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Britische Teekultur

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Die Britische Teekultur entstand bereits im 17. Jahrhundert und ist weit über Großbritannien hinaus bekannt. Hinter China und Irland liegt das Vereinigte Königreich mit einem jährlichen Konsum von rund 3,5 Kilogramm Tee pro Kopf weltweit auf Platz 3 der Teeländer. Täglich werden angeblich über 170 Millionen Tassen getrunken. Das Teetrinken gehört zur typisch britischen Lebensart und ist fester Bestandteil der Trinkkultur. Vor allem der Nachmittagstee wird regelrecht zelebriert und nach bestimmten Regeln serviert. Kaffee spielt bei den Briten dagegen eine völlig untergeordnete Rolle.

Zur Geschichte

Die Teetrinkerinnen, Gemälde von Mary Cassatt um 1880

England begann Mitte des 17. Jahrhunderts damit, Tee zu importieren, und zwar zunächst aus China. Er war damals so teuer, dass er nur für die Oberschicht erschwinglich war und als Statussymbol galt. Erst als 1783 die hohen Teesteuern gesenkt wurden, konnte sich auch die Mittelschicht Tee leisten, die bis dahin Kaffee getrunken hatte. Etwas später folgten auch die Familien der Arbeiter. Das Handelsmonopol besaß die East India Company. Es gelang England, im 18. Jahrhundert zum Zentrum des europäischen Teehandels zu werden. Um den stetigen Devisenverlust durch die Tee-Importe zu verhindern, begann England im 19. Jahrhundert damit, Tee in seinen Kolonien anzubauen, wo er ebenfalls sehr gut gedieh.

Die englischen Einwanderer in die USA hatten den Teegenuss auch dort verbreitet, und die so genannten Neuengland-Staaten bezogen den Tee aus ihrem Mutterland England. Eine weitere deutliche Erhöhung der Teesteuer führte im Jahr 1773 zur so genannten Boston Tea Party, bei der empörte Kaufleute die englischen Handelsschiffe in Boston stürmten und die Teekisten aus Protest ins Wasser warfen. Das war der erste Schritt zur Unabhängigkeit von England.

Obwohl die Einführung des Afternoon Tea, also des Nachmittagstees, in der Literatur oft der Duchess of Bedford, Anna Maria Stanhope (1783-1857), einer Hofdame von Queen Victoria, zugeschrieben wird, ist dies wohl eher eine populäre Legende. Historiker schreiben dieses Verdienst vor allem Katharina von Braganza (1638-1705) zu, der portugiesischen Gemahlin von König Charles II. In Portugal war das Teetrinken zum Zeitpunkt ihrer Heirat im Jahr 1662 bereits sehr verbreitet, in England dagegen nicht. Nach der Tradition ihrer Heimat brachte sie ein Teeservice mit in die Ehe und bat kurz nach ihrer Ankunft am Hof um Tee. Die überlieferte Antwort des Königs darauf: "We don't drink tea in England but maybe some Ale will do" ("Wir trinken in England keinen Tee, aber ein Bier wird es wohl auch tun"). Katharina begnügte sich in der Folgezeit nicht mit Bier, sondern führte das Teetrinken und auch den Afternoon Tea im Palast ein. Und da das Königshaus dem Adel stets als Vorbild galt, ahmte dieser die neue Sitte bald nach.

Auch Queen Anne (1665-1714) förderte die Popularität des Teetrinkens, weil sie statt des bis dahin üblichen Biers zum Frühstück stattdessen lieber Tee trank. Um 1700 gab es in etwa 500 Kaffeehäusern in England auch Tee, und nach 1750 wurden die ersten Teegärten (tea gardens) eröffnet, in denen Tee im Freien getrunken wurde. Häufig spielten Orchester hier auch zum Tanz auf, das war der Beginn der Tanztees. Während Frauen der Zutritt zu den Kaffeehäusern verwehrt wurde, wie auch in anderen Ländern, standen ihnen die Teegärten offen.

