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Robert Remak (Mediziner)

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Robert Remak (* 26. Juli 1815 in Posen; † 29. August 1865 in Bad Kissingen) war ein deutscher Zoologe, Physiologe und Neurologe. Sein Sohn Ernst Julius Remak wurde ebenfalls ein bekannter Neurologe. Remak gilt als Begründer der modernen Embryologie. Er hat 1842 die drei Keimblätter des Embryo, nämlich Ektoderm, Mesoderm, und Endoderm beschrieben; neben Friedrich Günzburg aus Breslau – zeitlich vor Virchow und zeitlich vor Schwann - den Zellkern als Grundstruktur für die Zellteilung erkannt (1851-1855); die Grundstruktur des Nerven-Axons (1837) und das Reizleitungssystem des Herzen (1844) beschrieben, das als Ganglion Remak bezeichnet wird; grundlegende Erkenntnisse über die Galvanotherapie erarbeitet (1858).

Tabellarischer Lebenslauf

  • 1833

Abitur am königlichen Gymnasium Posen

  • 1833-1838

Studium Medizin, Friedrich Wilhelm Universität, Berlin

  • 1838

Promotion

  • 11.05.1839

Ärztliche Approbation, beschränkt auf die Provinz Posen

  • 7.11.1839

Staatlicher Eid für die Niederlassung als Arzt in der Provinz Posen

  • 14.10. 1847

Habilitation und venia docendi

  • 8. Juli 1848

Eheschliessung mit Feodore Meyer, 1828-1863, Tochter des Bankiers Eli Joachim Meyer (SCHMIEDEBACH, H.-P., 1995, „Robert Remak, Ein jüdischer Arzt im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, In: Medizin in Geschichte und Kultur, Bd. 18, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Hrsg. Toeller, R. und Tsouyopoulos, N.).

Jugend in Posen

Robert Remak war der Sohn des in Posen ansässigen jüdischen Kaufmanns Salomon Meyer Remak und seiner Frau Friederike Caro, folgt man Remaks eigenen Ausführungen aus seiner medizinischen Dissertation von 1838, die er in Berlin einreichte. Er hatte eine ältere Schwester und zwei jüngere Brüder. Remaks Vorfahren stammen mutmasslich von demjenigen Teil der Juden ab, der mit Beginn der Inquisition von Isabel la Catholica aus dem von den Mauren befreiten Spanien 1496 vertrieben worden ist und über Italien nach dem heutigen Polen einwanderte, wo für Juden günstige ökonomische und soziale Bedingungen für die Niederlassung waren (NETZER, Shlomo: Wanderung der Juden und Neusiedlung in Osteuropa, In: Brocke, Michael (Hrsg): Beter und Rebellen. Aus 1000 Jahren Judentum in Polen, Frankfurt am Main 1983, Seite 33-49). Die Familie Remak gehörte schon frühzeitig zu den naturalisierten Juden Polens, die sich von den orthodox streng traditionellen Anhängern der „mosaischen Religion“ distanziert hatten. Diesbezüglich erfuhr Remak bei seiner in polnischer Sprache durchgeführten schulischen Ausbildung in Posen am Gymnasium die finanzielle Unterstützung des örtlichen Magistrates, was an Hand einer finanziellen Bescheinigung vom 7.10.1833 belegt ist. Schulgebühren und des weiteren Studiengebühren erarbeitete sich Remak durch Nachhilfeunterricht. Auch erhielt er jährliche Zuwendungen seines Vaters in Höhe von 100 Taler. Das Jahreseinkommen des Prosektors an der Charite, Berlin, war 300 Taler im Jahr 1846 (STÜRZEBECHER, Manfred: Die Prospektur der Berliner Charite im Briefwechsel zwischen Robert Froriep und Rudolf Virchow (STÜRZEBECHER, Manfred: Beiträge zur Medizingeschichte. Quellen und Studien des Gesundheitswesens vom 17. bis zum 19. Jahrhundert; Veröff. Hist. Komm. Zu Berlin, 18; Berlin 1966, Seite 156-220).

