Narwal
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Der Narwal (Monodon monoceros), wegen des markanten Stoßzahns der Männchen auch als Einhornwal bezeichnet, ist eine Art der Zahnwale (Odontoceti). Zusammen mit dem nahe verwandten Weißwal (Delphinapterus leucas) bildet er die Familie der Gründelwale (Monodontidae).
Merkmale
Den Stoßzahn nicht mitgerechnet, misst der Narwal vier bis fünf Meter. Das Männchen wird rund eineinhalb Tonnen schwer, das Weibchen etwas weniger als eine Tonne. Eine Rückenfinne fehlt dem Narwal, entlang des hinteren Rückens weist er jedoch eine Reihe unregelmäßiger Höcker auf. Die Flipper genannten Brustflossen sind relativ kurz und am Ende eiförmig abgerundet und nach oben gebogen. Die Fluke ist am hinteren Rand bei beiden Flügeln stark konvex gebogen und unterscheidet sich somit deutlich von der aller anderen Wale. Der Kopf ist relativ kompakt und eine ausgeprägte Schnauze fehlt. Der Mund ist sehr klein und schmal, die Mundwinkel sind nach oben gebogen.
Das hervorstechende Merkmal der Männchen ist ihr Stoßzahn. Es handelt sich dabei um den linken Schneidezahn des Oberkiefers, der schraubenförmig im Uhrzeigersinn gewunden die Oberlippe durchbricht und bis zu 3 Meter lang und 8 bis 10 Kilogramm schwer werden kann. Der einzige weitere Zahn sitzt ebenfalls im Oberkiefer und bricht normalerweise nicht hervor. Weitere Zähne werden beim Männchen zwar embryonal im Kiefer angelegt, entwickeln sich jedoch üblicherweise nicht weiter. In seltenen Fällen geschieht dies doch, so dass sich zwei Stoßzähne bilden. Die Zähne des Weibchens sind normal entwickelt, doch vereinzelt bilden auch Weibchen einen oder sogar zwei Stoßzähne aus. Es kommt recht häufig vor, dass ein Stoßzahn abbricht. Er wächst dann nicht nach, allerdings verwächst die Bruchstelle mit neuem Dentin.
Der Zweck des Stoßzahns wurde lange erörtert. Dabei wurden zum Teil abenteuerliche Theorien geäußert, zum Beispiel, dass der Narwal mit seinem Zahn die Eisdecke durchbricht oder Fische aufspießt. Nach anderen Mutmaßungen nutzte er ihn zum Durchwühlen des Meeresbodens oder als Instrument bei der Echo-Ortung. Heute geht man davon aus, dass der Stoßzahn in erster Linie dem Aufbau einer sozialen Hierarchie dient. Männchen mit den längsten Stoßzähnen sind dominant (siehe den Abschnitt zur Fortpflanzung).
Die Grundfarbe des Narwals ist ein sehr helles Braun bis Weiß. Der Kopf und Nacken sowie der Rücken sind dunkel, fast schwarz, ebenso die Ränder der Flipper und der Fluke. Die Seiten sind mit grauen und schwarzbraunen Flecken gesprenkelt. Ältere Tiere sind meist heller gefärbt als jüngere.
Verbreitung
Narwale bewohnen das gesamte Nordpolarmeer und halten sich stets in der Nähe des Packeises auf. Am häufigsten sind die Wale um Grönland, in der Baffinbai und Hudsonbai sowie entlang der nördlichen Küste Sibiriens. Seltener sind sie an der Küste von Alaska, in der Tschuktschensee und der Ostsibirischen See. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei den Tieren östlich und westlich von Grönland um zwei relativ stark voneinander separierte Populationen handelt.
Im Sommer bewegen die Narwale sich weiter nach Norden als jedes andere Säugetier. Sie halten sich dann in den Fjorden Grönlands, vor allem im Inglefield-Fjord, in der kanadischen Arktis und rund um Spitzbergen auf. Selbst im Winter überschreitet der Narwal normalerweise den Polarkreis nach Süden nicht.
In Europa kommen Narwale nur sehr selten als Irrgäste vor. Insgesamt sind etwa 20 Sichtungen und Strandungen aus den letzten 200 Jahren dokumentiert, vornehmlich von der Küste Islands und Skandinaviens. Allerdings wurden sehr selten verirrte Narwale selbst noch in der Nordsee gesehen. Die südlichste Sichtung stammt aus der Zuidersee in den Niederlanden (1970).
