun hat, dass es nicht so ist.
Andere Definitinsmöglichkeiten
Hätte nach Wikipedia-Definition nicht Paul, nachdem er beim Frisör war, seine Identität verändert? Besteht Pauls Identität nicht gerade darin, dass dies nicht notwendig passiert bzw. darin, dass er als Paul trotz unterschiedlicher Merkmale identifiziert wird?
Bei Aristoteles, Die Kategorien (Reclam Nr. 9706, 1998), Seite 25, fand ich folgenen Abschnitt, der dies berücksichtigt, aber der Definition in Wikipedia geradezu entgegengesetzt ist:
"Am meisten aber scheint es eine Eigentümlichkeit des Wesens zu sein, daß das, was dasselbe und der Zahl nach eins ist, das Entgegengesetzte annehmen kann. ... Zum Beispiel wird die Farbe, die der Zahl nach eins und dasselbe ist, nicht weiß und schwarz sein. ... Das Wesen hingegen, das der Zahl nach eines und dasselbe ist, kann das Entgegengesetzte annehmen; zum Beispiel wird dieser bestimmte Mensch, der einer und derselbe ist, einmal leuchten, dann finster dreinblicken, einmal warm, dann kalt, einmal unnütz, dann nützlich sein. Derartiges zeigt sich nirgendwo sonst ..."
Irrtum in der Wikipedia-Definition: Dasselbe Wesen zu sein, heißt nicht, unveränderlich zu sein.
Für eine griffige Definition von "Identität" wäre es vielleicht sinnvoll, von Maturanaauszugehen:
"...[A]n entity, concrete or conceptual, dynamic or static, specified by operations of distinction that delimit it from a background and characterized by the properties that the operations of distinction assign to it."
Zum Beispiel:
"Identität (lat. identitas Wesenseinheit) besitzt etwas,
a) wenn es von etwas unterscheidbar ist, das es nicht ist, und
b) wenn es auf eine Weise veränderbar ist, die diese Unterscheidung nicht unmöglich macht.
(Etwas, das überhaupt nicht veränderbar ist, wird i.A. keine "Identität" zugesprochen).
Die Identität eines Menschen im engeren Sinne besteht darin, dass
a) dieser Mensch von anderen Menschen unterscheidbar ist, und
b) dieser Mensch als dieselbe identifizierbar bleibt, auch wenn sie sich verändert.
Soziale Identität
Identität entsteht immer innerhalb eines Verhältnisses zwischen dem, was etwas ist und dem, was es nicht ist. Insbesondere wäre kein Mensch in der Lage, ohne andere Menschen eine Identität als Mensch zu entwickeln. Denn wir sind auf die Menschen, die wir nicht sind, angewiesen, um uns von ihnen unterscheiden und zugleich Mensch sein zu können. Ohne die anderen wären wir niemand. Insofern ist unsere persönliche Identität in ihrem Wesen sozial.
Da Identität auf Unterscheidung beruht und "Unterscheidung" ein Verfahren ist, das ein Ganzes untergliedert ("scheidet"), kann etwas nur als Teil eines Ganzen Identität erlangen. Daher wird verständlich, weshalb Menschen ihre Identität als bestimmte Menschen in einem Wechselspiel von "Dazugehören" und "Abgrenzen" entwickeln.
Verändern der Identität
Ein Mensch verändert dann ihre Identität, wenn
a) sie sich so verändert, dass dadurch Kriterien, anhand derer sie identifiziert wird, unbrauchbar werden, oder
b) einige Instanzen, welche die Identifizierung vornehmen, entfallen, oder einige Kriterien der Identifizierung geändert werden.
Beispiele für a)
– Cross-Gender: Identität als Mann oder Frau verändern
– Emanzipation: gemeinsam Identität entwickeln
Beispiele für b)
– Galileo Galilei: vom Ketzer zum bahnbrechenden Entdecker
– Emigration: vom Einheimischen zum Fremden
Verlust der Identität
Ein Mensch verliert dann ihre Identität, wenn
a) sie sich so verändert, dass es keine Kriterien mehr gibt, anhand derer sie identifiziert wird, oder
b) sämtliche Instanzen, welche die Identifizierung vornehmen, entfallen (d.h. auch man selbst) oder sämtliche Kriterien der Identifizierung geändert werden.
Beispiele für a)
– Anonymität: Identität unkenntlich machen
– Sterben, sofern personale Reinkarnation geleugnet wird
Beispiele für b)
– Sterben, sofern eine göttliche Instanz geleugnet wird
~ Autismus: ohne Beziehung zu Menschen leben (eigentlich verliert man die Identität nicht erst, sondern hatte sie nie)
--Maike123 00:35, 30. Okt 2004 (CEST)