Medizinstudium und Approbation an der Friedrich Wilhelm Universität in Berlin

1833 begann Remak sein Medizinstudium an der Friedrich Wilhelm Universität, Berlin. Unklar ist, warum Remak zum Medizinstudium nach Berlin ging, und nicht nach Wien, Prag oder einer anderen Stadt, wo auch Juden studieren durften. Seit 1730 war jüdischen Bürgern der Zugang zum Collegium Medica Chirurgicum (Ausbildungsstätte für Medizinstudenten in Berlin) gestattet, d.h. 82 Jahre vor dem Emanzipationsedikt von 1812, das auch qualifizierten Juden in Deutschland den freien Zugang zu universitären Lehrämtern in Aussicht stellte. Das Emanzipationsedikt war die formale Vorraussetzung für die Gleichstellung der Juden mit Christen in Preussen. Hintergrund war der Wunsch der preussischen Staatsführung, dass „dem ausgezeichneten Talent in jedem Stand und Verhältnis der Zivil- und Heeresdienst offenstehen solle“ (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, S. 152). Der „Qualifikationsnachweis“ für die Aufnahme in die Staatsdienste wurde jedoch im Emanzipationsedikt nicht präzisiert, so dass die preussische Verwaltung im Laufe der Jahre selbst errichtete Nachweise für die geforderte Qualifikation in die Zulassungskataloge einzelner Ämter aufnahm, die dann immer mehr konkretisiert und erweitert wurden und so z.T. restriktiv – ohne Einschaltung übergeordneter Kontrollorgane – von der Verwaltung nach belieben ausgelebt werden konnten. Nur 10 Jahre später nach Errichtung des Emanzipationsediktes, am 18.08. 1822 , untersagte eine königliche Verordnung jüdischen Bürgern den Zugang zu Lehrämtern ganz (KALISCH, Moritz: Die Judenfrage in ihrer wahren Bedeutung für Preussen, Leipzig, 1860). Innerhalb dieser 10 Jahre der versuchten Gleichstellung von Juden mit Christen hatten sich nicht mehr als 3 jüdische Wissenschaftler habilitiert und lehrten an Preussens Universitäten. Mögliche Gründe für diesen Gesinnungswechsel in der preussischen Staatsführung, Juden nun doch wieder den Zugang zu Lehrämtern an der Universität – nicht jedoch den Zugang zur Akademie der Wissenschaften – zu versagen, könnten die Bedenken der christlich erzkonservativen Verwaltungsstrukturen des königlichen Kultusministeriums gewesen sein, die eine Gefahr in dem aufkommenden Liberalismus des jüdischen Bildungsbürgertum sah. Mit diesem historischen Hintergrund der Beschränkung einer zukünftigen akademischen Laufbahn begann Remak im Wintersemester 1833/34 sein Medizinstudium an der Friedrich Wilhelm Universität in Berlin, in welcher zu dieser Zeit 2561 Studenten eingeschrieben waren. An der medizinischen Universität standen den Studenten 12 Ordinarien, 14 Extraordinarien, und 14 Privatdozenten zur Verfügung (LENZ, Max: Geschichte der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin, 4 Bde., Halle/Saale, 1910). Die Gebühren für Remaks Vorlesungen in Höhe von 87 Taler und 15 Groschen sind ihm gestundet worden, was auf dem Abgangszeugnis von Remak aus dem Jahr 1838 dokumentiert ist. Schon während seines Medizinstudiums zeigte sich Remak an neuartigen Untersuchungs- und Forschungsverfahren sehr interessiert, wie an Arbeiten über den mikroskopischen Aufbaus des Nervensystems zu sehen ist, die er schon im Alter von 21 Jahren eigenständig publizierte (REMAK, R., „Vorlaeufige Mitteilungen microscopischer Beobachtungen ueber den innern Bau der Cerbrospinalnerven und ueber die Entwicklung ihrer Formelemente“. Arch. Anat. Physiol. (= Muellers Arch.) Leipzig 1836, Seite 145-159). Weitere „studentische“ Arbeiten betreffen ua. die mikroskopische Erstbeschreibung des „primitiven Bandes“, dem leitenden Teil von Nervenfasern, das heute allgemein als „Axon“ bekannt ist (REMAK, R. „Weitere mikroskopische Beobachtungen ueber die Primitivfasern des Nervnsystems der Wirbelthiere“. N. Notiezen Natur-Heilk. 3 (= Frorieps N. Notiezen) 1837, Seite 36-41) und den mikroskopischen Feinbau der Nervenfasern, die Remak in seiner studentischen Freizeit erstellte (REMAK, R. „Vermischte anatomische Beobachtungen“. N. Notiezen Natur – Heilk. 3 (=Frorieps N. Notiezen) 1837, Seite 150 – 154; REMAK, R.“Neurologische Notiezen“. N. Notiezen Natur-Heilk. 3 Frorieps N. Notiezen, 1827, Seite 216; REMAK, R „Ueber die Verrichtung des organischen Nervensystems“. N. Notiezen Natur – Heilk. 7 (= Frorieps N. Notiezen), 1838, Seite 65-70). Diese Arbeiten Remaks gingen weit über das Mass hinaus, was vom durchschnittlich begabten und interessierten Brotstudenten geleistet wurde, dessen einziges, legitimes Ziel es war, das Studium möglichst rasch zu beenden, um damit den Lebensunterhalt zu verdienen. Sein wissenschaftliches Interesse, Begabung und handwerkliches Geschick wurden schon frühzeitig von seinen Universitätsprofessoren erkannt, die ihm bereitwillig Mikroskop, Präparierwerkzeug und Untersuchungsmaterial für seine studentischen Forschungsarbeiten zur Verfügung stellten, und ihn auch später tatkräftig förderten und protegierten gegenüber Angriffen der staatlich geförderten Professorenschaft und der ihm misstrauisch gegenüber eingestellten Verwaltung des Kulturministeriums.der preussischen Regierung. Remaks wissenschaftliche Arbeiten, die er als Student absolviert hatte, fanden ihren Einfluss auf seine medizinische Promotion mit dem Titel:“Observationes anatomicae et microscopicae de sysrematis nervosi structura” Diss. Med. Berlin 1838. Zu den massgeblichen und langjährigen Förderern Remaks gehörten ua. die Anatomen und Pathologen Johannes Müller (1801-1858) und der Berliner Klinikdirektor Johannes Lucas Schönlein (1793-1864). Beide haben seine eigenständigen studentischen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Embryologie ermöglicht.

