Therapeutische Wirksamkeit
Unter der Wirksamkeit von medizinischen Maßnahmen versteht man die nachweisbare positive Beeinflussung eines Krankheitsverlaufes, durch eine von Menschen getroffene Maßnahme.
Elementare Grundlagen
In den Naturwissenschaften testet man die Gültigkeit von Hypothesen ("Arbeitsannahmen") über ihre Falsifizierbarkeit. Insbesondere wird immer wieder die Verknüpfung von Ursache und Wirkung überprüft. In der Medizin wird der zweifelsfreie Nachweis der Wirksamkeit von getroffenen Maßnahmen durch mehrere Tatsachen, vor allem durch subjektive ("Personengebundene") Einflüsse erschwert. Am deutlichsten wird dies bei der Spontanheilung und dem Plazeboeffekt. Mit der Zunahme der Schwere einer Erkrankung nimmt der Plazeboeffekt jedoch ab, und eine Spontanheilung wird unwahrscheinlicher.
Grenzen
Aufgrund der hohen Komplexität des Gesamtsystems "einzelner Mensch" stößt in der Medizin das naturwissenschaftliche Paradigma der Trennung von Ursache und Wirkung an Grenzen, da nicht alle Einflussgrössen in Zahlen ausgedrückt (parametrisiert) werden können um so einer mathematischen Analyse zugänglich zu werden. Oft bereitet schon eine zweifelsfreie Krankheitsdiagnose grössere Schwierigkeiten.
Trotz der zahlreichen Probleme hat die Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode in der Medizin zu einer grossen Erweiterung der medizinischen Kenntnisse und der Therapiemöglichkeiten geführt.
Einschränkend kommt hinzu, dass die medizinische Wirksamkeit eigentlich ein Begriff ist, der sich auf eine Einzelpersonen bezieht. Er lässt sich nur aufgrund der großen physiologischen Ähnlichkeit verschiedener Menschen zu einer allgemeinen Wirksamkeit verallgemeinern. Dennoch gilt stets: Was bei einem Menschen hilft, hilft bei einem anderen möglicherweise nicht.
Historische Sichtweise
Einer Vielzahl dieser Probleme war man sich bereits in der Antike bewußt. So schrieb schon Hippokrates : Das Leben ist kurz, die Kunst ist weit, der günstige Augenblick ist flüchtig, der Versuch trügerisch, die Entscheidung schwierig. (Aphorismus I / 1)
Wonach richtet sich die Entscheidung des Arztes ein Medikament oder eine Therapieform bei einem Krankheitsbild einzusetzen?
- eigene Anschauung und Erfahrung
- z.B. Lasix bei einem Lungenödem,
- z.B. Nitro, Valium und Betablocker bei Angina pectoris
- z.B. ASS bei Kopfschmerz
- z.B. Novalgin bei Fieber oder starken Schmerzen
- klinische Untersuchungen
- Erfahrungen anderer Mediziner
- Hat die BGA-Nachfolgeinstitution oder die FDA das Medikament zugelassen? Bei derselben Indikation (Krankheitsbild)? (Problem: alte Medikamente)
Siehe auch :
Wissenschaftliche Untersuchung der medizinischen Wirksamkeit
Die medizinische Wirksamkeit einer Behandlungsmethode oder eines Medikamentes wird in den meisten Fällen im Rahmen von klinischen Untersuchungen überprüft.
Woran erkennt man eine gute klinische Untersuchung?
- Sie muss eine korrekte Frage stellen.
- Sie muss darauf abzielen, diese Frage verlässlich zu beantworten.
- Wenn es eine klinische Untersuchung sein soll, dann sollte sie sich an einfachen und leicht überprüfbaren patientennahen Erfolgskriterien orientieren. Häufig wird bei klinischen Untersuchungen die Hauptfrage bei den vielen Nebenkriterien vergessen, die Studie wird zu kompliziert und vom Patientenumfang zu klein, damit ist sie nicht mehr aussagekräftig.