Teezubereitung

Die englische Art der Teezubereitung ähnelt der ostfriesischen Art. Briten trinken fast ausschließlich schwarzen Tee, vorzugsweise unaromatisiert, obwohl der bekannte Earl Grey Tee nach einem Briten benannt ist. Bevorzugt werden kräftige Sorten, nicht unbedingt die hochwertigsten. Die Teeblätter werden lose in die Kanne gegeben und mit kochendem Wasser überbrüht, wo sie auch bleiben, so dass der Tee allmählich immer stärker wird. Aus diesem Grund wird mitunter zusätzlich heißes Wasser nachgegossen. Außerdem trinken die meisten Briten ihren Tee mit Milch, denn dadurch wird er milder. Die Frage, ob zuerst der Tee eingegossen wird oder die Milch, ist im Königreich eine Streitfrage zwischen den Anhängern des Prinzips Milk-in-first (Mif) und Tea-in-first (Tif), die vermutlich nie endgültig entschieden wird. Queen Elizabeth II. soll eine Tif-Anhängerin sein. Es gibt aber auch Briten, die ihren Tee mit Zitrone trinken.

Der Nachmittagstee

Die meisten Briten trinken ihren Tee mit Milch

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Afternoon Tea (Nachmittagstee) der Duchess of Bedford bekannt, zu denen sie ausschließlich weibliche Gäste einlud. Es war eine Art Imbiss, der die Pause zwischen Mittag- und Abendessen überbrückte, denn zum Tee wurden stets auch Gebäck und Sandwiches serviert. Wer diese Tradition in dieser Form letztlich zuerst eingeführt hat, lässt sich nicht nachweisen, aber sie hat sich in Großbritannien bis heute bei den sehr traditionellen Familien gehalten, sonst ist es nicht mehr üblich.

Der Afternoon Tea wird auch Low Tea genannt, weil er traditionell im Salon an einem niedrigen Teetisch eingenommen wurde, nicht am Esstisch. Der Begriff Teatime ist eher außerhalb Großbritanniens gebräuchlich, denn Tee wird hier ja zu jeder Tageszeit getrunken. Die klassische Zeit für den Afternoon Tea ist 16 oder 17 Uhr; in großen Hotels wird dieser Tee häufig zwischen 15 und 19 Uhr serviert.

Der Nachmittagstee ist eine komplette Zwischenmahlzeit, der in Deutschland der Nachmittagskaffee entspricht. Schon aus Zeitgründen und auf Grund der Berufstätigkeit vieler Frauen wird er in vielen Familien de facto nur am Wochenende zelebriert. Es gilt jedoch als chic, sich zum Afternoon Tea in einem renommierten Hotel zu treffen.

Für den formellen Afternoon Tea gibt es feste Regeln, die zumindest in der Oberschicht nach wie vor beachtet und von einer Generation an die nächste weitergegeben werden (siehe Tee-Etikette). Die dazu gereichten Speisen bestehen gewissermaßen aus drei Gängen, wobei alle mit den Fingern gegessen werden: Der erste Gang besteht aus Sandwiches in verschiedenen Variationen, wobei Gurken-, Lachs- und Schinken-Sandwiches fast obligatorisch sind. Der zweite Gang sind Scones, weiche Teebrötchen, die grundsätzlich mit ungesüßter Schlagsahne oder Clotted Cream, und Marmelade serviert werden. Als dritter Gang werden Gebäck und kleine Süßigkeiten wie kandierte Früchte und Pralinen gereicht. Die Mahlzeit dauert mindestens eine Stunde.

Eine einfache Variante des Nachmittagstees ist als Cream Tea bekannt, die ursprünglich aus Südengland stammt. In diesem Fall gibt es zum Tee nur die erwähnten Scones mit Schlagsahne und Marmelade. In den unteren Schichten gab es zum Afternoon Tea früher nur Brot und Butter. Als geringwertig eingestufte Tees werden von Briten daher als Bread and Butter Tea bezeichnet.