Eigenständige Forschung über Embryologie und Zellpathologie in Berlin

Nach Abschluss seines Studiums war Remak ab 1842 für mehrere Jahre in Schönleins Berliner Klinik gegen Bezahlung (200 Taler pro Jahr) angestellt, wo er weiteren, klinischen Forschungsarbeiten hinsichtlich der mikroskopischen Darstellung der Zellentwicklung, Embryogenese und Zellpathologie nachgehen konnte. Während dieser Zeit hatte er engen Kontakt zum damaligen Leiter der Universitätspoliklinik Moritz Heinrich Romberg (1795-1873), von dem ihm zahlreiche Patienten zur Behandlung vorgestellt wurden. Gewebsproben für seine Studien zur Erforschung der Embryogenese und Zellpathologie erhielt er von Johann Friedrich Dieffenbach (1792-1847) und dem Leiter der geburtshilflichen Klinik Josef Hermann Schmidt sowie von zahlreichen Kollegen aus Berliner Privatpraxen, die den Arbeiten Remaks sehr aufgeschlossen waren (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, S. 118 ebd.). Basierend auf diesen Arbeiten war es Remaks scharfsinniger, mikroskopischer Beobachtungsgabe zu verdanken, die drei Keimblätter, nämlich Ektoderm, Mesoderm und Endoderm als Anlage für die Ausbildung der einzelnen Organsysteme zu identifizieren (REMAK, R, „Ueber die genetische Bedeutung des oberen Keimblattes im Eie der Wirbelthiere“. Arch. Anat. Physiol, Leipzig 1851, Seite 209-210; REMAK, R,„Untersuchungen ueber die Entwicklung der Wirbelthiere“, Berlin 1855). Diese Entdeckung Remaks ist heute Grundlage der modernen Embryologie. Auch hatte Remak richtungsweisend Anteil an der Erkenntnis über das Wachstum von Gewebe bzw der Zellvermehrung (REMAK, R.“ Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der krebshaften Geschwuelste“, Dtsch. Klin. 6 (1854), Seite 170-175). Der Pathologe Friedrich Günzburg (1820-1859) aus Breslau und Remak wiesen in Aufsätzen schon 1842 bzw. 1852, darauf hin, dass sich Tumor- und Embryonalzellen durch Teilung des Zellkerns vermehren, und nicht, wie bis dahin von Schwann und Virchow in der Cytoblastemtheorie vertretenen Meinung, durch Vermehrung und Sequestration des Zytoplasma, um dann erst den Zellkern mit Hilfe des Zytoplasma zu synthetisieren. In der Wissenschaft wurden jedoch Günzburgs und Remaks frühen Erkenntnisse über die vom Kern ausgehende Zellteilung allein Virchow auf Grund seines Aufsatzes über den Ursprung der Zellvermehrung zugeschrieben, (VIRCHOW, R.:„Cellular Pathologie“. Virchows Arch. Path. Anat., Berlin 8 (1855), Seite 3-39), VIRCHOW, R, „Ueber die Theilung der Zellenkerne“, Virchows Arch. Path. Anat., Berlin 11 (1857), Seite 89-92) in welchem dieser vergass, die zeitlich älteren Leistungen seiner Kollegen zu erwähnen. Diese Rückstellung seiner wissenschaftlichen Arbeiten und letztendlich Bevorzugung Rudolf Virchows bei der Vergabe des Lehrstuhls über pathologische Anatomie und Therapie an der Berliner Universität im Jahr 1856 könnten zu einer gewissen Verbitterung bei Remak geführt haben, die sich in einem gespannten Verhältnis zu Virchow zeigte. Unter diesem Gesichtspunkt könnte auch das nicht gerade vorteilhafte Fakultäts-Gutachten Virchows von 1858 über die galvanotherapeutischen Versuche Remaks mit der Entgiftung zu sehen sein (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, S. 236 ebd.), wobei jedoch gerade diese galvanotherapeutischen Grundlagenversuche ihre spätere, vorteilhafte klinische, Verwirklichung in der Iontophorese und dem Stangerbad gefunden haben.