- Wenn eine Krankeit zum Tode führen kann, dann ist die Mortalität immer ein entscheidendes Kriterium, dass immer erfasst werden muss, um nicht falschen Schlüssen aufzusitzen. (Beispiel: In Indien gibt es die wenigsten Kranken, daraus folgt Indien hat das beste Gesundheitssystem). In der BRD gibt es die meisten Kranken, daraus folgt die BRD hat das schlechteste Gesundheitssystem, z.B. "Krebsnest BRD", da Krebs vorwiegend eine Krankheit älterer Menschen ist, wird es umso mehr Krebsfälle geben, je besser das Gesundheitssystem ist und je älter die Leute werden.
- Sie muss an den klinischen Gegebenheiten orientiert sein und darf den klinischen Ablauf so wenig wie möglich stören, dann werden auch viele Patienten eingeschlossen. Ideal ist dabei die 3 Blatt Studie:
- Einverständniserklärung
- Einschlussbogen
- Endbogen
- Sie darf keine unnötigen Ausschlusskriterien haben (diese schwächen oder verfälschen die Statistik)
- Sie sollte
- prospektiv
- randomisiert
- doppelblind (wenn möglich)
- multizentrisch sein.
- Auch Studien mit einem negativen Ergebnis können gut sein und veröffentlicht werden.
Untersuchung der Wirksamkeit bei chronischen Krankheiten
Es ist wichtig zwischen chronischen und akuten Krankheitsbildern zu unterscheiden, wobei der Übergang manchmal fließend ist.
Bei chronischen Krankheitsbildern, auch wenn diese anfallsartig verlaufen ist es möglich, die Wirksamkeit eines Medikamentes an einem Patienten zu testen. Man wird durch die Krankheit häufig dazu gezwungen, verschiedene Therapieprinzipien auszuprobieren und die wirksamste Therapieform auszuwählen. Wichtig ist dabei eine sorgfältige Krankheitsdokumentation durch den Arzt und/oder den Patienten. Es müssen ein Wirksamkeitskriterium und ein entscheidender Krankeitsparameter festgelegt werden. Die Anfallszahl und Dauer müssen aufgezeichnet werden.
Siehe auch : Evidenz basierte Medizin
Beispielkriterien für klinische Studien
Beispiel: Wirksamkeit eines Medikamentes beim Schlaganfall (akut)
Wie kann man beim Schlaganfall die Wirksamkeit eines Medikamentes beurteilen:
- Es besteht eine hohe Mortalität, Mortalität immer wichtigstes Erfolgskriterium,
- Klinische Hauptfrage (Lähmungen, Sprachstörung, Augen) beurteilen und z.B. in einem Score z.B. Mathewscore zusammen fassen. Man könnte auch sagen:
- Kann er wieder selbst ohne Hilfe laufen? -- Ja oder nein
- Bettlägrig ja oder nein (z.B. nach 6 oder 12 Monaten)
Das ganze wäre mit einer großen Zahl von Patienten durchführen. Eine gute Schlaganfallstudie mit positivem Ergebnis liegt derzeit nicht vor.
Beispiele: Kriterien bei chronischen Krankheiten
- Einstellung der Blutzuckers in einen als wünschenswert erachteten Bereich bei einem zuckerkranken Patienten. Zu beachten ist dabei, dass der Blutzuckerwert selbst den Patienten nicht interessiert, sondern vielleicht eine Gangrän. Deswegen ist es manchmal sinnvoller nach Medikamenten zu suchen, die die Gangrän abheilen und ein Rezidiv vermeiden, als sich vordergründig auf den Blutzucker zu konzentrieren.
- Reduzierung der Anfallshäufigkeit bei Asthmakranken
- Reduzierung der Anfallshäufigkeit bei Migränekranken, bei Epileptikern, bei Menierepatienten bei WPW-Patienten
- Reduzierung der störend empfundenen VES-Zahl bei symptomatisch als unangenehm empfundenen VES.
Akute Krankheiten
Bei schwereren, akut einsetzenden Krankheiten, die einen bleibenden Schaden hervorrufen und die auf einer schnell fortschreitenden Zerstörung von Gewebe beruhen z.B. Schlaganfall und Herzinfarkt, ist die individuelle Wirksamkeitsprüfung (Prüfung verschiedener Behandlungsmethoden an einem Patienten) wahrscheinlich unbrauchbar.
Bei einer Krankheit an der vorher immer 100 % aller Patienten akut verstorben sind, ist bereits nach einem behandelten Fall, der überlebt, sehr wahrscheinlich, dass ein neues wirksames Therapieprinzip gefunden wurde. Nach 3 - 5 Fällen, die überleben, ist an der Aussage nicht mehr zu zweifeln und jeder weitere Versuch mit unwirksamen Plazebos ist unethisch.
Medikamente ohne erfolgereichen Wirksamkeitsnachweis, erhalten keine Medikamentenzulassung.
Der Wirksamkeitsnachweis kann nur durch angemeldete Studien mit vorher z.B. vom BGA festgelegten Wirksamkeitskriterien geführt werden.
Das Problem der Selbst- oder Spontanheilung:
Wenn ich ein kaputtes Auto abstelle und schaue mir das Auto nach 14 Tagen wieder an, ist es immer noch genauso kaputt. Bei kranken Lebewesen ist das anders, denn es wirken sehr oft Selbstheilungsmechanismen. Oft hat ein Organismus eine Krankheit nach einer gewissen Zeit wieder selber überwunden, er hat sich selbst geheilt.
Praktische Möglichkeiten eines Wirksamkeitstests :
- Medikament geben, weglassen, geben, wieder weglassen = Doppel Crossover (Doppelter Übergang ist leichter zu erkennen)
- Medikament Dosis steigern, Dosis reduzieren, Merkt man das an den Symptomen?
- Wie wirkt ein Plazebo?
- Mit einem bestimmten Medikament an möglichst vielen Patienten Erfahrung sammeln
- Besonders schwere und hoffnungslose Fälle heraussuchen, wenn man die Wirksamkeit einer Maßnahme zeigen will.
- Wichtige und leicht nachvollziehbare Wirksamkeitskriterien suchen
- Patienten zur Mitarbeit anregen und seine Beobachtungen aufzeichnen lassen.
- Wie würde man selbst als betroffener Patient behandelt werden wollen ?
Beispiele zur medizinischen Wirksamkeit
Nachgewiesene Wirksamkeit besteht für
- Antibiotika bei bakteriellen Pneumonien und sonstigen schweren bakteriellen Infektionen
- Penicillin bei Meningokokken Meningitis
- Weitere Beispiele unter Therapien mit nachgewiesener medizinischer Wirksamkeit
Umstrittenes und unklare Wirksamkeit in der Medizin, trotzdem übliche Therapie
- Schleimlöser bei Bronchitis
- strenge Bettruhe bei tiefer Thrombose
- Weitere Beispiele unter Therapien mit umstrittener medizinischer Wirksamkeit
Medikamente und Methoden, die eindeutig schlechter abschnitten als Plazebo oder der Spontanverlauf
- Tambocor bei Herzrhythmusstörungen CAST Studie
- Positiv Inotrope Substanzen bei schwerer Herzinsuffizienz
Wirksamkeitsnachweis in der Diskussion bei
- Phytotherapie
- Traditioneller chinesischer Medizin (TCM)
- Homöopathie
- Bachblütentherapie
- Kinesiologie
etc.
Weblinks
- http://www.charite.de/mediamed/48_01.htm -- Wirksamkeit von Arzneimitteln, Auszeichnung für Charité-Forscher
- http://home.t-online.de/home/0926161717-0004/blind.htm -- "Unter Einäugigen ist der Doppeltblinde König"
- http://www.akdae.de -- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
- http://www.gbe-bund.de -- Gesundheitsberichterstauung des Bundes unter anderem auch Angaben zur Mortalität abrufbar