Moordorf (Ostfriesland)
Der früher selbständige Ort Moordorf ist seit der Gemeindegebietsreform von 1972 der größte Ortsteil der Gemeinde Südbrookmerland im Landkreis Aurich in Ostfriesland. Der Ort hat 6.367 Einwohner (Stand: 1. Juli 2005) und liegt auf einer Höhe von ca. 3 m ü. NN. Heute ist Moordorf das größte Wirtschaftszentrum der Gemeinde Südbrookmerland mit Marktplatz, Geschäften und Banken. Unweit davon liegt das Schulzentrum Moordorf mit Grundschule, Haupt und Realschule sowie der Sonderschule (Schule für Lernhilfe und Astrid Lindgren Schule). Ortsvorsteher ist Stefan Kleinert (SPD).
Geschichte

1767 begann in der Südbrookmer Vogtei die Besiedlung von Moordorf. König Friedrich II. hatte 1765 das Urbarmachungsedikt erlassen: Danach fielen die wüsten unbebauten Heidefelder und Moore an die Krone, wurden von dieser aufgeteilt und zwecks Kultivierung an Siedlungswillige vergeben. Der preußische König machte hier den Versuch, ausgediente Soldaten seines Heeres sesshaft zu machen. Von diesen blieben jedoch nur zwei von auf Dauer in Moordorf. Die Mehrheit der Siedler (70 Prozent) stammte aus Ostfriesland, die anderen aus den Provinzen Oldenburg (Oldb) und Hannover sowie dem übrigen Deutschland. Dennoch wurde die innere Kolonisation des Moorreichen Ostfrieslands im 18./19. Jahrhundert zu einem lohnenden Projekt für Preußen. Mittellosen Siedlern wurden viel zu kleine Parzellen überlassen, so daß der unergiebige Boden schnell erschöpft war. Die Erbpacht konnte nicht mehr bezahlt werden und die Kolonisten versanken in bittere Armut. Als Hauptursachen des Elends seien hier die Weitgehend planlose Besiedlung ohne staatliche Kontrolle, die viel zu kleinen Kolonate, der Mangel an Infrastrukturmaßnahmen, wie der Anlage von Kanälen im Moor (siehe auch Fehnsiedlungen), die fehlende Siedlerauswahl und der unaufhörliche Zustrom mittelloser Siedler genannt. Trotzdem beliefen sich jährlichen Einnahmen der Preußen auf stattliche 200.000 Taler. Moordorf als Moorkolonie gehörte zu den kinderreichsten und gleichzeitig ärmsten Dörfern Deutschlands. In den Betten der Lehmkaten übernachteten nicht selten 3 bis 4 Kinder in einem Bett. Bis weit in den Herbst liefen die Kinder barfuß. Dabei ist zu beachten, daß es im Moor wesentlich früher als in anderen Landstrichen friert. Für die Schule hatten die Kinder keine Zeit, da sie früh gezwungen wurden mitzuarbeiten oder zu betteln. Die Jungen und Mädchen landeten vielfach wieder als Knechte oder Mägde beim Bauern. Die bittere Armut und die dadurch auftretenden Begleiterscheinungen wie Betteln und der Verkauf von selbstgeflochtenen Weidekörben führten zu allerlei Gerüchten, welche historisch nicht belegbar sind. So haben sich in Moordorf keine Zigeuner niedergelassen, was selbst wenn es so wäre, keinen Belang hätte. Ebenso wenig stammen die Moordorfer von „Sträflingen“ ab, wie es immer wieder hieß und gelegentlich noch heißt. Womöglich hängt das „Sträflingsgerücht“ mit einigen ausgedienten „landfremden“ Soldaten zusammen, die in Moordorf siedelten. Allerdings: nur zwei von ihnen blieben auf Dauer in Moordorf. In der Weimarer Republik gehörte Moordorf zu den Hochburgen der Kommunisten, die über 50 % der Stimmen bei den Reichs- und Landtagswahlen erhielten. Heute ist Moordorf eine Hochburg der SPD, die bei Wahlen teilweise über 70 % der Stimmen erhält.
Nationalsozialismus
Nach 1933 wurden die Kommunisten von den Nationalsozialisten stark verfolgt. Sie wurden als arbeitsscheues, asoziales, minderwertiges und vorbestraftes Gesindel angesehen und hatten entsprechende Repressalien zu ertragen. Dabei stützte sich die nationalsozialistische Propaganda auf bestehende Gerüchte und sorgte für ihre Verbreitung.
