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Fritz Kolbe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Fritz Kolbe (* 25. September 1900 in Berlin; † 16. Februar 1971 in Bern) war ein deutscher Beamter, der als Widerstandskämpfer gegen Hitler unter dem Decknamen George Wood überragende Bedeutung erlangte.

Er war ein Gegner des Nationalsozialismus im Allgemeinen und von Adolf Hitler im Besonderen, den er als Vaterlandsverräter bezeichnete. Er glaubte, dass die Diktatur nur durch eine militärische Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg beendet werden könne.

Biographie

Kolbe war der Sohn eines sozialdemokratischen Handwerkers. Er nahm an der Wandervogel-Bewegung teil. Zunächst war er als Bahnbeamter tätig, durfte jedoch das Abitur nachholen.

Dienst im Auswärtigen Amt (1925-1945)

Kolbe stieg zum mittleren Beamten im Auswärtigen Amt (AA) auf. 1933 wurde er Konsulatssekretär Erster Klasse in Madrid, trat allerdings nicht der NSDAP bei. Später beförderte man ihn zum Oberinspektor, wo er zu einem Mitarbeiter des Sonderbotschafters Karl Ritter wurde, dem Verbindungsbeamten vom AA zum Oberkommando der Wehrmacht. Auf diese Weise erhielt Kolbe Zugang zu vielen versendeten Geheimdepeschen.

Ab dem 19. August 1943 lieferte Kolbe bis 1945, zum Teil unter Lebensgefahr, Kopien zahlreicher wichtiger Schriftstücke, darunter 1600 geheime Telegramme. Sein amerikanischer Verbindungsmann war der OSS-Agent Allen Welsh Dulles, ein früherer Wallstreet-Wirtschaftsanwalt und langjähriger Diplomat und Europakenner. Kolbe lehnte es stets ab, für seine Dienste Geld zu erhalten. Die OSS ist der Vorläufer der späteren CIA. Über Ferdinand Sauerbruch, dessen Sekretärin mit ihm befreundet war, hatte er auch Kontakte zum organisierten Widerstand. Kolbes Pläne, selber aktiv Widerstandsaktionen durchzuführen, wurden ihm von Dulles ausgeredet, der ihn als Spion für weit wichtiger beurteilte.

Kolbe gab beispielsweise detaillierte Informationen zu den folgenden Themen weiter:

  • Rückzug in der Ukraine
  • Rohstofflieferungen via Spanien
  • Dechiffrierung des amerikanischen Geheimcodes
  • Holocaust, insbesondere bereits vor dem Judenmord in Ungarn
  • über den von den Deutschen erwartete Ort der alliierten Landung am D-day
  • zum V-Waffenprogramm
  • über die Messerschmitt Me 262
  • über die japanischen Pläne in Südostasien
  • über den Nazi-Agenten Elyesa Bazna, der als Butler in der britischen Botschaft in Ankara arbeitete

Die von Kolbe gelieferten Informationen hatten nicht die Wirkung, die sie hätten haben können, da die amerikanische Regierung lange befürchtete, er könne ein Doppelagent sein und Falschinformationen liefern.

Zusammenarbeit mit den USA nach dem Krieg

Ab März 1945 blieb er bis Juli 1945 in Bern, kam dann nach Berlin zurück, wo er bis 1949 weiter für das (US-) Office of Military Government for Germany (OMGUS) arbeitete und dann nach den USA auszuwandern versuchte.

1951 wollte Kolbe ins AA zurückkehren - die Einstellung wurde ihm aber insbesondere von Herbert Blankenhorn verweigert, dem damaligen Leiter der politischen Abteilung, und vormaligem Mitglied der NSDAP (wie 2/3 des gesamten Höheren Dienstes zu der Zeit [1]). Er erhielt eine kleine amerikanische Pension. Kolbe bestritt seinen Lebensunterhalt schließlich als Handlungsreisender für Motorsägen und anderem.

Im Februar 1971 starb Kolbe an Gallenkrebs in Bern und wurde dort beerdigt.

Gedenken

In der deutschen Gedenkstätte Deutscher Widerstand wird er nicht aufgeführt, im Auswärtigen Amt wird sein Name auch nicht als anerkannter Widerständskämpfer genannt. Erst im September 2004, fast 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wird er offiziell durch Bundesaußenminister Joschka Fischer (etwa durch die Einweihung des Fritz-Kolbe-Saals im Auswärtigen Amt) von der Bundesrepublik geehrt.

2003 erschien eine Biographie Kolbes von dem französischen Journalisten Lucas Delattre in Frankreich, 2004 kam diese auf den deutschsprachigen Markt.

Literatur

  • Lucas Delattre: Fritz Kolbe. Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs. Piper Verlag, 2004, ISBN 3-492-04589-8

Quellen

  1. Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945. Campus Verlag, Frankfurt am Main, New York, 2001, 364 S., ISBN 3593367904

Film

  • Rekruten des Kalten Krieges, Washington und der KGB. Dokumentarfilm, 2004, Produktion: WDR, arte, Sendung: 21. März 2004
  • Der ungeliebte Patriot. Dokumentation, Deutschland 2007, RBB, 50 Min., Buch und Regie: Reinhard Joksch, Produktion: RBB, arte, Inhaltsangabe von arte