Lebensweise
Narwale ernähren sich von einigen Fischarten, Tintenfischen und Krebstieren, die durch den von den kräftigen Lippen und der Zunge erzeugten Sog regelrecht "in den Mund gesaugt" werden. Für Nordwest-Grönland wurden als Hauptnahrungsquelle im Frühjahr und Sommer der Polardorsch (Boreogadus saida) und der Grönlanddorsch (Arctogardus glacialis) ermittelt. Auch andere Analysen ergaben für diese Jahreszeit als Hauptnahrung Fische, die im Durchschnitt etwa 93 Prozent des Mageninhaltes ausmachten. Im Spätsommer und Herbst ist dagegen der Anteil der Tintenfische und Krebstiere größer. Täglich frisst ein Narwal etwa 45 bis 80 Kilogramm, ebenfalls abhängig von der Jahreszeit. Er taucht auf Beutesuche je nach Quelle bis zu 350 oder sogar bis zu 500 Meter tief und bleibt etwa fünfzehn Minuten unter Wasser. Zur Auffindung der Nahrung nutzt er sein „Sonarsystem“, wozu er intensive „Klicks“ ausstößt. Weitere Laute wie Pfeifen, Keuchen und Klickserien vor allem im Ultraschallbereich dienen der Kommunikation.
Narwale bleiben das ganze Jahr über in der Nähe des Packeises und sind auch innerhalb der Eisflächen an Atemlöchern zu finden. Löcher im Eis werden durch kräftige Stöße mit der Stirn aufrecht erhalten oder geöffnet. Auf diese Weise kann eine über 15 Zentimeter dicke Eisdecke durchstoßen werden. Obwohl sich bei den jahreszeitlichen Wanderungen Herden von tausend Tieren bilden können, umfasst eine typische Narwalschule nur fünf bis zwanzig Tiere. Dies sind Familienverbände, die aus einem ausgewachsenen Männchen sowie mehreren Weibchen und Jungtieren bestehen. Außerdem schließen sich jugendliche Männchen zu Verbänden zusammen, so lange sie noch nicht alt genug sind, die Führung einer Schule zu übernehmen.
Das gemeinsame Vorkommen von Narwalen und Weißwalen in derselben Region ist sehr selten und im Normalfall aufgrund unterschiedlicher Sommer- und Wintergründe ausgeschlossen. Kommt es doch zu solchen Überschneidungen, kann eine Konkurrenzvermeidung beobachtet werden, bei der die Tiere in unterschiedlichen Wassertiefen nach Nahrung suchen. Dabei bevorzugen die Narwale die tieferen Wasserschichten.
Neben dem Menschen stellen die Großen Schwertwale (Orcinus orca) wahrscheinlich den größten Feind der Narwale dar. Diese treiben die Narwale bei der Jagd gegen die Küste und können sie so leichter erbeuten. Als Reaktion auf die Annäherung von Schwertwalen wird ein Verhalten namens „adlingayuk“ (Inuitbezeichnung) beschrieben: Die Narwale verfallen in Regungslosigkeit und lassen sich lautlos im Wasser absinken. Auch bei der Annäherung von Schiffen sowie dem Geräusch von zerbrechendem Eis erfolgt diese Reaktion.
Auch der Eisbär (Ursus maritimus) soll gelegentlich Narwale erbeuten. Der Grönlandhai (Somniosus microcephalus) greift wahrscheinlich keine Narwale an, frisst jedoch die Kadaver toter Wale in Netzen. Auch tödliche Angriffe von Walrossen (Odobaenus rosmarus) gegen Narwale sind dokumentiert. Durch schnell gefrierendes Eis können Narwale in Buchten oder Fjorden eingeschlossen werden. Dieses Phänomen wird in Grönland als „sassat“ bezeichnet. Die Wale sind gezwungen, Eislöcher zum Atmen offen zu halten und können nicht mehr aus der Bucht entkommen. Schließlich sterben sie an Erschöpfung oder werden von Inuit-Jägern erbeutet.
Fortpflanzung und Entwicklung
Männliche Narwale erreichen ihre Geschlechtsreife bei einer durchschnittlichen Länge von 3,90 Metern, weibliche Tiere bei 3,40 Metern. Das entspricht einem Alter von fünf bis acht Jahren, erste Schwangerschaften kommen allerdings erst mit sieben bis zwölf Jahren vor. Die Weibchen sind offensichtlich mehrfach im Jahr empfängnisbereit, die Paarungszeit liegt jedoch in der Zeit zwischen Ende März und Anfang Mai.