Begriffe der Teekultur

  • Afternoon Tea: der Nachmittagstee, siehe oben
  • Cream Tea: Afternoon Tea nur mit Scones, Schlagsahne und Marmelade
  • Early Morning Tea: der Tee, der von vielen Briten bereits vor dem Frühstück getrunken wird, oft noch im Bett
  • High Tea: eine Mahlzeit, die um 18 oder 19 Uhr serviert wird und eine Mischung aus Nachmittagstee und Abendessen darstellt. Sie wird am Esstisch (high table) eingenommen, daher der Name. Der High Tea wird meist nur zu besonderen Anlässen serviert, wenn Gäste eingeladen sind. Zum Tee werden in der Regel kalter Braten, kaltes Huhn, Salate, gekochtes Gemüse, Kuchen und Früchte gereicht. Das normale Abendessen, zu dem oft ebenfalls Tee getrunken wird, wird grundsätzlich nicht als High Tea bezeichnet, auch nicht die Tasse Tee nach dem Abendessen. Der Begriff wird gerade von Ausländern oft falsch verwendet.
  • Light Tea: ein Nachmittagstee, zu dem nur einfache Scones gegessen werden
  • Reception Tea: ein Stehempfang, bei dem kein Sekt, sondern Tee gereicht wird. Ein anderer Ausdruck hierfür ist Formal Tea. Dazu gibt es häufig Sandwiches
  • Royal Tea: ein Afternoon Tea, bei dem zusätzlich Champagner oder Sherry serviert wird
  • Savories: kleine Sandwiches und Appetithäppchen, die zum Tee gereicht werden

Tee-Etikette

Britische Frauen, die etwas auf sich halten, kennen die Regeln der Tee-Etikette, die vor allem beim Afternoon Tea eine Rolle spielen. Sowohl für die Gastgeberin als auch für die Gäste gelten bestimmte Vorschriften, deren Missachtung oder Unkenntnis als peinlich angesehen wird. Hier eine Auswahl der wichtigsten Regeln:

  • Bei einer Einladung zum Tee schenken sich die Gäste niemals selbst ein. Das ist die Aufgabe der Gastgeberin oder einer von ihr beauftragten Person (Personal, Tochter o.ä.). Diese fügt auch Zucker, Milch oder Zitrone hinzu.
  • Beim Umrühren des Tees sind klirrende Geräusche zu vermeiden, der Teelöffel wird nicht abgeleckt
  • Der Henkel der Teetasse wird nur mit Daumen und Zeigefinger gehalten. Ob der kleine Finger beim Trinken abzuspreizen ist, ist in der einschlägigen Benimmliteratur umstritten. Es gilt jedenfalls nicht als Faux-pas.
  • Die Tasse wird in besseren Kreisen stets mitsamt der Untertasse bis etwa in Kinnhöhe angehoben, so dass die Tasse beim Trinken nur minimal von dieser angehoben wird. Das ist vor allem bei einem Reception Tea zu beachten.
  • Der Tee wird in kleinen Schlucken getrunken und nie geräuschvoll geschlürft. Er dient auch grundsätzlich nicht dazu, im Mund befindliche Bissen herunterzuspülen. Das zu tun, gilt als "gewöhnlich".
  • Die Scones werden nicht wie Brötchen halbiert und ganz mit Marmelade bestrichen, sondern man bricht davon kleine Stücke ab, die dann jeweils mit Marmelade und Sahne bestrichen werden. Scones werden auch niemals in den Tee eingetunkt.
  • Während des Tees wird nicht geraucht, da der Rauch das Aroma des Tees beeinträchtigen würde.

Sonstiges

In Großbritannien werden jedes Jahr vom United Kingdom Tea Council die Hotels und Teehäuser prämiert, die nach Ansicht einer Jury den besten Afternoon Tea servieren, wobei es eine Extra-Auszeichnung für London gibt. Dieser Preis ist sehr begehrt. Im Jahr 2006 ging er in London an Claridge's und landesweit an Hazelmere's Café in Cumbria.

Literatur

  • M.D. King: Tea Time. Tradition, Zubehör und Rezepte, Verlag Ars edition, 12. Aufl. 1996, ISBN 3-760-73056-6
  • Jane Pettigrew: Tea Time. Beliebte Rezepte aus dem Land der Teetrinker, Hugendubel Verlag, 4. Aufl. 1996
  • Helen Simpson: The Ritz London Book of Afternoon Tea: The Art & Pleasures of Taking Tea, Ebury Press, 2006, ISBN 0-091-90994-5