Nachdem Rudolf Virchow von der medizinischen Fakultät der Charite, Berlin die neu geschaffene ordentliche Professur zuerkannt wurde, und nicht Remak, der sich darum sehr bemüht hatte, wandte sich Remak dem damals neuartigen Gebiet der Galvanotherapie zu. Die Galvanotherapie fand in Europa ihren Einzug in die medizinische Behandlung von Krankheiten mit der Erfindung des Volta-Elements durch den Italiener Alessandro Volta (1745-1827), der mittels Zink-Kupfer-Platten, die in ein leitendes Dielektrikum getaucht waren, einen konstanten Gleichstrom erzeugen konnte. Systematische Untersuchungen der Wirkung des galvanischen Stromes auf Gesunde und Kranke wurden in Paris von dem Revolutionär Marat veröffentlicht und in London von John Wesley, der 1780 ein Buch über die klinische Anwendung der Galvanotherapie publizierte. Der Arzt Dr. Golding Bird errichtete im Guy`s Hospital in London die erste Abteilung zur Galvanotherapie, die in die Londoner Akademie der Wissenschaften eingebunden war (LICHT, S.H.: History of Electrotherapy, Seite 1-69; In Licht, S.H. (ed)Therapeutic Electricity and Ultraviolet Radiation. 2 Edition, , New Haven, Connecticut, USA, 1967). In den Anfängen der Galvanotherapie um 1800 war die Erzeugung eines reproduzierbaren, elektrischen Stromes für therapeutische Zwecke mit gleichbleibender Stärke noch schwierig. Der Arzt Franz Heinrich Martens erkannte jedoch sehr schnell, dass ein reproduzierbarer, galvanischer Strom für die therapeutische Anwendung unerlässlich war (MARTENS, F.H.,“Vollstaendige Anweisung zur therapeutischen Anwendung des Galvanismus nebst einer Geschichte dieses Heilmittels“, Meissenfels und Leibzig 1803, In der Boeseschen Buchhandlung; Seite 155-158), womit er im Gegensatz zu Bischoff (Jena) und Grapengießer (Berlin) stand. In der von ihm beschriebenen Galvani-Voltaischen Säule kam es immer wieder durch Oxydationsprozesse zur Verringerung der galvanischen Ströme, die eine Reproduktion der Behandlungsergebnisse erschwerten. Inspiriert durch diese ersten erfolgversprechenden, galvanotherapeutischen Versuche, versuchte Remak diese neuartige Therapieform auch an der Charite zu etablieren. Bei seinen Bemühungen wurde Remak tatkräfig von aufgeschlossenen Persönlichkeiten seiner Zeit unterstützt. Die Physiker Johann Georg Halske (1814-1890) und Werner Siemens (1816 – 1892) stellten Remak nicht nur die für den Bau seiner galvanotherapeutischen Vorrichtung, dem Galvanoskop, die notwendigen Geräte und Materialien zur Verfügung, sondern waren ihm auch beim Zusammenbau und Betreiben dieser Vorrichtung massgeblich behilflich (REMAK, R., "Galvanotherapie der, 1858, Dritter Abschnitt, Technische und therapeutische Vorbemerkungen, I. Vorrichtungen; Seite 253 ff). Remak nutzte die Erkenntnisse Martens über die Galvani-Voltaische Säule und entwickelte sein Galvanoskop, das durch Galvanisometer (Ampermeter) und verbesserter Elektroden den gewünschten reproduzierbaren Stromfluss ergab. Remaks Galvanoskop bestand aus Gleichstromquelle, Amper- und Voltameter, Elektrodenmaterial und Dielektrikum, in welches der zu behandelnde Körperteil des Patienten eintauchte. Vorzugsweise verwendete Remak entweder Hand oder Fuss. Breite Unterstützung für seine Galvanotherapie fand Remak auch in der niedergelassenen Berliner Ärzteschaft, die ihm zahlreiche Patienten zur Behandlung überwiesen. Der Berliner Augenarzt Albrecht von Graefe erhoffte sich von der Anwendung des Galvanoskop bei seinen Patienten neue Therapiemöglichkeiten des okulären Nystagmus (REMAK, Galvanotherapie, 1858, VII. Therapeutischer Werth des constanten Stromes, Seite 271 ebd.). Auch Moritz Heinrich Romberg (1795-1873), Leiter der damaligen Poliklinik der medizinischen Fakultät, Berlin, zeigte grosses Interesse an Remaks Versuchen zur Galvanotherapie bei der Diagnostik und Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Migräne, Lähmungen, Paralysis agitans (Parkinson) und Tabes dorsales (Neuro-Syphilis) (REMAK, Galvanotherapie, 1858, VII. Therapeutischer Werth des constanten Stromes, Seite 272, ebd.). Ebenfalls setzt sich Remak in seinem Werk mit den therapeutischen „Indicationen“ der Galvanotherapie auseinander (REMAK, Galvanotherapie, 1858. Seite 267, ebd.), die auf seinen mehr als 1000 therapeutischen Anwendungen basieren. Vergleicht man die Remak´schen „Indicationen“ mit denjenigen zur Anwendung der Iontophorese, oder dem Stangerbad, so stellt man hier grosse Ähnlichkeiten fest (SHRIBER, J.W., "A manual of electrotherapy", Lea & Febiger, Philadelphia 1979, USA, Seite 132 ff), wie z.B. die Anwendung in der Prävention und Behandlung von Entzündungen, Hauterkrankungen und Rheuma, auf die auch schon Martens für seine Galvani-Voltaische Säule hingeweisen hat (MARTENS, Galvanismus, 1803, Fünfte Abteilung: §82. Anwendbarkeit des Galvanismus in Krankheiten, Seite 205 ff), und unter dem Begriff Detoxator in der Medizin zusammengefasst werden, nämlich:

  • Gegen Gicht und chronisches Hüftweh (Coxarthrose, Neuralgie)
  • Gegen unterdrückte monatliche Reinigung (Amenorroe)
  • Gegen örtliche und allgemeine Lähmungen (periphere Neuropathie)
  • Krankheiten der Augen (Makuladegeneration durch Zink-Mangel)
  • Rheumatisches Zahnweh und rheumatischer Kopfschmerz (Migräne)
  • Örtliche Hauterkrankungen (Ulcus cruris, Tinea)
  • Gegen örtliche und allgemeine Entzündungen Polyarthritis, Colitis ulcerosa)
  • Gegen die Verkrampfung der Muskulatur (Fibromyalgie)