Über das Fortpflanzungsverhalten der Narwale ist relativ wenig bekannt. So kommt es zwischen den Männchen nach verschiedenen Beobachtungen regelmäßig zu Rivalenkämpfen, bei denen die Stoßzähne als Waffe eingesetzt werden. Diese können teilweise sehr heftig werden, abgebrochene Zähne und Stirnnarben sind dabei keine Seltenheit. Auch männliche Schädel, in denen die abgebrochenen Zahnspitzen anderer Männchen steckten, sind bekannt. Nach Lopez 1987 ist es am wahrscheinlichsten, dass Männchen ihre Stoßzähne in Gegenüberstellung nebeneinander legen und dass das Tier mit dem kürzeren Stoßzahn Abschürfungen oder manchmal ernsthafte Stiche beigebracht bekommt.
Die Tiere sind offensichtlich polygyn, verpaaren sich also mit mehreren Weibchen, die sie gegen Rivalen verteidigen. Das Paarungsverhalten selbst wurde bislang nicht beobachtet.
Die Schwangerschaft dauert etwa 14 bis 15 Monate, die Geburten erfolgen entsprechend im Sommer zwischen Mai und August. Das einzige Junge ist bei der Geburt etwa 150 Zentimeter lang und wiegt 80 Kilogramm, Zwillingsgeburten sind selten. Es wird für eine Dauer von wahrscheinlich zwei Jahren von der Mutter gesäugt. Diese wird in dieser Zeit nicht erneut schwanger. Das Jungtier kommt stets ohne Stoßzahn zur Welt, dieser bricht im ersten Lebensjahr durch.
Die Lebensdauer der Narwale beträgt etwa vierzig Jahre.
Systematik und Etymologie
Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Narwals stammt von Carl von Linné 1758 unter dem bis heute gültigen Namen Monodon monoceros. Die deutsche Bezeichnung "Narwal" leitet sich wahrscheinlich vom norwegischen Wort "nar" ab, welches als "toter Körper" übersetzt werden kann. Diesen Namen erhielt er offensichtlich aufgrund des Aussehens der Haut, die an einen toten menschlichen Körper erinnert. Eine andere Interpretation geht davon aus, dass der Name sich vom altdeutschen "narwa" = "eng" herleitet und sich auf den Stoßzahn bezieht.
Der Narwal stellt die einzige Art der Gattung Monodon dar und bildet gemeinsam mit den Weißwal (Delphinapterus leucas) die Familie der Gründelwale (Monodontidae). Dies wird vor allem mit verschiedenen Schädelmerkmalen, den verwachsenen Halswirbeln sowie mit enzymatischen und immunologischen Merkmalen begründet.
Menschen und Narwale
Wirtschaftliche Bedeutung
Von den Inuit Grönlands und Kanadas wird der Narwal heute noch wegen des Elfenbeins und zu Nahrungszwecken gejagt. Dabei spielen vor allem die Innereien und das Muskelfleisch als Nahrung für Menschen und Hunde eine große Rolle. Besonders die Haut ("mattak") gilt als Delikatesse und wird wie beim Weißwal (siehe Muktuk) gern gegessen. Das Tranöl wurde früher zum Kochen und Heizen genutzt, heute wird es ebenfalls als Hundefutter eingesetzt. Der inländische Handel mit "mattak" stellt in Kanada und Grönland eine wichtige Einnahmequelle der Inuit dar. So werden im Gebiet von Thule mit traditionellen Methoden jährlich etwa 150 bis 200 Narwale erlegt, insgesamt beträgt der Fang von Narwalen in Grönland und Kanada jährlich etwa 1000 bis 1100 Tiere. Bei einer geschätzten Gesamtpopulation von 23.000 Narwalen liegen diese Fangzahlen nach Einschätzung verschiedener Experten gerade an der tolerierbaren Grenze für das Populationswachstum.
Ein wirtschaftlich wesentlicher Aspekt des Narwalfangs sind die Stoßzähne. Narwalstoßzähne liefern das teuerste Elfenbein und werden seit dem 10. Jahrhundert gehandelt. Als diese Walart noch weitgehend unbekannt war, wurden diese Stoßzähne als Horn des sagenhaften Einhorns verkauft und mit Gold aufgewogen. Als vermeintliches Einhorn raubten beispielsweise Kreuzritter zwei Narwalstoßzähne in Konstantinopel und schenkten diese dem Markusdom in Venedig, wo sie noch heute aufbewahrt werden. Man schrieb ihm magische Fähigkeiten zu, so zum Beispiel, dass es Gift neutralisieren könne, weswegen Trinkgefäße aus Narwalelfenbein gefertigt wurden. 1671 wurde der dänische König Christian V. auf einem Krönungsstuhl gekrönt, der ausschließlich aus Narwal-Stoßzähnen hergestellt war.
Auch heute gelten die Zähne noch als Wertgegenstände, die Jagd und damit der Handel ist jedoch streng reglementiert (siehe unten).
