Benutzer:Ulrich.fuchs/Wikipedia ist keine Datenbank
Bevor Ihr über mich herfallt, lasst mich erstmal zu Ende schreiben bzw. zu Ende zusammenkopieren! Uli 19:01, 23. Sep 2003 (CEST)
Wann ist es denn nun fertig? Heizer 19:59, 26. Sep 2003 (CEST)
Wikipedia ist keine Datenbank, und zwar aus drei Gründen: Erstens ist Wikipedia eine Enzyklopädie, zweitens ist Wikipedia ein Wiki - und drittens ist sie das in genau dieser Reihenfolge. Die Wiki-Technologie ist Mittel zum Zweck (und legt, wie wir später sehen werden, dem Zweck Grenzen auf), sie ist nicht Selbstzweck, wie bei anderen Wikis.
Zwei Irrglauben sind unter Wikipedianern stark verbreitet. Der eine ist, Wikipedia könne irgendwann einmal das "Gesamte Wissen der Menschheit" speichern, der andere ist, Wikipedia habe nicht die Einschränkungen papierener Enzyklopädien, könne daher also jedes beliebige Stichwort als Artikel aufnehmen, was dann im ziemlich unsinnigen 1 Slogan "Wiki ist not paper" gipfelt.
Den ersteren Irrgläubigen seien zwei Dinge gesagt: Dass es nämlich erstens prinzipiell unmöglich ist, eine Karte der Welt im Maßstab 1:1 (Eco) zu erstellen, denn diese Karte müsste notwendigerweise die Welt selber sein, und sich daher auch noch selber enthalten, was zu einer unendlichen Rekursion führte. Und dass zweitens, nicht alles, was eine Information darstellt, auch Wissen der Menschheit ist. Verabschieden wir uns also davon, das Wissen der Menschheit aufführen zu können, und einigen uns darauf, eine Auswahl des Wissens der Menschheit aufführen zu wollen. Dann stellt sich nur noch die Frage, wie wir auswählen - sowohl inhaltlich, wie von der Methode her.
Den zweiten Irrgläubigen ist etwas schwerer beizukommen. Auch ihnen sei zunächst noch einmal vor Augen gehalten, dass nicht jede Information auch Wissen ist - von Wissen der Menschheit oder enzyklopädischem Wissen ganz zu schweigen. Wo aber liegen die Grenzen? Und warum kann man nicht einfach alles unter jedem Artikelnamen aufnehmen?
Vier Fragen stellen sich:
- Wann ist ein Inhalt Wissen?
- Wann ist er enzyklopädisches Wissen, das in der Wikipedia stehen sollte?
- Warum sollte die Wikipedia nur enzyklopädisches Wissen enthalten?
- Und unter welchem Artikelnamen sollte dieses enzyklopädische Wissen erscheinen?
Begriffe, nicht Dinge
Eine "normale" Encyclopädie erklärt Begriffe, sie listet nicht Gegenstände auf. Begriffe sind aber in aller Regel Abstrakta. Eine Encylopädie erklärt also, was eine Schraube (ein Begriff) ist, aber sie erklärt nicht, was die Schraube an der hinteren linken Bremsbacke am Fahrrad von Ulrich Fuchs (ein Gegenstand) ist.
Eine Ausnahme besteht immer dann, wenn ein bestimmter Gegenstand allgemein so wichtig geworden ist, dass er im Grunde einen eigenen Begriff darstellen. Das sind also Dinge, die man kennen sollte.
Artikelnamen sind die Primärschlüssel
Die Wikipedia ist ein Wiki. Das heißt, alle Artikel sind unter ihrem Namen abgelegt. Es können keine zwei Artikel den selben Namen haben.
Das ist anders, als spezialisierte Datenbanken aufgebaut sind. In einer Musikdatenbank etwa würde ein Eintrag unter einem eindeutigen Schlüssel (z.B. "767871323") auch, aber nicht nur mit einem beschreibenden Namen aufzufinden sein. Die Aufnahme, die Frank Sinatra vielleicht von As time goes by gemacht hätte, würde in einer Datenbank also folgendermaßen abgelegt sein: Titel: As Time Goes By / Hauptkünstler: Frank Sinatra / Aufnahmedatum: 30.4.1960. Das wären drei einzelne Felder, die den Artikel eindeutig machen. So lassen sich aus der Datenbank zum Beispiel alle Stücke heraussuchen, die Frank Sinatra aufgenommen hat, und es kann mehrere Stücke geben, die As time goes by heißen.
In der Wikipedia ist das anders. Hier muss alles, was einen Artikel eindeutig klassifiziert, in den Artikelnamen hineingepackt werden.
Wollten wir also zum Beispiel alle Songs aller Interpreten haben, so müssten wir den Artikel As time goes by in zig Versionen haben, weil ihn zig Leute gesungen haben. Wir hätten also neben As time goes by (Film) (die Fortsetzung von Casablana) noch As time goes by (Musik, Dooley Wilson) (die Filmmusik), As time goes by (Musik, Frank Sinatra), As Time Goes by (Musik, Frank Sinatra, spätere Aufnahme), As Time Goes by (Musik, Frank Sinatra, spätere Aufnahme, remix von 1999) etc.. und der Trompeter, der beim letzten mitgespielt hat, hat eben nicht mehr As time goes by aufgenommen, sondern As Time Goes by (Musik, Frank Sinatra, spätere Aufnahme, remix von 1999). Und genau da liegen die Probleme, weil das kein Mensch mehr vernünftig verlinken kann.
Ein anderes Beispiel sind Rezepte. Auch hier werden wir Schwierigkeiten bekommen, wenn wir zum Beispiel Rezepte vernünftig zugänglich aufnehmen wollten. Mit einem Artikelnamen Roulade vom Flugentenbrüstchen in Sahnesoße an Spaghettigratin auf Balsamico-Rosenkohldressing wird jeder, der ihn verwenden soll, wahnsinnig, und was machen wir, wenn noch ein zweites Rezept kommt, das auch Roulade vom Flugentenbrüstchen in Sahnesoße an Spaghettigratin auf Balsamico-Rosenkohldressing beschreibt, aber etwas wenig Balsamico verwendet. Nennen wir den Artikel dann Roulade vom Flugentenbrüstchen in Sahnesoße an Spaghettigratin auf Balsamico-Rosenkohldressing mit etwas weniger Balsamico als bei "Roulade vom Flugentenbrüstchen in Sahnesoße an Spaghettigratin auf Balsamico-Rosenkohldressing"?
Deshalb können wir nicht alle Filme, Musikstücke, Rezepte, Ameisenarten, Herr-der-Ringe-Figuren, Unix-Kommandos, Ikea-Artikel etc. aufnehmen, wir müssen auswählen, welche einen eigenen Artikel bekommen.
Es ist unser altes "Begriffe" - Problem: Eine "normale" Encyclopädie erklärt Begriffe, sie listet nicht Gegenstände auf. Ein Begriff, ein Name, im Notfall eine Begriffsklärung. Nehmen wir aber alle Filme etc. auf, dann haben wir auf einmal zu wenig Begriffe um sie alle zu benennen und müssen uns (siehe das Beispiel mit As Time goes by oben) so fürchterlich verbiegen, dass wir das organisatorisch nicht mehr hinkriegen werden.
Nicht jede Information ist Wissen
1) weil Schreibmethode und Speicher/Präsentationsmedium miteinander verglichen werden, das sind Äpfel und Birnen.