Für alle von Remak aufgestellten „Indicationen“ werden in seinem Werk ausführlich wissenschaftlich begründete Erklärungen in der Anwendung am Menschen und Beispiele von Behandlungen aufgeführt. Deutlich weist Remak auf die von Martens geforderte ärztliche Kompetenz in der Anwendung der Galvanotherapie beim Menschen (MARTENS, Galvanismus, 1803, Seite 13-14 ebd.). Bei seiner galvanotherapeutischen Forschung arbeitete Remak eng mit Berliner Privat- und staatlichen Gewerbeärzten zusammen, die ihm Patienten zur Behandlung in seine Privatordination zuwiesen. Zahlreiche Besuche in Wien (REMAK, R. (1861), „Ueber die Anwendung elektrischer Stroeme in der praktischen Heilkunde“, Oesterr. Zschr. Prakt. Heilk., 7 , S. 717-721), Paris bei Duchenne (REMAK, R. (1860) “Remarques sur làction du Courant galvanique continu”. J. physiol.. Paris, 3 (= Brown-Sequards Journal), Seite 439-442) , (DUCHENNE, (Paris 1855), De L`electrisation localisee, Seite 8), und in London, wo er vor der Akademie der Wissenschaften seine galvanotherapeutischen Arbeiten referierte, stellten den Bezug zum internationalen Umfeld in der Galvanotherapie her (REMAK, R. (1858) „On the therapeutical action of the constant galvanic current“, Medical Times and Gazette, London, Vol 14, No 410, Seite 479-480). Im Rahmen dieser von 1856 bis zu seinem Tod in 1864 intensiv durchgeführten Forschungsarbeiten lieferte Remak als erster eine wissenschaftliche Erklärung für die „katalytischen Wirkungen des constanten galvanischen Stromes“ in der therapeutischen Anwendung am Menschen (REMAK, Galvanotherapie, 1858, Seite 283-458, ebd.). Damit beschrieb Remak die unmittelbare Einwirkung des elektrischen Stromes auf „entzuendliche Zustaende“ zahlreicher akuter und chronischer Krankheitsbilder im Zusammenhang mit der mittelbaren Wirkung des elektromagnetischen Feldes, die von Jallabert und Marat in Paris aufgefunden, aber nicht erklärt werden konnten. Remak beschrieb unter der Anwendung des Galvanoskop eine Anregung des gesamten Metabolismus mit vermehrtem Abtransport von extrazellularer Flüssigkeit aus krankhaftem Gewebe über die Lymphe. Diesen Vorgang bezeichnete Remak als „endosmotischen Säftestrom“ (REMAK, Galvanotherapie, 1858, S. 317, ebd.), hervorgerufen durch den Aktivionen-Effekt. Gerade dieser galvanotherapeutische Aktivionen-Effekt und das erzielte therapeutische Ergebnis wurden von Remak bei chronischen und rheumatischen Entzündungen mit Gelenködemen als vorteilhaft beschrieben. Zwar hatte Martens schon Kenntnis darüber (MARTENS, Galvanismus, 1803, Seite 98, ebd.), dass es unter der Anwendung des galvanischen Strom an der Anode zu einer Gelbfärbung von Lackmusspapier (Anodenoxydation mit Freisetzung von Wasserstoffionen) und an der Kathode zu einer Blaufärbung durch Reduktion und Freisetzung von Hydroxylionen kommt. Die therapeutischen Auswirkungen jedoch dieser elektrochemischen Aktivionen-Effekt-Wirkungen mit Freisetzung von aktivierten Metallionen in das von Remak eingesetzte Dielektrikum waren wegen der Neuartigkeit dieses Verfahrens zum damaligen Zeitpunkt wissenschaftlich noch nicht untersucht und erfuhren erste Erklärungen durch Remak. Sein 461-Seiten umfassendes Werk über die Galvanotherapie deckt nahezu alle Fragen zu dieser neuartigen Therapieform ab. Nachvollziehbar ist, dass Remak mit seinem, für damalige Zeiten, sehr fortschrittlichen Denkansatz der ganzheitlichen Therapie ohne Berücksichtigung einzelner Organsysteme bei den meisten Mitgliedern der medizinischen Fakultät der Charite nicht auf verständliche Resonanz gestossen ist. Die universitären Meinungsbildner der Charite, zu deren innerem Zirkel sich Remak zeitlebens hingezogen fühlte, vertraten eher die Meinung der individuellen, auf einzelne, erkrankte Organe bezogenen Therapie, die im Gegensatz zu Remaks ganzheitlichem Therapieansatz in Form der neuartigen Galvanotherapie stand. Möglicherweise aus diesem Grund wurde seine mehrmals vorgetragene Bitte nach einer eigenen galvanotherapeutisch ausgerichteten Krankenstation in der Charite, ähnlich dem Vorbild des Guy`s Hospital in London, abschlägig beschieden. Unterstützung für seinen ganzheitlichen galvanotherapeutischen Ansatz mit Aktivionen-Effekt-Wirkung fand Remak eher bei seinen europäischen Kollegen in Paris und London. Die ablehnende Haltung der konservativ medizinischen Kreise der Charite, Berlin gegenüber der neuartigen Galvanotherapie ist möglicherweise aus dem Interessenkonflikt zwischen den klassisch-medizinischen Verfahren der damaligen Zeit und den sich rasch entwickelnden technischen Neuerungen in der Elektrizitätslehre zu verstehen.