Schon in der Weimarer Republik galt Moordorf als „kommunistische Hochburg Ostfrieslands“. So entfielen hier 1928 bei den Wahlen zum Preußischen Landtag 59 Prozent der Stimmen auf die KPD. Abgesehen von Emden war in Moordorf das aktivste und kämpferischste Potential der radikalen Linken in Ostfriesland konzentriert. Der KPD Ortsverband von Moordorf war der zweitgrößte in Ostfriesland nach Emden. Bei den Reichstagswahlen am 6. November 1932 hatte die KPD 48 % der Stimmen im Ort erhalten. „Die Mehrzahl der Moordorfer Einwohner war vor der Machtübernahme der NSDAP. marxistisch und kommunistisch eingestellt und ist es zum Teil noch.“ 1934 waren 24 Kommunisten verhaftet und 1937 noch einmal 10 ins KZ eingeliefert worden. Moordorf wurde „auf Anregung des Reichsbauernführers“, „von Fachkräften bearbeitet“. Horst Rechenbach wird mit dieser Aufgabe befasst und kam schnell zu dem Ergebnis, dass „Ein Teil der Kolonisten ... gar nicht erst den Versuch (machte), eine feste landwirtschaftliche Existenz zu gründen.“ Es „ist festzustellen, dass es sich hier um das Beispiel einer völlig verfehlt angelegten ländlichen Siedlung handelt. ... Es waren ... asoziale Elemente des eigenen Volkes.“ Er erstellt einige Statistiken über Alkoholismus, Kriminalität, Schwachsinn und Verschuldung und erklärt: „Es ist überflüssig zu betonen, dass die besonders minderwertigen Familien sich durch die größten Kinderzahlen auszeichnen.“ Unter Anwendung des gleich nach der Machtübernahme Hitlers eingeführten eugenischen Sterilisationsgesetzes wurden viele Moordorfer unter Berücksichtigung der Statistiken und Fragebögen Rechenbachs zwangssterilisiert.
Einen beeindruckenden Überblick der Lebensumstände im ehemaligen Moordorf bietet heute das Moormuseum Moordorf.
Die Goldscheibe von Moordorf
Die Goldscheibe von Moordorf, auch Sonnenscheibe genannt, ist eine Skulptur, die in die Periode II der Nordischen Bronzezeit (1500 - 1300 v. Chr.) datiert wird. Sie wurde 1910 von Vitus Dirks beim Torfgraben entdeckt. Der namensgebende Fundort ist eine Moorlandschaft bei Aurich in Ostfriesland. Heute gehört die Skulptur zum Bestand des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover.
Kirchen und Religionsgemeinschaften
Die ev.-luth. Kirchengemeinde wurde 1886 gegründet, davor war Moordorf Teil der Kirchengemeinde Victorbur. Anfang der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts begannen die Planungen für den Bau einer Kirche. Diese wurde am 19. November 1893 geweiht. 1908 erhielt sie einen Glockenturm und 2 neue Glocken von denen sich eine noch heute im Turm befindet. Die Orgel, die ursprünglich aus dem Jahre 1895 stammt, wurde 1976 von Grund auf renoviert. 1978 erfolgte eine grundlegende Renovierung der Kirche. Im Jahr 2005 wurde ihr der Name "Martin-Luther-Kirche" verliehen. Sie hat zwei volle Pastorenstellen.
Sehenswürdigkeiten
Das Moormuseum Moordorf ist das einzige seiner Art in Deutschland. Auf der drei Hektar großen Freifläche stehen mehrere Hütten und Häuser. Sie zeigen, wie die Menschen früher im unwegsamen Moor gelebt und gearbeitet haben. Außerdem gibt es in Moordorf den Ringkanal, der gut mit Kanus und kleinen Booten zu befahren ist. Auch für den Angelsport ist er hervorragend geeignet.
Literatur
Literatur, die sich speziell mit Moordorf befasst.
- Andreas Wojak, Moordorf ISBN 3-9269-5883-9
- Jürgen Hoogstraat, Die ersten Siedler von Moordorf 1767-1817. Ein familienkundliches Arbeitsbuch ISBN 3-9322-0605-3
- Hinrich Schoolmann, Pioniere der Wildnis : Aus der Geschichte der Kolonie Moordorf ISBN 3-9281-6004-4
- Theo Meyer, Urkolonisten. Die Anfänge der ostfriesischen Moorkolonie Moordorf ISBN 3-8908-5994-1