Umweltbelastung
Wie bei allen Walen stellt die Umweltverschmutzung auch für die Narwale eine besonders starke Bedrohung dar. Als Fischfresser sammeln sie die Giftstoffe ihrer Beutetiere und lagern sie konzentriert in den Organen und im Körperfett ein. So finden sich Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und insbesondere Kadmium vor allem in der Leber und den Nieren sowie dem Muskelgewebe der Wale. Die Belastungen mit Schwermetallen sind regional unterschiedlich. Während in Kanada die Kadmiumbelastung extrem hoch ist, liegen in Grönland die Bleiwerte sehr viel höher.
Unter den aus Pestiziden stammenden Chlorkohlenwasserstoffen spielen vor allem die polychlorierten Biphenyle (PCB) eine Rolle, daneben Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Dieldrin, Hexachlorcyclohexan (Lindan) und Chlorbenzen. Diese Stoffe finden sich vor allem im Fettgewebe der Wale. Vergleiche mit der Belastung anderer Wale haben ergeben, dass Narwale die Belastungen mit organischen Giftstoffen offensichtlich viel langsamer abbauen als andere Zahnwale.
Schutzbestimmungen
Der Narwal ist international geschützt, wobei die Schutzbestimmungen in Kanada und in Grönland die Jagd durch die Inuit zulassen. Er ist im Washingtoner Artenschutzabkommen im Anhang II gelistet, ein internationaler Handel mit Narwalprodukten ist entsprechend untersagt. Hinzu kommen spezielle Gesetze in verschiedenen Staaten, welche die Jagd und den Handel mit Narwalprodukten reglementieren.
So steht der Narwal in Kanada seit 1971 durch den "Fisheries Act" unter Schutz, eine Fangquote für Eingeborene von fünf Tieren pro Jahr und Jäger ist erlaubt. Seit 1978 wurde das Gesetz verschärft: Heute sind in Kanada Jungtiere sowie weibliche Tiere mit Jungtieren vollständig geschützt. Außerdem müssen Kadaver erlegter Narwale restlos verwertet werden. Die Quote wird über ein Etikettensystem kontrolliert. Jäger müssen an jedem Stoßzahn und Kadaver ein Etikett anbringen. Der Besitz eines Stoßzahns oder eines Kadavers ohne Etikett steht unter Strafe.
In Grönland dürfen nur Einwohner Grönlands, die ausgewiesene Jäger sind, Narwale erlegen. Dabei gibt es keine Quotenregelung, regional sind jedoch die Fangmethoden reglementiert, um die Fangverluste gering zu halten. Außerdem dürfen nicht mehr Wale getötet werden, als direkt nach der Jagd zum Heimatort des Jägers transportiert werden können. Das gesamte Fleisch muss verwertet werden. Im Raum um Thule ist der Fang der Wale mit Motorbooten verboten.
In Norwegen dürfen Kleinwale wie der Narwal nur mit spezieller Genehmigung des Ministeriums für Fischerei gefangen werden, weshalb der Narwal in Norwegen praktisch nicht gejagt wird. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ist der Narwal vollständig geschützt. Durch den "Marine Mammal Protection Act" von 1972 ist die Einfuhr von Narwalprodukten in die USA untersagt, in Europa wurde der Import in alle EU-Länder durch die EU-Richtlinie No. 3626/82 aus dem Jahr 1982 verboten.
Literatur
- Carwardine M., Wale und Delfine, Delius Klasing, 1996 (hochwertiger Führer)
- Kiefner, Ralf: "Wale und Delfine weltweit", Jahr Top Special Verlag, 2002 (Führer der Zeitschrift "tauchen", sehr detailliert)
- Niethammer J, Krapp F (Hrsg): "Handbuch der Säugetiere Europas. Band 6: Meeressäuger, Tel 1A: Wale und Delphine 1"; AULA-Verlag Wiesbaden, 1994 (sehr detailliertes Fachbuch)
- Barry Lopez; Arktische Träume, Düsseldorf 1987, ISBN 3-442-72642-5 (Der Titel des Buches ist etwas irreführend. Es handelt sich um eine sehr lesenswerte Sammlung von Naturbeobachtungen und wurde mit dem National Book Award ausgezeichnet)
- Reeves R. R., Stewart B. S., Clapham P. J., Powell J. A., See Mammals of the World - a complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows, A&C Black, 2002, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern)
- Soury Gérard, Das große Buch der Delfine, Deliuzs Klasing, 1997, (detailreicher Bildband)
- Würtz M., Repetto N., Underwater world: Dolphins and Whales, White Star Guides, 2003, ISBN 88-8095-943-3 (Bestimmungsbuch)