Verzögerte Habilitation und Aufnahme in den universitären Kreis

Mit Abschluss seines Medizinstudiums 1838 sind bei Remak Bemühungen festzustellen, in der medizinischen Fakultät der Berliner Universität eine feste Professur und damit Anerkennung, regelmässiges Gehalt, Forschungsförderung, Prüfungskompetenz, und soziale Sicherheit für seine bis dahin ungewöhnlich erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeiten zu bekommen. Remaks Bemühungen in dieser Richtung fielen in eine Zeit der Emanzipation des jüdischen Bildungsbürgertums, die sich bis zur Revolution von 1848 hinzog. Auf Grund formalrechtlicher Diskriminierungen war es Bürgern „mosaischen Glaubens“ zwischen 1822 und 1848 nicht gestattet, ein staatliches Lehramt, z.B. eine Professur einzunehmen. Remak lehnte es mit seinen für damalige Verhältnisse liberal-revolutionären Vorstellungen ab, nur deshalb zum Christentum zu konvertieren, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Remak erklärte hierzu: “Auch habe ich von jeher den groessten Widerwillen gegen den Gedanken, durch Religionswechsel aeussere Vorteile zu erlangen“ (KALISCH, Judenfrage, 1860, Seite 23, ebd.). Während die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften überwiegend von wissenschaftlichen Leistungen abhing, war die Ernennung zur Professor an den staatlich finanzierten Universitäten grundsätzlich von politischem Wohlverhalten und zweitrangig von der wissenschaftlichen Qualifikation abhängig. Die konservativ-christlichen Verwaltungsbeamten des preussischen Kultusministeriums, die für die Ernennung der vom Staat finanzierten Professoren und Lehrer verantwortlich waren, betrachteten den Neoliberalismus des jüdischen Bildungsbürgertum mit tiefem Misstrauen. Namentlich sind hier die staatschristlichen Herren Kulturminister Karl Friedrich von Stein zum Altenstein (1770-1840), sein Nachfolger Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, und der erzchristlich-antijudaisch ausgerichtete Kultusminister Otto von Raumer (1805-1859), zu nennen, die über lange Jahre hinweg die Habilitation Remaks durch Vorgabe formaljuristischer Bedenken hinsichtlich seiner liberalen Weltanschauung verzögerten. So mussten die Forderungen Remaks und seiner Kollegen nach Hinzuziehung der Öffentlichkeit bei Promotions-, und Arztprüfungen, oder bei Vergabe von akademischen Stellen an der Universität, bzw. Stipendien und Forschungsförderungen unter den Herren Kultusministern auf grosses Misstraunen und Zweifel an der Staatstreue Remaks gestossen sein. Derartige, ganz legitime, Forderungen nach Öffentlichkeit bei Arztprüfungen und Fakultätssitzungen wurden damals von Rudolf Virchow (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, Seite 47, ebd.), wie auch heute noch in einzelnen Ärztekammer der BRD, nämlich der Bayerische Landesaerztekammer, München, mit dem Argument abgelehnt, dass es sich nur um „Formalien“ handele, und deren Durchführung ein „Zeitverlust“ sei. Die eher vorgeschobenen Argumente waren damals aus historischer Sicht bei Remak wie auch heute noch Grund für Anschuldigungen von Manipulationen und Betrug in der Zulassung zum Facharzt, oder zum ordentlichen Professor. Der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) unterstützte Remak immer wieder gegen die beruflichen Beschränkungen seiner Widersacher im preussischen Kultusministerium. Erst die schriftliche Anweisung von König Friedrich Wilhelm IV von Preussen (1795 – 1861), datiert vom 08.03.1847, an das Kultusministerium ebnete den formaljuristischen Weg für Remaks universitäre Karriere (KALISCH, Judenfrage, 1860, Seite 26, ebd.). Ramaks langjähriger Protege, Alexander von Humboldt, hatte sich an den König mit Bitte um Intervention in der Habilitation von Remak gewandt (KALISCH, Judenfrage, 1860, 24-25, ebd.). Die hohe Anerkennung, die die medizinische Fakultät der Friedrich Wilhelm Universität, Berlin, der wissenschaftlichen Leistung Remaks entgegenbrachte, ist daran zu sehen, dass Remak als einer der ganz wenigen Habilitanten auf einstimmigen Fakultätsbeschluss hin ohne Habilitationsprüfung die venia docendi zuerkannt wurde. Er musste nur seine in lateinischer Sprache abgefasste Habilitationsantrittsrede halten mit dem Thema:„De exudatione materiae fibrinosae in membranis mucosis et glandulis quibusdam occurrente“: (Lit.: UA HU Berlin, Med. Fak., Nr. 36, Bl 27, Fakultätssitzung vom 28.09.1847).Unklar ist, warum sich der jüdische Kosmopolit Remak so sehr darauf konzentrierte, in Preussen eine Professur zu erhalten, wo er doch in Paris, London, und Krakau wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Embryologie und Galvanotherapie nicht nur bekannt war, sondern auch geschätzt wurde. Virchow empfahl Remak mit einem wohlwollenden Schreiben für eine ordentliche Professur an der Universität Krakau (VIRCHOW (8.10.1850), „Brief von Virchow an Remak über Professur in Krakau“, StaBi Preussischer Kulturbesitz in Berlin, Autographenabteilung, NL Remak 187, Kasten 5.), zu der er von dem Dekan der medizinischen Universität zu Krakau, Fryderik Kasimir Skobel (1806 – 1876), eingeladen worden war. Remak lehnte diese Stelle jedoch mit dem in polnischer Sprache verfassten Schriftsatz vom 28.11. 1850 an Skobel mit der Begründung ab, keine akademische Vorlesung in polnischer Sprache abhalten zu können (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, Seite 253, ebd.). Deshalb ist es fraglich, ob allein das Festhalten an seinem „mosaischen Glauben“ seine formalakademische Laufbahn verzögerte oder es möglicherweise in der Person des Robert Remak lag, dass seine Kariere im universitären Bereich verzögert wurde. Tatsache ist, dass der deutsche Physiker Peter Theophil Riess (1804-1883) im Jahr 1842 gegen den Willen des damaligen Kultusministers Eichhorn als erstes jüdisches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften, Berlin aufgenommen wurde. Remak war in seinem Medizinstudium nicht nur schnell sondern auch sehr erfolgreich, was ihm tatsächlich die Anerkennung und Protektion von seinen Lehrern Schönlein, Müller, und Ehrenberg einbrachte. Alexander von Humboldt war ein konstanter Förderer Remaks. Allerdings könnten die schon in jungen Jahren als Student erzielten wissenschaftlichen Erfolge bei seinen Kollegen nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid hervorgerufen haben. Zu Recht war Remak über Virchows Abhandlung über die Kernteilung verstört, ohne dass er und Günzburg in dieser berühmten Arbeit als Mitbegründer genannt wurden, obwohl Günzburg und Remak nachweislich Jahre vor Virchows Publikation auf die Kernteilung als Grund für die Gewebsvermehrung hingewiesen hatten. Auch die danach erfolgte Bevorzugung Virchows als ordentlicher Professor an der Charite 1856 könnte bei Remak auf Unverständnis gestossen sein, zumal hier keine antijudaische Rückweisung zu erkennen war. Remaks Hinwendung zur Galvanotherapie als neuartige medizinische Disziplin entfernte ihn von seinen Professoren-Kollegen, die sich eher mit greifbaren Fragestellungen aus der Pathologie, Chirurgie und Inneren Medizin beschäftigten. Diese Distanzierung zeigte sich auch in räumlicher Entfernung vom akademischen Alltag an der Charite durch die Auslagerung seiner galvanotherapeutischen Aktivionen-Effekt-Studien in seine Privatpraxis, da ihm keine eigene Krankenstation zu Versuchszwecken in der Charite genehmigt wurde.

