Welle-Teilchen-Dualismus
Unter dem Begriff Welle-Teilchen-Dualismus versteht man die Erkenntnis der Quantenmechanik, dass einerseits Wellen wie beispielsweise elektromagnetische oder mechanische Wellen auch Teilchencharakter und andererseits Teilchen wie beispielsweise Elektronen auch Wellencharakter haben.
Dabei ist zu beachten, dass stets beide Charaktere vorhanden sind - also nicht umgeschaltet wird. Begreift man die dem Welle-Teilchen-Dualismus unterliegenden Teilchen einfach als eigenständige Objekte, die sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften aufweisen und für die gar keine Notwendigkeit besteht, sich für die Existenz als Teilchen oder Welle entscheiden zu müssen, so löst sich jede Widersprüchlichkeit dieser Zwitterexistenz auf. Man vergleiche mit dem neuen Objekt "Motorrad": einerseits ähnelt es optisch eher einem Fahrrad und hat auch gewiss Eigenschaften desselben, von der Leistungsfähigkeit steht es aber einem Automobil viel näher. Niemand käme aber auf die Idee, darin einen geheimnisvollen "Auto-Fahrrad-Dualismus" des Motorrades zu sehen. Es ist was es ist, ein Motorrad...
Die Wellennatur des Lichts
Auf die Frage, ob Licht aus Teilchen oder Wellen besteht, hat man im Laufe der Jahre unterschiedliche Antworten gefunden: Newton entwickelte im 17. Jahrhundert die geometrische Optik unter der Annahme, das Licht bestehe aus Teilchen. Anfang des 19. Jahrhunderts zeigten aber Experimente von Young und Fresnel, dass Licht sich zur Interferenz bringen lässt, was ein eindeutiges Indiz für dessen Wellencharakter ist. Mit der Formulierung der Maxwellgleichungen Ende des 19. Jahrhunderts und der sich daraus ergebenden Existenz elektromagnetischer Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, war die Wellennatur des Lichtes allgemein anerkannt.
Einstein und die Photonen des Lichts
1905 postulierte Einstein nach Untersuchung des Photoeffektes wiederum, dass Licht (beziehungsweise Elektromagnetische Wellen) aus Teilchen (Quanten), den Photonen besteht. Diese Photonen führen in einzelnen und diskreten Portionen eine Energie E mit sich. Dieses Phänomen nennt sich Quantisierung. Die Energie hängt von der Frequenz ν des Lichtes nach folgender Beziehung ab:
wobei h das Planck'sche Wirkungsquantum ist.
Diese Beziehung gilt auch für mechanische Wellen, beispielsweise für Gitterschwingungen in einem Festkörper. Die Teilchen werden dann Phononen genannt.
De Broglie und der Wellencharakter von Teilchen
Dass auch massereiche Teilchen einen Wellencharakter haben, hat de Broglie 1924 erkannt. Hat das Teilchen einen Impuls p, so ist seine Wellenlänge λ durch folgende Beziehung bestimmt:
- .
Diese Gleichung umfasst auch die o.g. Einstein'sche Gleichung für Photonen, denn der Impuls eines Photons ist
und seine Wellenlänge
(c ist die Lichtgeschwindigkeit).
De Broglies Formel wurde drei Jahre später bestätigt, nachdem beobachtet wurde, dass Elektronen nach dem Durchgang durch ein Kristallgitter das vorhergesagte Interferenzmuster bilden.
Auflösung des Welle-Teilchen-Dualismus in der Quantenmechanik
Jedes Teilchen wird in der Quantenmechanik durch eine Wellenfunktion beschrieben. Die Wellenfunktion eines Teilchen ist komplexwertig und somit keine Messgröße. Lediglich ihr Betragsquadrat kann als Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens gedeutet und im Experiment bestimmt werden. Die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion des Teilchens und somit die Veränderung seiner Aufenthaltswahrscheinlichkeit wird durch die Schrödingergleichung beschrieben.
Der Wellencharakter der Teilchen zeigt sich nicht bei makroskopischen Gegenständen, was zwei prinzipielle Ursachen hat:
- Selbst bei langsamer Bewegung haben makroskopische Gegenstände aufgrund ihrer großen Masse eine Wellenlänge, die erheblich kleiner ist als die Abmessungen des Gegenstandes. In diesem Fall kann man nicht mehr den gesamten Gegenstand als ein quantenmechanisches Objekt behandeln, sondern muss seine Bestandteile separat beschreiben.
- In makroskopischen Gegenständen laufen permanent thermodynamisch irreversible Prozesse ab, und es werden Photonen (Wärmestrahlung) mit der Umgebung ausgetauscht. Beides führt zur Dekohärenz des Systems, was bedeutet, dass ein anfangs möglicherweise interferenzfähiger Zustand sich sehr schnell in einen nicht interferenzfähigen umwandelt, der sich dann wie ein klassisches Teilchen, also nicht wie eine Welle verhält.
Siehe auch: Doppelspaltexperiment, klassische Wellen, klassische Teilchen