Verzögerte Habilitation und Aufnahme in den universitären Kreis

Mit Abschluss seines Medizinstudiums 1838 sind bei Remak Bemühungen festzustellen, in der medizinischen Fakultät der Berliner Universität eine feste Professur und damit Anerkennung, regelmässiges Gehalt, Forschungsförderung, Prüfungskompetenz, und soziale Sicherheit für seine bis dahin ungewöhnlich erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeiten zu bekommen. Remaks Bemühungen in dieser Richtung fielen in eine Zeit der Emanzipation des jüdischen Bildungsbürgertums, die sich bis zur Revolution von 1848 hinzog. Auf Grund formalrechtlicher Diskriminierungen war es Bürgern „mosaischen Glaubens“ zwischen 1822 und 1848 nicht gestattet, ein staatliches Lehramt, z.B. eine Professur einzunehmen. Remak lehnte es mit seinen für damalige Verhältnisse liberal-revolutionären Vorstellungen ab, nur deshalb zum Christentum zu konvertieren, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Remak erklärte hierzu: “Auch habe ich von jeher den groessten Widerwillen gegen den Gedanken, durch Religionswechsel aeussere Vorteile zu erlangen“ (KALISCH, Judenfrage, 1860, Seite 23, ebd.). Während die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften überwiegend von wissenschaftlichen Leistungen abhing, war die Ernennung zur Professor an den staatlich finanzierten Universitäten grundsätzlich von politischem Wohlverhalten und zweitrangig von der wissenschaftlichen Qualifikation abhängig. Die konservativ-christlichen Verwaltungsbeamten des preussischen Kultusministeriums, die für die Ernennung der vom Staat finanzierten Professoren und Lehrer verantwortlich waren, betrachteten den Neoliberalismus des jüdischen Bildungsbürgertum mit tiefem Misstrauen. Namentlich sind hier die staatschristlichen Herren Kulturminister Karl Friedrich von Stein zum Altenstein (1770-1840), sein Nachfolger Johann Albrecht Friedrich Eichhorn, und der erzchristlich-antijudaisch ausgerichtete Kultusminister Otto von Raumer (1805-1859), zu nennen, die über lange Jahre hinweg die Habilitation Remaks durch Vorgabe formaljuristischer Bedenken hinsichtlich seiner liberalen Weltanschauung verzögerten. So mussten die Forderungen Remaks und seiner Kollegen nach Hinzuziehung der Öffentlichkeit bei Promotions-, und Arztprüfungen, oder bei Vergabe von akademischen Stellen an der Universität, bzw. Stipendien und Forschungsförderungen unter den Herren Kultusministern auf grosses Misstraunen und Zweifel an der Staatstreue Remaks gestossen sein. Derartige, ganz legitime, Forderungen nach Öffentlichkeit bei Arztprüfungen und Fakultätssitzungen wurden damals von Rudolf Virchow (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, Seite 47, ebd.), wie auch heute noch in einzelnen Ärztekammer der BRD, nämlich der Bayerische Landesaerztekammer, München, mit dem Argument abgelehnt, dass es sich nur um „Formalien“ handele, und deren Durchführung ein „Zeitverlust“ sei. Die eher vorgeschobenen Argumente waren damals aus historischer Sicht bei Remak wie auch heute noch Grund für Anschuldigungen von Manipulationen und Betrug in der Zulassung zum Facharzt, oder zum ordentlichen Professor. Der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) unterstützte Remak immer wieder gegen die beruflichen Beschränkungen seiner Widersacher im preussischen Kultusministerium. Erst die schriftliche Anweisung von König Friedrich Wilhelm IV von Preussen (1795 – 1861), datiert vom 08.03.1847, an das Kultusministerium ebnete den formaljuristischen Weg für Remaks universitäre Karriere (KALISCH, Judenfrage, 1860, Seite 26, ebd.). Ramaks langjähriger Protege, Alexander von Humboldt, hatte sich an den König mit Bitte um Intervention in der Habilitation von Remak gewandt (KALISCH, Judenfrage, 1860, 24-25, ebd.). Die hohe Anerkennung, die die medizinische Fakultät der Friedrich Wilhelm Universität, Berlin, der wissenschaftlichen Leistung Remaks entgegenbrachte, ist daran zu sehen, dass Remak als einer der ganz wenigen Habilitanten auf einstimmigen Fakultätsbeschluss hin ohne Habilitationsprüfung die venia docendi zuerkannt wurde. Er musste nur seine in lateinischer Sprache abgefasste Habilitationsantrittsrede halten mit dem Thema:„De exudatione materiae fibrinosae in membranis mucosis et glandulis quibusdam occurrente“: (Lit.: UA HU Berlin, Med. Fak., Nr. 36, Bl 27, Fakultätssitzung vom 28.09.1847).Unklar ist, warum sich der jüdische Kosmopolit Remak so sehr darauf konzentrierte, in Preussen eine Professur zu erhalten, wo er doch in Paris, London, und Krakau wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Embryologie und Galvanotherapie nicht nur bekannt war, sondern auch geschätzt wurde. Virchow empfahl Remak mit einem wohlwollenden Schreiben für eine ordentliche Professur an der Universität Krakau (VIRCHOW (8.10.1850), „Brief von Virchow an Remak über Professur in Krakau“, StaBi Preussischer Kulturbesitz in Berlin, Autographenabteilung, NL Remak 187, Kasten 5.), zu der er von dem Dekan der medizinischen Universität zu Krakau, Fryderik Kasimir Skobel (1806 – 1876), eingeladen worden war. Remak lehnte diese Stelle jedoch mit dem in polnischer Sprache verfassten Schriftsatz vom 28.11. 1850 an Skobel mit der Begründung ab, keine akademische Vorlesung in polnischer Sprache abhalten zu können (SCHMIEDEBACH, Remak, 1995, Seite 253, ebd.). Deshalb ist es fraglich, ob allein das Festhalten an seinem „mosaischen Glauben“ seine formalakademische Laufbahn verzögerte oder es möglicherweise in der Person des Robert Remak lag, dass seine Kariere im universitären Bereich verzögert wurde. Tatsache ist, dass der deutsche Physiker Peter Theophil Riess (1804-1883) im Jahr 1842 gegen den Willen des damaligen Kultusministers Eichhorn als erstes jüdisches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften, Berlin aufgenommen wurde. Remak war in seinem Medizinstudium nicht nur schnell sondern auch sehr erfolgreich, was ihm tatsächlich die Anerkennung und Protektion von seinen Lehrern Schönlein, Müller, und Ehrenberg einbrachte. Alexander von Humboldt war ein konstanter Förderer Remaks. Allerdings könnten die schon in jungen Jahren als Student erzielten wissenschaftlichen Erfolge bei seinen Kollegen nicht nur Bewunderung, sondern auch Neid hervorgerufen haben. Zu Recht war Remak über Virchows Abhandlung über die Kernteilung verstört, ohne dass er und Günzburg in dieser berühmten Arbeit als Mitbegründer genannt wurden, obwohl Günzburg und Remak nachweislich Jahre vor Virchows Publikation auf die Kernteilung als Grund für die Gewebsvermehrung hingewiesen hatten. Auch die danach erfolgte Bevorzugung Virchows als ordentlicher Professor an der Charite 1856 könnte bei Remak auf Unverständnis gestossen sein, zumal hier keine antijudaische Rückweisung zu erkennen war. Remaks Hinwendung zur Galvanotherapie als neuartige medizinische Disziplin entfernte ihn von seinen Professoren-Kollegen, die sich eher mit greifbaren Fragestellungen aus der Pathologie, Chirurgie und Inneren Medizin beschäftigten. Diese Distanzierung zeigte sich auch in räumlicher Entfernung vom akademischen Alltag an der Charite durch die Auslagerung seiner galvanotherapeutischen Aktivionen-Studien in seine Privatpraxis, da ihm keine eigene Krankenstation zu Versuchszwecken in der Charite genehmigt wurde.

Zusammenfassung

Betrachtet man die Gesamtheit der wissenschaftlichen Arbeiten Remaks, so stellt man eine grosse Aufgeschlossenheit für zahlreiche grundlegende Themen, gepaart mit einem breit angelegten, in die Tiefe gehenden Forschungsdrang fest. Dies zeigt sich an seinen grundlegenden mikroskopischen Arbeiten zur Embryologie, die Remak ganz richtig interpretierte bis hin zur Galvanotherapie. Remaks ganzheitlicher Therapieansatz, den er in der Anwendung der Galvanotherapie zeigte, stand im Gegensatz zur Lehrmeinung seiner damaligen Kollegen an der Charite, wird heute jedoch von der überwiegenden Mehrheit der Ärzteschaft weltweit vertreten. Zahlreiche seiner Arbeiten wurden trotz Remaks jüdischer Herkunft auch im nationalsozialistischen Deutschland gewürdigt.


Werke

  • 1836 Vorläufige Mittheilungen microscopischer Beobachtungen über den innern Bau der Cerebrospinalnerven und über die Entwickelung ihrer Formelemente in: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 145-161
  • 1843 Ueber den Inhalt der Nervenprimitivröhren in: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 197-201
  • 1852 Ueber extracellulare Entstehung thierischer Zellen und über die Vermehrung derselben durch Theilung in: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin: 47-57
  • 1840 Ueber die physiologische Bedeutung des organischen Nervensystems, besonders nach anatomischen Tatsachen in: Monatsschrift für Medizin, Augenheilkunde und Chirurgie 3: 225-265
  • 1850-1855 Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin